Korruption, Gewalt und die Welt der Polizisten. Deutschland, Chile, Bolivien und Venezuela im Vergleich: Unterschied zwischen den Versionen

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Ausgangspunkt der Studie sind Rechtsbrüche durch die Polizei, welche von Schlägen bis hin zu Tötungen reichen (S. 13 f.).  
Ausgangspunkt der Studie sind Rechtsbrüche durch die Polizei, welche von Schlägen bis hin zu Tötungen reichen (S. 13 f.).  
Gegenstand der Untersuchung ist nur die Schutzpolizei. Die Autorin begründet diese Wahl damit, dass die Schutzpolizei für „einen großen Teil der Menschenrechtsverletzungen und Tötungen verantwortlich" sei (S. 67). Gesucht wird nach "Gewalt" (Tötungen, Folter und andere körperliche Gewalteinwirkungen; vgl. S. 339).  
Gegenstand der Untersuchung ist nur die Schutzpolizei. Die Autorin begründet diese Wahl damit, dass die Schutzpolizei für „einen großen Teil der Menschenrechtsverletzungen und Tötungen verantwortlich" sei (S. 67). Gesucht wird nach "Gewalt" (Tötungen, Folter und andere körperliche Gewalteinwirkungen; vgl. S. 339).  
Es wurden die Polizisten der Hauptstädte befragt, da sich Probleme durch steigenden Kriminalitätsdruck sowie zunehmende Verstädterung und Verarmung hier ansammeln (S. 63 f.). Dabei stehen die Bürger des Landes meist im direkten Kontakt zur Schutzpolizei und sie repräsentiert die Polizei am stärksten. Weiterhin zeigen Statistiken, dass Schutzpolizisten für




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== Ergebnisse ==
== Ergebnisse ==
Nach Carola Schmid (S. 340) ist das polizeiliche Gewaltniveau am höchsten in Venezuela, gefolgt von Bolivien, Chile und der Bundesrepublik Deutschland. Die Gewaltdaten werden von Venezuela angeführt, da die Polizisten sind hier selbst am stärksten den Todesgefahren ausgesetzt. So durchdringt die venezolanische Gewalt nicht nur die Polizei, sondern auch die Gesellschaft (S. 370).
Nach Carola Schmid (S. 340) ist das polizeiliche Gewaltniveau am höchsten in Venezuela, gefolgt von Bolivien, Chile und der Bundesrepublik Deutschland.  
 


