Kokain - eine harte Droge?: Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 14: Zeile 14:
Eine sachlich begründete Basis hat der Begriff der harten Droge aber noch lange nicht. Allenfalls repräsentiert er eine Art Halbwissen. Doch Halbwissen ist manchmal schlimmer als bewusstes Nichtwissen. Insbesondere dann, wenn man glaubt, mit der Kategorie der harten Droge schon genug zu wissen, um ganz generell extreme Strafandrohungen im Gesetz zu legitimieren, bzw. konkrete Angeklagte mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bestrafen.  
Eine sachlich begründete Basis hat der Begriff der harten Droge aber noch lange nicht. Allenfalls repräsentiert er eine Art Halbwissen. Doch Halbwissen ist manchmal schlimmer als bewusstes Nichtwissen. Insbesondere dann, wenn man glaubt, mit der Kategorie der harten Droge schon genug zu wissen, um ganz generell extreme Strafandrohungen im Gesetz zu legitimieren, bzw. konkrete Angeklagte mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bestrafen.  


Wer über harte Drogen spricht, spricht über Drogen, als wären sie die eigentlichen handelnden Akteure, die Subjekte des Geschehens. Von harten Drogen heißt es, dass sie "abhängig machen", "süchtig machen", "irreparable Schäden hervorrufen" und "zum Tode führen". Der Konsument, der die Droge sucht, sie erwirbt, sie zubereitet, sie mit bestimmten Erwartungen konsumiert und der diese oder jene Risiken in Kauf nimmt, weil er diese oder jene Hauptzwecke seines Konsums erreichen will - meist wohl eine Bereicherung seiner guten Gefühlserlebnisse in der Freizeit - dieser Konsument taucht im Reden über harte Drogen gar nicht als aktives Wesen auf, sondern nur als Opfer einer mit übermächtigen Kräften ausgestatteten Droge. Die Droge tut und macht und schädigt, der Konsument, das Opfer, leidet und stirbt daran. Doch Drogen selbst tun gar nichts. Solange sie irgendwo gelagert sind, tun sie nicht mehr als ein Sack voller Kartoffeln: sie machen nichts, sie rufen nichts hervor, sie verleiten nichts und niemanden und schon gar nicht töten sie irgend jemanden. In Wirklichkeit sind Drogen tote Gegenstände. Sie, die nichts tun können, werden durch die Rede von der harten Droge auf metaphorische Weise zum Leben erweckt. Sie werden mit dämonischen Kräften ausgestattet, die sich ihre Opfer suchen und sie zu willenlosen Zombies machen.
Wer über harte Drogen spricht, spricht über Drogen, als wären sie die eigentlichen handelnden Akteure, die Subjekte des Geschehens. Von harten Drogen heißt es, dass sie "abhängig machen", "süchtig machen", "irreparable Schäden hervorrufen" und "zum Tode führen". Der Konsument, der die Droge sucht, sie erwirbt, sie zubereitet, sie mit bestimmten Erwartungen konsumiert und der diese oder jene Risiken in Kauf nimmt, weil er diese oder jene Hauptzwecke seines Konsums erreichen will - meist wohl eine Bereicherung seiner guten Gefühlserlebnisse in der Freizeit - dieser Konsument taucht im Reden über harte Drogen gar nicht als aktives Wesen auf, sondern nur als Opfer einer mit übermächtigen Kräften ausgestatteten Droge. Die Droge tut und macht und schädigt, der Konsument, das Opfer, leidet und stirbt daran.


Natürlich kann man die Wut über die Schäden, die die Drogen anrichten, nicht an den Drogen selbst auslassen. Gewiss: man kann Drogen verbrennen. Aber man kann sie nicht bestrafen. Deswegen muss die Schuld auf diejenigen projiziert werden, die sie auf die Menschheit losgelassen haben. Das sind die Dealer, gewissermaßen die Täter hinter den Tätern, die Drahtzieher, die eigentlichen Bösewichte und die eigentlichen Objekte unserer Straflust. Die Dämonisierung der harten Drogen geht Hand in Hand mit der Dämonisierung derjenigen, die mit ihnen Handel treiben.  
Doch Drogen selbst tun gar nichts. Solange sie irgendwo gelagert sind, tun sie nicht mehr als ein Sack voller Kartoffeln: sie machen nichts, sie rufen nichts hervor, sie verleiten nichts und niemanden und schon gar nicht töten sie irgend jemanden. In Wirklichkeit sind Drogen tote Gegenstände. Sie, die nichts tun können, werden durch die Rede von der harten Droge auf metaphorische Weise zum Leben erweckt. Sie werden mit dämonischen Kräften ausgestattet, die sich ihre Opfer suchen und sie zu willenlosen Zombies machen.
 
So ziehen die Drogen eine Menge Wut auf sich. Wut, die man aber nur begrenzt an den Drogen selbst auslassen kann. Gewiss: man kann Drogen verbrennen. Das tut man ja auch. Aber man kann sie eben nicht bestrafen. Irgendwo muss man mit der Wut aber hin. Wer hat die dämonischen Drogen denn überhaupt verbreitet, wer hat sie aus dem Ausland geholt und wer verteilt sie unter der Bevölkerung? Die Schuld wird auf diejenigen projiziert, die die harten Drogen auf die auf die Menschheit losgelassen haben. Die Dealer, das sind die Täter hinter den Dämonen, das sind die Drahtzieher im Hintergrund, mit ihrer angeblich so gewissenlosen Geschäftemacherei. Sie sind die greifbaren Objekte unserer Straflust. Deswegen geht die Dämonisierung der harten Drogen Hand in Hand mit der Dämonisierung derjenigen, die mit ihnen Handel treiben.


== Mythos und Realität ==
== Mythos und Realität ==
31.738

Bearbeitungen