Lobbycontrol: Unterschied zwischen den Versionen

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===Indirekte Regulierung===
===Indirekte Regulierung===


Alle staatlich initiierten Maßnahmen zur Lobby-Regulierung lassen sich zunächst in indirekte und direkte Regulierungen unterteilen. Greifen direkte Regeln unmittelbar am konkreten Phänomen des Lobbyismus an, so versuchen die indirekten Regeln die Rahmenbedingungen zu beeinflussen, um so mittelbar regulativ ihre  Wirkung zu entfalten. Indirekte Regulierungsmaßnahmen u.a. Selbstverpflichtungsregeln/Verhaltenskodizies sowie Allgemeine Regel zuEthik und Korruption. Die Wirksamkeit solcher indirekten Maßnahmen ist abhängig von der internen Einhaltung und Akzeptanz der betroffenen Gruppen. In den USA, wo das Berufsbild des Lobbyisten eine weit weniger negative Konnotation besitzt, funktionieren diese Kodizies in der Regel weil sie allgemein akzeptiert sind und im Verlaufe der historischen Entwicklung des Selbstverständnis der Tätigkeit internalisiert wurden. In einem Land mit einer weniger langen Entwicklungsgeschichten des Lobbyismus wie z.B Deutschland oder zahlreiche postkommunistische Länder funktioniert diese indirekte Regulierung häufig nicht.  
Alle Maßnahmen zur Lobby-Regulierung lassen sich zunächst in indirekte und direkte Regulierungen unterteilen. Greifen direkte Regeln unmittelbar am konkreten Phänomen des Lobbyismus an, so versuchen die indirekten Regeln die Rahmenbedingungen zu beeinflussen, um so mittelbar regulativ ihre  Wirkung zu entfalten. Indirekte Regulierungsmaßnahmen u.a. Selbstverpflichtungsregeln/Verhaltenskodizies sowie Allgemeine Regel zuEthik und Korruption. Die Wirksamkeit solcher indirekten Maßnahmen ist abhängig von der internen Einhaltung und Akzeptanz der betroffenen Gruppen. In den USA, wo das Berufsbild des Lobbyisten eine weit weniger negative Konnotation besitzt, funktionieren diese Kodizies in der Regel weil sie allgemein akzeptiert sind und im Verlaufe der historischen Entwicklung des Selbstverständnis der Tätigkeit internalisiert wurden. In einem Land mit einer weniger langen Entwicklungsgeschichten des Lobbyismus wie z.B Deutschland oder zahlreiche postkommunistische Länder funktioniert diese indirekte Regulierung häufig nicht. Zu den staatlich initiierten indirekten Maßnahmen gehört u.a. auch die straf- und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen zur Korruption. Wie bereits erwähnt spielt die Korruption in der kriminologischen Relevanz des Lobbyismus lediglich eine Nebenrolle. Viele Parteispenden und Zahlungen für wenig konkrete und langfristig angelegte politische Grundsatzentscheidungen lassen sich nur schwer unter die einschlägigen Tatbestände subsumieren.   
Die Regulierung der Korruption ist daher nur indirekt für die Regulierung des Lobbyismus von Nutzen.


