Kokain gilt ganz allgemein als harte Droge. Was damit gemeint ist, versteht sich von selbst. Umfangreiche Erläuterungen scheinen jedenfalls auf den ersten Blick nicht erforderlich:

Harte Drogen sind die Drogen, von denen man auf jeden Fall die Finger lassen sollte, weil sie ganz besonders gefährlich sind. Und besonders gefährlich sind sie, weil sie besonders schnell und intensiv abhängig machen und/oder schon nach ganz kurzer Zeit irreparable Gesundheitsschäden (z.B. Gehirnschäden) hervorrufen können und/oder jedenfalls für viele Menschen der direkte Weg in den Tod sind.

Deswegen macht es auch Sinn, zwischen harten und weichen Drogen zu unterscheiden. Bei den weichen kann man zur Not noch über das Für und Wider einer Entkriminalisierung streiten. Bei harten Drogen und angesichts der durch sie zu beklagenden Toten würde ein Ende der Strafbarkeit an Zynismus grenzen. Denn bei harten Drogen hört der Spaß auf. Man will sich auch nicht einmal vorstellen (müssen), was passierte, wenn Koks- und Heroin-Dealer auf Deutschlands Straßen frei herumliefen.

Das heißt nicht, dass weiche Drogen auf die leichte Schulter zu nehmen wären. Doch während weiche Drogen sozusagen das Problematische verkörpern, stehen harte Drogen für eine andere Dimension: die harten Drogen repräsentieren das unbedingt Schlechte. Und deshalb haben auch diejenigen, die damit ihren gewissenlosen Handel treiben, nur tiefste Verachtung und härteste Strafen verdient. Denn Dealer sind Mörder.

Das ist die Quintessenz des sogenannten Alltagswissens über harte Drogen. Dabei ist das "sogenannt" nicht nur so dahin gesagt. Denn die Unterscheidung zwischen harten und weichen Drogen ist notgedrungen unscharf und laienhaft, um nicht zu sagen: stümperhaft. Denn in der Wissenschaft - und allen voran in der Toxikologie, die sich geradezu auf diese Fragen spezialisiert - spielt sie keine Rolle. Eine Ausnahme machen vielleicht Pädagogik und Justiz. Doch dort geht es vielleicht auch mehr um den erzieherischen Effekt oder - wie in der Justiz - um die Legitimierung bestimmter Annahmen über Gefährlichkeiten und Strafwürdigkeit.


Die Ideologie der harten Droge

Eine sachlich begründete Basis hat der Begriff der harten Droge aber noch lange nicht. Allenfalls repräsentiert er eine Art Halbwissen. Doch Halbwissen ist manchmal schlimmer als bewusstes Nichtwissen. Insbesondere dann, wenn man glaubt, mit der Kategorie der harten Droge schon genug zu wissen, um ganz generell extreme Strafandrohungen im Gesetz zu legitimieren, bzw. konkrete Angeklagte mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bestrafen.

Wer über harte Drogen spricht, spricht über Drogen, als wären sie die eigentlichen handelnden Akteure, die Subjekte des Geschehens. Von harten Drogen heißt es, dass sie "abhängig machen", "süchtig machen", "irreparable Schäden hervorrufen" und "zum Tode führen". Der Konsument, der die Droge sucht, sie erwirbt, sie zubereitet, sie mit bestimmten Erwartungen konsumiert und der diese oder jene Risiken in Kauf nimmt, weil er diese oder jene Hauptzwecke seines Konsums erreichen will - meist wohl eine Bereicherung seiner guten Gefühlserlebnisse in der Freizeit - dieser Konsument taucht im Reden über harte Drogen gar nicht als aktives Wesen auf, sondern nur als Opfer einer mit übermächtigen Kräften ausgestatteten Droge. Die Droge tut und macht und schädigt, der Konsument, das Opfer, leidet und stirbt daran.

Doch Drogen selbst tun gar nichts. Solange sie irgendwo gelagert sind, tun sie nicht mehr als ein Sack voller Kartoffeln: sie machen nichts, sie rufen nichts hervor, sie verleiten nichts und niemanden und schon gar nicht töten sie irgend jemanden. In Wirklichkeit sind Drogen tote Gegenstände. Sie, die nichts tun können, werden durch die Rede von der harten Droge auf metaphorische Weise zum Leben erweckt. Sie werden mit dämonischen Kräften ausgestattet, die sich ihre Opfer suchen und sie zu willenlosen Zombies machen.

So ziehen die Drogen eine Menge Wut auf sich. Wut, die man aber nur begrenzt an den Drogen selbst auslassen kann. Gewiss: man kann Drogen verbrennen. Das tut man ja auch. Aber man kann sie eben nicht bestrafen. Irgendwo muss man mit der Wut aber hin. Wer hat die dämonischen Drogen denn überhaupt verbreitet, wer hat sie aus dem Ausland geholt und wer verteilt sie unter der Bevölkerung? Die Schuld wird auf diejenigen projiziert, die die harten Drogen auf die auf die Menschheit losgelassen haben. Die Dealer, das sind die Täter hinter den Dämonen, das sind die Drahtzieher im Hintergrund, mit ihrer angeblich so gewissenlosen Geschäftemacherei. Sie sind die greifbaren Objekte unserer Straflust. Deswegen geht die Dämonisierung der harten Drogen Hand in Hand mit der Dämonisierung derjenigen, die mit ihnen Handel treiben.

