Honduranische Staatskrise (2009): Unterschied zwischen den Versionen

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==Kriminalitätsvorwürfe==
==Kriminalitätsvorwürfe==


Micheletti hat Zelayas Bemühungen um die geplante Abhaltung des Referendums als "crimes against the constitution and the law" bezeichnet.<ref> ''The Hiffington Post'': [http://www.huffingtonpost.com/2009/06/30/manuel-zelaya-vows-to-ret_n_222897.html  
Micheletti hat Zelayas Bemühungen um die geplante Abhaltung des Referendums als "crimes against the constitution and the law" bezeichnet.<ref>[http://www.huffingtonpost.com/2009/06/30/manuel-zelaya-vows-to-ret_n_222897.html  
UN Backs Manuel Zelaya, Ousted Honduran Leader]</ref> Zudem ist eine Reihe weiterer Anschuldigungen gegen Zelaya zu verzeichnen, die sich auf Kriminalität im engeren Sinne beziehen und wenigstens seine mittelbare Täterschaft implizieren. Zu etwaigen Verurteilungen ist es nicht gekommen.
UN Backs Manuel Zelaya, Ousted Honduran Leader], The Huffington Post</ref> Zudem ist eine Reihe weiterer Anschuldigungen gegen Zelaya zu verzeichnen, die sich auf Kriminalität im engeren Sinne beziehen und wenigstens seine mittelbare Täterschaft implizieren. Zu etwaigen Verurteilungen ist es nicht gekommen.


So beschuldigt der ehemalige ''kalte Krieger'' Otto Reich Zelaya, im Zusammenhang mit einer Affäre um die staatliche honduranische Telefongesellschaft Hondutel Korruption zugelassen oder begünstigt zu haben.<ref>''The Shadow'': [http://shadowpress.org/honduras_coup.54.htm OTTO REICH'S FINGERPRINTS ON HONDURAS COUP?]</ref> Über die Affäre wurde innerhalb der honduranischen Medien rege berichtet. Der CEO von Hondutel, ein Neffe Zelayas, trat im Zuge der Vorgänge zurück.
So beschuldigt der ehemalige ''kalte Krieger'' Otto Reich Zelaya, im Zusammenhang mit einer Affäre um die staatliche honduranische Telefongesellschaft Hondutel Korruption zugelassen oder begünstigt zu haben.<ref>[http://shadowpress.org/honduras_coup.54.htm OTTO REICH'S FINGERPRINTS ON HONDURAS COUP?], The Shadow</ref> Über die Affäre wurde innerhalb der honduranischen Medien rege berichtet. Der CEO von Hondutel, ein Neffe Zelayas, trat im Zuge der Vorgänge zurück.


Die rege Berichterstattung bzgl. der Hondutel-Affäre hat den Konflikt mit den honduranischen Medien um die Regierungsansprachen heraufbeschworen (sh. Illegitimitätsvorwürfe). Im weiteren Verlauf ist es im Rahmen dieses Konflikts zu Mordanschlägen auf Journalisten gekommen. Am 18. Oktober 2007 wurde Carlos Salgado, ein Journalist des regierungskritischen Radiosenders RCV, erschossen -- Täter unbekannt. Der Direktor des Senders ging auf Grund von Morddrohungen ins Exil. Auf einen anderen Journalisten wurde ein Mordanschlag verübt, zahlreiche weitere erhielten Morddrohungen. Zelaya hat sich von diesen Anschlägen und Bedrohungen öffentlich distanziert und ist auch nicht direkt belastet worden. Allerdings sind sie seinem ''Lager'' zuzuordnen. Honduranische Menschenrechtsgruppen sprechen davon, dass dieses Vorgehen toleriert würde durch "government officials in response to media reports on government corruption" <ref>''Upsidedownworld'': [http://upsidedownworld.org/main/honduras-archives-46/1015-free-press-under-attack-in-honduras Free press under attack in Honduras]</ref>.
Die rege Berichterstattung bzgl. der Hondutel-Affäre hat den Konflikt mit den honduranischen Medien um die Regierungsansprachen heraufbeschworen (sh. Illegitimitätsvorwürfe). Im weiteren Verlauf ist es im Rahmen dieses Konflikts zu Mordanschlägen auf Journalisten gekommen. Am 18. Oktober 2007 wurde Carlos Salgado, ein Journalist des regierungskritischen Radiosenders RCV, erschossen -- Täter unbekannt. Der Direktor des Senders ging auf Grund von Morddrohungen ins Exil. Auf einen anderen Journalisten wurde ein Mordanschlag verübt, zahlreiche weitere erhielten Morddrohungen. Zelaya hat sich von diesen Anschlägen und Bedrohungen öffentlich distanziert und ist auch nicht direkt belastet worden. Allerdings sind sie seinem ''Lager'' zuzuordnen. Honduranische Menschenrechtsgruppen sprechen davon, dass dieses Vorgehen toleriert würde durch "government officials in response to media reports on government corruption" <ref>[http://upsidedownworld.org/main/honduras-archives-46/1015-free-press-under-attack-in-honduras Free press under attack in Honduras], Upsidedownworld</ref>.


