Karl-Heinz Dellwo (* 11.04.1952 in Opladen, heute Leverkusen) wurde als Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) und insbesondere im Zusammenhang mit dem Überfall des Kommandos Holger Meins auf die deutsche Botschaft in Stockholm im Jahre 1975 bekannt. Nach dem Scheitern dieser Aktion verbrachte Dellwo 20 Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung gründete er in Hamburg die Filmgesellschaft BellaStoria und nahm eine Arbeit in einer Computerfirma auf. Karl-Heinz Dellwos Bruder Hans-Joachim war ebenfalls RAF-Mitglied. Nach seiner Verhaftung machte er umfangreiche Aussagen. Heute lebt er unter anderer Identität und ohne Kontakt zu seiner Familie in Kanada.

Leben

In Opladen verbrachte Dellwo die ersten (vier) Lebensjahre. Die weitere Kindheit und Jugend verbrachte er in der Eifel (Landkreis Prüm), im Saarland und im Schwarzwald (Landkreis Freudenstadt). Er begann eine Lehre als Industriekaufmann, doch wurde ihm wegen seiner Rolle in der Organisation eines Lehrlingsstreiks gekündigt. Mit seinem Freund, dem Elektrikerlehrling Stefan Wisniewski, ging Dellwo 1971 nach Hamburg, von wo beide einige Monate lang zur See fuhren (Wisniewski als Maschinist, Dellwo als Decksmann). Danach besuchten beide die Abendschule am Holstentor (Karolinenviertel) und arbeiteten bei der Post (bis Februar 1973). Aktivitäten in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und die Beteiligung an der ersten Hausbesetzung in Hamburg (Ekhofstraße) folgten. Gegen Dellwo, der rund 10 Tage vor der Räumung des Hauses verhaftet wurde, strengte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren an. Der Vorwurf lautete zunächst auf versuchten Totschlag, wurde dann aber erheblich herabgestuft (Landfriedensbruch). Erneute Verhaftung im Zuge der polizeilichen Räumung des besetzten Hauses. Aufenthalt im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis (nach drei Tagen Haft Verhängung vollständiger Isolation). Verbleib in der U-Haft auch nach dem Urteil, da die Staatsanwaltschaft in Revision ging. Mai 1974 Entlassung aus der Haft. Zwischenzeitlich waren ca. 14 Leute aus der Ekhofstraße zu verschiedenen bewaffneten Gruppen gegangen. Eine Gruppe mit Margrit Schiller, Helmut Pohl, Christa Eckes, Wolfgang Beer u.a. in der Hamburger Straße war kurz vor der Entlassung Dellwos verhaftet worden. 1973 waren die Komitees gegen die Isolationsfolter gegründet worden. Dellwo schloss sich 1974 einem Komitee mit Susanne Albrecht, Sigrid Sternebeck, Ekhard von Seckendorff u.a. an (Seckendorff war aus einer Ärztegruppe gekommen, die in Haftanstalten gearbeitet und die Geschichte von Werner Hoppe mitbekommen hatte).


Geiselnahme von Stockholm

Am 25. April 1975 beteiligte er sich an der Aktion des Kommando Holger Meins bei der zwei Botschaftsmitglieder getötet wurden (Andreas von Mirbach, Heinz Hillegaart). Zwei Mitglieder des Kommandos (Ulrich Wessel und Siegfried Hausner) zogen sich bei der unbeabsichtigten Detonation eines von ihnen präparierten Sprengsatzes schwerste Verletzungen zu, an denen sie später starben. Die vier überlebenden Kommandomitglieder (Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rössner und Lutz Taufer) wurden verhaftet und am 20.07.1977 zu zweimal lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. - Eine schriftliche Erklärung Dellwos, die bei der Festnahme des RAF-Mitglieds Stefan Wisniewski in Paris gefunden wurde und in der Dellwo die Entführung des Passagierflugzeuges "Landshut" kritisierte, wurde vom niedersächsischen Verfassungsschutz als fingierter Beweis in der Affäre um das sogenannte Celler Loch missbraucht. - Dellwo wurde im Frühjahr 1995 aus der Haft entlassen. Er zählt zu den wenigen ehemaligen RAF-Mitgliedern, die sich öffentlich äußern.

Publikationen von Dellwo

In der Zeitschrift "Die Beute Nr. 15/16" erschien 1997 ein Auszug aus dem 77-Seiten Text "Mitten im Nebel", den Dellwo 1990 verfasst hatte und der eine frühe grundsätzliche Reflexion aus dem Innenkreis der RAF darstellt.

Dellwo war Mitorganisator des Ulrike-Meinhof-Kongresses 1996 an der TU Berlin und 1997 in Zürich Podiumsteilnehmer anlässlich des "Kongresses über den Bewaffneten Kampf in Europa". Dellwo vertritt seit Jahren öffentlich die Position, dass der Tod der Gefangenen in Stammheim 1977 ein "Selbstmord unter staatlicher Beobachtung" gewesen sei. [3]

2004 drehte der schwedische Regisseur David Aronowitsch den Dokumentarfilm Stockholm 75, in dessen Mittelpunkt er Dellwo stellte.


Sein Bruder Hans-Joachim Dellwo war ebenfalls RAF-Mitglied. Nach seiner Verhaftung machte er umfangreiche Aussagen. Heute lebt er unter anderer Identität und ohne Kontakt zu seiner Familie in Kanada.

2007 erschien ein von der Psychoanalytikerin Angelika Holderberg herausgegebenes Buch, in welchem mehrjährige Gespräche zwischen Psychoanalytikern und mehreren ehemaligen deutschen Terroristen wiedergegeben werden. Unter den Autoren ist auch Karl-Heinz Dellwo.


Literatur

Angelika Holderberg (Hrsg.): Nach dem bewaffneten Kampf. Ehemalige Mitglieder der RAF und Bewegung 2. Juni sprechen mit Therapeuten über ihre Vergangenheit. Psychosozial-Verlag, Gießen 2007. ISBN 3-89806-588-X Karl-Heinz Dellwo: Das Projektil sind wir. Der Aufbruch einer Generation, die RAF und die Kritik der Waffen. Gespräche mit Tina Petersen und Christoph Twickel. Edition Nautilus, Hamburg 2007. ISBN 978-3-89401-556-5

Weblinks

Interview bei Tirol Online, 23. Januar 2009

Einzelnachweise

  • (1) NZZ: Anmerkungen zur Nachgeschichte der RAF im Spiegel zweier Publikationen 4. April 2007
  • (2) Michael Sontheimer-Interview: "Wir mussten verlieren" in: Spiegel online Oktober 2007
  • (3) Frank Bachner und Axel Vornbäumen: Die Nacht von Stammheim" in: Der Tagesspiegel 14-10-2007
  • (4) Oliver Tolmein: "Was macht denn der Lutz Taufer?" in: konkret Heft 02 2005

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Heinz_Dellwo“

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