Moralische Panik: Unterschied zwischen den Versionen

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'''[[Stanley Cohen]]: ''Folk Devils and Moral Panics'''
'''[[Stanley Cohen]]: ''Folk Devils and Moral Panics'''
In ''Folk Devils and Moral Panics'' analysiert Stanley Cohen den Ausbruch einer moralischen Panik ausgelöst durch das deviante Verhalten jugendlicher Gruppen in britischen Kleinstädten. Auslöser der Panik war ein größerer Straßenkampf in „Clacton“, einem Küstenort in Großbritannien. Am Karsamstag im Jahr 1964 wurde Clacton Schauplatz einer Aufruhr von Jugendlichen. Es fand ein Streit darüber statt, dass ein Barbesitzer die Bedienung einer Gruppe Jugendlicher verweigerte. Daraufhin entwickelte sich ein Handgemenge, ein Pistolenschuss wurde abgegeben und eine Scheibe im Wert von 500 Pfund zerbrach. Die Polizei inhaftierte im Folgenden ca. 100 Jugendliche aufgrund missbräuchlichen Verhaltens gegenüber der Polizei.<ref Name=''The Inventory''>Cohen Stanley,''The Inventory''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.16-34)</ref> Die Reaktion der britischen Medien auf diesen Vorfall war enorm. Bis auf die britische [[''Times'']] befand sich das Ereignis auf allen Titelseiten. Dem [[Spiraleffekt]] folgend wurden jugendliche Gruppen, als ''Mods and Rockers'' bezeichnet und als gefährliche ''Folk Devils'' deklariert.<ref> Thomson, Kenneth: '' The Classic Moral Panic - Mods and Rockers'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 31 f.</ref> Cohen ging bei seiner Analyse von einem Stufenmodell aus, welches aus dem Bereich des [[''Katastrophenverhalten'']] stammt. Demzufolge ereignete sich bei den Vorfällen in Clacton zunächst eine anfänglich, deviante Phase, welche in eine Phase der Beständigkeit überging. Hierbei analysierte Cohen die Rolle der Medien nach drei Kriterien.  
In ''Folk Devils and Moral Panics'' analysiert Stanley Cohen den Ausbruch einer moralischen Panik ausgelöst durch das deviante Verhalten jugendlicher Gruppen in britischen Kleinstädten. Auslöser der Panik war ein größerer Straßenkampf in ''Clacton'', einem Küstenort in Großbritannien. Am Karsamstag im Jahr 1964 wurde Clacton Schauplatz einer Aufruhr von Jugendlichen. Es fand ein Streit darüber statt, dass ein Barbesitzer die Bedienung einer Gruppe Jugendlicher verweigerte. Daraufhin entwickelte sich ein Handgemenge, ein Pistolenschuss wurde abgegeben und eine Scheibe im Wert von 500 Pfund zerbrach. Die Polizei inhaftierte im Folgenden ca. 100 Jugendliche aufgrund missbräuchlichen Verhaltens gegenüber der Polizei.<ref Name=''The Inventory''>Cohen Stanley,''The Inventory''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.16-34)</ref> Die Reaktion der britischen Medien auf diesen Vorfall war enorm. Bis auf die britische [[''Times'']] befand sich das Ereignis auf allen Titelseiten. Dem [[Spiraleffekt]] folgend wurden jugendliche Gruppen, als ''Mods and Rockers'' bezeichnet und als gefährliche ''Folk Devils'' deklariert.<ref> Thomson, Kenneth: ''The Classic Moral Panic - Mods and Rockers'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 31 f.</ref> Cohen ging bei seiner Analyse von einem Stufenmodell aus, welches aus dem Bereich des [[''Katastrophenverhalten'']] stammt. Demzufolge ereignete sich bei den Vorfällen in Clacton zunächst eine anfänglich, deviante Phase, welche in eine Phase der Beständigkeit überging. Hierbei analysierte Cohen die Rolle der Medien nach drei Kriterien.  
# Übertreibung und Verzerrung: Cohen konnte in den Medienberichten ein breite Verwendung von melodramatischem Vokabular und sensationslüsternen Schlagzeilen erkennen. Außerdem wurden fälschliche Aussagen gemacht. Beispielsweise schrieb eine Zeitung, dass die Fenster aller Diskotheken zerbrochen waren. Faktisch gab es in Clacton aber nur eine Diskothek bei der nur einzelne Fenster zu Bruch gegangen waren. <ref Name="The role of the Media"> Thomson, Kenneth: ''The Role of the Media'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 33 f.</ref>
# Übertreibung und Verzerrung: Cohen konnte in den Medienberichten ein breite Verwendung von melodramatischem Vokabular und sensationslüsternen Schlagzeilen erkennen. Außerdem wurden fälschliche Aussagen gemacht. Beispielsweise schrieb eine Zeitung, dass die Fenster aller Diskotheken zerbrochen waren. Faktisch gab es in Clacton aber nur eine Diskothek bei der nur einzelne Fenster zu Bruch gegangen waren. <ref Name="The role of the Media"> Thomson, Kenneth: ''The Role of the Media'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 33 f.</ref>
# Prognosen: Die Zeitungen meldeten Prognosen über mögliche Wiederholungen und Ausbreitungen solcher Unruhen. Dabei gingen sie sogar von Verschlimmerungen der Situation und einer Bedrohung des Friedens aus.<ref Name="The role fo the Media"/>  
# Prognosen: Die Zeitungen meldeten Prognosen über mögliche Wiederholungen und Ausbreitungen solcher Unruhen. Dabei gingen sie sogar von Verschlimmerungen der Situation und einer Bedrohung des Friedens aus.<ref Name="The role fo the Media"/>  
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'''Bedeutung im Kontext aktueller Forschung'''
'''Bedeutung im Kontext aktueller Forschung'''