Eine honduranische Journalistin berichtet davon, dass sie persönlich von Zelaya bedroht worden sei. Im Rahmen eines Interview habe dieser ihr gesagt: "If I was Hugo Chavez, I would have had this radio station shut down a long time ago." <ref>Kari Lydersen: [http://karilydersen.com/index.php?module=pagemaster&PAGE_user_op=view_page&PAGE_id=72 Same Old, Same Old for Hondurans Under "Leftist" Regime]</ref>
Eine honduranische Journalistin berichtet davon, dass sie persönlich von Zelaya bedroht worden sei. Im Rahmen eines Interview habe dieser ihr gesagt: "If I was Hugo Chavez, I would have had this radio station shut down a long time ago." <ref> [http://karilydersen.com/index.php?module=pagemaster&PAGE_user_op=view_page&PAGE_id=72 Same Old, Same Old for Hondurans Under "Leftist" Regime], Kari Lydersen</ref>


Micheletti hat ''die Exekutive'' im Mai 2009 beschuldigt, Killer zu seiner Ermordung angeheuert zu haben. <ref>''El Heraldo'': [http://elheraldo.hn/Sucesos/Ediciones/2009/05/27/Noticias/Roberto-Micheletti-presenta-pruebas-de-atentado-en-su-contra Roberto Micheletti presenta pruebas de atentado en su contra]</ref>
Micheletti hat ''die Exekutive'' im Mai 2009 beschuldigt, Killer zu seiner Ermordung angeheuert zu haben. <ref>[http://elheraldo.hn/Sucesos/Ediciones/2009/05/27/Noticias/Roberto-Micheletti-presenta-pruebas-de-atentado-en-su-contra Roberto Micheletti presenta pruebas de atentado en su contra], El Heraldo</ref>


Enrique Ortez, Außenminister während der Übergangsregierung Micheletti, hat Zelaya Verwicklungen in den organisierten Drogenhandel vorgeworfen. Die [[War on Drugs|DEA]] sei bzgl. Zelayas Verbindungen zur organisierten Kriminalität informiert. Entsprechende Erkenntnisse bzw. Ermittlungen wurden seitens der DEA weder bestätigt noch zurückgewiesen. <ref> ''MSNBC'': [http://www.msnbc.msn.com/id/31604879/ns/world_news-americas/t/arrest-order-ousted-honduran-leader/ Arrest order for ousted Honduran leader]</ref>
Enrique Ortez, Außenminister während der Übergangsregierung Micheletti, hat Zelaya Verwicklungen in den organisierten Drogenhandel vorgeworfen. Die [[War on Drugs|DEA]] sei bzgl. Zelayas Verbindungen zur organisierten Kriminalität informiert. Entsprechende Erkenntnisse bzw. Ermittlungen wurden seitens der DEA weder bestätigt noch zurückgewiesen. <ref>[http://www.msnbc.msn.com/id/31604879/ns/world_news-americas/t/arrest-order-ousted-honduran-leader/ Arrest order for ousted Honduran leader], MSNBC</ref>


=Illegitimitätsvorwürfe gegen die ''Putschisten-Koalition''=
=Illegitimitätsvorwürfe gegen die ''Putschisten-Koalition''=