=== Venezuela ===
=== Venezuela ===
Die Gewaltdaten werden von Venezuela angeführt, da die Polizisten sind hier selbst am stärksten den Todesgefahren ausgesetzt. So durchdringt die venezolanische Gewalt nicht nur die Polizei, sondern auch die Gesellschaft (S. 370).
Seit 1992 wurden mindestens 101 Tötungen pro Jahr (28-50% der Tötungen sind Exekutionen (S. 339)) als häufige Folge von Folter begangen. Die meisten Tötungen haben Beamte der Einzelstaaten (Policias Estatales), Gemeindepolizeien (Policias Municipales) oder der Hauptstadtpolizei (Policía Metropolitana de Caracas) zu verantworten. Laut PROVEA (Programa Venezolana de Educación – Acción de Derechos Humanos) entspicht die Hälfte aller Tötungen extralegalen Hinrichtungen. Ein weiteres Problem ist das „Verschwindenlassen“ von Personen (Amnesty International, 2000).
Seit 1992 wurden mindestens 101 Tötungen pro Jahr (28-50% der Tötungen sind Exekutionen (S. 339)) als häufige Folge von Folter begangen. Die meisten Tötungen haben Beamte der Einzelstaaten (Policias Estatales), Gemeindepolizeien (Policias Municipales) oder der Hauptstadtpolizei (Policía Metropolitana de Caracas) zu verantworten. Laut PROVEA (Programa Venezolana de Educación – Acción de Derechos Humanos) entspicht die Hälfte aller Tötungen extralegalen Hinrichtungen. Ein weiteres Problem ist das „Verschwindenlassen“ von Personen (Amnesty International, 2000).
Zudem sollen Säuberungen von Vierteln staatliche Macht demonstrieren (S. 50 f.).
Zudem sollen Säuberungen von Vierteln staatliche Macht demonstrieren (S. 50 f.).
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PROVEA berichtet von körperlicher staatlicher Gewalt in Gewahrsam und bei Verhaftung (bspw. Einsatz des Vagabundengesetzes (seit 1997 aufgehoben) bei Großrazzien (S. 46)). Dabei schlagen, misshandeln, foltern Polizisten Verdächtige, verabreichen ihnen Elektroschocks oder führen Scheinhinrichtungen durch (Amnesty International, 2000). Polizisten in Venezuela sind in der Unterschicht verankert und ihr brutales Vorgehen wird von Teilen der Bevölkerung (Mittel- und Oberschicht ) toleriert und gilt so als Normalität (S. 369, 63). In Caracas ist die Gewalt durch die Polizei sozial erwünscht, da so gegen die Grundkriminalität vorgegangen wird und sich die Menschen dankbar für zum Beispiel die Erschießung von Gangmitgliedern zeigen (S. 216).  
PROVEA berichtet von körperlicher staatlicher Gewalt in Gewahrsam und bei Verhaftung (bspw. Einsatz des Vagabundengesetzes (seit 1997 aufgehoben) bei Großrazzien (S. 46)). Dabei schlagen, misshandeln, foltern Polizisten Verdächtige, verabreichen ihnen Elektroschocks oder führen Scheinhinrichtungen durch (Amnesty International, 2000). Polizisten in Venezuela sind in der Unterschicht verankert und ihr brutales Vorgehen wird von Teilen der Bevölkerung (Mittel- und Oberschicht ) toleriert und gilt so als Normalität (S. 369, 63). In Caracas ist die Gewalt durch die Polizei sozial erwünscht, da so gegen die Grundkriminalität vorgegangen wird und sich die Menschen dankbar für zum Beispiel die Erschießung von Gangmitgliedern zeigen (S. 216).  


Die venezolanische Polizei kann nicht durch den schwachen Staat kontrolliert werden. Berufsauffassung und Autonomie der Polizisten stehen dem Staat entgegen und die Polizisten halten nicht einmal mündlich Rechtstreue (S. 386).
So kann die von den Polizisten ausgehende Gewalt durch das Erledigen privater Geschäfte mit selbst gewählter Justiz erklärt werden (S. 385). 


Venezolanische Polizisten sprechen in den Interviews sehr frei über Auseinandersetzungen mit Verdächtigen und ihr eigenes gewalttätiges Vorgehen. Ursächlich für die Offenheit ist das Unwissen über Gesetzesbrüche, als auch der soziale Prozess Gewalthandeln als alltäglich und normal anzusehen (S. 223, 243).
Venezolanische Polizisten sprechen in den Interviews sehr frei über Auseinandersetzungen mit Verdächtigen und ihr eigenes gewalttätiges Vorgehen. Ursächlich für die Offenheit ist das Unwissen über Gesetzesbrüche, als auch der soziale Prozess Gewalthandeln als alltäglich und normal anzusehen (S. 223, 243).
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== Diskussion ==
== Diskussion ==
Bolivien und Chile befinden sich bezüglich des polizeilichen Gewaltniveaus zwischen der BRD (niedriges Gewaltniveau) und Venezuela (hohes Gewaltniveau), wobei Bolivien etwas weniger körperliche Gewalt und Folter und Chile etwas weniger Tötungen aufweist (S. 340).
Venezuela und Bolivien einen: Drohungen gegen Menschenrechtsorganisationen, willkürliche Verhaftungen sowie Gewalt gegen Unterprivilegierte und Menschen mit geringem Machtpotential, wie Studenten und Rekruten (S. 53).
Venezuela und Bolivien einen: Drohungen gegen Menschenrechtsorganisationen, willkürliche Verhaftungen sowie Gewalt gegen Unterprivilegierte und Menschen mit geringem Machtpotential, wie Studenten und Rekruten (S. 53).
 