Das Konzept der ''Moral Panic'' entstand in den 1960-er aus der Verbindung von Theorieströmungen aus der [[kritischen Soziologie]],der [[Labeling Theorie]] und den [[''cultural politics'']] <ref=Name>Cohen, Stanley:''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002, Routledge, London, S. vii-xxxv</ref> Stanley Cohen benennt in der Einleitung zu ''Folk Devils and Moral Panics'' in der dritten Auflage aus dem Jahr 2002 einen aktualisierten Forschungskontext. Nach wie vor ist das Konzept der moralischen Panik in den [[Media and Cultural Studies]], in der [[Diskursanalyse]] sowie in der [[Soziologie über deviantes Verhalten]] präsent.
Das Konzept der ''Moral Panic'' entstand in den 1960-er aus der Verbindung von Theorieströmungen aus der [[kritischen Soziologie]],der [[Labeling Theorie]] und den [[''cultural politics'']] <ref name="Einleitung">Cohen, Stanley:''Introduction to the Third Edition''In:''Folk Devils and Moral Panics'', 2002, Routledge, London, S. vii-xxiv</ref>  
Stanley Cohen benennt in der Einleitung zu ''Folk Devils and Moral Panics'' in der dritten Auflage aus dem Jahr 2002 einen aktualisierten Forschungskontext. Nach wie vor ist das Konzept der moralischen Panik in den [[Media and Cultural Studies]], in der [[Diskursanalyse]] sowie in der [[Soziologie über deviantes Verhalten]] präsent.
Cohen fasst zudem sieben Cluster sozialer Identitäten zusammen, in dessen Umfeld moralische Panik öfter auftreten:  
Cohen fasst zudem sieben Cluster sozialer Identitäten zusammen, in dessen Umfeld moralische Panik öfter auftreten:  
* junge, gewaltbereite Männer aus der [[Arbeiterklasse]]
* junge, gewaltbereite Männer aus der [[Arbeiterklasse]]
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* Sex, Gewalt und gegenseitiges Anlasten der Medien
* Sex, Gewalt und gegenseitiges Anlasten der Medien
* wohlfahrtstaatlicher Maßnahmen im Kontext alleinerziehende Mütter
* wohlfahrtstaatlicher Maßnahmen im Kontext alleinerziehende Mütter
* Flüchtlinge und Asylbewerber, die auf Kosten der Steuerzahler leben <ref Name=''Introduction the the Third Edition'' S.viii-xxi/>
* Flüchtlinge und Asylbewerber, die auf Kosten der Steuerzahler leben <ref name="Einleitung" />