===Direkte Regulierung===
===Direkte Regulierung===


Direkte Lobby-Regulierung umfasst alle Maßnahmen, die konkret und individuell auf bestimmte Formen des Lobbyismus zugeschnitten sind. Staatlich initiierte Gesetze und Verordnungen versuchen direkt restriktiv auf den Lobbyismus einzuwirken. Die Bandbreite der dadurch erhofften Resultate reicht von der Schaffung einer weitgehenden Transparenz bis zum Verbot von erfolgsabhängiger Lobbytätigkeit. Die bereits erwähnten USA setzten bei der direkten Lobby-Regulierung innländischer Akteure vor allem auf "disclosure" also Offenlegung. Durch die Pflicht zur Registrierung und Offenlegung der Tätigkeit sollen Vernetzungen, Seilschaften und Geldflüsse für jedermann nachvollziehbar sein. Wie auch in anderen Bereichen in denen der Staat mit Verboten und Restriktionen handelt hängt hier der Erfolg von Aufsicht, Vollzug und Sanktion ab. In einem weiten Feld wie dem des Lobbyismus stößt die wirtschaftlich noch vertretbare Kontrolle aufgrund der erheblichen Datenmengen schnell an ihre Grenzen.  
Direkte Lobby-Regulierung umfasst alle Maßnahmen, die konkret und individuell auf bestimmte Formen des Lobbyismus zugeschnitten sind. Staatlich initiierte Gesetze und Verordnungen versuchen direkt restriktiv auf den Lobbyismus einzuwirken. Die Bandbreite der dadurch erhofften Resultate reicht von der Schaffung einer weitgehenden Transparenz bis zum Verbot von erfolgsabhängiger Lobbytätigkeit. Die bereits erwähnten USA setzten bei der direkten Lobby-Regulierung innländischer Akteure vor allem auf "disclosure" also Offenlegung. Durch die Pflicht zur Registrierung und Offenlegung der Tätigkeit sollen Vernetzungen, Seilschaften und Geldflüsse für jedermann nachvollziehbar sein. Wie auch in anderen Bereichen in denen der Staat mit Verboten und Restriktionen handelt hängt hier der Erfolg von Aufsicht, Vollzug und Sanktion ab. In einem weiten Feld wie dem des Lobbyismus stößt die wirtschaftlich noch vertretbare Kontrolle aufgrund der erheblichen Datenmengen schnell an ihre Grenzen. Aufgrund eines allgemein mangelnden Problembewusstseins für die Kehrseite des Lobbyismus gibt es in vielen Staaten keine direkte Lobby-Regulierung. In Deutschland mit seiner korporatistisch gewachsenen Verbandsstruktur herrscht diesbezüglich ein regelrechtes Regulierungsvakuum. 




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==Lobbyregulierung im Vergleich: USA und Deutschland ==
==Lobbyregulierung im Vergleich: USA und Deutschland ==


In Deutschland stellen die politischen Parteien eine herausragende Besonderheit dar. Die in der Verfassung verankerten Parteien erfüllen in Deutschland eine wichtige Rolle bei der Bündelung von Partikularinteressen und dienen der Interessenartikulation großer Bevölkerungsgruppen. Die insgesamt korporatistisch und überwiegend auf Konsens bedachten Strukturen in Deutschland sind für die Betrachtung der Thematik ebenfalls wichtig. Der Bundestag als Arbeitsparlament, in dem die parteiübergreifende Ausschussarbeitet überwiegt, ist seltener das Ziel von Lobbyisten als sein us-amerikanisches Pendant. Das personalisierte Verhältniswahlrecht führt zu einer insgesamt schwachen Wahlkreisbindung und regionalen Verbundenheit der Parlamentarier.In Deutschland wird der Verlauf der einzelnen Karrieren durch den Listenplatz und somit auch durch die Institution der Parteien bestimmt. Einen weiteren wesentlichen Faktor stellt die in Deutschland weniger restriktiv ausfallende Gewaltenteilung dar. Das jeweilige Kabinett, also die Exekutive, ist in der Regel auch mit Bundestagsmandaten ausgestattet und somit ebenfalls Teil der Legislative.  
Der Entwicklung des Lobbyismus folgt mit einiger zeitlicher Verzögerung die Entwicklung von gesetzlichen Rahmenbedingungen, um seinen Einfluss zu regulieren. Es darf daher nicht verwundern, dass die Lobbyregulierung in einem Land, das als „Erfinder“ des Lobbyismus gilt, längere Traditionen hat und in Teilen auch weitreichender ist, als in Deutschland.
In den Vereinigten Staaten gehen die Versuche, verbandliche Einflussnahme auf die Politik zu reglementieren, bis in das frühe 20. Jahrhundert zurück.102 Der jüngste Versuch ist der „Lobby Disclosure Act“ von 1995, eine Weiterentwicklung des „Federal Regulation of Lobbying Act“ von 1946.
In der Bundesrepublik existiert seit 1972 eine sogenannte „Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“, die beim Deutschen Bundestag geführt wird. In diese Liste haben sich auf der Basis von Freiwilligkeit Verbände und Verbandsvertreter einzutragen, die in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages gehört werden wollen. Die Verbände haben dafür formelle Daten wie Mitgliederzahl, Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Interessenbereich und die Namen der Lobbyisten am Parlamentssitz anzugeben.103 Eine Offenlegungspflicht von finanziellen Zuwendungen, dem konkreten Gegenstand der Einflussnahme oder der Adressaten der Lobbytätigkeit wie es der Lobbying Disclosure Act in den USA fordert, existiert in Deutschland nicht. Mögliche Gründe für die weniger strengen Regulierungen für Lobbyismustätigkeiten in Deutschland mag zum einen die geringere Bedeutung des Deutschen Bundestages als Ziel für Lobbyismus im Gegensatz zum Kongress in den USA sein und zum anderen der Tatsache geschuldet sein, dass die Bundesrepublik bisher von Skandalen hinsichtlich ausufernder Einflussnahme verschont wurde. Ob letzterer Aspekt nicht gerade einer fehlenden Offenlegungspflicht für lobbyistische Tätigkeiten geschuldet ist, bleibt ungewiss.
Nicht nur bei der Regulierung auf der Lobbyistenseite, sondern auch auf Seiten der Vorschriften für Abgeordnete fallen zwischen den USA und Deutschland große Unterschiede auf. Durch den „Ethics in Government Act“ ist die Höhe der Zusatzeinkünfte für Kongressabgeordnete in den USA auf 15% der Höhe der Diäten beschränkt.104 Für den Wechsel in eine Lobbytätigkeit nach dem Ausscheiden aus dem politischen Amt besteht in den Vereinigten Staaten eine Abkühlungsfrist von einem Jahr. In Deutschland existiert eine derartige Abkühlungsfrist nicht, weder für Abgeordnete noch für politische Beamte. Die Höhe der Zusatzeinkünfte für Bundestagsabgeordnete ist nicht beschränkt, auch wenn die „ [...] Ausübung des Mandats [...] im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages“105 stehen soll.  Bezüge aus Nebentätigkeiten müssen seit der Novellierung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 2005 pauschaliert offengelegt werden.106 Gegen diese Offenlegungspflicht richtete sich teils heftiger Widerstand aus Reihen der Parlamentarier.107
 