Bolivien weist etwas weniger körperliche Gewalt und Folter und Chile etwas weniger Tötungen auf (S. 340).
Die BRD dient als Vergleich und Kontrast zu den südamerikanischen Ländern (S. 63).  
Der Vergleich von Chile und Bolivien zeigt, dass ähnliche Gewaltniveaus nicht mit entsprechenden Einstellungen der Polizei einhergehen müssen (vgl. S. 371).
 
Während sich die Situation bezüglich Foltermaßnahmen in Chile entspannt, ist in Venezuela keine Verbesserung erkennbar (Schmid, S. 58 f.; Amnesty International, 2000).
Es wurden die Polizisten der Hauptstädte befragt, da sich Probleme durch steigenden Kriminalitätsdruck sowie zunehmende Verstädterung und Verarmung hier ansammeln (S. 63 f.). Dabei stehen die Bürger des Landes meist im direkten Kontakt zur Schutzpolizei und sie repräsentiert die Polizei am stärksten. Weiterhin zeigen Statistiken, dass Schutzpolizisten für




Opfer der Polizeigewalt in Lateinamerika sind meist intellektuelle Oppositionelle und untere Schichten, die keine entsprechenden Mittel besitzen, um die Öffentlichkeit über ihre Verhältnisse zu informieren (S. 63).  
Opfer der Polizeigewalt in Lateinamerika sind meist intellektuelle Oppositionelle und untere Schichten, die keine entsprechenden Mittel besitzen, um die Öffentlichkeit über ihre Verhältnisse zu informieren (S. 63).  


== Das Gewaltmonopol der Polizei ==
Die venezolanische Polizei kann nicht durch den schwachen Staat kontrolliert werden. Berufsauffassung und Autonomie der Polizisten stehen dem Staat entgegen und die Polizisten halten nicht einmal mündlich Rechtstreue (S. 386).
So kann die von den Polizisten ausgehende Gewalt durch das Erledigen privater Geschäfte mit selbst gewählter Justiz erklärt werden (S. 385). 


Während sich die Situation bezüglich Foltermaßnahmen in Chile entspannt, ist in Venezuela keine Verbesserung erkennbar (Schmid, S. 58 f.; Amnesty International, 2000).


Das staatliche Gewaltmonopol existiert in der BRD und Chile, nicht jedoch in Venezuela und Bolivien (S. 376).
Das staatliche Gewaltmonopol existiert in der BRD und Chile, nicht jedoch in Venezuela und Bolivien (S. 376).
Die BRD ist am wenigstens gewalttätig, Venezuela am stärksten, womit das Gewaltmonopol hier übereinstimmt. Chilenische und bolivianische Polizisten bedienen sich ähnlich oft Gewalt, hier ist das Gewaltmonopol jedoch sehr divergent (S. 384). Der Vergleich von Chile und Bolivien zeigt, dass ähnliche Gewaltniveaus nicht mit entsprechenden Einstellungen der Polizei einhergehen müssen (vgl. S. 371).


Aus den gewonnenen Informationen kann geschlossen werden, dass die Ländermerkmale in Beziehung zur Gewalt durch ihre Polizei stehen, sich also eher länderspezifisch verhalten (vgl. S. 363).
Aus den gewonnenen Informationen kann geschlossen werden, dass die Ländermerkmale in Beziehung zur Gewalt durch ihre Polizei stehen, sich also eher länderspezifisch verhalten (vgl. S. 363).


== Literatur ==
== Literatur ==
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