Zudem weist Cohen daraufhin, dass die Betrachtung der Medien im aktuellen Forschungskontext moralischer Panik von hoher Wichtigkeit sei. Medien gelten als erste Quelle der öffentlichen Meinung und des daraus resultierenden Wissens über die Devianz der als sozial problematisch bezeichneten Verhaltensweisen. Dabei erfüllen sie drei Rollen <ref Name=''Introduction the the Third Edition'' S.xxiii-xxv/>:
Zudem weist Cohen daraufhin, dass die Betrachtung der Medien im aktuellen Forschungskontext moralischer Panik von hoher Wichtigkeit sei. Medien gelten als erste Quelle der öffentlichen Meinung und des daraus resultierenden Wissens über die Devianz der als sozial problematisch bezeichneten Verhaltensweisen. Dabei erfüllen sie drei Rollen <ref Name="Einleitung" />:
# Weichenstellung: Die Repräsentanten der Medien treffen die Auswahl über sozialproblematische Vorfälle.  
# Weichenstellung: Die Repräsentanten der Medien treffen die Auswahl über sozialproblematische Vorfälle.  
# Transmission der Darstellung: Innerhalb der medialen Berichterstattung findet eine Übertragung in eine spezifische Rhetorik statt.
# Transmission der Darstellung: Innerhalb der medialen Berichterstattung findet eine Übertragung in eine spezifische Rhetorik statt.
# Durchbrechen der Stille: Medien treten mittlerweile selber als Anspruchssteller auf. Schlagzeilen lauten beispielsweise folgendermaßen: ''Would you like a paedophile as your neighbour?''<ref>aus ''The Sun''</ref)
# Durchbrechen der Stille: Medien treten mittlerweile selber als Anspruchssteller auf. Schlagzeilen lauten beispielsweise folgendermaßen: ''"Would you like a paedophile as your neighbour?"''<ref>''The Sun''</ref>
Insgesamt konnte eine verstärkte Einmischung der Medien als auch eine Veränderungen der medialen Berichterstattung über abweichendes Verhalten beobachtet werden. [[Kriminalität]] und abweichendes Verhalten gelten zunächst als weit verbreitet in der Gesellschaft. Es findet zudem eine stärkere Fokussierung der Opfer statt. Der Hintergrund des Täters, seine Motive und sein Kontext treten dadurch in den Hintergrund und werden leichter ''dämonisiert''. Insgesamt hat sich die Repräsentantion von Kriminalität in den Medien gewandelt und es gibt Entwicklungen die als Virtuelle Gerichtsvollzug (''virtual vigilantism'')<ref>Reiner,Robert''The Rise of Virtual Vigilantism: Crime Reporting Since World War II'', Criminal Justice Matters 43 (Spring 2001) aus Cohen,Stanley:Folk Devils and Moral Panics,2002, Routledge, London, S. xxiv< /ref> bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang stehen auch die Boulveradblätter sowie Talkshows. <ref Name=''Introduction the the Third Edition'' S.xxiii-xxv/>
Insgesamt konnte in den letzten Jahren sowohl eine verstärkte Einmischung der Medien als auch eine Veränderungen der medialen Berichterstattung über [[abweichendes Verhalten]] beobachtet werden. [[Kriminalität]] und abweichendes Verhalten werden als in der Gesellschaft weit verbreites Phänomen dargestellt. Zudem findet eine stärkere Fokussierung der Opfer statt. Der Hintergrund des Täters, seine Motive und sein Kontext, treten dadurch in den Hintergrund und werden leichter ''dämonisiert''. Insgesamt hat sich die Repräsentantion von Kriminalität in den Medien gewandelt und es gibt Entwicklungen die als [[Virtuelle Gerichtsvollzug]] (''virtual vigilantism'')<ref>Reiner,Robert''The Rise of Virtual Vigilantism: Crime Reporting Since World War II'', Criminal Justice Matters 43 (Spring 2001) aus Cohen,Stanley:''Folk Devils and Moral Panics'',2002, Routledge, London, S. xxiv </ref> bezeichnet werden. Diese Entwicklungen können vor allem in den Boulveradblätter sowie Talkshows beobachtet werden. <ref name="Einleitung" />  
 
*Risk Society
*Risk Society
* Veränderungen: qualitativ und quantitativ
* Veränderungen: qualitativ und quantitativ
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== Besorgnis (Concern) ==
== Besorgnis (Concern) ==
Innerhalb der Gesellschaft entstehen Befürchtungen über das spezifische Verhalten einer Gruppe. Dieses wird als abweichend und bedrohend empfunden. Die Befürchtungen kommen in Form öffentlicher Umfragen, Medienkommentare, Gesetzgebungen oder sozialen Bewegungen zum Ausdruck. <ref name=''Indicators of the Moral Panic''> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Indicators of the Moral Panic'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 33 </ref>
Innerhalb der Gesellschaft entstehen Befürchtungen über das spezifische Verhalten einer Gruppe. Dieses wird als abweichend und bedrohend empfunden. Die Befürchtungen kommen in Form öffentlicher Umfragen, Medienkommentare, Gesetzgebungen oder sozialen Bewegungen zum Ausdruck. <ref name="Indicators of the Moral Panic"> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Indicators of the Moral Panic'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 33- </ref>




== Feindesligkeit (Hostility) ==
== Feindesligkeit (Hostility) ==
Es liegt eine kollektiv geteilte Feindseligkeit gegenüber der als Bedrohungen und als grundsätzlich bösartig empfundenen Gruppe oder Klasse vor. Dabei entsteht eine Dichotomie zwischen 'Wir'' und ''Denen'', welche durch die Bildung von [[Stereotypen]] forciert wird. Diese [[Stereotypenbildun]] weist in ihrer Struktur Ähnlichkeiten zu den Stereotypen, welche bei der Verdächtigung von Kriminellen greifen, auf. <ref name=''Indicators of the Moral Panic'' S. 33 f./>
Es liegt eine kollektiv geteilte Feindseligkeit gegenüber der als Bedrohungen und als grundsätzlich bösartig empfundenen Gruppe oder Klasse vor. Dabei entsteht eine Dichotomie zwischen 'Wir'' und ''Denen'', welche durch die Bildung von [[Stereotypen]] forciert wird. Diese [[Stereotypenbildun]] weist in ihrer Struktur Ähnlichkeiten zu den Stereotypen, welche bei der Verdächtigung von Kriminellen greifen, auf. <ref name="Indicators of the Moral Panic"/>


