Kokain - eine harte Droge?

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Kokain gilt ganz allgemein als harte Droge. Was damit gemeint ist, versteht sich scheinbar von selbst: harte Drogen sind die Drogen, von denen man auf jeden Fall die Finger lassen sollte, weil sie ganz besonders gefährlich sind. Und besonders gefährlich sind sie, weil sie besonders schnell und intensiv abhängig machen und/oder schon nach ganz kurzer Zeit irreparable Gesundheitsschäden (z.B. Gehirnschäden) hervorrufen können und/oder jedenfalls für viele Menschen der direkte Weg in den Tod sind. Auch der Sinn der Unterscheidung zwischen harten und weichen Drogen scheint klar. Weiche Drogen sind eine schiefe Ebene, auf die man geraten kann; harte Drogen sind die harte Landung ganz unten, am Rande der Existenz. Über die Entkriminalisierung von weichen Drogen kann man treffliche streiten, bei harten Drogen wäre derlei reiner Zynismus. Bei harten Drogen hört der Spaß auf.

Das heißt nicht, dass weiche Drogen auf die leichte Schulter zu nehmen wären. Doch während weiche Drogen sozusagen das Problematische verkörpern, stehen harte Drogen für das eindeutig Schlechte. Ganz allgemein wird mit dem Begriff der harten Droge auch die Gewissenlosigkeit und die Profitgier derjenigen assoziiert, die mit dem Elend der Süchtigen und dem Leid der Familien ihre Geschäfte machen und die für ihre verächtlichen Taten die härtesten Strafen verdient haben; denn "Dealer sind Mörder", wie es ein verbreiteter Slogan aus den 1980er Jahren auf den Punkt brachte.

Das ist die Quintessenz des sogenannten Alltagswissens über harte Drogen. Dabei ist das "sogenannt" nicht nur so dahin gesagt. Denn die Unterscheidung zwischen harten und weichen Drogen ist notgedrungen unscharf und laienhaft, um nicht zu sagen: stümperhaft. In der Wissenschaft - und allen voran in der Toxikologie - spielt sie keine Rolle. Eine Ausnahme machen vielleicht Pädagogik und Justiz. Doch dort geht es vielleicht auch mehr um den erzieherischen Effekt oder - wie in der Justiz - um die überzeugende Rhetorik von Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit.


Die Ideologie der harten Droge

Eine sachlich begründete Basis hat der Begriff der harten Droge aber nicht. Allenfalls repräsentiert er eine Art Halbwissen. Doch Halbwissen ist manchmal schlimmer als bewusstes Nichtwissen. Insbesondere dann, wenn man glaubt, mit der Kategorie der harten Droge schon genug zu wissen, um hohe gesetzliche Strafandrohungen zu legitimieren oder konkrete Angeklagte mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bestrafen.

Wer über harte Drogen spricht, spricht über Drogen, als wären sie die eigentlichen handelnden Akteure, die Subjekte des Geschehens. Von harten Drogen heißt es, dass sie "abhängig machen", "süchtig machen", "irreparable Schäden hervorrufen" und "zum Tode führen". Der Konsument, der die Droge sucht, sie erwirbt, sie zubereitet, sie mit bestimmten Erwartungen konsumiert und der diese oder jene Risiken in Kauf nimmt, weil er diese oder jene Hauptzwecke seines Konsums erreichen will - meist wohl eine Bereicherung seiner Gefühlserlebnisse in der Freizeit - dieser Konsument taucht im Reden über harte Drogen gar nicht als aktives Wesen auf, sondern nur als Opfer einer mit übermächtigen Kräften ausgestatteten Droge. Die Droge tut und macht und schädigt, der Konsument, das Opfer, ist ihr passiv ausgeliefert.

Doch Drogen selbst tun gar nichts. Solange sie irgendwo gelagert sind, tun sie nicht mehr als ein Sack voller Kartoffeln: sie machen nichts, sie rufen nichts hervor, sie verleiten nichts und niemanden und schon gar nicht töten sie irgend jemanden. In Wirklichkeit sind Drogen tote Gegenstände. Sie, die nichts tun können, werden durch die Rede von der harten Droge auf metaphorische Weise zum Leben erweckt. Sie werden mit dämonischen Kräften ausgestattet, die sich ihre Opfer suchen und sie zu willenlosen Zombies machen.