In Deutschland stellen die in der Verfassung verankerten politischen Parteien eine herausragende Besonderheit dar. Sie erfüllen in Deutschland eine wichtige Rolle bei der Bündelung von Partikularinteressen und dienen der Interessenartikulation großer Bevölkerungsgruppen. Die insgesamt korporatistisch und überwiegend auf Konsens bedachten Strukturen in Deutschland müssen bei der Betrachtung der Thematik ebenfalls berücksichtigt werden. Der Bundestag als Arbeitsparlament, in dem die parteiübergreifende Ausschussarbeitet überwiegt, ist seltener das Ziel von Lobbyisten als sein us-amerikanisches Pendant. Das personalisierte Verhältniswahlrecht führt zu einer insgesamt schwachen Wahlkreisbindung und regionalen Verbundenheit der Parlamentarier.In Deutschland wird der Verlauf der einzelnen Karrieren durch den Listenplatz und somit auch durch die Institution der Parteien bestimmt. Einen weiteren wesentlichen Faktor stellt die in Deutschland weniger restriktiv ausfallende Gewaltenteilung dar. Das jeweilige Kabinett, also die Exekutive, ist in der Regel auch mit Bundestagsmandaten ausgestattet und somit ebenfalls Teil der Legislative.  
Zusammenfassend kann man sagen, dass in Deutschland nur ein geringes Problembewusstsein bzw. kein Konzept vorhanden ist, um dem Phänomen des Lobbyismus adäquat zu begegnen. Die Gründe hierfür mögen in den korporatistischen Strukturen liegen, die in der Vergangenheit keinen Platz für professionellen Lobbyismus ließen. Der mit Globalisierungseffekten und dem Aufbrechen von nationalen Mikrokosmen verbundene Wandel hin zu einer zunehmend pluralistischen Struktur bewirkt ein regelrechtes Regulierungsvakuum auf diesem Bereich.   
Zusammenfassend kann man sagen, dass in Deutschland nur ein geringes Problembewusstsein bzw. kein Konzept vorhanden ist, um dem Phänomen des Lobbyismus adäquat zu begegnen. Die Gründe hierfür mögen in den korporatistischen Strukturen liegen, die in der Vergangenheit keinen Platz für professionellen Lobbyismus ließen. Der mit Globalisierungseffekten und dem Aufbrechen von nationalen Mikrokosmen verbundene Wandel hin zu einer zunehmend pluralistischen Struktur bewirkt ein regelrechtes Regulierungsvakuum auf diesem Bereich.   


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