== Übereinstimmung (Consensus) ==
== Übereinstimmung (Consensus) ==
Um von einer moralischen Panik zu sprechen besteht keine Voraussetzung darin, dass die gesamte Gesellschaft die Besorgnis über das Verhalten einer Gruppe teilen muss. Da Gefahr eine subjektiv wahrgenommene Größe darstellt, kann es  keine klare Definition über deren Ausmaß geben. Wann in einer Situation von einer Gefahrensituation gesprochen werden kann ist relativ. Demzufolge gilt für das Auftreten einer moralischen Panik, dass ein substantieller Teil der Bevölkerung Besorgnis über ein Verhalten zeigt und diese Sorge in den [[fünf Segmenten]] zum Ausdruck gebracht wird.<ref name=''Indicators of the Moral Panic'' S. 34 f />
Um von einer moralischen Panik zu sprechen besteht keine Voraussetzung darin, dass die gesamte Gesellschaft die Besorgnis über das Verhalten einer Gruppe teilen muss. Da Gefahr eine subjektiv wahrgenommene Größe darstellt, kann es  keine klare Definition über deren Ausmaß geben. Wann in einer Situation von einer Gefahrensituation gesprochen werden kann ist relativ. Demzufolge gilt für das Auftreten einer moralischen Panik, dass ein substantieller Teil der Bevölkerung Besorgnis über ein Verhalten zeigt und diese Sorge in den [[fünf Segmenten]] zum Ausdruck gebracht wird.<ref name="Indicators of the Moral Panic" />


== Disproportionalität (Disproportionality) ==
== Disproportionalität (Disproportionality) ==
Disproportionalität beschreibt die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem in der Gesellschaft subjektiv wahrgenommenen und objektiven Ausmaß der Gefahr. Folgendes Zitat benennt diese Unverhältnismäßigkeit in ihrem Kern: ''Objective molehills have been made into subjective mountains.''<ref> Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: '' Journal for the Theory of Social Behaviour'' ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56 </ref> Der [[Aspekt der Disproportionalitä]] ist umstritten, da es sich hierbei um eine Größe handelt, die nicht messbar ist. Kritiker gehen davon aus, dass Disproportionalität sozial konstruiert ist und objektiv gesehen eine leere Hülle darstellt. Yehuda und Goode zufolge kann ein gewisses Ausmaß an Disproportionalität anhand einer Gegenüberstellung von empirischen Datenmaterial und den im öffentlichen Diskurs geführten Aussagen festgestellt werden. In der Feststellung von Disproportionalität ist es sinnvoll zwischen aktuellen (z.B. Drogenmissbrauch) und zukünftigen (z.B. Klimawandel) Bedrohungen zu unterscheiden.<ref name=''Indicators of the Moral Panic'' S. 36 ff./>  
Disproportionalität beschreibt die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem in der Gesellschaft subjektiv wahrgenommenen und objektiven Ausmaß der Gefahr. Folgendes Zitat benennt diese Unverhältnismäßigkeit in ihrem Kern: ''"Objective molehills have been made into subjective mountains."''<ref>Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: '' Journal for the Theory of Social Behaviour'' ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56 </ref> Der [[Aspekt der Disproportionalitä]] ist umstritten, da es sich hierbei um eine Größe handelt, die praktisch nicht messbar ist. Kritiker gehen davon aus, dass Disproportionalität sozial konstruiert ist und objektiv gesehen eine leere Hülle darstellt. Die empirische Validität ist folglich fragwürdig. Yehuda und Goode zufolge kann ein gewisses Ausmaß an Disproportionalität allerdings anhand einer Gegenüberstellung von empirischen Datenmaterial und den im öffentlichen Diskurs geführten Aussagen festgestellt werden. In der Feststellung von Disproportionalität ist es sinnvoll zwischen aktuellen [[(z.B. Drogenmissbrauch)]] und zukünftigen (z.B. Klimawandel) Bedrohungen zu unterscheiden.<ref name="Indicators of the Moral Panic" />  




== Volatilität (Volatility) ==
== [[Volatilität]] (Volatility) ==
Das Ausmaß einer moralische Panik ist temporär begrenzt und von schwankender Intensität gekennzeichnet. Die dabei aufkommende, extreme Feindseligkeit von Bevölkerungsteilen gegenüber sozialen Gruppen ist nur über einen begrenzten Zeitraum tragfähig. Oftmals tritt eine moralische Panik erruptiv ein und kann anschließend wieder zügig verschwinden oder, nachdem sie ihren Lauf genommen hat, institutionalisiert werden. Bei länger andauernden Befürchtungen können moralische Paniken hintereinander auftreten.<ref name=''Indicators of the Moral Panic'' S. 38 /> Anhand der Dauer und den Schwankungen kann eine moralische Panik von anderen, öffentlichen Befürchtungen über mögliche Gefahren unterschieden werden.     
Das Ausmaß einer moralische Panik ist temporär begrenzt und von schwankender Intensität gekennzeichnet. Die dabei aufkommende, extreme Feindseligkeit von Bevölkerungsteilen gegenüber sozialen Gruppen ist nur über einen begrenzten Zeitraum tragfähig. Oftmals tritt eine moralische Panik erruptiv ein und kann anschließend wieder zügig verschwinden oder, nachdem sie ihren Lauf genommen hat, institutionalisiert werden. Bei länger andauernden Befürchtungen können moralische Paniken hintereinander auftreten.<ref name="Indicators of the Moral Panic" /> Anhand der Dauer und den Schwankungen kann eine moralische Panik von anderen, öffentlichen Befürchtungen über mögliche Gefahren unterschieden werden.     