So ziehen die Drogen eine Menge Wut auf sich. Wut, die man aber nur begrenzt an den Drogen selbst auslassen kann. Gewiss: man kann Drogen verbrennen. Das tut man ja auch. Aber man kann sie eben nicht bestrafen. Irgendwo muss man mit der Wut aber hin. Wer hat die dämonischen Drogen denn überhaupt verbreitet, wer hat sie aus dem Ausland geholt und wer verteilt sie unter der Bevölkerung? Die Schuld wird auf diejenigen projiziert, die die harten Drogen auf die auf die Menschheit losgelassen haben. Die Dealer, das sind die Täter hinter den Dämonen, das sind die Drahtzieher im Hintergrund, mit ihrer angeblich so gewissenlosen Geschäftemacherei. Sie sind die greifbaren Objekte unserer Straflust. Deswegen geht die Dämonisierung der harten Drogen Hand in Hand mit der Dämonisierung derjenigen, die mit ihnen Handel treiben.

Mythos und Realität

In der wissenschaftlich erforschten Wirklichkeit sieht alles etwas anders aus:

Dealer

Dealer sind Geschäftsleute und haben wie andere Geschäftsleute auch Konflikte mit Lieferanten, Konkurrenten, Mitarbeitern und Kunden. Wäre ihr Geschäft so legal wie das der Bier-, Wein-, Spirituosen- und Zigarettenhändler, stünde ihnen der Rechtsweg offen, um ihre Konflikte zu lösen. Da ihr Geschäft aber nicht legal ist, haben sie keinen Zugang zum Recht. Das ist gewollt, hat aber negative Folgen. Eine davon ist, dass der Staat sich selbst um die Möglichkeit bringt, die üblichen behördlichen Überwachungen von Arbeitsbedingungen, Arbeitssicherheit und vor allem von der Qualität der Waren durchzuführen. Das Resultat ist ein Paradox: das Drogenverbot als strengste Form der Drogenkontrolle verhindert jegliche behördliche Aufsicht anstatt sie zu verbessern oder zu verschärfen. Und manche Konflikte in der Szene werden - notgedrungen - gewaltsam ausgetragen. Ansonsten sind Dealer Geschäftsleute wie andere Geschäftsleute auch. Nach allem, was die Forschung über sie bislang herausgefunden hat, unterscheiden sie sich nicht unbedingt negativ von anderen Geschäftsleuten. Ihre Ethik ist keineswegs nihilistisch oder zynisch. Viele haben eigene Standards, was die Vermeidung von Gefährdungen für vulnerable Kundengruppen (psychisch Kranke, Minderjährige usw.) angeht oder was die Beratung von Käufern angeht, die sich mit denen von Kneipenbesitzern oder Tabakhändlern durchaus messen können. Alles in allem zeigen die Resultate der Forschung, dass das Bild vom "gewissenlosen Dealer" der Differenziertheit der realen Verhältnisse nicht gerecht wird.

Drogen

Was durch Drogenkonsum geschehen kann, ist zu unterscheiden von dem, was durch Drogenkonsum tatsächlich in der Realität normalerweise passiert. So kann der Konsum von Kokain zum Tode führen. Tatsache aber ist: "Auf eine Kokainvergiftung durch Überdosierung zurückzuführende Todesfälle sind offenbar recht selten." Das erklärt der "Europäische Drogenbericht 2013" der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2013) auf Seite 37. - Wie sich Drogenkonsum in der Realität auswirkt, hängt eben nicht nur von der chemischen Substanz ab, sondern von drei Faktoren: von Art und Menge der eingenommenen Wirkstoffe (drug), von den Erwartungen des Konsumenten (set) und vom sozialräumlichen Kontext des Konsums (setting).

Die Rede von der harten Droge (z.B. "Kokain macht schnell süchtig") unterstellt einen sehr viel einfacheren und fremdbestimmten Wirkungszusammenhang. Sie tut so, als entscheide sich Wohl und Wehe des Konsumenten allein durch die Wahl der Droge, also durch ihre chemische Zusammensetzung. Das ist jedoch verkehrt.

