Kriminalitätsfurcht: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Viktimisierungsperspektive ist am Individuum orientiert. Sie geht davon aus, dass Opfer einer kriminellen Handlung eher Kriminalitätsfurcht entwickeln werden als Nichtopfer. Dieser Ansatz erbrachte von Beginn an widersprüchliche Ergebnisse und konnte nie wirklich bestätigt werden.  
Die Viktimisierungsperspektive ist am Individuum orientiert. Sie geht davon aus, dass Opfer einer kriminellen Handlung eher Kriminalitätsfurcht entwickeln werden als Nichtopfer. Dieser Ansatz erbrachte von Beginn an widersprüchliche Ergebnisse und konnte nie wirklich bestätigt werden.  
So gibt es Hinweise auf eine teilweise Entkoppelung von Viktimisierung und Kriminalitätsfurcht. Eine Opferwerdung führt beispielsweise nicht grundsätzlich zu Furcht, sondern kann sie im Gegenteil sogar verringern. Auch das sogenannte ''Nachbarschaftsparadox'' und das als ''Kriminalität-Furcht-Paradox'' in die Literatur eingegangene Phänomen können durch die Viktimisierungsperspektive nicht erklärt werden. Das Nachbarschaftsparadox ist Ausdruck für den häufig replizierten Befund, dass Individuen ihr direktes Wohnumfeld für sicherer halten als andere Ortsteile, selbst wenn sie in einem am stärksten von Kriminalität belasteten bzw. von Viktimisierungen betroffenen Viertel leben. Das Kriminalität-Furcht-Paradox bezeichnet das Phänomen, dass Frauen und alte Menschen die größte Kriminalitätsfurcht aufweisen, obwohl sie am seltensten Opfer krimineller Handlungen werden. Hierzu gab es mehrere Erklärungsversuche.
So gibt es Hinweise auf eine teilweise Entkoppelung von Viktimisierung und Kriminalitätsfurcht. Eine Opferwerdung führt beispielsweise nicht grundsätzlich zu Furcht, sondern kann sie im Gegenteil sogar verringern. Auch das sogenannte ''Nachbarschaftsparadox'' und das als ''Kriminalität-Furcht-Paradox'' in die Literatur eingegangene Phänomen können durch die Viktimisierungsperspektive nicht erklärt werden. Das Nachbarschaftsparadox ist Ausdruck für den häufig replizierten Befund, dass Individuen ihr direktes Wohnumfeld für sicherer halten als andere Ortsteile, selbst wenn sie in einem am stärksten von Kriminalität belasteten bzw. von Viktimisierungen betroffenen Viertel leben. Das Kriminalität-Furcht-Paradox bezeichnet das Phänomen, dass Frauen und alte Menschen die größte Kriminalitätsfurcht aufweisen, obwohl sie am seltensten Opfer krimineller Handlungen werden. Hierzu gab es mehrere Erklärungsversuche.
''Differentielles Ausgesetztsein'': Eine erhöhte Viktimisierungsgefahr soll dazu führen, daß die betroffenen Gruppen gefährliche Situationen vermeiden und deshalb auch seltener Opfer werden. Diese Erklärung konnte empirisch nicht bestätigt werden.
''Differentielles Ausgesetztsein'': Eine erhöhte Viktimisierungsgefahr soll dazu führen, daß die betroffenen Gruppen gefährliche Situationen vermeiden und deshalb auch seltener Opfer werden. Diese Erklärung konnte empirisch nicht bestätigt werden.
''Indirekte Viktimisierung'': Individuen erfahren über informelle Kommunikation (Freunde, Nachbarn, Familie etc.) von Viktimisierungen anderer. Durch die soziale Nähe zum Opfer kann daher Furcht entstehen. Diese Erklärung erfuhr einige empirische Unterstützung.
''Indirekte Viktimisierung'': Individuen erfahren über informelle Kommunikation (Freunde, Nachbarn, Familie etc.) von Viktimisierungen anderer. Durch die soziale Nähe zum Opfer kann daher Furcht entstehen. Diese Erklärung erfuhr einige empirische Unterstützung.
''Allgemeine Lebensängste'': Der Verlust sozialer Bindungen oder der wahrgenommene Verfall des Gemeinwesens wird durch Kriminalität aktualisiert und kanalisiert. Eine eindeutige Bestätigung für diesen Erklärungsansatz konnte nie gefunden werden.
''Allgemeine Lebensängste'': Der Verlust sozialer Bindungen oder der wahrgenommene Verfall des Gemeinwesens wird durch Kriminalität aktualisiert und kanalisiert. Eine eindeutige Bestätigung für diesen Erklärungsansatz konnte nie gefunden werden.
''Vulnerabilität'': Das Bewusstsein der geringeren physischen Kraft kann zu größerer Furcht führen. Die Verletzlichkeit ist dabei Produkt einer Wechselwirkung von physischen, psychischen und sozialen Prozessen. Dieser Ansatz erfuhr einige empirische Bestätigung, wies dabei allerdings über die Viktimisierungsperspektive hinaus, deren mangelnde Erklärungskraft zur Entwicklung neuer Ansätze führte (Boers 1991: 45 ff.).
''Vulnerabilität'': Das Bewusstsein der geringeren physischen Kraft kann zu größerer Furcht führen. Die Verletzlichkeit ist dabei Produkt einer Wechselwirkung von physischen, psychischen und sozialen Prozessen. Dieser Ansatz erfuhr einige empirische Bestätigung, wies dabei allerdings über die Viktimisierungsperspektive hinaus, deren mangelnde Erklärungskraft zur Entwicklung neuer Ansätze führte (Boers 1991: 45 ff.).


===Soziale-Kontroll-Perspektive===
===Soziale-Kontroll-Perspektive===
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