Makrokriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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== Definition ==
== Definition ==
Der Begriff Makrokriminalität konzentriert sich auf die Großformen des Verbrechens und vereint damit kollektive Verbrechen mit hoher Destruktivität (vgl. Scheerer, S.246). Diese Art von Verbrechen werden von staatlichen Institutionen verübt, woraus sich eine relative Sanktionsimmunität ergibt (vgl. Jäger 1989, S.202; S.7). Die Makrokriminalität unterscheidet sich grundlegend von anderen Erscheinungsformen der Kriminalität, da für sie nicht das abweichende Verhalten charakteristisch ist, sondern die Konformität des Täters. Individuelles Handeln wird hierbei nicht als isolierte Tat oder punktuelles Ereignis gesehen sondern ist Teil eines kollektiven Aktionszusammenhangs, welcher die Rahmenbedingungen der individuellen Handlung darstellt. Ein Konflikt auf der Ebene der Gesamtgesellschaft (Makroebene) geht der einzelnen Tat voraus (vgl. Jäger 1989, S.11f).  
Der Begriff Makrokriminalität konzentriert sich auf die Großformen des Verbrechens und vereint damit kollektive Verbrechen mit hoher Destruktivität (vgl. Scheerer 1993, S.246). Diese Art von Verbrechen werden von staatlichen Institutionen verübt, woraus sich eine relative Sanktionsimmunität ergibt (vgl. Jäger 1989, S.202; S.7). Die Makrokriminalität unterscheidet sich grundlegend von anderen Erscheinungsformen der Kriminalität, da für sie nicht das abweichende Verhalten charakteristisch ist, sondern die Konformität des Täters. Individuelles Handeln wird hierbei nicht als isolierte Tat oder punktuelles Ereignis gesehen sondern ist Teil eines kollektiven Aktionszusammenhangs, welcher die Rahmenbedingungen der individuellen Handlung darstellt. Ein Konflikt auf der Ebene der Gesamtgesellschaft (Makroebene) geht der einzelnen Tat voraus (vgl. Jäger 1989, S.11f).  


=== Kern- und Randbereiche ===  
=== Kern- und Randbereiche ===  
Zu den Kernbereichen der Makrokriminalität zählen Kriege, Völker- und Massenmorde, nukleare Vernichtung, totalitäre Herrschaft, Staats- und Gruppenterrorismus, Minderheitenverfolgung, Kultur- und Religionskonflikte, Guerillakämpfe, revolutionäre und gegenrevolutionäre Bewegungen sowie akute politische Massensituationen (vgl. Jäger 1989, S.11). Ferner werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Menschenrechtsverletzungen sowie [[Genozid]] benannt (Neubauer 2002, S.295f; Scheerer S.246).
Zu den Kernbereichen der Makrokriminalität zählen Kriege, Völker- und Massenmorde, nukleare Vernichtung, totalitäre Herrschaft, Staats- und Gruppenterrorismus, Minderheitenverfolgung, Kultur- und Religionskonflikte, Guerillakämpfe, revolutionäre und gegenrevolutionäre Bewegungen sowie akute politische Massensituationen (vgl. Jäger 1989, S.11). Ferner werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Menschenrechtsverletzungen sowie [[Genozid]] benannt (Neubauer 2002, S.295f; Scheerer 1993 S.246).
Bezüglich der Randbereiche besteht dagegen noch Offenheit. Eine Grenzziehung setzt eine Bewertung der Phänomene voraus, dies kann und will der Begriff Makrokriminalität jedoch nicht leisten. Makrokriminalität ist daher als Rahmen zu verstehen. Sie soll in ihrer Funktion plakativ auf die kollektive Verbrechensdimension und deren Probleme hinweisen, ihre Übergänge sind fließend (vgl. Jäger 1989, S.12).
Bezüglich der Randbereiche besteht dagegen noch Offenheit. Eine Grenzziehung setzt eine Bewertung der Phänomene voraus, dies kann und will der Begriff Makrokriminalität jedoch nicht leisten. Makrokriminalität ist daher als Rahmen zu verstehen. Sie soll in ihrer Funktion plakativ auf die kollektive Verbrechensdimension und deren Probleme hinweisen, ihre Übergänge sind fließend (vgl. Jäger 1989, S.12).
==== Terrorismus ====
==== Terrorismus ====
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==== Wirtschafts- und Umweltkriminalität ====
==== Wirtschafts- und Umweltkriminalität ====
Einige Autoren beziehen [[Wirtschaftskriminalität|Wirtschafts]]- und [[Umweltkriminalität]] in die Betrachtung der Makrokriminalität ein, da auch diese Verbrechen im Kollektiv begangen werden und Großunternehmen als Machtapparate verstanden werden können (vgl. Michaelke, S.29). Hierzu besteht jedoch keine Einigkeit (vgl. Jäger 1995, S.326f).
Einige Autoren beziehen [[Wirtschaftskriminalität|Wirtschafts]]- und [[Umweltkriminalität]] in die Betrachtung der Makrokriminalität ein, da auch diese Verbrechen im Kollektiv begangen werden und Großunternehmen als Machtapparate verstanden werden können (vgl. Michaelke 1998, S.29). Hierzu besteht jedoch keine Einigkeit (vgl. Jäger 1995, S.326f).