Moralische Panik tritt auf sobald sich die folgenden vier Gebiete überlappen: 1. Devianz, soziale Probleme, kollektives Verhalten, soziale Bewegungen. <ref> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Moral Panics: Four Overlapping Terrotories'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 52 f. </ref>
Moralische Panik tritt auf sobald sich die folgenden vier Gebiete überlappen: Devianz, soziale Probleme, [[kollektives Verhalten]] und [[soziale Bewegungen]]. <ref> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Moral Panics: Four Overlapping Terrotories'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 52 f. </ref>




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== Medien ==
== Medien ==
Medien stellen in der Verbreitung moralischer Erregung eine Kernposition dar. Dabei funktionieren sie nach ihren eigenen Spielregeln. Die Informationsgewinnung in modernen Gesellschaften verläuft über den zweiten Weg, d.h. bevor die Informationen an die Öffentlichkeit gelangen wurden sie zuvor von politischen und kommerziellen Beschränkungen geformt. Ein Zitat von Cohen benennt diesen Umstand: ''"(…) this means that the information has been subject to alternative definitions of what constitutes news and how it should be gathered and presented."'' (Cohen S.7). Die [[Medienberichterstattung]] kennzeichnet sich zudem über hohe Auswirkungen auf die emotionale Gefühlslage ihrer Leserschaft. Meistens hinterlässt sie in der Darstellung ihrer Geschichten unklare Gefühlslagen, welche für den weiteren Verlauf einer moralischen Panik wesentlich sind. Darüber Hinaus weisen Medienberichten die Herstellung von Mythen (''myth-making'') auf und folgen einem stereotypen Muster. <ref> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Enter Stanley Cohen'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 f. </ref>
Medien stellen in der Verbreitung moralischer Erregung eine Kernposition dar. Dabei funktionieren sie nach ihren eigenen Spielregeln. Die Informationsgewinnung in modernen Gesellschaften verläuft über den zweiten Weg, d.h. bevor die Informationen an die Öffentlichkeit gelangen wurden sie zuvor von politischen und kommerziellen Beschränkungen geformt. Ein Zitat von Cohen benennt diesen Umstand: ''"(…) this means that the information has been subject to alternative definitions of what constitutes news and how it should be gathered and presented."'' <ref name="Mass Media">Cohen Stanley:''Deviance and Moral Panics''In:''Folk Devils and Moral Panics'', 2002,Routledge, London, S.1-16 </ref>. Die [[Medienberichterstattung]] weist zudem hohe Auswirkungen auf die emotionale Gefühlslage ihrer Leserschaft auf. Meistens hinterlässt sie in der Darstellung ihrer Geschichten unklare Gefühlslagen, welche für den weiteren Verlauf einer moralischen Panik wesentlich sind. Darüber Hinaus weisen Medienberichten die Herstellung von Mythen (''myth-making'') auf und folgen einem stereotypen Muster. <ref> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Enter Stanley Cohen'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 f. </ref>
Die mediale Berichterstattung steht auch in Verbindung mit einem verzeichneten Anstieg von devianten Verhalten. Hierbei stellt [[''Leslie T. Wilkins'']] in seinem Buch: ''Social deviance: social policy, action and research'' eine Reaktionsverkettung zwischen der medialen Berichterstattung, der gesellschaftlichen Reaktion und dem Anstieg von Devianz her.<ref> Wilkins, Leslie T.:"Social deviance: social policy, action and research'', 1964, London Travistock, Kap. 4 </ref> (Cohen S. 8-9) 
Die mediale Berichterstattung steht auch in Verbindung mit einem verzeichneten Anstieg von devianten Verhalten. Hierbei stellt [[''Leslie T. Wilkins'']] in seinem Buch: ''Social deviance: social policy, action and research'' eine Reaktionsverkettung zwischen der medialen Berichterstattung, der gesellschaftlichen Reaktion und dem Anstieg von Devianz her.<ref> Wilkins, Leslie T.:"Social deviance: social policy, action and research'', 1964, London Travistock, Kap. 4 </ref>


