Menschenhandel: Unterschied zwischen den Versionen

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Menschenhandel ist kein neues Phänomen – es gab ihn schon im Altertum –, doch in Folge der größeren Freizügigkeit, der zunehmenden Globalisierung und der Osterweiterung der EU ist der Menschenhandel zu einem nicht unbeachtlichen transnationalem Problem geworden. Laut EUROPOL ist der Menschenhandel nach Europa in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Die betroffenen Menschen kommen vor allem aus Russland, der Ukraine, Ostmittel- und Südosteuropa sowie Südostasien, Westafrika und Lateinamerika.
Menschenhandel ist kein neues Phänomen – es gab ihn schon im Altertum –, doch in Folge der größeren Freizügigkeit, der zunehmenden Globalisierung und der Osterweiterung der EU ist der Menschenhandel zu einem nicht unbeachtlichen transnationalem Problem geworden. Laut EUROPOL ist der Menschenhandel nach Europa in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Die betroffenen Menschen kommen vor allem aus Russland, der Ukraine, Ostmittel- und Südosteuropa sowie Südostasien, Westafrika und Lateinamerika.


==2 Opfergruppen und Migrationsmotivation==  
==Opfergruppen und Migrationsmotivation==  
===2.1 Opfergruppen===
===Opfergruppen===
Auch wenn Frauen gerade im Zusammenhang mit Zwangsprostitution die größte Opfergruppe ausmachen, sind doch auch Männer und Kinder vom Menschenhandel betroffen.   
Auch wenn Frauen gerade im Zusammenhang mit Zwangsprostitution die größte Opfergruppe ausmachen, sind doch auch Männer und Kinder vom Menschenhandel betroffen.   
Männliche Opfer von Menschenhandel finden sich unter anderem in Russland. Sie stammen meist aus der Ukraine oder Weißrussland und müssen oft körperlich und seelisch traumatische Lebens- und Arbeitsverhältnisse erdulden. Die meisten von ihnen verlassen diese Situation aus eigener Kraft, wenn ihnen klar geworden ist, dass sie für ihre Arbeit kein Geld bekommen. Ihnen fällt es oft schwer, sich als Opfer zu sehen; sie führen ihre Situation darauf, dass sie einfach Pech hatten, oder meinen, weil sie in der Rekrutierungsphase eine aktive Rolle gespielt hätten, seien sie keine Opfer.  
Männliche Opfer von Menschenhandel finden sich unter anderem in Russland. Sie stammen meist aus der Ukraine oder Weißrussland und müssen oft körperlich und seelisch traumatische Lebens- und Arbeitsverhältnisse erdulden. Die meisten von ihnen verlassen diese Situation aus eigener Kraft, wenn ihnen klar geworden ist, dass sie für ihre Arbeit kein Geld bekommen. Ihnen fällt es oft schwer, sich als Opfer zu sehen; sie führen ihre Situation darauf, dass sie einfach Pech hatten, oder meinen, weil sie in der Rekrutierungsphase eine aktive Rolle gespielt hätten, seien sie keine Opfer.  
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Es ist momentan nicht möglich, die national erhobenen Zahlen der Menschenhandelsopfer zu vergleichen. Nur wenige Staaten sammeln die Daten systematisch und der Begriff und der Umfang des Menschenhandels werden unterschiedlich ausgelegt. Die International Labour Organisation benutzt die Definition des Palermo-Protokolls und schätzt, dass im Jahr 2,4 Millionen Männer, Frauen und Kinder Opfer von Menschenhandel werden. Amnesty Internatio-nal geht von 700.000 bis 2 Millionen Menschen aus, die in die Prostitution gehandelt werden.
Es ist momentan nicht möglich, die national erhobenen Zahlen der Menschenhandelsopfer zu vergleichen. Nur wenige Staaten sammeln die Daten systematisch und der Begriff und der Umfang des Menschenhandels werden unterschiedlich ausgelegt. Die International Labour Organisation benutzt die Definition des Palermo-Protokolls und schätzt, dass im Jahr 2,4 Millionen Männer, Frauen und Kinder Opfer von Menschenhandel werden. Amnesty Internatio-nal geht von 700.000 bis 2 Millionen Menschen aus, die in die Prostitution gehandelt werden.


