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===Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§§ 129a,b StGB) ===
===Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§§ 129a,b StGB) ===
Der Paragraph 129 a, b StGB ist seit seiner
Kritik: 1997 forderte die Bundestagsfraktion von B90/DIE GRÜNEN die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der "zumindest" die Streichung des Tatbestandes der terroristischen Vereinigung (§ 129a), des gesamten Kronzeugengesetzes, des Kontaktsperregesetzes und des Verbots der Mehrfachverteidigung vorsehen sollte (BT-DS 13/9460: 3). Die Konturlosigkeit des Organisationsdelikts kollidiere mit dem Bestimmtheitsgebot des Artikel 103 II GG und dem Schuld- und Tatstrafrecht gem. Art. 2 I GG. Paragraf 129 a bedrohe auch diejenigen, die sich der öffentlichen Diskussion stellen und sich mit den Ursachen des Terrorismus auseinandersetzten (Autoren, Verlage, Buchhändler). Von 1980-1996 "wurden gegen mehr als 6000 Menschen Verfahren auch oder nur aufgrund des Verdachtes nach § 129a StGB, davon 4985 Verfahren wegen des Verdachtes des Werbens und Unterstützens einer terroristischen Vereinigung geführt" - aber nur 6 Urteile stützten sich auf diesen Paragrafen. Aber eine Vielzahl von Menschen wurde drangsaliert und eingeschüchtert. 2008 äußerte sich eine SPD-Juristin (Drohsel 2008) in Bezug auf §§ 129 a und b StGB ganz ähnlich: "Der Umgang mit  politisch  Andersdenkenen  ist  symptomatisch für den Zustand eines freiheitlichen und rechtsstaatlichen Landes. .. Kommt es tatsächlich zu terroristischen Straftaten, werden die Delikte durch den Straftatbestand selbst  erfasst.  Jedoch  können  über  die Konstruktion des § 129 a StGB auch Personen belangt werden, denen keine konkrete Beteiligung nachgewiesen werden kann. §  129  a,  b  StGB  stellt  einen  Fremdkörper  im deutschen  Strafrecht  dar,  da  eine  konkrete  Tat  des Beschuldigten nicht erforderlich ist, sondern die angebliche Gesinnung des Beschuldigten ausreicht. Es liegt mit dem § 129 a, b StGB eine Kollision mit  dem  Bestimmtheitsgebot  aus  Art.  103 Abs. 2 GG und des Schuld- und Tatstrafrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG vor. § 129 a, b StGB ist eine Norm des Strafrechts, die „eine Strafbarkeit bereits weit im Vorfeld der Vorbereitung  konkreter  strafbarer  Handlungen“ (BGH 28, 148, 11.10.1978) begründet. Bei Handlungen,  die  „normalerweise“  keine  Strafbarkeit  begründen,  handelt  es  sich  z.B.  um  Reden,  Treffen, etc.. Die Strafbarkeit wird also in ein Stadium vorverlagert, in dem ein konkreter Bezug zur Verwirklichung einer individuellen Rechtsverstoßes noch nicht gegeben ist. Es verschwimmt die Abgrenzung zwischen legalem Handeln und Delikt. Elemente des repressiven Strafrechts werden mit denen der präventiven Gefahrenabwehr vermischt.
Entstehung  umstritten.  Nicht  zuletzt  an-
gesichts der Ereignisse von Heiligendamm
und des Verfahrens  gegen  den  Berliner  Sozial-
wissenschaftler Andre H. rückte der so genannte
„Terro rismusparagraph“ wieder in den öffentlichen
Blickpunkt. Versuche, politische Opposition zu kri-
minalisieren und mithilfe der Justiz mundtot zu
machen, gab und gibt es immer wieder. Der Um-
gang mit  politisch  Andersdenkenen  ist  sympto-
matisch für den Zustand eines freiheitlichen und  
rechtsstaatlichen Landes. Deshalb darf diese The-
matik von der Sozialdemokratie nicht vernachläs-
sigt werden.
