Honduranische Staatskrise (2009): Unterschied zwischen den Versionen

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Auch wenn man davon ausgehen würde, dass eine verfassungsmäßige Entmachtung Zelayas stattgefunden hat, so ist doch wenigstens von außerordentlichen handwerklichen Mängeln und Dilettantismus zu sprechen. Aus rechtlicher Sicht, aber auch in Anbetracht der seinerzeit günstigen politischen Verhältnisse im Parlament und obersten Gerichtshof, stellt sich die Frage, warum ein geordneter Prozess nicht möglich war.<ref>[http://www.contactomagazine.com/cafeimpresso/hondurascomedyoferrors0609.htm Honduras - A Comedy of Errors], Contacto Magazine</ref>
Auch wenn man davon ausgehen würde, dass eine verfassungsmäßige Entmachtung Zelayas stattgefunden hat, so ist doch wenigstens von außerordentlichen handwerklichen Mängeln und Dilettantismus zu sprechen. Aus rechtlicher Sicht, aber auch in Anbetracht der seinerzeit günstigen politischen Verhältnisse im Parlament und obersten Gerichtshof, stellt sich die Frage, warum ein geordneter Prozess nicht möglich war.<ref>[http://www.contactomagazine.com/cafeimpresso/hondurascomedyoferrors0609.htm Honduras - A Comedy of Errors], Contacto Magazine</ref>


Eine Zelaya-feindliche Interpretation der Ereignisse lautet, dass es keinen [http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsstreich#Putsch_und_Staatsstreich Putsch] gegeben hat, sondern eine chaotisch verlaufende Entmachtung, deren Ursache einerseits in den mangelnden rechtsstaatlichen Kapazitäten Honduras, einer schlecht gearbeiteten Verfassung sowie der hohen politischen Polarisierung zu finden sei. Die Außerlandesschaffung Zelayas sei eine kriminelle, wenn auch eigenmächtige Handlung des Militärs gewesen, wobei damit jedoch keine illegale und schon gar keine illegitime Übernahme der Macht verbunden gewesen sei. Die Entmachtung sei weder überraschend gewesen, noch handele es sich bei der Gegnerschaft Zelayas um eine kleine Gruppe, vielmehr um alle maßgeblichen gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen (Medien, Parlament, Gerichte, Kirche) sowie einen beachtlichen Teil der Bevölkerung. Zelaya habe einen Putschversuch unternommen und sei damit gescheitert. In einem ''geheimen'' Beitrag für Wikileaks kommt der US-Botschafter in Honduras, Hugo Llorens, diesbezüglich zu folgender Einschätzung: "The analysis of the Constitution sheds some interesting light on the events of June 28.  The Honduran establishment confronted a dilemma: near unanimity among the institutions of the state and the political class that Zelaya had abused his powers in violation of the Constitution, but with some ambiguity what to do about it. Faced with that lack of clarity, the military and/or whoever ordered the coup fell back on what they knew -- the way Honduran presidents were removed in the past: a bogus resignation letter and a one-way ticket to a neighboring country."<ref>[http://wikileaks.de/cable/2009/07/09TEGUCIGALPA645.html OPEN AND SHUT: THE CASE OF THE HONDURAN COUP], US Embassy Diplomatic Cable, Wikilekas</ref>
In einem ''geheimen'' Beitrag für Wikileaks kommt der seinerzeitige US-Botschafter in Honduras, Hugo Llorens, diesbezüglich zu folgender Einschätzung: "The analysis of the Constitution sheds some interesting light on the events of June 28.  The Honduran establishment confronted a dilemma: near unanimity among the institutions of the state and the political class that Zelaya had abused his powers in violation of the Constitution, but with some ambiguity what to do about it. Faced with that lack of clarity, the military and/or whoever ordered the coup fell back on what they knew -- the way Honduran presidents were removed in the past: a bogus resignation letter and a one-way ticket to a neighboring country."<ref>[http://wikileaks.de/cable/2009/07/09TEGUCIGALPA645.html OPEN AND SHUT: THE CASE OF THE HONDURAN COUP], US Embassy Diplomatic Cable, Wikilekas</ref>


