Kriminogenese: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Kriminalität sei danach auf Traumatisierungen und Fehlentwicklungen in den einzelnen Phasen der Persönlichkeitsbildung zurückzuführen, die wie folgt aufgebaut sind: [http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungFreud.shtml]
Die Kriminalität sei danach auf Traumatisierungen und Fehlentwicklungen in den einzelnen Phasen der Persönlichkeitsbildung zurückzuführen, die wie folgt aufgebaut sind: [http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungFreud.shtml]


In der Oralen Phase (1. Lebenshalbjahr) wird das Urvertrauen aufgebaut (im besonderen Maße zur Mutter). Störungen in den ersten vier Wochen dieser Phase können zu einer schizoiden Persönlichkeitsstörung (Link zur Wiki) oder zu einer abhängigen Persönlichkeitsstörung führen.
In der Oralen Phase (1. Lebenshalbjahr) wird das Urvertrauen aufgebaut (im besonderen Maße zur Mutter). Störungen in den ersten vier Wochen dieser Phase können zu einer schizoiden Persönlichkeitsstörung [http://de.wikipedia.org/wiki/Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung] oder zu einer abhängigen Persönlichkeitsstörung führen.


In der narzisstischen Phase (2. Lebenshalbjahr) entdeckt das Kind den eigenen Körper und entwickelt dabei Lustgefühle (Autoerotismus). Dieses Verhalten stellt die Urform der Selbstliebe (Primärer Narzissmus) dar. Störungen in dieser Phase können im Erwachsenenalter zur Verminderung des Selbstvertrauens und der Selbstachtung, im Extremfall zu Depressionen führen.
In der narzisstischen Phase (2. Lebenshalbjahr) entdeckt das Kind den eigenen Körper und entwickelt dabei Lustgefühle (Autoerotismus). Dieses Verhalten stellt die Urform der Selbstliebe (Primärer Narzissmus) dar. Störungen in dieser Phase können im Erwachsenenalter zur Verminderung des Selbstvertrauens und der Selbstachtung, im Extremfall zu Depressionen führen.


Die anale Phase (2.-3. Lebensjahr) trägt zur Reinlichkeitserziehung, zum Erlernen des sozialen Miteinanders, zur Konfliktfähigkeit und zur späteren Über-Ich-Entwicklung bei. Nach Freud kann das Kind in der analen Phase in Konflikte geraten, je nachdem, wie von den Erziehern mit der Sauberkeitserziehung umgegangen wird. Ungelöste Probleme können unter Umständen zur Herausbildung eines so genannten „analen Charakters“ führen, der durch Geiz, Pedanterie und übertriebenen Ordnungssinn gekennzeichnet sein.
Die anale Phase (2.-3. Lebensjahr) trägt zur Reinlichkeitserziehung, zum Erlernen des sozialen Miteinanders, zur Konfliktfähigkeit und zur späteren Über-Ich-Entwicklung bei. Nach Freud kann das Kind in der analen Phase in Konflikte geraten, je nachdem, wie von den Erziehern mit der Sauberkeitserziehung umgegangen wird. Ungelöste Probleme können unter Umständen zur Herausbildung eines so genannten „analen Charakters“ führen, der durch Geiz, Pedanterie und übertriebenen Ordnungssinn gekennzeichnet ist.


In der phallischen oder ödipalen Phase (4.-5. Lebensjahr) richtet sich der Großteil der Aufmerksamkeit auf die Erforschung des eigenen Körpers. Die Triebwünsche in dieser Phase äußern sich in der Regel in dem Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils. Aus diesem Begehren ergibt sich ein Konflikt, den Freud nach Ödipus aus der Tragödie des Sophokles „Ödipuskonflikt“ [http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipuskonflikt] genannt hat. Dies ist der Fall, wenn sich ein Kind bzw. der erwachsene Mensch von dem geliebten Elternteil nicht loslösen kann. Mögliche Folgen eines nicht überwundenen Ödipus-Konfliktes sind Nichtbejahung der eigenen Geschlechterrolle, Identifizierung mit dem anderen Geschlecht oder Liebesunfähigkeit.
In der phallischen oder ödipalen Phase (4.-5. Lebensjahr) richtet sich der Großteil der Aufmerksamkeit auf die Erforschung des eigenen Körpers. Die Triebwünsche in dieser Phase äußern sich in der Regel in dem Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils. Aus diesem Begehren ergibt sich ein Konflikt, den Freud nach Ödipus aus der Tragödie des Sophokles „Ödipuskonflikt“ [http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipuskonflikt] genannt hat. Dies ist der Fall, wenn sich ein Kind bzw. der erwachsene Mensch von dem geliebten Elternteil nicht loslösen kann. Mögliche Folgen eines nicht überwundenen Ödipus-Konfliktes sind Nichtbejahung der eigenen Geschlechterrolle, Identifizierung mit dem anderen Geschlecht oder Liebesunfähigkeit.
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In der Analyse des Entwicklungsverlaufs sind darüber hinaus den biographischen Brüchen und ihrer Verarbeitung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wie reagiert das Kind bzw. der Jugendliche  z.B. auf Veränderungen des sozialen Umfeldes, der Wohnsituation, Wechsel von Wohnort oder Schule.  
In der Analyse des Entwicklungsverlaufs sind darüber hinaus den biographischen Brüchen und ihrer Verarbeitung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wie reagiert das Kind bzw. der Jugendliche  z.B. auf Veränderungen des sozialen Umfeldes, der Wohnsituation, Wechsel von Wohnort oder Schule.  