Entscheidend ist der Umgang des Konsumenten mit der Droge. Wenn ein Kranker anlässlich einer großen Operation tagelang erhebliche Mengen Opiate bekommt, wird er - wegen seiner Erwartungen und des speziellen sozialräumlichen Kontextes - mit größter Wahrscheinlichkeit trotzdem nicht opiatabhängig. Wenn ein Landwirt im Dorfkrug regelmäßig jeden Sonntag nach der Kirche einen Schnaps und ein Bier trinkt, sich sonst aber von Alkohol fernhält, dann ist die Suchtgefahr trotz der potenten Droge ("Schnaps") minimal.

Einige Suchtforscher halten deshalb wenig von der Unterscheidung zwischen angeblich harten und angeblich weichen Drogen, halten aber viel von der Unterscheidung zwischen einem weichen und einem harten Konsum von Drogen: entscheidend ist nicht, welche Droge man nimmt, sondern wie man mit ihr umgeht. Man kann angeblich weiche Drogen auch "hart" gebrauchen und angeblich harte Drogen auch "weich".

Ist ein solcher "weicher" Konsum bei Opiaten und Kokain möglich? Pädagogik und Justiz verfolgen beide dasselbe Ziel: sie wollen die Öffentlichkeit vor den Gefahren der Drogen durch deren Dramatisierung und Dämonisierung bewahren. Doch wissenschaftliche Untersuchungen beweisen eindeutig: die Vorstellung von der Übermacht der Drogen über den menschlichen Willen ist eine Verallgemeinerung von Minderheitsphänomenen. Im Regelfall dominieren die Konsumenten der Drogen die Substanzen und nicht umgekehrt. So wie die meisten Konsumenten von Alkohol ihren Konsum in ein reguläres, normales und sozial produktives Leben einbauen - Bier zum Feierabend, Wein zu festlichen Gelegenheiten - während eine Minderheit von Alkoholkonsumenten die Kontrolle über Art und Umfang des Konsums verliert und sich und andere erheblichen Risiken aussetzt, so vermögen auch die meisten Kokaingebraucher ihren Konsum zu kontrollieren und nach einer Phase der Faszination und gelegentlicher Übertreibungen auch wieder auf ein normales Maß zurückzuschrauben, bzw. ganz einzustellen. Dass Kokain-Konsumenten so erhebiche Probleme mit ihrem Konsum bekommen, dass sie in ambulante oder stationäre ärztliche Behandlung müssen, ist ausgesprochen selten.

Für die große Mehrzahl der Konsumenten ist Kokain eine kontrollierte Freizeitdroge, die sie während einer Phase ihres Lebens auf meist recht unproblematische Weise nehmen und auf die sie nach Beendigung dieser Phase auch ohne nennenswerte Schwierigkeiten verzichten können. Die Vorstellung gräßlicher Entzugserscheinungen nach dem Absetzen von Kokain gehört eindeutig in den Bereich der Schauermärchen.

Konsument

Wer sich in das Gedankengefängnis der "harten Droge" begibt, der trifft dort auf die Stereotype von der dämonischen Droge und dem gewissenlosen Dealer. Den Drogenbenutzer trifft er nur als Opfer-Stereotyp. In diesem Universum ist ausgerechnet derjenige, der die Droge will, der sie sucht und erwirbt, der sich über sie freut und sie sich zubereitet, der sie konsumiert und sich - unter Inkaufnahme möglicher Nebenwirkungen - entspannt, konzentriert, ausruht, aktiviert, verlustiert oder sonstwie mit Hilfe der Droge seine Freizeit zu verschönern sucht, als handelndes Subjekt gar nicht vorhanden. Dabei ist es der Konsument, der mit seinem Konsumverhalten darüber entscheidet, was passiert. Und dem, wie beim Alkohol, die Kontrolle auch gelegentlich entgleiten kann.

Am geringsten sind die Risiken des Konsums, wenn der Konsum sozial akzeptiert und integriert ist, wenn der Konsument seine eigenen Konsum-Regeln aufstellt und befolgt, und wenn die äußeren Umstände des Konsums für eine angstfreie entspannte Atmosphäre sorgen. Je größer der Druck der Illegalität, je größer die Angst vor dem Entdeckt-Werden, je ängstlicher oder verletzlicher der Konsument selbst, desto riskanter wird der Konsum.