Ähnliche bzw. Zelaya-feindlichere Interpretationen wurden in verschiedenen Abstufungen u.A. von der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nahe) in Kooperation mit ''Die Welt''<ref>[http://www.welt.de/politik/ausland/article4055765/Warum-Europa-und-UN-bei-Honduras-falsch-liegen.html Warum Europa und UN bei Honduras flasch liegen], Die Welt</ref><ref>[http://www.welt.de/politik/ausland/article4031844/Das-Maerchen-vom-Staatsstreich-in-Honduras.html Das Märchen vom Staatsstreich in Honduras], Die Welt</ref>, der Hanns-Seidel-Stiftung<ref>[http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Lateinamerika_QB_2009-III.pdf Quartalsbericht Lateinamerika 2009], Hanns-Seidel-Stiftung</ref> (CSU-nahe), dem ''Wall Street Journal''<ref>[http://online.wsj.com/article/SB124623220955866301.html Honduras Defends its Democracy], Wall Street Journal</ref><ref>[https://nacla.org/node/6230 US Media fail in Coup Reporting], nacla</ref> sowie konservativen/reaktionären Kreisen in den USA vertreten.<ref>[http://www.havanatimes.org/?p=15348 Republican Backers of Honduras Coup], Havana Times</ref><ref>[http://www.ww4report.com/node/7799 Honduras: right-wing propaganda machine in pro-coup offensive], World War 4 Report</ref> Politologisch anschlussfähig ist eine Zelaya-feindliche Interpretation der Ereignisse ggf. anhand von Theorien über ''Wehrhafte/Streitbare Demokratie''.
Eine Zelaya-feindlichere Interpretation der Ereignisse lautet, dass es keinen [http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsstreich#Putsch_und_Staatsstreich Putsch] gegeben hat, sondern eine chaotisch verlaufende Entmachtung, deren Ursache einerseits in den mangelnden rechtsstaatlichen Kapazitäten Honduras, einer schlecht gearbeiteten Verfassung sowie der hohen politischen Polarisierung zu finden sei. Die Außerlandesschaffung Zelayas sei eine kriminelle, wenn auch eigenmächtige Handlung des Militärs gewesen, wobei damit jedoch keine illegale und schon gar keine illegitime Übernahme der Macht verbunden gewesen sei. Die Entmachtung sei weder überraschend gewesen, noch handele es sich bei der Gegnerschaft Zelayas um eine kleine Gruppe, vielmehr um alle maßgeblichen gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen (Medien, Parlament, Gerichte, Kirche) sowie einen beachtlichen Teil der Bevölkerung. Zelaya habe einen Putschversuch unternommen und sei damit gescheitert.
 
Zelaya-feindliche Interpretationen wurden in verschiedenen Abstufungen u.A. von der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nahe) in Kooperation mit ''Die Welt''<ref>[http://www.welt.de/politik/ausland/article4055765/Warum-Europa-und-UN-bei-Honduras-falsch-liegen.html Warum Europa und UN bei Honduras flasch liegen], Die Welt</ref><ref>[http://www.welt.de/politik/ausland/article4031844/Das-Maerchen-vom-Staatsstreich-in-Honduras.html Das Märchen vom Staatsstreich in Honduras], Die Welt</ref>, der Hanns-Seidel-Stiftung<ref>[http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Lateinamerika_QB_2009-III.pdf Quartalsbericht Lateinamerika 2009], Hanns-Seidel-Stiftung</ref> (CSU-nahe), dem ''Wall Street Journal''<ref>[http://online.wsj.com/article/SB124623220955866301.html Honduras Defends its Democracy], Wall Street Journal</ref><ref>[https://nacla.org/node/6230 US Media fail in Coup Reporting], nacla</ref> sowie konservativen/reaktionären Kreisen in den USA vertreten.<ref>[http://www.havanatimes.org/?p=15348 Republican Backers of Honduras Coup], Havana Times</ref><ref>[http://www.ww4report.com/node/7799 Honduras: right-wing propaganda machine in pro-coup offensive], World War 4 Report</ref> Politologisch anschlussfähig ist eine Zelaya-feindliche Interpretation der Ereignisse ggf. anhand von Theorien über ''Wehrhafte/Streitbare Demokratie''.


Generell fiel die Interpretation der Ereignisse zu Ungunsten der ''Putschisten-Koalition'' aus, Zelayas Verfehlungen wurden dabei eher am Rande berichtet. Das ist ggf. auch darauf zurückzuführen, dass die offenkundig durch die ''Putschisten-Koalition'' begangenen Verbrechen im Kontext der Entmachtung Zelayas - gerade auch vor dem Hintergrund der Geschichte Lateinamerikas - eine differenzierte Interpretation moralisch fragwürdig erscheinen lassen.
Generell fiel die Interpretation der Ereignisse zu Ungunsten der ''Putschisten-Koalition'' aus, Zelayas Verfehlungen wurden dabei eher am Rande berichtet. Das ist ggf. auch darauf zurückzuführen, dass die offenkundig durch die ''Putschisten-Koalition'' begangenen Verbrechen im Kontext der Entmachtung Zelayas - gerade auch vor dem Hintergrund der Geschichte Lateinamerikas - eine differenzierte Interpretation moralisch fragwürdig erscheinen lassen.
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