Auch das Freizeitverhalten und der Kontaktbereich nehmen eine wichtige Rolle ein. Hierbei ist ein besonderes Augenmerk auf den zeitlichen Umfang, der Struktur und dem Verlauf der Freizeittätigkeiten zu richten, um z.B. zu eruieren, ob Freizeit zu Lasten von Arbeit und Schlaf ausgedehnt wird. Neben den schicksalhaft vorgegebenen Kontakten, in die der Mensch hineingeboren wird, gehören aber auch selbstgewählte Kontakte zu Freunden und Bekannten. Handelt es sich hierbei um feste und langjährig bestehende Beziehungen oder nur um lose Kontakte oder um sogenannte Milieu- Kontakte, die weniger durch konkrete Kontaktpersonen als vielmehr durch den Ort der Kontaktaufnahme bestimmt werden. Wichtig ist auch, ob die Freunde und Bekannten sozial oder strafrechtlich auffällig waren.
Auch das Freizeitverhalten und der Kontaktbereich nehmen eine wichtige Rolle ein. Hierbei ist ein besonderes Augenmerk auf den zeitlichen Umfang, die Struktur und den Verlauf der Freizeittätigkeiten zu richten, um z.B. zu eruieren, ob Freizeit zu Lasten von Arbeit und Schlaf ausgedehnt wird. Neben den schicksalhaft vorgegebenen Kontakten, in die der Mensch hineingeboren wird, gehören aber auch selbstgewählte Kontakte zu Freunden und Bekannten. Handelt es sich hierbei um feste und langjährig bestehende Beziehungen oder nur um lose Kontakte oder um sogenannte Milieu- Kontakte, die weniger durch konkrete Kontaktpersonen als vielmehr durch den Ort der Kontaktaufnahme bestimmt werden. Wichtig ist auch, ob die Freunde und Bekannten sozial oder strafrechtlich auffällig waren.


=== Schulische und berufliche Entwicklung ===
=== Schulische und berufliche Entwicklung ===
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Das Wertgefüge bildet das Fundament für die täglichen Entscheidungen und Verhaltensweisen eines Menschen, ohne dass es in der Regel als solches bewusst wird. Nach der Bindungstheorie von Travis Hirschi [http://de.wikipedia.org/wiki/Travis_Hirschi] bestimmt die interne Selbstkontrolle eines Menschen die Wahrscheinlichkeit krimineller Betätigung.
Das Wertgefüge bildet das Fundament für die täglichen Entscheidungen und Verhaltensweisen eines Menschen, ohne dass es in der Regel als solches bewusst wird. Nach der Bindungstheorie von Travis Hirschi [http://de.wikipedia.org/wiki/Travis_Hirschi] bestimmt die interne Selbstkontrolle eines Menschen die Wahrscheinlichkeit krimineller Betätigung.


Wie die Wertvorstellungen und der Umgang mit Normen - insbesondere Strafrechtsnormen – ausgeprägt sind, kann u.a. anhand von Reaktionen auf bereits erfolgte Sanktionen oder Reaktionen auf Überschreitung der eigenen Grenzen bewertet werden. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die hemmende Wirkung sozialer und psychologischer Vernetzung mit anderen Individuen, deren potentielle negative Reaktion, Überwachung und Erwartungen kriminelle Impulse regulieren oder zwingen.  
Wie die Wertvorstellungen und der Umgang mit Normen - insbesondere Strafrechtsnormen – ausgeprägt sind, kann u.a. anhand von Reaktionen auf bereits erfolgte Sanktionen oder Reaktionen auf Überschreitung der eigenen Grenzen bewertet werden. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die hemmende Wirkung sozialer und psychologischer Vernetzung mit anderen Individuen, deren potentielle negative Reaktion, Überwachung und Erwartungen kriminelle Impulse regulieren können.  


