Handout Strafverteidigertag 2018: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Entkriminalisierung und Entrümpelung: ''Wann sind Forderungen zur Entkriminalisierung von wem und mit welchen Gründen erhoben worden und warum sind sie gescheitert? Welche Ideen sind es nach wie vor wert, umgesetzt zu werden?'''''  
'''Entkriminalisierung und Entrümpelung: ''Wann sind Forderungen zur Entkriminalisierung von wem und mit welchen Gründen erhoben worden und warum sind sie gescheitert? Welche Ideen sind es nach wie vor wert, umgesetzt zu werden?'''''  


'''Neues Gerümpel.''' In der Ära Maas kam zu dem alten viel neues Gerümpel und tatsächlich bezieht sich der  jüngst von Arthur Kreuzer (2017)  unter dem Titel "Reformiert endlich das Strafrecht!" publizierte Aufruf schwerpunktmäßig auf die Notwendigkeit, zunächst einmal all das wieder wegzuschaffen, was sich seit dem Amtsantritt von Justizminister Heiko Maas (17.12.2013) angesammelt hat. Man denke an die:
Vor allem anderen: Lasst uns erstmal das entrümpeln, was an neuestem Gerümpel in der vergangenen Legislaturperiode an Unbrauchbarem neu angeschleppt wurde. Im Dezember 2017 erhob der emeritierte Gießener Strafrechtler und Kriminologe Arthur Kreuzer unter der Überschrift "Reformiert endlich das Strafrecht!" genau diese Forderung und meinte im einzelnen folgende von Justizminister Heiko Maas in den vergangenen vier Jahren hergestellten Kriminalisierungen:  
# Einführung einer Strafvorschrift gegen das Eigendoping (§ 4 AntiDopG von 2015), einer Vorschrift, die weder geeignet noch erforderlich ist, um ihren Zweck zu erreichen. Geeignet und erforderlich wären nach Kreuzer (2017) Regeln für die Unterbindung und Sanktionierung durch Verbandsstrafen auf der Ebene der Fachverbände. Kriminalstrafen haben sich hingegen dort, wo es sie im Ausland schon gibt, als untauglich erwiesen (bislang keine einzige Verurteilung bekannt). Vor allem aber handelt es sich dabei um eine verfassungswidrige Strafbarstellung eines Verhaltens zum Schutz des Sportlers vor sich selbst. Nach Bott & Mitsch (2018) steht die Vorschrift "nicht nur in Widerspruch zu den sonstigen strafrechtlichen Grundsätzen und der Systematik des StGB. Es bleibt außerdem insbesondere fraglich, welcher positive Zweck zum Schutz der Gesundheit mit einer Strafandrohung gegenüber einem sich aus freien Stücken selbst an der Gesundheit Schädigenden erreicht werden könnte."
# Strafbarmachung des Eigendopings (§ 4 AntiDopG von 2015). Weder geeignet noch erforderlich. Genügt hätte eine Regelung über Verbandsstrafen. Die wären deutlich effektiver, während das Gesetz nicht nur in Widerspruch zu den sonstigen strafrechtlichen Grundsätzen und der Systematik des StGB steht, sondern auch die Frage unbeantwortet lässt, welcher positive Zweck zum Schutz der Gesundheit mit einer Strafandrohung gegenüber einem sich aus freien Stücken selbst an der Gesundheit Schädigenden erreicht werden könnte.
# erneute Erweiterung des [https://dejure.org/gesetze/StGB/184b.html § 184b StGB] (Paragrafen ohne Gesetzesangabe sind im Folgenden solche des StGB). Nachdem die Vorschrift schon 2008 um Verbreiten, Erwerb und Besitz sog. Posing-Fotos erweitert worden war, ließ man 2015 das Erfordernis einer Darstellung sexueller Handlungen fallen, so dass auch schon Bilder schlafender Kinder oder die Abbildung eines Gesäßes für die Strafbarkeit von 3 Monaten bis zu 5 Jahren genügen. Vor allem wurde durch Absatz 4 der Versuch des Beschaffens solcher Bilder strafbar. Dabei reicht es, Pornolinks anzuklicken. Den Aufruf einer solchen Website rückgängig zu machen, befreit nicht von der Strafbarkeit. Kriminologen wie Kreuzer warnen: hier wird ein massenhaftes Verhalten auch von jungen Menschen kriminalisiert - mit der absehbaren Folge von Denunziationen unliebsamer Bekannter; da können auch viele Unschuldige in die Mühlen der Justiz geraten.
# erneute Erweiterung des [https://dejure.org/gesetze/StGB/184b.html § 184b StGB] (Paragrafen ohne Gesetzesangabe sind im Folgenden solche des StGB). Nachdem die Vorschrift schon 2008 um Verbreiten, Erwerb und Besitz sog. Posing-Fotos erweitert worden war, ließ man 2015 das Erfordernis einer Darstellung sexueller Handlungen fallen, so dass auch schon Bilder schlafender Kinder oder die Abbildung eines Gesäßes für die Strafbarkeit von 3 Monaten bis zu 5 Jahren genügen. Vor allem wurde durch Absatz 4 der Versuch des Beschaffens solcher Bilder strafbar. Dabei reicht es, Pornolinks anzuklicken. Den Aufruf einer solchen Website rückgängig zu machen, befreit nicht von der Strafbarkeit. Kriminologen wie Kreuzer warnen: hier wird ein massenhaftes Verhalten auch von jungen Menschen kriminalisiert - mit der absehbaren Folge von Denunziationen unliebsamer Bekannter; da können auch viele Unschuldige in die Mühlen der Justiz geraten.
# Kriminalisierung der sogenannten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a von 2015). Kriminologisch weder erforderlich noch angemessen. Ein ordnungsbehördliches Ausreiseverbot genügte. Was im Straftatbestand als Vorbereitung bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit allenfalls der "Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Handlung" - so der BGH, der trotz dieser Diagnose wohl aus Staatsraison lediglich den "Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" tangiert sehen wollte. Kreuzer: "Strafbar ist bereits, wer sich anschickt, in einen Staat auszureisen, um sich dort in irgendwelchen Fähigkeiten ausbilden zu lassen, die es ihm ermöglichen, später islamistische Aktionen zu unterstützen. Bucht er online ein Flugticket, besinnt sich dann und löscht die Buchung sogleich wieder, ist das nicht mehr strafbefreiend. Ohne dass hier eine wirkliche Straftat vorliegt, will man Tatgeschehen künstlich behaupten, um Strafverfolgung und Freiheitsentzug zu ermöglichen."
# Kriminalisierung der sogenannten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a von 2015). Kriminologisch weder erforderlich noch angemessen. Ein ordnungsbehördliches Ausreiseverbot genügte. Was im Straftatbestand als Vorbereitung bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit allenfalls der "Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Handlung" - so der BGH, der trotz dieser Diagnose wohl aus Staatsraison lediglich den "Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" tangiert sehen wollte. Kreuzer: "Strafbar ist bereits, wer sich anschickt, in einen Staat auszureisen, um sich dort in irgendwelchen Fähigkeiten ausbilden zu lassen, die es ihm ermöglichen, später islamistische Aktionen zu unterstützen. Bucht er online ein Flugticket, besinnt sich dann und löscht die Buchung sogleich wieder, ist das nicht mehr strafbefreiend. Ohne dass hier eine wirkliche Straftat vorliegt, will man Tatgeschehen künstlich behaupten, um Strafverfolgung und Freiheitsentzug zu ermöglichen."
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