== Empirie ==
== Empirie ==
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=== Abweichung - Konformität ===
=== Abweichung - Konformität ===
Kriminalität und Abweichung werden i.d.R. als zusammengehörig betrachtet. Die Phänomene der Makrokriminalität zeigen jedoch, dass ein beträchtlicher Teil von Verbrechen unter der Bedingung der Konformität gegenüber dem Kollektiv begangen wird. Damit unterscheiden sich diese Verbrechen von der individuellen Delinquenz. Das Handeln des Individuums folgt nicht persönlichen Motiven, Dispositionen oder Sozialisationsbedingungen sondern den Einstellungen, Zielen und Werten der Gruppe oder des Kollektivs (vgl. Jäger 1989, S.135). Es kommt zu einer kollektiven Veränderung moralischer Wertorientierungen, welche Hemmungen und Schuldmechanismen ausschalten, diese zumindest jedoch schwächen. Der Einzelne wird durch situative Einflüsse, externe Handlungsbedingungen und gruppendynamische Anpassungszwänge zu Handlungen getrieben, zu denen er aus eigenem Antrieb nicht in der Lage wäre (vgl. Jäger 1980, S.359).
Kriminalität und Abweichung werden i.d.R. als zusammengehörig betrachtet. Die Phänomene der Makrokriminalität zeigen jedoch, dass ein beträchtlicher Teil von Verbrechen unter der Bedingung der Konformität gegenüber dem Kollektiv begangen wird. Damit unterscheiden sich diese Verbrechen von der individuellen Delinquenz. Das Handeln des Individuums folgt nicht persönlichen Motiven, Dispositionen oder Sozialisationsbedingungen sondern den Einstellungen, Zielen und Werten der Gruppe oder des Kollektivs (vgl. Jäger 1989, S.135). Es kommt zu einer kollektiven Veränderung moralischer Wertorientierungen, welche Hemmungen und Schuldmechanismen ausschalten, diese zumindest jedoch schwächen. Der Einzelne wird durch situative Einflüsse, externe Handlungsbedingungen und gruppendynamische Anpassungszwänge zu Handlungen getrieben, zu denen er aus eigenem Antrieb nicht in der Lage wäre (vgl. Jäger 1980, S.359).
Daher kann die Abweichung nicht als flächendeckend kennzeichnend für Kriminalität betrachtet werden. Die Ausdehnung des Kriminalitätsbegriffs soll insoweit stattfinden, als dass er Kriminalität auch unter dem Aspekt der Konformität betrachtet. Die Frage stellt sich jedoch, ob der Kriminalitätsbegriff nicht genau an der Schwelle zur Makrokriminalität endet (vgl. Walter, S.82).
Daher kann die Abweichung nicht als flächendeckend kennzeichnend für Kriminalität betrachtet werden. Die Ausdehnung des Kriminalitätsbegriffs soll insoweit stattfinden, als dass er Kriminalität auch unter dem Aspekt der Konformität betrachtet. Die Frage stellt sich jedoch, ob der Kriminalitätsbegriff nicht genau an der Schwelle zur Makrokriminalität endet (vgl. Walter 1993 S.82).


=== Wahrnehmung von Kriminalität ===
=== Wahrnehmung von Kriminalität ===
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