Makrokriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Abweichung - Konformität ===
=== Abweichung - Konformität ===
Kriminalität und Abweichung werden i.d.R. als zusammengehörig betrachtet. Die Phänomene der Makrokriminalität zeigen jedoch, dass ein beträchtlicher Teil von Verbrechen unter der Bedingung der Konformität gegenüber dem Kollektiv begangen wird. Damit unterscheiden sich diese Verbrechen von der individuellen Delinquenz. Das Handeln des Individuums folgt nicht persönlichen Motiven, Dispositionen oder Sozialisationsbedingungen sondern den Einstellungen, Zielen, Werten etc. der Gruppe, Masse oder des kollektiven Systems (S.135). Es kommt zu einer kollektiven Veränderung moralischer Wertorientierungen, welche Hemmungen und Schuldmechanismen ausschalten,diese zumindest jedoch schwächen. Der Einzelne wird durch situative Einflüsse, externe Handlungsbedingungen und gruppendynamische Anpassungszwänge zu Handlungen getrieben, zu denen er aus eigenem Antrieb nicht in der Lage wäre (Jäger, 1980, S.359).
Kriminalität und Abweichung werden i.d.R. als zusammengehörig betrachtet. Die Phänomene der Makrokriminalität zeigen jedoch, dass ein beträchtlicher Teil von Verbrechen unter der Bedingung der Konformität gegenüber dem Kollektiv begangen wird. Damit unterscheiden sich diese Verbrechen von der individuellen Delinquenz. Das Handeln des Individuums folgt nicht persönlichen Motiven, Dispositionen oder Sozialisationsbedingungen sondern den Einstellungen, Zielen, Werten etc. der Gruppe oder des Kollektivs (vgl. Jäger 1989, S.135). Es kommt zu einer kollektiven Veränderung moralischer Wertorientierungen, welche Hemmungen und Schuldmechanismen ausschalten, diese zumindest jedoch schwächen. Der Einzelne wird durch situative Einflüsse, externe Handlungsbedingungen und gruppendynamische Anpassungszwänge zu Handlungen getrieben, zu denen er aus eigenem Antrieb nicht in der Lage wäre (vgl. Jäger 1980, S.359).
Daher kann die Abweichung nicht als flächendeckend kennzeichnend für Kriminalität betrachtet werden (S. 23). Die Ausdehnung des Kriminalitätsbegriffs soll insoweit stattfinden, als das er Kriminalität auch unter dem Aspekt der Konformität betrachtet. Die Frage stellt sich jedoch, ob der Kriminalitätsbegriff nicht genau an der Schwelle zur Makrokriminalität endet (Walter 93, S.82).
Daher kann die Abweichung nicht als flächendeckend kennzeichnend für Kriminalität betrachtet werden. Die Ausdehnung des Kriminalitätsbegriffs soll insoweit stattfinden, als dass er Kriminalität auch unter dem Aspekt der Konformität betrachtet. Die Frage stellt sich jedoch, ob der Kriminalitätsbegriff nicht genau an der Schwelle zur Makrokriminalität endet (vgl. Walter 1993, S.82).


=== Wahrnehmung von Kriminalität ===
=== Wahrnehmung von Kriminalität ===
Kollektivkriminalität wird häufig nicht als Erscheinungsform kriminellen Handelns erlebt, da sie außerhalb des Wahrnehmungshorizonts der Menschen liegt. Jäger spricht von einer "kollektiven Behinderung der Kriminalitätswahrnehmung". Unsere „Nahraum-Moral“ hindert uns daran, abstrakte und fernliegende Ereignisse als Kriminalität wahrzunehmen. Dieses normative Vakuum bedinge laut Jäger Verbrechen der Makrokriminalität. Dies muss kriminologisch bearbeitet werden (Jäger S.13).
Kollektivkriminalität wird häufig nicht als Erscheinungsform kriminellen Handelns erlebt, da sie außerhalb des Wahrnehmungshorizonts der Menschen liegt. Jäger spricht von einer "kollektiven Behinderung der Kriminalitätswahrnehmung" (1989, S.19). Unsere „Nahraum-Moral“ hindert uns daran, abstrakte und fernliegende Ereignisse als Kriminalität wahrzunehmen. Dieses normative Vakuum bedinge laut Jäger Verbrechen der Makrokriminalität. Dies muss kriminologisch bearbeitet werden (vgl. Jäger 1989 S.13).


=== Sanktionierung ===
=== Sanktionierung ===
Verbrechen ist assoziiert mit strafrechtlichen Sanktionsmechanismen, diese kennzeichnen ein Verbrechen. Eine solche Betrachtungsweise lässt sich jedoch nur mühevoll auf kollektive Großkonflikte beziehen. Makrokriminelle Verbrechen lassen sich auf Grund von tatbestandlichen Defintionensschwierigkeiten und Mangel an verfolgungsmöglichkeiten nur schwer mit der Anwendung des Strafrechts verhindern. Die Chance auf strafrechtliche Erfassung und Verfolgung ist gering (Walter 93 S.127). Jäger plädiert, im Sinne der Makrokriminalität, daher für eine weitestgehende Entkopplung von Verbrechensbegriff und praktischer Strafverfolgung und somit von Kriminologie und Strafrecht (S.21f).
Verbrechen ist assoziiert mit strafrechtlichen Sanktionsmechanismen, diese kennzeichnen ein Verbrechen. Eine solche Betrachtungsweise lässt sich jedoch nur mühevoll auf kollektive Großkonflikte beziehen. Makrokriminelle Verbrechen lassen sich auf Grund von tatbestandlichen Defintionensschwierigkeiten und Mangel an Verfolgungsmöglichkeiten nur schwer mit der Anwendung des Strafrechts verhindern. Die Chance auf strafrechtliche Erfassung und Verfolgung ist gering (vgl. Walter 1993, S.127). Jäger plädiert, im Sinne der Makrokriminalität, daher für eine weitestgehende Entkopplung von Verbrechensbegriff und praktischer Strafverfolgung und somit von Kriminologie und Strafrecht (1989, S.21f).


=== Schuld ===
=== Schuld ===
Der Verbrechensbegriff des deutschen Strafrechts setzt Schuld voraus. Im Falle von kollektiven Verbrechen ist die individuelle Verantwortlichkeit schwer zu bewerten, da auf Grund von Befehl, Unrechtsbewusstsein oder gruppenpsychologischen Einflüssen gehandelt wird. Darüber hinaus ist die Tat als Gesamtgeschehen nicht durch die individuelle Schuld eines Individuums erklärbar. Die Forderung steht seitens Jäger dahingehend, auch ungeklärte Unrechtsakte sowie legale Schädigungen als Teil der Kriminologie zu betrachten (Jäger S.23f). Die Frage nach der Zurechenbarkeit ist Teil des Forschungsinteresses.  
Der Verbrechensbegriff des deutschen Strafrechts setzt Schuld voraus. Im Falle von kollektiven Verbrechen ist die individuelle Verantwortlichkeit schwer zu bewerten, da auf Grund von Befehl, Unrechtsbewusstsein oder gruppenpsychologischen Einflüssen gehandelt wird. Darüber hinaus ist die Tat als Gesamtgeschehen nicht durch die individuelle Schuld eines Individuums erklärbar. Die Forderung steht seitens Jäger dahingehend, auch ungeklärte Unrechtsakte sowie legale Schädigungen als Teil der Kriminologie zu betrachten (1989, S.23f). Die Frage nach der Zurechenbarkeit ist Teil des Forschungsinteresses.


== Erklärungsansätze ==
== Erklärungsansätze ==
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