== Öffentlichkeit ==
== Öffentlichkeit ==
Um von einer moralischen Panik zu sprechen muss die Öffentlichkeit die Besorgnis über ein Verhalten ausdrücken. Nicht alle Medienberichte lösen eine moralischen Panik aus. Eine zentrale Voraussetzung besteht darin, dass innerhalb der Gesellschaft eine Unsicherheit und ein latentes Potenzial zum Ausbruch einer extremen Besorgnis bestehen.<ref Name= Actors in the Drama of the Moral Panic> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman:''Actors in the Drama of the Moral Panic'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 -28 </ref>  
Um von einer moralischen Panik zu sprechen muss die Öffentlichkeit die Besorgnis über ein Verhalten ausdrücken. Nicht alle Medienberichte lösen eine moralischen Panik aus. Eine zentrale Voraussetzung besteht darin, dass innerhalb der Gesellschaft eine Unsicherheit und ein latentes Potenzial zum Ausbruch einer extremen Besorgnis bestehen.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman:''Actors in the Drama of the Moral Panic'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 -28 </ref>  


== Polizei und Rechtsstaatlichkeit ==
== Polizei und Rechtsstaatlichkeit ==
Im öffentlichen und medialen [[Diskurs]] wird eine Unterbindung und stärkere Kontrolle des als bedrohlich deklarierten Verhaltens gefordert. Polizei und rechtliche Instanzen gelten als effektive Akteure um das abweichende Verhalten zu unterbinden und ein Gefühl der Kontrolle zu erzeugen. Die Forderungen und der erhöhte Einsatz von polizeilichen sowie gerichtlichen Maßnahmen können Strukturen einer [[Kultur der sozialen Kontrolle]] etablieren. (Cohen S.65) Nach Cohen ist die Reaktion einer Kultur der Kontrolle in drei Elementen geteilt: Diffusion, Eskalation und Innovation.
Im öffentlichen und medialen [[Diskurs]] wird eine Unterbindung und stärkere Kontrolle des als bedrohlich deklarierten Verhaltens gefordert. Polizei und rechtliche Instanzen gelten als effektive Akteure um das abweichende Verhalten zu unterbinden und ein Gefühl der Kontrolle zu erzeugen. Die Forderungen und der erhöhte Einsatz von polizeilichen sowie gerichtlichen Maßnahmen können Strukturen einer [[Kultur der sozialen Kontrolle]] etablieren.<ref name="social control">Cohen Stanley,''Reaction: The rescue and Remedy Phase''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.59-119)</ref> Nach Cohen ist die Reaktion einer Kultur der Kontrolle in drei Elementen geteilt: Diffusion, Eskalation und Innovation.
#Diffusion In diesem Zusammenhang erhält die Stärkung der Zusammenarbeit von Polizeistellen auf regionaler sowie nationaler Ebene und deren verstärkte Verbindungen zu nationalen, gerichtlichen Institutionen eine wichtige Bedeutung. Diese führt zu einer Diffusion des devianten Verhaltens auf größerer regionaler Ebene und wird in der Ausweitung von Polizeieinsätzen, polizeilichen Maßnahmen und dem Anstieg von Inhaftierungen ersichtlich.  
#Diffusion In diesem Zusammenhang erhält die Stärkung der Zusammenarbeit von Polizeistellen auf regionaler sowie nationaler Ebene und deren verstärkte Verbindungen zu nationalen und gerichtlichen Institutionen eine wichtige Bedeutung. Diese führt zu einer Diffusion des devianten Verhaltens auf größerer regionaler Ebene und wird in der Ausweitung von Polizeieinsätzen, polizeilichen Maßnahmen und dem Anstieg von Inhaftierungen ersichtlich.  
# Eskalation Das Ausmaß und die Intensität der Kultur der sozialen Kontrolle kann durch eines von der breiten Öffentlichkeit geteilten, generalisierten Systems von Überzeugungen über die Auslösenden des abweichenden Verhaltens zur Eskalation führen.  
# Eskalation Das Ausmaß und die Intensität der Kultur der sozialen Kontrolle kann durch eines von der breiten Öffentlichkeit geteilten, generalisierten Systems von Überzeugungen über die Auslösenden des abweichenden Verhaltens zur Eskalation führen.  
# Innovation Unter dem Leitsatz ''"new situations need new remedies"'' wird der Einsatz neuer Methoden und Kontrollen in rechtlichen Institutionen gefordert.<ref Name=''Actors in the Drama of the Moral Panic''/> (Cohen S. 80- 90) Dieser Teil der Reaktion wird von Cohen als Innovation bezeichnet. (Cohen/ Thomson S.37)
# Innovation Unter dem Leitsatz ''"new situations need new remedies"'' wird der Einsatz neuer Methoden und Kontrollen in rechtlichen Institutionen gefordert.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic"/> <ref name="social control">Cohen Stanley,''Reaction: The rescue and Remedy Phase''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.59-119)</ref> Dieser Teil der Reaktion wird von Cohen als Innovation bezeichnet.  