===2.2 Push- und Pull-Faktoren der Migrationsmotivation===  
===Push- und Pull-Faktoren der Migrationsmotivation===  
Wesentlicher Push-Faktor der Migrationsmotivation ist gewöhnlich die hohe Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern der Opfer des Menschenhandels. Der Arbeitsmarkt ist für Frauen nicht offen und es herrscht geschlechtsspezifische sowie ethnische oder sexuelle Diskriminierung. Aber auch Armut oder Flucht vor Verfolgung, Gewalt, Missbrauch und Menschen-rechtsverletzungen können ein Faktor sein, ebenso wie der Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur, innerstaatliche Konflikte oder Kriege. Gemeinsam ist fast allen Opfern des Menschenhandels die Annahme, dass es im Westen größere Möglichkeiten für sie gebe.   
Wesentlicher Push-Faktor der Migrationsmotivation ist gewöhnlich die hohe Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern der Opfer des Menschenhandels. Der Arbeitsmarkt ist für Frauen nicht offen und es herrscht geschlechtsspezifische sowie ethnische oder sexuelle Diskriminierung. Aber auch Armut oder Flucht vor Verfolgung, Gewalt, Missbrauch und Menschen-rechtsverletzungen können ein Faktor sein, ebenso wie der Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur, innerstaatliche Konflikte oder Kriege. Gemeinsam ist fast allen Opfern des Menschenhandels die Annahme, dass es im Westen größere Möglichkeiten für sie gebe.   
Pull-Faktor der Migrationsmotivation ist für die aus instabilen, wirtschaftlich schwachen Staaten stammenden Opfer des Menschenhandels die große sozioökonomische Attraktivität der Staaten Westeuropas und Nordamerikas. Sie erhoffen sich durch die Migration bessere Bildungsmöglichkeiten, dem Wegfall von Diskriminierung, einen Mindeststandard individueller Rechte, größere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, höhere Gehälter und angenehmere Arbeitsbedingungen.   
Pull-Faktor der Migrationsmotivation ist für die aus instabilen, wirtschaftlich schwachen Staaten stammenden Opfer des Menschenhandels die große sozioökonomische Attraktivität der Staaten Westeuropas und Nordamerikas. Sie erhoffen sich durch die Migration bessere Bildungsmöglichkeiten, dem Wegfall von Diskriminierung, einen Mindeststandard individueller Rechte, größere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, höhere Gehälter und angenehmere Arbeitsbedingungen.   
Auch die Nachfrage nach neuen Prostituierten in den Rotlichtmilieus der westlichen Staaten ist ein wichtiger Pull-Faktor. Das Landeskriminalamt Hamburg nimmt an, dass ungefähr 80 Prozent der nach Hamburg gehandelten Frauen wüssten, dass sie in der Prostitution würden arbeiten müssen. Nur die Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssten, seien ihnen vorher nicht bekannt. Auch sei die nach außen hin freie Entscheidung nur als relativ frei zu betrachten, da ihre Situation im Heimatland den Frauen häufig kaum eine Wahl lasse. Die Frauen hätten bei den Menschenhändlern hohe Schulden, weil sie für die Visabeschaffung etc. extreme Preise bezahlen müssten. So sei es für sie fast unmöglich, aus dieser Ausbeutungssituation herauszukommen.
Auch die Nachfrage nach neuen Prostituierten in den Rotlichtmilieus der westlichen Staaten ist ein wichtiger Pull-Faktor. Das Landeskriminalamt Hamburg nimmt an, dass ungefähr 80 Prozent der nach Hamburg gehandelten Frauen wüssten, dass sie in der Prostitution würden arbeiten müssen. Nur die Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssten, seien ihnen vorher nicht bekannt. Auch sei die nach außen hin freie Entscheidung nur als relativ frei zu betrachten, da ihre Situation im Heimatland den Frauen häufig kaum eine Wahl lasse. Die Frauen hätten bei den Menschenhändlern hohe Schulden, weil sie für die Visabeschaffung etc. extreme Preise bezahlen müssten. So sei es für sie fast unmöglich, aus dieser Ausbeutungssituation herauszukommen.


===2.3 Rekrutierung und Routen===
===Rekrutierung und Routen===
Gerade in Entwicklungsländern und Transformationsstaaten werden bestimmte Methoden des Anwerbens von Frauen und Mädchen immer wieder angewandt. Zu den weiblichen Opfern wird auf lokaler Ebene eine Beziehung, oft auch eine Liebesbeziehung, aufgebaut. Die jungen Frauen und Mädchen werden dann überredet, ihre Familien für eine bessere Zukunft zu verlassen. Es geht dann weiter in größere, anonyme Städte, wo die Frauen schnell in ein Abhän-gigkeitsverhältnis geraten. Gewalt und Erpressung sowie häufig Vergewaltigungen folgen. Oft werden die Opfer weiterverkauft und ihnen wird sogar mit Gewalt gegenüber ihren Familien gedroht. Die meist naiven Frauen haben selten eine Möglichkeit, sich selbst aus dieser Situation zu befreien.   
Gerade in Entwicklungsländern und Transformationsstaaten werden bestimmte Methoden des Anwerbens von Frauen und Mädchen immer wieder angewandt. Zu den weiblichen Opfern wird auf lokaler Ebene eine Beziehung, oft auch eine Liebesbeziehung, aufgebaut. Die jungen Frauen und Mädchen werden dann überredet, ihre Familien für eine bessere Zukunft zu verlassen. Es geht dann weiter in größere, anonyme Städte, wo die Frauen schnell in ein Abhän-gigkeitsverhältnis geraten. Gewalt und Erpressung sowie häufig Vergewaltigungen folgen. Oft werden die Opfer weiterverkauft und ihnen wird sogar mit Gewalt gegenüber ihren Familien gedroht. Die meist naiven Frauen haben selten eine Möglichkeit, sich selbst aus dieser Situation zu befreien.   
Die Routen, auf denen die gehandelten Personen gewöhnlich nach Westeuropa gelangen, füh-ren alle durch sehr viele Länder. Die Balkanroute z.B. verläuft ausgehend von Zentral-, Vor-der oder Kleinasien über die Türkei und Griechenland durch die Balkanstaaten und Ungarn nach Österreich und Deutschland. Von hier kann es weiter in andere EU-Staaten oder in die Schweiz gehen.
Die Routen, auf denen die gehandelten Personen gewöhnlich nach Westeuropa gelangen, füh-ren alle durch sehr viele Länder. Die Balkanroute z.B. verläuft ausgehend von Zentral-, Vor-der oder Kleinasien über die Türkei und Griechenland durch die Balkanstaaten und Ungarn nach Österreich und Deutschland. Von hier kann es weiter in andere EU-Staaten oder in die Schweiz gehen.