Weicher Konsum von Kokain

Die Überschrift dieses Abschnitts könnte auch lauten: es gibt keine harten und keine weichen Drogen; es gibt nur harten und weichen Gebrauch. Oder: die angeblich harte Droge Kokain wird weit überwiegend vom Konsumenten kontrolliert gebraucht - und die meisten Konsumenten hören auf, bevor ihr Konsum zu einem ernsthaften Problem wird.

  1. Kokain-Wein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: eine 1863 vom korsischen Chemiker Angelo Mariani kreierte Mischung aus Wein und Kokain unter dem Markennamen "Vin Mariani" war ein sehr beliebtes Erfrischungsgetränk in wohlhabenden Kreisen von St. Petersburg über London, Paris, Rom bis nach New York. Mariani importierte tonnenweise Coca-Blätter. Sein Wein enthielt zunächst nur 6 mg Kokain pro 30 ml Wein, später aber 7,2 mg, um mit dem höheren Kokain-Gehalt konkurrierender Getränke in den USA mitzuhalten. Mariani warb für seinen Wein mit dem Versprechen der Wiederherstellung von Gesundheit, Stärke, Energie und Vitalität. Hunderte von begeisterten Zuschriften - darunter dem Erfinder Thomas Alpha Edison und der Operndiva Eleonora Duse - füllten mehrere Buchbände, die Mariani voller Stolz veröffentlichte. Kein geringerer als Papst Leo XIII (1878-1903) verlieh Mariani die Auszeichnung als Wohltäter der Menschheit (benefactor humanitatis). Obwohl die Kokain-Menge nicht zu vernachlässigen war, war der Konsum zweifellos "weich" - und es wurde kein einziger Fall von problematischem Konsum bekannt, geschweige denn ein Drogentodesfall.
  2. Kokainkonsum im bürgerlichen Milieu der Gegenwart: eine Feldstudie von Forschern der Universität Frankfurt (Prof. Dr. Henner Hess und Mitarbeiter), bei der 42 Konsumenten befragt wurden, ergab, dass der Konsum von Kokain heutzutage eher kontrolliert und "weich" vonstatten geht. Die Frankfurter Rundschau berichtete am 19.10.1999 über die im Forschungsjournal der Frankfurter Universität veröffentlichten Ergebnisse: "Kontrollierter Konsum von Kokain ist möglich - und verbreitet" Wissenschaftler der Johann Wolfgang Goethe-Universität forschten im bürgerlichen Milieu: "Wie die Untersuchung einer Projektgruppe am Institut für Sozialpädagogik zeigt, gelingt vielen Konsumenten ein kontrollierter Umgang mit der Droge." - Ausführliche Interviews mit Frauen und Männern belegen, dass "kontrollierter Konsum von Kokain möglich ist und sogar sehr verbreitet zu sein scheint" - und zwar nicht nur "in bestimmten Subkulturen am oberen oder unteren Rand der Gesellschaft". Die meisten Befragten hatten Perioden intensiven Konsums erlebt und dabei auch die negativen Seiten des Kokains erlebt: Nasenbeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Schweißausbrüche, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Depressionen. Von den 42 befragten Konsumenten drohten zwei Frauen ins Junkie-Milieu abzurutschen, sieben Befragte hatten nie irgendwelche Probleme gehabt und sahen keinen Grund, ihre Konsumgewohnheiten zu verändern, 16 konsumierten "kontrolliert", also nur zu bestimmten Gelegenheiten; 17 hatten den Konsum ganz aufgegeben, weil er mit neuen Arbeitsverpflichtungen oder Beziehungen nicht zusammenpaßte". (Das Durchschnittsalter der Interviewten lag bei 28 Jahren, sie wurden über Bekannte der Projektteilnehmer gefunden. Zwanzig gingen einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in sozialen, handwerklichen und gastronomischen Berufen nach, es wurden aber auch Studenten, Umschüler, Gelegenheitsarbeiter, ein Werbefachmann, eine Sekretärin, eine Zahnarzthelferin und ein Fotomodell befragt. .. Die Mehrheit der Befragten "habe nach einer anfänglichen Steigerung den Kokainkonsum wieder eingeschränkt - zum Beispiel auf Abende, nach denen man ausschlafen kann. "Man konsumiert als Ausnahme, als Luxus, den man sich gönnt", schreiben die Autoren.
  3. Peter Cohens Studien über Kokainkonsum in Amsterdam (1993, 1994) bestätigen die weite Verbreitung sozial integrierten und unauffälligen Konsums.Rund zwei Drittel der Konsumenten reduzierten ihren Konsum im Laufe der Zeit oder gaben ihn vollkommen auf. Für die große Mehrheit der Befragten hatte der Kokain-Konsum im Laufe des zehnjährigen Untersuchungszeitraums keine negativen Folgen gehabt.
  4. Gegen den Mythos von der Allmacht der Droge Kokain spricht zudem auch die relative Leichtigkeit, mit der die Konsumenten sich vom Konsum verabschieden. Nicht allen fällt es leicht, aber der Mehrheit derjenigen, die aufhören, gelingt es ohne professionelle Hilfe und meistens sogar schon beim ersten Versuch. Das ist ein undramatischeres Bild als bei der Raucherentwöhnung (vgl. Waldorf u.a. 1991).