== Politik und Gesetzgeber ==
== Politik und Gesetzgeber ==
Stanley Cohen stellt in seinem Buch ''Folk Devils and Moral Panics'' fest, dass Politiker ein ausgeprägtes Interesse an Störungen bzw. Unruhen in ihren eigenen Wahlkreisen zeigen. Dabei verständigen sie sich im öffentlichen Rahmen mit den betroffenen Personen in ihrem Wahlkreis. Im Fall von Clacton wurden Berichte über Gespräche zwischen lokalen Politikern und Personen aus der Bevölkerung an das Innenministerium gesendet. Daraufhin erhielt die Diskussion über die Thematik Einzug in das britische Unterhaus und wurde somit auf nationaler politischer Ebene diskutiert.<ref Name= ''Actors in the Drama of the Moral Panic''/> Aufgrund der Diskussion in diesem politischen Rahmen können Gesetzesveränderungen hervorgebracht werden. Die Rolle der Politiker besteht zudem darin sich auf der Seite der ''Guten'' zu positionieren ''„Politicians and other groups alligned themselves against a devil and on the side of angels (...)“''.<ref Name= Actors in the Drama of the Moral Panic/> (Cohen S.140)
Stanley Cohen stellt in seinem Buch ''Folk Devils and Moral Panics'' fest, dass Politiker ein ausgeprägtes Interesse an Störungen bzw. Unruhen in ihren eigenen Wahlkreisen zeigen. Dabei verständigen sie sich im öffentlichen Rahmen mit den betroffenen Personen in ihrem Wahlkreis. Im Fall von ''Clacton'' wurden Berichte über Gespräche zwischen lokalen Politikern und Personen aus der Bevölkerung an das Innenministerium gesendet. Daraufhin erhielt die Diskussion über die Thematik Einzug in das britische Unterhaus und wurde somit auf nationaler, politischer Ebene diskutiert.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"/> Aufgrund der Diskussion in diesem politischen Rahmen können Gesetzesveränderungen hervorgebracht werden. Die Rolle der Politiker besteht zudem darin sich auf der Seite der ''Guten'' zu positionieren ''"Politicians and other groups alligned themselves against a devil and on the side of angels (...)“''.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />  


== Aktionsgruppen ==
== Aktionsgruppen ==
Moralische Panik kann die Entstehung von Kampagnen und  Aktionsgruppen hervorrufen. Diese Gruppen bilden sich aus der Bevölkerung heraus und werden auch als [[''moral entrepeneurs'']] <ref>Becker, Howard S.: Outsiders: Studies in the Sociology of Deviance, 1963, New York Free Press S.147 </ref>. Diese Gruppen bewerten die bereits existierende Rechtsmittel zur Unterbindung des devianten Verhaltens als ineffektiv. Sie werden auch als [[''geminal social movements'']], sogenannte [[''Grasswurzelbewegungen'']] aufgefasst..<ref Name=''Actors in the Drama of the Moral Panic''/>
Moralische Panik kann die Entstehung von Kampagnen und  Aktionsgruppen hervorrufen. Diese Gruppen bilden sich aus der Bevölkerung heraus und werden auch als [[''moral entrepeneurs'']] <ref>Becker, Howard S.:''Outsiders: Studies in the Sociology of Deviance'', 1963, New York Free Press S.147 </ref>. Diese Gruppen bewerten die bereits existierende Rechtsmittel zur Unterbindung des devianten Verhaltens als ineffektiv. Sie werden auch als [[''geminal social movements'']], sogenannte [[''Grasswurzelbewegungen'']] aufgefasst.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />


== weitere Merkmale ==
== weitere Merkmale ==
Zwei weitere Aspekte deuten darüber Hinaus auf das Vorhandensein einer moralische Panik hin: die Bestimmung sogenannter [[''folk devils'']] und die Existenz einer [[''Katastrophenmentalität'']].
Zwei weitere Aspekte deuten darüber Hinaus auf das Vorhandensein einer moralische Panik hin: die Bestimmung sogenannter [[''folk devils'']] und die Existenz einer [[''Katastrophenmentalität'']].


''Folk Devils'' sind sozial konstruierte Gruppen, die als grundsätzlich böse charakterisiert werden und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Diese Bezeichnung (im engl. auch [[labeling]] genannt) und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich auch in den Ausführungen der „Labeling Theory“ wiederfinden. .<ref Name= ''Actors in the Drama of the Moral Panic''/> Die soziale Herstellung von etwas grundsätzlich Bösen kann zudem in der Symbolik des [[''Sündenbockes'']]<ref>Sir James George Frazer, The golden bough: A study in Magic and Religion vol. 9, pt. 6, The scapegoat 1920; repr. New York: Elibron Classics, 2005 </ref>  wiedergefunden werden. Diese Symbolik ist der Logik der moralischen Panik ebenfalls inhärent, da die Bezeichnung einer Person oder einer Gruppe als moralische Bedrohung für die Stiftung einer Panik ausschlaggebend sein kann. (siehe auch (Lancaster 23)
''Folk Devils'' sind sozial konstruierte Gruppen, die als grundsätzlich böse charakterisiert werden und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Diese Bezeichnung (im engl. auch [[labeling]] genannt) und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich auch in den Ausführungen der ''[[Labeling Theory]]'' wiederfinden. .<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" /> Die soziale Herstellung von etwas grundsätzlich Bösen kann zudem in der Symbolik des [[''Sündenbockes'']]<ref>Sir James George Frazer, The golden bough: A study in Magic and Religion vol. 9, pt. 6, The scapegoat 1920; repr. New York: Elibron Classics, 2005 </ref>  wiedergefunden werden. Diese Symbolik ist der Logik der moralischen Panik ebenfalls inhärent, da die Bezeichnung einer Person oder einer Gruppe als moralische Bedrohung für die Stiftung einer Panik ausschlaggebend sein kann. (siehe auch (Lancaster 23)


