John Braithwaite über Terrorismus: Unterschied zwischen den Versionen

 
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== Reaktanz und prozedurale Gerechtigkeit ==
== Reaktanz und prozedurale Gerechtigkeit ==


Nach Tom Tyler (1990) sind Menschen zum Gehorchen bereit, wenn sie das Verfahren, das zu einer Anordnung führte, als prozedural fair wahrnehmen. Kontrolle von Terrorismus ist dann erfolgversprechend, wenn die Maßnahmen dynamisch und responsiv sind, d.h. wenn sie der "responsiven regulatorischen Pyramide" folgen, also an der Basis der Pyramide ansetzen und es mit Dialog, Versöhnung und kreativen Problemlösungen versuchen (= restorative justice).
Nach [[Tom Tyler]] (1990) sind Menschen zum Gehorchen bereit, wenn sie das Verfahren, das zu einer Anordnung führte, als prozedural fair wahrnehmen. Kontrolle von Terrorismus ist dann erfolgversprechend, wenn die Maßnahmen dynamisch und responsiv sind, d.h. wenn sie der "responsiven regulatorischen Pyramide" folgen, also an der Basis der Pyramide ansetzen und es mit Dialog, Versöhnung und kreativen Problemlösungen versuchen (= restorative justice).
Nachdem diese erste Stufe ohne Erfolg erschöpfend probiert wurde, geht man zur Stufe der Abschreckung über. Man unterstellt hier einen rationalen Akteur, der sein Eigeninteresse erkennt und sich entsprechend verhalten kann. Gute Diplomatie vermag es, bei individuellen und kollektiven Akteuren, bei denen zunächst nur das irrationale oder inkompetente Selbst erkennbar scheint, das rationale und verantwortliche Selbst hervorzulocken und zum Gesprächspartner zu machen. Erst wenn diese zweite Stufe ohne Erfolg ausprobiert wurde, kommt man zur dritten Stufe der Unschädlichmachung (incapacitation), die auch ohne die Einsichtsfähigkeit der Gegenseite funktionieren kann.  
Nachdem diese erste Stufe ohne Erfolg erschöpfend probiert wurde, geht man zur Stufe der Abschreckung über. Man unterstellt hier einen rationalen Akteur, der sein Eigeninteresse erkennt und sich entsprechend verhalten kann. Gute Diplomatie vermag es, bei individuellen und kollektiven Akteuren, bei denen zunächst nur das irrationale oder inkompetente Selbst erkennbar scheint, das rationale und verantwortliche Selbst hervorzulocken und zum Gesprächspartner zu machen. Erst wenn diese zweite Stufe ohne Erfolg ausprobiert wurde, kommt man zur dritten Stufe der Unschädlichmachung (incapacitation), die auch ohne die Einsichtsfähigkeit der Gegenseite funktionieren kann.  
Sobald die eigenen Aktionen eine positive Reaktion hervorrufen, sollte man de-eskalieren - so wie es auch die Graduated Reduction in Tension (GRIT) Theorie der Internationalen Beziehungen vertritt.
Sobald die eigenen Aktionen eine positive Reaktion hervorrufen, sollte man de-eskalieren - so wie es auch die Graduated Reduction in Tension (GRIT) Theorie der Internationalen Beziehungen vertritt.
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Aus der Restorative-Justice-Perspektive (und derjenigen der Internationalen Beziehungen) war der Fehler der USA nicht der Verzicht auf die Einnahme Bagdads im ersten amerikanischen Anti-Irak-Krieg, sondern das Versäumnis, vor der Kuwait-Invasion kristallklar auf die Konsequenzen einer Kuwait-Invasion durch Saddam Hussein hinzuweisen. Die Kriegsvermeidungsmöglichkeiten waren nicht ausgeschöpft worden. Dann wurde die Eskalation nicht langsam, sondern übereilig und übertrieben organisiert. Danach kam es nicht schnell genug zu einer De-Eskalation. Man machte gewissermaßen alles falsch, was man falsch machen konnte.  
Aus der Restorative-Justice-Perspektive (und derjenigen der Internationalen Beziehungen) war der Fehler der USA nicht der Verzicht auf die Einnahme Bagdads im ersten amerikanischen Anti-Irak-Krieg, sondern das Versäumnis, vor der Kuwait-Invasion kristallklar auf die Konsequenzen einer Kuwait-Invasion durch Saddam Hussein hinzuweisen. Die Kriegsvermeidungsmöglichkeiten waren nicht ausgeschöpft worden. Dann wurde die Eskalation nicht langsam, sondern übereilig und übertrieben organisiert. Danach kam es nicht schnell genug zu einer De-Eskalation. Man machte gewissermaßen alles falsch, was man falsch machen konnte.  


Die fatale Sequenz wear also Unter-Abschreckung, gefolgt von Über-Abschreckung, gefolgt von unzulänglicher De-Eskalation. Dasselbe Muster zeigte sich auch bei Bush II. und seiner Reaktion auf den Terrorismus: "Unter-Reaktion, gefolgt von Über-Reaktion, gefolgt von dem Versäumnis zu demobilisieren" (2005: 101).
Die fatale Sequenz war also Unter-Abschreckung, gefolgt von Über-Abschreckung, gefolgt von unzulänglicher De-Eskalation. Dasselbe Muster zeigte sich auch bei Bush II. und seiner Reaktion auf den Terrorismus: "Unter-Reaktion, gefolgt von Über-Reaktion, gefolgt von dem Versäumnis zu demobilisieren" (2005: 101).


== Eindämmung und Vergrößerung ==
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Die Strafverfolgung von Terroristen ist vielleicht der Kriegsführung überlegen. Man sehe sich die Erfahrungen Italiens mit den Roten Brigaden an.
Die Strafverfolgung von Terroristen ist vielleicht der Kriegsführung überlegen. Man sehe sich die Erfahrungen Italiens mit den Roten Brigaden an.
== Weblinks ==
*[http://www.anu.edu.au/fellows/jbraithwaite/_documents/Articles/Pre-empting_Terrorism_2005.pdf Braithwaite, John (2005) Pre-Empting Terrorism. Current Issues in Criminal Justice 17 H.1: 96-114]
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