Conclusio

Bei illegalen Drogen gibt es eine tiefe Kluft zwischen einer vergleichsweise undramatischen Realität und einer dämonisierenden Vorstellung in Massenmedien und weiten Teilen der Öffentlichkeit. Die Dominanz der von Stereotypen beherrschten Vorstellungswelt hat über Jahrzehnte die Gesetzgebung und die Rechtsprechung beeinflusst. Für diejenigen, die als Angeklagte wegen Drogenvergehen vor Gericht kommen, hat dieser Umstand fatale Folgen, denn sie werden nicht dafür verurteilt, was sie getan haben, sondern für das, was ihnen in der Vorstellungswelt der über sie Urteilenden an Dämonischem zugeschrieben wird. Ohne die Drogenmythen spräche man weder von Rauschgiften noch von harten Drogen und viele derjenigen, die heute zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden, kämen vernünftigerweise nicht einmal vor Gericht.

Literatur und Weblinks

  • Cohen, Peter, & Arjan Sas (1994), Cocaine use in Amsterdam in non-deviant subcultures. Addiction Research, Vol. 2, No. 1, pp. 71-94.
  • Decorte, T. (2000), The taming of cocaine. Cocaine use in European and American cities. VUB University Press.
Daraus: Die 22.359 Teilnehmer des ZEIT-ONLINE-Drogenberichts wurden gefragt, welche Drogen sie mindestens einmal in ihrem Leben genommen haben (Angaben in Prozent): 99: Alkohol; 86: Tabak; 72: Energy drinks mit Koffein; 66: Cannabis; 59: Shisha Tabak; 32: Ecstasy/MDMA; 29: Koffeintabletten; 28: Amphetamine; 26: Kokain.
Auszug aus diesem Bericht: "Akute Todesfälle, die ausschließlich auf Kokain zurückzuführen sind und nicht mit Opiaten in Zusammenhang stehen, sind in Europa offenbar relativ selten." - Im Jahr 2003 haben mehrere Länder Daten über kokainbedingte Todesfälle übermittelt (Nationale Reitox-Berichte): Deutschland (25 Fälle, die ausschließlich auf Kokain zurückzuführen waren, und 93 Fälle, in denen Kokain in Verbindung mit anderen Drogen im Spiel war; 2002 betrugen die entsprechenden Zahlen 47 bzw. 84); Frankreich (10 Todesfälle aufgrund von Kokain und ein Todesfall aufgrund von Kokain in Verbindung mit einem Arzneimittel), Griechenland (zwei Todesfälle durch Kokain. - Kokain spielte in Deutschland bei etwa 8 % bis 12 % der drogenbedingten Todesfälle eine Rolle. Darüber hinaus kann Kokain bei Todesfällen aufgrund von Herzkreislaufproblemen (Arrhythmie, Myokardinfarkt, zerebrale Hämorrhagie; siehe Ghuran and Nolan, 2000) eine Rolle spielen, insbesondere bei Drogenkonsumenten mit entsprechender Prädisposition. Allerdings werden unter Umständen viele dieser Todesfälle nicht gemeldet.
  • Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht: Europäischer Drogenbericht 2014. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014
  • Hess, Henner; Behr, Rafael: Kokain in Frankfurt. Konsummuster und Verteilerhandel im 'bürgerlichen' Milieu:in Legnaro, Aldo/Arnold Schmieder (Hg.): Deregulierung der Sucht Münster 2001 (Jahrbuch Suchtforschung Bd. 2), S. 81-93.
  • Hess, Henner: "... es ist alles unheimlich grenzenlos möglich". Kokain in Frankfurt - Konsummuster und Verteilerhandel im "bürgerlichen" Milieu, in: Forschung Frankfurt 17 (1999), 4, S. 30-37.