Der § 129 a, b StGB thematisiert die Strafbarkeit
einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Ver-
einigung. Kommt es tatsächlich zu terroristischen  
Straftaten, werden die Delikte durch den Straftat-
bestand selbst  erfasst.  Jedoch  können  über  die
Konstruktion des § 129 a StGB auch Personen be-
langt werden, denen keine konkrete Beteiligung  
nachgewiesen werden kann.  
§  129  a,  b  StGB  stellt  einen  Fremdkörper  im
deutschen  Strafrecht  dar,  da  eine  konkrete  Tat   
des Beschuldigten nicht erforderlich ist, sondern  
die angebliche Gesinnung des Beschuldigten aus-
reicht. Es liegt mit dem § 129 a, b StGB eine Kolli-
sion mit  dem  Bestimmtheitsgebot  aus  Art.  103
Abs. 2 GG und des Schuld- und Tatstrafrechts aus  
Art. 2 Abs. 1 GG vor.
§ 129 a, b StGB ist eine Norm des Strafrechts,  
die „eine Strafbarkeit bereits weit im Vorfeld der  
Vorbereitung  konkreter  strafbarer  Handlungen“
(BGH 28, 148, 11.10.1978) begründet. Bei Handlun-
gen,  die  „normalerweise“  keine  Strafbarkeit  begründen,  handelt  es  sich  z.B.  um  Reden,  Treffen,  
etc.. Die Strafbarkeit wird also in ein Stadium vor
verlagert, in dem ein konkreter Bezug zur Verwirk-
lichung einer individuellen Rechtsverstoßes noch  
nicht gegeben ist. Es verschwimmt die Abgrenzung  
zwischen legalem Handeln und Delikt. Elemente  
des repressiven Strafrechts werden mit denen der  
präventiven Gefahrenabwehr vermischt.  
So  wird  §  129  a,  b  Strafprozessordnung  auch als „Schnüffelparagraph“ bezeichnet, da er weitreichende Möglichkeiten zur staatlichen Überwa-chung in einem vom Staat zu defi  nierenden  Personenkreis beinhaltet, gegen die sich der/die Betroffene mangels Kenntnis des Verfahrens nicht wehren kann. Hier sind insbesondere auch die weitreichenden Ermittlungsmaßnahmen der StPO zu nennen.  
So  wird  §  129  a,  b  Strafprozessordnung  auch als „Schnüffelparagraph“ bezeichnet, da er weitreichende Möglichkeiten zur staatlichen Überwa-chung in einem vom Staat zu defi  nierenden  Personenkreis beinhaltet, gegen die sich der/die Betroffene mangels Kenntnis des Verfahrens nicht wehren kann. Hier sind insbesondere auch die weitreichenden Ermittlungsmaßnahmen der StPO zu nennen.  
Faktisch fungiert der § 129 a, b StGB als „Einschüchter ungsparagraph“, der mit schnelleren Hausdurchsuchungen, erleichterte Untersuchungshaft, höheren Kontrollmöglichkeiten etc. massive Grundrechtseingriffe ermöglicht.Ausdruck liberalen Gedankenguts war die Be-
Faktisch fungiert der § 129 a, b StGB als „Einschüchter ungsparagraph“, der mit schnelleren Hausdurchsuchungen, erleichterte Untersuchungshaft, höheren Kontrollmöglichkeiten etc. massive Grundrechtseingriffe ermöglicht.Ausdruck liberalen Gedankenguts war die Be-
grenzung strafrechtlichen Staatsschutzes auf dieVerteidigung  der  staatlichen  Ordnung  und  Inte-grität.  Autoritäre  Strömungen  versuchten  stets, den Präventivkampf gegen politische Abweichler-Innen mit vordemokratischen Elementen, wie der Vorverlagerung von Strafbarkeit, zu führen. (Drohsel 2008).
grenzung strafrechtlichen Staatsschutzes auf dieVerteidigung  der  staatlichen  Ordnung  und  Inte-grität.  Autoritäre  Strömungen  versuchten  stets, den Präventivkampf gegen politische Abweichler-Innen mit vordemokratischen Elementen, wie der Vorverlagerung von Strafbarkeit, zu führen.


=== Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter (§ 103 StGB) ===
=== Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter (§ 103 StGB) ===
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