=== Suchtgefährdung ===
=== Suchtgefährdung ===
Einen wichtigen Einfluss auf die Begehung einer Straftat kann eine vorhandene Suchtroblematik [http://de.wikipedia.org/wiki/Sucht] haben. Die Sucht beeinflusst die freie Entfaltung der Persönlichkeit, stört soziale Bindungen und Möglichkeiten und führt zur Abhängigkeit. Die medizinische Definition nach ICD-10 [http://de.wikipedia.org/wiki/ICD-10] unterscheidet zwischen Substanzmittelmissbrauch und Substanzabhängigkeit.  
Einen wichtigen Einfluss auf die Begehung einer Straftat kann eine vorhandene Suchtroblematik [http://de.wikipedia.org/wiki/Sucht] haben. Die Sucht beeinflusst die freie Entfaltung der Persönlichkeit, stört soziale Bindungen und Möglichkeiten und führt zur Abhängigkeit. Die medizinische Definition nach ICD-10 [http://de.wikipedia.org/wiki/ICD-10] unterscheidet zwischen Substanzmittelmissbrauch und Substanzabhängigkeit.  


Substanzmittelmissbrauch ist ein Konsumverhalten, dass schädliche Auswirkungen hat, ohne dass bereits die Symptome einer Abhängigkeit vorliegen. Kriterien sind ein wiederholter Substanzgebrauch verbunden mit einem Versagen wichtiger Pflichten in Schule, Beruf oder sozialem Umfeld, wiederholter Konsum in Situationen, in denen es dadurch zu körperlicher Gefährdung kommt, wiederkehrende Probleme mit dem Gesetz im Zusammenhang mit Substanzmittelmissbrauch sowie fortgesetzter Konsum trotz wiederholter sozialer und zwischenmenschlicher Probleme im Zusammenhang damit.  
Substanzmittelmissbrauch ist ein Konsumverhalten, das schädliche Auswirkungen hat, ohne dass bereits die Symptome einer Abhängigkeit vorliegen. Kriterien sind ein wiederholter Substanzgebrauch verbunden mit einem Versagen wichtiger Pflichten in Schule, Beruf oder sozialem Umfeld, wiederholter Konsum in Situationen, in denen es dadurch zu körperlicher Gefährdung kommt, wiederkehrende Probleme mit dem Gesetz im Zusammenhang mit Substanzmittelmissbrauch sowie fortgesetzter Konsum trotz wiederholter sozialer und zwischenmenschlicher Probleme im Zusammenhang damit.  


Bei der Substanzmittelabhängigkeit [http://de.wikipedia.org/wiki/Abh%C3%A4ngigkeitssyndrom] müssen zur Diagnose drei der folgenden Merkmale erfüllt sein: ein starker Wunsch (eine Art Zwang), die Substanz oder Alkohol zu konsumieren, eine verminderte Kontrollfähigkeit hinsichtlich Beginn, Ende und Menge des Konsums, Substanzgebrauch mit dem Ziel, Entzugssymptome zu lindern und eine entsprechend positive Erfahrung, körperliche Entzugssymptome, der Nachweis einer Toleranzentwicklung (höhere Dosis bei gleichem Effekt), ein geregeltes Verhaltensmuster im Umgang mit der Substanz (Tendenz, Alkohol an bestimmten Tagen oder zu bestimmten Zeiten), zu konsumieren, Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten der Substanz, anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweis schädlicher Folgen.  
Bei der Substanzmittelabhängigkeit [http://de.wikipedia.org/wiki/Abh%C3%A4ngigkeitssyndrom] müssen zur Diagnose drei der folgenden Merkmale erfüllt sein: ein starker Wunsch (eine Art Zwang), die Substanz oder Alkohol zu konsumieren, eine verminderte Kontrollfähigkeit hinsichtlich Beginn, Ende und Menge des Konsums, Substanzgebrauch mit dem Ziel, Entzugssymptome zu lindern und eine positive Erfahrung zu bewirken, körperliche Entzugssymptome, der Nachweis einer Toleranzentwicklung (höhere Dosis bei gleichem Effekt), ein geregeltes Verhaltensmuster im Umgang mit der Substanz (Tendenz, das Suchtmittel an bestimmten Tagen oder zu bestimmten Zeiten zu konsumieren), Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten der Substanz, anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises schädlicher Folgen.  


Wenn anhand dieser Kriterien festgestellt wurde, dass bei dem Delinquenten eine Suchtgefährdung vorliegt, ist zu eruieren, welchen Einfluss diese auf die Straftat hatte. So ist zu prüfen, ob eine Schuldunfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB vorliegt. Darüber hinaus ist von Bedeutung, wofür das Suchtmittel einen Ersatz darstellt, wie das Verhältnis von Sucht und Normverhalten ausgeprägt und wie groß das Ausmaß des Normverfalls, also der Vernachlässigung sozial erwünschter Verhaltensweisen, ist.
Wenn anhand dieser Kriterien festgestellt wurde, dass bei dem Delinquenten eine Suchtgefährdung vorliegt, ist zu eruieren, welchen Einfluss diese auf die Straftat hatte. So ist zu prüfen, ob eine Schuldunfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB vorliegt. Darüber hinaus ist von Bedeutung, wofür das Suchtmittel einen Ersatz darstellt, wie das Verhältnis von Sucht und Normverhalten ausgeprägt und wie groß das Ausmaß des Normverfalls, also der Vernachlässigung sozial erwünschter Verhaltensweisen, ist.
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