Zusammenfassung in der jugendrichter.de: Aus der Frankfurter Rundschau vom 19.10.1999: "Kontrollierter Konsum von Kokain ist möglich - und verbreitet" Wissenschaftler der Johann Wolfgang Goethe-Universität forschten im bürgerlichen Milieu / 42 User wurden befragt. Kokain ist nicht nur in Künstler- oder Junkie-Kreisen verbreitet, sondern auch im bürgerlichen Milieu. Wie die Untersuchung einer Projektgruppe am Institut für Sozialpädagogik weiter zeigt, gelingt vielen Konsumenten ein kontrollierter Umgang mit der Droge. Kokain gilt als "Champagner unter den Drogen", als eine Substanz, die von den Reichen und Schönen, den Künstlern und Börsenmaklern konsumiert wird, schreiben Henner Hess, Rafael Behr und Peter Klös vom Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung in der jüngsten Ausgabe von Forschung Frankfurt, dem Wissenschaftsmagazin der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Gleichzeitig sei Kokain in seiner rauchbaren Variante als Crack zu einer Straßendroge geworden, die neben Heroin die verelendete Junkie-Szene beherrscht. Studenten der Projektgruppe "Kokain in Frankfurt" haben ausführliche Interviews mit Frauen und Männern geführt, die nach Auffassung des Autoren-Trios belegen, dass "kontrollierter Konsum von Kokain möglich ist und sogar sehr verbreitet zu sein scheint" - und zwar nicht nur "in bestimmten Subkulturen am oberen oder unteren Rand der Gesellschaft". Die meisten Befragten hatten Perioden intensiven Konsums erlebt und dabei auch die negativen Seiten des Kokains erlebt: Nasenbeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Schweißausbrüche, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Depressionen. Von den 42 befragten Konsumenten drohten zwei Frauen ins Junkie-Milieu abzurutschen, sieben Befragte hatten nie irgendwelche Probleme gehabt und sahen keinen Grund, ihre Konsumgewohnheiten zu verändern, 16 konsumierten "kontrolliert", also nur zu bestimmten Gelegenheiten; 17 hatten den Konsum ganz aufgegeben, weil er mit neuen Arbeitsverpflichtungen oder Beziehungen nicht zusammenpaßte, schlossen aber einen Rückfall nicht aus. Das Durchschnittsalter der Interviewten lag bei 28 Jahren, sie wurden über Bekannte der Projektteilnehmer gefunden. Zwanzig gingen einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in sozialen, handwerklichen und gastronomischen Berufen nach, es wurden aber auch Studenten, Umschüler, Gelegenheitsarbeiter, ein Werbefachmann, eine Sekretärin, eine Zahnarzthelferin und ein Fotomodell befragt. Besonders gefährdet seien Konsumenten, die das Kokain dazu nutzen, um mit vorher bestehenden Problemen fertig zu werden, stellen die Autoren fest. Hier könne die Droge schnell zum Lebensmittelpunkt werden und zu dauerhaften Schwierigkeiten im Alltag führen. Die Mehrheit der Befragten aber habe nach einer anfänglichen Steigerung den Kokainkonsum wieder eingeschränkt - zum Beispiel auf Abende, nach denen man ausschlafen kann. "Man konsumiert als Ausnahme, als Luxus, den man sich gönnt", schreiben die Autoren. - Die Illegalität der Droge, die den Erwerb erschwert, und die hohen Preise unterstützen diese Kokain-Konsumenten bei einem kontrollierten Gebrauch, während sie das Leid derjenigen, die von der Droge abhängig sind, vergrößert.