Die Gegnerschaft Zelayas lässt sich als breite, oberschichtlich geprägte Koalition bezeichnen, die alle maßgeblichen staatlichen Institutionen sowie parteipolitische und wirtschaftliche Kreise, insbesondere auch den Großteil der honduranischen Main-Stream-Medien, beinhaltet (nicht aber Gewerkschaften, Campesinos, Indígenas).<ref>Latin American Studies Association: [http://lasa.international.pitt.edu/members/congress-papers/lasa2010/files/1768.pdf Coup Coalitions and the Collective Defence of Democracy in the Americas: The Honduran Paradox]</ref> Z.T. werden US-amerikanische und israelische Kräfte sowie deutsche politische Stiftungen hinzugezählt (s.u.). Aus der Tatsache heraus, dass Honduras nach Haiti und Nicaragua das ärmste Land der westlichen Hemisphäre ist<ref>''Der Standard'': [http://derstandard.at/1245820264213/Hintergrund-Honduras-ist-eines-der-aermsten-Laender-Lateinamerikas Honduras ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas]</ref> und sich durch ein hohes Maß ungleichverteilten Reichtums auszeichnet, ist zu erklären, dass sich etwaige Illegitimitätsvorwürfe vornehmlich an der sozialen Lage von Zelayas Gegnerschaft festmachen.<ref>sh. z.B. ''Direkte Aktion: Freiheit stirbt mit Sicherheit: [http://direkteaktion.over-blog.de/article-34251859.html Honduras: Kann ein Militär-Putsch legitim sein?]</ref>
Die Gegnerschaft Zelayas lässt sich als breite, oberschichtlich geprägte Koalition bezeichnen, die alle maßgeblichen staatlichen Institutionen sowie parteipolitische und wirtschaftliche Kreise, insbesondere auch den Großteil der honduranischen Main-Stream-Medien, beinhaltet (nicht aber Gewerkschaften, Campesinos, Indígenas).<ref>[http://lasa.international.pitt.edu/members/congress-papers/lasa2010/files/1768.pdf Coup Coalitions and the Collective Defence of Democracy in the Americas: The Honduran Paradox], Latin American Studies Association</ref> Z.T. werden US-amerikanische und israelische Kräfte sowie deutsche politische Stiftungen hinzugezählt (s.u.). Aus der Tatsache heraus, dass Honduras nach Haiti und Nicaragua das ärmste Land der westlichen Hemisphäre ist<ref>[http://derstandard.at/1245820264213/Hintergrund-Honduras-ist-eines-der-aermsten-Laender-Lateinamerikas Honduras ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas], Der Standard</ref> und sich durch ein hohes Maß ungleichverteilten Reichtums auszeichnet, ist zu erklären, dass sich etwaige Illegitimitätsvorwürfe vornehmlich an der sozialen Lage von Zelayas Gegnerschaft festmachen.<ref>sh. z.B. ''Direkte Aktion: Freiheit stirbt mit Sicherheit: [http://direkteaktion.over-blog.de/article-34251859.html Honduras: Kann ein Militär-Putsch legitim sein?]</ref>


Diese Illegitimitätsvorwürfe lassen sich insofern von Illegalitätsvorwürfen trennen, als dass sie auch dann gelten, wenn man den Argumentationsmustern der ''Putschisten-Koalition'' bzgl. der verfassungsrechtlichen Begründetheit der Entmachtung Zelayas folgt. In diesem Kontext werden nicht zuletzt die strengen Vorschriften der Honduranischen Verfassung selbst kritisiert<ref> [http://trueslant.com/marceloballve/2009/07/03/that-wacky-honduran-constitution/ That Wacky Honduran Constitution]</ref>, die, aus der Feder oberschichtlicher Kreise, lediglich zur Aufrechterhaltung sozialer Ungerechtigkeit diene und Honduras bestenfalls den Anschein demokratischer Ordnung verleihe. Auf dieser Kritik beruht einerseits die Befürwortung von Verfassungsänderungen, zudem ergibt sich aus Sicht von Zelaya-Befürwortern daraus eine Legitimitätsquelle nicht verfassungskonformer Überwindung der Verfassung, also ein revolutionäres Moment.<ref>sh. z.B. [http://www.permanentrevolution.net/entry/2869 ''Honduras: Interview with Carlos H. Reyes trade union leader'']</ref>
Diese Illegitimitätsvorwürfe lassen sich insofern von Illegalitätsvorwürfen trennen, als dass sie auch dann gelten, wenn man den Argumentationsmustern der ''Putschisten-Koalition'' bzgl. der verfassungsrechtlichen Begründetheit der Entmachtung Zelayas folgt. In diesem Kontext werden nicht zuletzt die strengen Vorschriften der Honduranischen Verfassung selbst kritisiert<ref> [http://trueslant.com/marceloballve/2009/07/03/that-wacky-honduran-constitution/ That Wacky Honduran Constitution]</ref>, die, aus der Feder oberschichtlicher Kreise, lediglich zur Aufrechterhaltung sozialer Ungerechtigkeit diene und Honduras bestenfalls den Anschein demokratischer Ordnung verleihe. Auf dieser Kritik beruht einerseits die Befürwortung von Verfassungsänderungen, zudem ergibt sich aus Sicht von Zelaya-Befürwortern daraus eine Legitimitätsquelle nicht verfassungskonformer Überwindung der Verfassung, also ein revolutionäres Moment.<ref>sh. z.B. [http://www.permanentrevolution.net/entry/2869 ''Honduras: Interview with Carlos H. Reyes trade union leader'']</ref>
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