Bei einer Katastrophenmentalität werden Parallelen zum Verhalten bei Naturkatastrophen sichtbar. Dies wird beispielsweise an relevanten Verhaltensweisen, die vor, während und nach Naturkatastrophen auftreten deutlich. Beispielsweise treten Vorhersagen über einen bevorstehenden Untergang auf, es findet eine Sensibilisierung für mögliche Signale statt. Zudem werden vermehrt Überreaktionen, Gerüchte über mögliche Ereignisse oder Auslöser falschen zum ersichtlich. (Cohen S. 144-48)
Bei einer Katastrophenmentalität werden Parallelen zum Verhalten bei Naturkatastrophen sichtbar. Dies wird beispielsweise an relevanten Verhaltensweisen, die vor, während und nach Naturkatastrophen auftreten, deutlich. Beispielsweise treten Vorhersagen über einen bevorstehenden Untergang auf und es findet eine Sensibilisierung für mögliche Signale statt. Zudem werden vermehrt Überreaktionen, Gerüchte über mögliche Ereignisse oder Auslöser von Fehlalarm ersichtlich.<ref>Cohen Stanley,''The Control Agents''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S. 144-48)</ref>


Eine Logik, welche die Dynamik der moralischen Panik außerdem erklärt, liegt in der [[Tabuisierung]] von Handlungen. Sobald Handlungen tabuisiert werden scheint eine kollektive Übereinstimmung über darüber zu bestehen (siehe auch: A.R. Radcliffe- Brown, „Taboo“ in Reader in Comparative Religion, ed. William A. Lessa and Evon Z. Vogt (Evanston Ill. :Harper and Row 1979)  
Eine Logik, welche die Dynamik der moralischen Panik außerdem tangiert, liegt in der [[Tabuisierung]] von Handlungen. Sobald Handlungen tabuisiert werden scheint eine kollektive Übereinstimmung darüber zu bestehen. (siehe auch: A.R. Radcliffe- Brown, „Taboo“ in Reader in Comparative Religion, ed. William A. Lessa and Evon Z. Vogt (Evanston Ill. :Harper and Row 1979)  


5. Erklärungsansätze
5. Erklärungsansätze
Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren unterschiedliche Erklärungsansätze, welche sowohl aus der Kriminologie, Soziologie oder auch Psychologie stammen.  
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Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der Modernisierung der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die Theorie der Risikogesellschaft nach Ulrich Beck (1992) herangezogen. Darin wird davon ausgegangen, dass durch die Produktion von erhöhtem Risiko auch das Bewusstsein über mögliche Risiken ansteigt, welches zu einer veränderten sozialen und politischen Dynamik führt. (Thomson s.22)  
Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.  
* Risikogesellschaft
Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immer fortmodernisierenden Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die [[Theorie der Risikogesellschaft]] nach [[Ulrich Beck]] (1992) herangezogen. Darin wird davon ausgegangen, dass durch die Produktion von erhöhtem Risiko auch das Bewusstsein über mögliche Risiken ansteigt, welches letztendlich zu einer veränderten sozialen und politischen Dynamik führt. (Thomson s.22) Diese drückt sich darin aus, dass laut Cohen eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche auch in Strategien der Kriminalitätsbekämpfung zum Ausdruck kommt. <ref name="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxv-xxvi</ref> Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.<ref name="neue Theorien" />
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von Michel Focault wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse, beispielsweise über Sexualität oder Drogenmissbrauch, als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Prozess des Spiraleffektes eingeführt werden.
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von Michel Focault wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse, beispielsweise über Sexualität oder Drogenmissbrauch, als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Prozess des Spiraleffektes eingeführt werden.
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls Theorien für die Erklärung: Unter Rückgriff auf Freud steht moralische Panik häufig in Verbindung zu Verdrängung. Dabei wird davon ausgegangen, dass Panik oftmals der Ausdruck für irrationale, soziale, unbewusste Ängste ist. Phantasie bestimmt ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls Theorien für die Erklärung: Unter Rückgriff auf Freud steht moralische Panik häufig in Verbindung zu Verdrängung. Dabei wird davon ausgegangen, dass Panik oftmals der Ausdruck für irrationale, soziale, unbewusste Ängste ist. Phantasie bestimmt ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
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