Mythos und Realität

In der wissenschaftlich erforschten Wirklichkeit sieht alles etwas anders aus:

Dealer

Dealer sind Geschäftsleute und haben wie andere Geschäftsleute auch Konflikte mit Lieferanten, Konkurrenten, Mitarbeitern und Kunden. Wäre ihr Geschäft so legal wie das der Bier-, Wein-, Spirituosen- und Zigarettenhändler, stünde ihnen der Rechtsweg offen, um ihre Konflikte zu lösen. Da ihr Geschäft aber nicht legal ist, haben sie keinen Zugang zum Recht. Das ist gewollt, hat aber negative Folgen. Eine davon ist, dass der Staat sich selbst um die Möglichkeit bringt, die üblichen behördlichen Überwachungen von Arbeitsbedingungen, Arbeitssicherheit und vor allem von der Qualität der Waren durchzuführen. Das Resultat ist ein Paradox: das Drogenverbot als strengste Form der Drogenkontrolle verhindert jegliche behördliche Aufsicht anstatt sie zu verbessern oder zu verschärfen. Und manche Konflikte in der Szene werden - notgedrungen - gewaltsam ausgetragen. Ansonsten sind Dealer Geschäftsleute wie andere Geschäftsleute auch. Nach allem, was die Forschung über sie bislang herausgefunden hat, unterscheiden sie sich nicht unbedingt negativ von anderen Geschäftsleuten. Ihre Ethik ist keineswegs nihilistisch oder zynisch. Viele haben eigene Standards, was die Vermeidung von Gefährdungen für vulnerable Kundengruppen (psychisch Kranke, Minderjährige usw.) angeht oder was die Beratung von Käufern angeht, die sich mit denen von Kneipenbesitzern oder Tabakhändlern durchaus messen können. Alles in allem zeigen die Resultate der Forschung, dass das Bild vom "gewissenlosen Dealer" der Differenziertheit der realen Verhältnisse nicht gerecht wird.

Drogen

, Produktqualität und zur üblichen Kontrolle der gewerberechtlichen Überwachung von behördlicher Kontrollen von Arbeitsbedingungen, Das verändert vieles, wenn auch nicht alles. Die Illegalität verbaut ihnen den Zugang zum Wirklichkeit und als wären diejenigen, die sie in Verkehr bringen, sozusagen die mittelbaren Täter, die "Täter hinter den Tätern". Diejenigen, die sie in Verkehr bringen, nutzen die Drogen zumindest mit bedingtem Vorsatz als Werkzeuge ihrer gewissenlosen Geschäftemacherei.

Wer bei alledem überhaupt keine aktive Rolle spielt, ist derjenige, der sie kauft, sie benutzt und sich - unter Inkaufnahme möglicher Nebenwirkungen - entspannt, konzentriert, ausruht, aktiviert, verlustiert oder sonstwie mit Hilfe der Droge seine Freizeit zu verschönern sucht. Manchmal, nicht anders als beim Alkohol, mit Erfolg und manchmal ohne. Zum Begriff der harten Droge gehört eine Denkschablone, in der es zwei böse Mächte gibt (die Droge und den Dealer) und einen Dritten, der nur als passives Opfer von Schädigungen auftaucht: den Konsumenten.

Die Wirklichkeit sieht aber anders ausDer Begriff der harten Droge

wenig sinnvoll. ist sie aus gutem Grund ebenso wenig gebräuchlicnicht gebräuchlichEs gibt keine Wissenschaft, dersthaft und mit klaren Kriterien na


Es gibt keine harten und keine weichen Drogen. Es gibt nur harten und weichen Gebrauch. Kokain wird häufig weich gebraucht. Früher noch häufiger: Leo XIII.



Die 22.359 Teilnehmer des ZEIT-ONLINE-Drogenberichts wurden gefragt, welche Drogen sie mindestens einmal in ihrem Leben genommen haben (Angaben in Prozent): 99: Alkohol; 86: Tabak; 72: Energy drinks mit Koffein; 66: Cannabis; 59: Shisha Tabak; 32: Ecstasy/MDMA; 29: Koffeintabletten; 28: Amphetamine; 26: Kokain.


  • Akute Todesfälle, die ausschließlich auf Kokain zurückzuführen sind und nicht mit Opiaten in Zusammenhang stehen, sind in Europa offenbar relativ selten
  • Im Jahr 2003 haben mehrere Länder Daten über kokainbedingte Todesfälle übermittelt (Nationale Reitox-Berichte): Deutschland (25 Fälle, die ausschließlich auf Kokain zurückzuführen waren, und 93 Fälle, in denen Kokain in Verbindung mit anderen Drogen im Spiel war; 2002 betrugen die entsprechenden Zahlen 47 bzw. 84); Frankreich (10 Todesfälle aufgrund von Kokain und ein Todesfall aufgrund von Kokain in Verbindung mit einem Arzneimittel), Griechenland (zwei Todesfälle durch Kokain
  • Kokain spielte in Deutschland bei etwa 8 % bis 12 % der drogenbedingten Todesfälle eine Rolle. Darüber hinaus kann Kokain bei Todesfällen aufgrund von Herzkreislaufproblemen (Arrhythmie, Myokardinfarkt, zerebrale Hämorrhagie; siehe Ghuran and Nolan, 2000) eine Rolle spielen, insbesondere bei Drogenkonsumenten mit entsprechender Prädisposition. Allerdings werden unter Umständen viele dieser Todesfälle nicht gemeldet.