Kokain - eine harte Droge?: Unterschied zwischen den Versionen

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==== Weicher Konsum von Kokain ====
==== Weicher Konsum von Kokain ====


Die Überschrift dieses Abschnitts könnte auch lauten: es gibt keine harten und keine weichen Drogen; es gibt nur harten und weichen Gebrauch. Das Beispiel betrifft die feine Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Droge: eine Mischung aus Wein und Kokain unter dem Markennamen "Vin Mariani". Dieser 1863 vom korsischen Chemiker Angelo Mariani kreierte Wein war ein äußerst beliebtes Erfrischungs-Getränk in den wohlhabenderen Kreisen der Gesellschaft von St. Petersburg, London, Paris, Rom und New York. Mariani importierte tonnenweise Coca-Blätter. Sein Wein enthielt zunächst nur 6 mg Kokain pro 30 ml Wein, später aber 7,2 mg, um mit dem höheren Kokain-Gehalt konkurrierender Getränke in den USA mitzuhalten. Mariani warb für seinen Wein mit dem Versprechen der Wiederherstellung von Gesundheit, Stärke, Energie und Vitalität. Hunderte von begeisterten Zuschriften - darunter dem Erfinder Thomas Alpha Edison und der Operndiva Eleonora Duse - füllten mehrere Buchbände, die Mariani voller Stolz veröffentlichte. Kein geringerer als Papst Leo XIII (1878-1903) verlieh Mariani die Auszeichnung als Wohltäter der Menschheit (benefactor humanitatis). Obwohl die Kokain-Menge nicht zu vernachlässigen war, war der Konsum zweifellos "weich" - und es wurde kein einziger Fall von problematischem Konsum bekannt, geschweige denn ein Drogentodesfall.
Die Überschrift dieses Abschnitts könnte auch lauten: es gibt keine harten und keine weichen Drogen; es gibt nur harten und weichen Gebrauch. Oder: die angeblich harte Droge Kokain wird in den allermeisten Fällen kontrolliert konsumiert - und die allermeisten Konsumenten hören auf, bevor ihr Konsum zu einem ernsthaften Problem wird.
 
 
#Kokain-Wein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: eine 1863 vom korsischen Chemiker Angelo Mariani kreierte Mischung aus Wein und Kokain unter dem Markennamen "Vin Mariani" war ein sehr beliebtes Erfrischungsgetränk in wohlhabenden Kreisen von St. Petersburg über London, Paris, Rom bis nach New York. Mariani importierte tonnenweise Coca-Blätter. Sein Wein enthielt zunächst nur 6 mg Kokain pro 30 ml Wein, später aber 7,2 mg, um mit dem höheren Kokain-Gehalt konkurrierender Getränke in den USA mitzuhalten. Mariani warb für seinen Wein mit dem Versprechen der Wiederherstellung von Gesundheit, Stärke, Energie und Vitalität. Hunderte von begeisterten Zuschriften - darunter dem Erfinder Thomas Alpha Edison und der Operndiva Eleonora Duse - füllten mehrere Buchbände, die Mariani voller Stolz veröffentlichte. Kein geringerer als Papst Leo XIII (1878-1903) verlieh Mariani die Auszeichnung als Wohltäter der Menschheit (benefactor humanitatis). Obwohl die Kokain-Menge nicht zu vernachlässigen war, war der Konsum zweifellos "weich" - und es wurde kein einziger Fall von problematischem Konsum bekannt, geschweige denn ein Drogentodesfall.


Empirische Ergebnisse zeigen, wie "weich" der Konsum von Kokain heutzutage in den allermeisten Fällen vonstatten geht - die Rede ist hier nicht von Randständigen und Crack, sonder von sozial integrierten Konsumenten "im bürgerlichen Milieu":  
Empirische Ergebnisse zeigen, wie "weich" der Konsum von Kokain heutzutage in den allermeisten Fällen vonstatten geht - die Rede ist hier nicht von Randständigen und Crack, sonder von sozial integrierten Konsumenten "im bürgerlichen Milieu":  
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*Im Jahr 2003 haben mehrere Länder Daten über kokainbedingte Todesfälle übermittelt (Nationale Reitox-Berichte): Deutschland (25 Fälle, die ausschließlich auf Kokain zurückzuführen waren, und 93 Fälle, in denen Kokain in Verbindung mit anderen Drogen im Spiel war; 2002 betrugen die entsprechenden Zahlen 47 bzw. 84); Frankreich (10 Todesfälle aufgrund von Kokain und ein Todesfall aufgrund von Kokain in Verbindung mit einem Arzneimittel), Griechenland (zwei Todesfälle durch Kokain
*Im Jahr 2003 haben mehrere Länder Daten über kokainbedingte Todesfälle übermittelt (Nationale Reitox-Berichte): Deutschland (25 Fälle, die ausschließlich auf Kokain zurückzuführen waren, und 93 Fälle, in denen Kokain in Verbindung mit anderen Drogen im Spiel war; 2002 betrugen die entsprechenden Zahlen 47 bzw. 84); Frankreich (10 Todesfälle aufgrund von Kokain und ein Todesfall aufgrund von Kokain in Verbindung mit einem Arzneimittel), Griechenland (zwei Todesfälle durch Kokain
*Kokain spielte in Deutschland bei etwa 8 % bis 12 % der drogenbedingten Todesfälle eine Rolle. Darüber hinaus kann Kokain bei Todesfällen aufgrund von Herzkreislaufproblemen (Arrhythmie, Myokardinfarkt, zerebrale Hämorrhagie; siehe Ghuran and Nolan, 2000) eine Rolle spielen, insbesondere bei Drogenkonsumenten mit entsprechender Prädisposition. Allerdings werden unter Umständen viele dieser Todesfälle nicht gemeldet.
*Kokain spielte in Deutschland bei etwa 8 % bis 12 % der drogenbedingten Todesfälle eine Rolle. Darüber hinaus kann Kokain bei Todesfällen aufgrund von Herzkreislaufproblemen (Arrhythmie, Myokardinfarkt, zerebrale Hämorrhagie; siehe Ghuran and Nolan, 2000) eine Rolle spielen, insbesondere bei Drogenkonsumenten mit entsprechender Prädisposition. Allerdings werden unter Umständen viele dieser Todesfälle nicht gemeldet.
== Literatur und Weblinks ==
== Literatur und Weblinks ==
*Hess, Henner; Behr, Rafael: Kokain in Frankfurt. Konsummuster und Verteilerhandel im 'bürgerlichen' Milieu:in Legnaro, Aldo/Arnold Schmieder (Hg.): Deregulierung der Sucht Münster 2001 (Jahrbuch Suchtforschung Bd. 2), S. 81-93.
*Hess, Henner; Behr, Rafael: Kokain in Frankfurt. Konsummuster und Verteilerhandel im 'bürgerlichen' Milieu:in Legnaro, Aldo/Arnold Schmieder (Hg.): Deregulierung der Sucht Münster 2001 (Jahrbuch Suchtforschung Bd. 2), S. 81-93.
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