Kriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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→‎[[Labeling]]-Approach: Anomietheorie Mertons ist bereits von 1938, 1968 wurde sie "nochmals" abgedruckt, in dem Sammelband von Sack und Co.
(→‎[[Labeling]]-Approach: Anomietheorie Mertons ist bereits von 1938, 1968 wurde sie "nochmals" abgedruckt, in dem Sammelband von Sack und Co.)
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Das Auftauchen des Begriff der Kriminalisierung kann möglicherweise mit den Vordenkern des [[Labeling]]-Approach angesetzt werden. Um von einer Kriminalisierungstheorie zu sprechen ist es notwendig, dass [[Kriminalität]] und ihre Definition von Abweichung nicht aus normativen oder objektiven Vorstellungen abgeleitet werden. [[Durkheim]] hatte bereits 1893 erkannt: „man darf nicht sagen, dass eine Tat das gemeinsame Bewusstsein verletzt, weil sie kriminell ist, sondern sie ist kriminell, weil sie das gemeinsame Bewusstsein verletzt. Wir verurteilen sie nicht, weil sie ein Verbrechen ist, sondern sie ist ein Verbrechen weil wir sie verurteilen“ (1988, S. 130).
Das Auftauchen des Begriff der Kriminalisierung kann möglicherweise mit den Vordenkern des [[Labeling]]-Approach angesetzt werden. Um von einer Kriminalisierungstheorie zu sprechen ist es notwendig, dass [[Kriminalität]] und ihre Definition von Abweichung nicht aus normativen oder objektiven Vorstellungen abgeleitet werden. [[Durkheim]] hatte bereits 1893 erkannt: „man darf nicht sagen, dass eine Tat das gemeinsame Bewusstsein verletzt, weil sie kriminell ist, sondern sie ist kriminell, weil sie das gemeinsame Bewusstsein verletzt. Wir verurteilen sie nicht, weil sie ein Verbrechen ist, sondern sie ist ein Verbrechen weil wir sie verurteilen“ (1988, S. 130).
Frank [[Tannenbaum]] (Etikettierungsansatz 1938) hatte, so Susanne Krassmann (2003, S. 39, Fn29) als erster abweichendes Verhalten als Reaktion der sozialen Umwelt begriffen. [[Sutherland]]s "Theorie der differentiellen Kontakte" (1949) machte deutlich, dass sich Kriminalität in einem Lernprozess mit anderen interaktiv herausbildet. David [[Matza]] stellte 1964 heraus dass, „eine Handlung (action) erst zu einem Normbruch (infraction)“ wird, weil vor jeder Straftat das Gesetz steht ("nullum crimen sine lege" = „kein Verbrechen ohne Gesetz“).
Frank [[Tannenbaum]] (Etikettierungsansatz 1938) hatte, so Susanne Krassmann (2003, S. 39, Fn29) als erster abweichendes Verhalten als Reaktion der sozialen Umwelt begriffen. [[Sutherland]]s "Theorie der differentiellen Kontakte" (1949) machte deutlich, dass sich Kriminalität in einem Lernprozess mit anderen interaktiv herausbildet. David [[Matza]] stellte 1964 heraus dass, „eine Handlung (action) erst zu einem Normbruch (infraction)“ wird, weil vor jeder Straftat das Gesetz steht ("nullum crimen sine lege" = „kein Verbrechen ohne Gesetz“).
Mit diesen Theoretisierungen war eine herrschafts- und strafrechtskritische kriminologische Forschung möglich, die Fragen nach der Herstellung der Definitionsmacht von „Konformität“ und „Abweichung“ stellte. Robert K. [[Merton]] (der sich wiederum auf [[Durkheim]] bezieht) hat mit seiner [[Anomietheorie]] 1968 die Widersprüche zwischen den realen sozialen Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Strukturen aufgezeigt. Als weitere wichtige Vordenker des Labeling-Approach werden Howard S. Becker (Modell der abweichenden Laufbahn, in Anlehnung an George H. Meads symbolischen Interaktionismus), Edwin M. Lemert (Social Pathology), John I. Kitsuse und Kai T. Erikson (mikro- und makrosoziologischer Aspekte), Harold Garfinkel, Aaron V. Cicourel, Harvey Sacks (Ethnomethodologie, angelehnt an die Phänomenologie von Alfred Schütz) benannt.  
Mit diesen Theoretisierungen war eine herrschafts- und strafrechtskritische kriminologische Forschung möglich, die Fragen nach der Herstellung der Definitionsmacht von „Konformität“ und „Abweichung“ stellte. Robert K. [[Merton]] (der sich wiederum auf [[Durkheim]] bezieht) hat mit seiner [[Anomietheorie]] 1938 die Widersprüche zwischen den realen sozialen Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Strukturen aufgezeigt. Als weitere wichtige Vordenker des Labeling-Approach werden Howard S. Becker (Modell der abweichenden Laufbahn, in Anlehnung an George H. Meads symbolischen Interaktionismus), Edwin M. Lemert (Social Pathology), John I. Kitsuse und Kai T. Erikson (mikro- und makrosoziologischer Aspekte), Harold Garfinkel, Aaron V. Cicourel, Harvey Sacks (Ethnomethodologie, angelehnt an die Phänomenologie von Alfred Schütz) benannt.  
In Deutschland hat Fritz Sack erheblich dazu beigetragen das Studienfeld des [[Labeling]]-Approach durch seinen „radikalen Ansatz“ (1968) in den kriminologischen Diskurs eingeführt zu haben. Den Kriminalisierungstheorien gemeinsam ist die Kritik, an einer auf individuelle Verhaltensdispositionen fixierten Kriminologie.  
In Deutschland hat Fritz Sack erheblich dazu beigetragen das Studienfeld des [[Labeling]]-Approach durch seinen „radikalen Ansatz“ (1968) in den kriminologischen Diskurs eingeführt zu haben. Den Kriminalisierungstheorien gemeinsam ist die Kritik, an einer auf individuelle Verhaltensdispositionen fixierten Kriminologie.  


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