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'''Häusliche Gewalt''' bezeichnet Gewaltanwendungen zwischen Personen, die in enger persönlicher (Familie/Angehörige, Partner) und damit häufig verbundener räumlicher Nähe (gemeinsame Wohnung oder Aufenthaltsorte) zueinander stehen.  
'''Häusliche Gewalt''' bezeichnet Gewaltanwendungen zwischen Personen, die in enger persönlicher (Familie/Angehörige, Partner) und damit häufig verbundener räumlicher Nähe (gemeinsame Wohnung oder Aufenthaltsorte) zueinander stehen.  


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Eine '''wissenschaftliche''' Definition beschreibt häusliche Gewalt als „jede Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität einer Person, die unter Ausnutzung eines Machtverhältnisses durch die strukturell stärkere Person zugefügt wird" (Büchler 1998: 4).  
Eine '''wissenschaftliche''' Definition beschreibt häusliche Gewalt als „jede Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität einer Person, die unter Ausnutzung eines Machtverhältnisses durch die strukturell stärkere Person zugefügt wird" (Büchler 1998: 4).  
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. betont diese als „Muster von kontrollierendem Verhalten“ der Männer gegen ihre (Ex-)Partnerinnen (2008: 6).  
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. betont diese als „Muster von kontrollierendem Verhalten“ der Männer gegen ihre (Ex-)Partnerinnen (2008: 6).  
Bei Godenzi umfasst Gewalt im sozialen Nahraum „schädigende Verhaltensweisen, intendiert oder ausgeübt in sozialen Situationen, die bezüglich der beteiligten Individuen durch Intimität und Verhäuslichung gekennzeichnet sind" (1996: 27).
Bei Godenzi umfasst Gewalt im sozialen Nahraum „schädigende Verhaltensweisen, intendiert oder ausgeübt in sozialen Situationen, die bezüglich der beteiligten Individuen durch Intimität und Verhäuslichung gekennzeichnet sind“ (1996: 27).


'''Forschungen''' zur allgemeinen aber auch häuslichen Gewalt unterscheiden hinsichtlich der Weite des [[Gewalt]]begriffs. In juristischen sowie medizinischen Studien findet sich vordergründig die „enge“, auf körperliche Formen beschränkte Bezeichnung. Im Gegensatz dazu bezieht die weit ausgelegte Definition in soziologischen sowie psychologischen Untersuchungen die gesamten Schadensakte mit ein.  
'''Forschungen''' zur allgemeinen aber auch häuslichen Gewalt unterscheiden hinsichtlich der Weite des [[Gewalt]]begriffs. In juristischen sowie medizinischen Studien findet sich vordergründig die „enge“, auf körperliche Formen beschränkte Bezeichnung. Im Gegensatz dazu bezieht die weit ausgelegte Definition in soziologischen sowie psychologischen Untersuchungen die gesamten Schadensakte mit ein.  
Die Differenzierung in legitime/illegitime Gewalt wird von vorherrschenden kollektiven Deutungsmustern bestimmt. Hinsichtlich der Legalität/Illegalität gewaltförmiger Verhaltensweisen ist das geltende Recht zu beachten (Lamnek et al. 2012: 7ff.).  
Die Differenzierung in legitime/illegitime Gewalt wird von vorherrschenden kollektiven Deutungsmustern bestimmt. Hinsichtlich der Legalität/Illegalität gewaltförmiger Verhaltensweisen ist das geltende Recht zu beachten (Lamnek et al. 2012: 7 ff.).  


Häusliche Gewalt stellt keinen eigenständigen Straftatbestand dar. Aus diesem Grund finden sich in der '''Praxis''' zwischen Polizei und Justiz abgestimmte Definitionen, die der besseren Zusammenarbeit dienen sollen.   
Häusliche Gewalt stellt keinen eigenständigen Straftatbestand dar. Aus diesem Grund finden sich in der '''Praxis''' zwischen Polizei und Justiz abgestimmte Definitionen, die der besseren Zusammenarbeit dienen sollen.   
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In vielen Ländern wird heutzutage das Phänomen häuslicher Gewalt als gesellschaftliches Problem begriffen, das analysiert und bekämpft werden muss.  
In vielen Ländern wird heutzutage das Phänomen häuslicher Gewalt als gesellschaftliches Problem begriffen, das analysiert und bekämpft werden muss.  
Bis zum 19. Jahrhundert wurde dieses Thema als private Angelegenheit gesehen. Verstärkt im 20. Jahrhundert kam es zum Einstellungswandel, da familiale Gewalt an Kindern und Frauen öffentlich problematisiert wurde. Die Einführung des Begriffs erfolgte in den 1960/70er Jahren durch die Kinderschutz- und Frauenbewegung in den Vereinigten Staaten. Folglich entstanden eigenständige, wissenschaftlich anerkannte Forschungsdisziplinen im Bereich „family bzw. domestic violence“ (Lamnek et al. 2012: 24ff.).
Bis zum 19. Jahrhundert wurde dieses Thema als private Angelegenheit gesehen. Verstärkt im 20. Jahrhundert kam es zum Einstellungswandel, da familiale Gewalt an Kindern und Frauen öffentlich problematisiert wurde. Die Einführung des Begriffs erfolgte in den 1960/70er Jahren durch die Kinderschutz- und Frauenbewegung in den Vereinigten Staaten. Folglich entstanden eigenständige, wissenschaftlich anerkannte Forschungsdisziplinen im Bereich „family bzw. domestic violence“ (Lamnek et al. 2012: 24 ff.).


Ab den 70er Jahren rückte die deutsche Frauenhausbewegung die Gewalt in den Fokus der Öffentlichkeit, die zuhause hinter verschlossenen Türen von Männern gegenüber Frauen ausgeführt wurde. Diese sei Ausdruck und Sicherung des ungleichen Geschlechter- und Machtverhältnisses. Es entwickelten sich erste Frauenhäuser als Zufluchtsort misshandelter Frauen und ihrer Kinder. Folglich lag der Schwerpunkt auf „Männergewalt gegen Frauen“!  
Ab den 70er Jahren rückte die deutsche Frauenhausbewegung die Gewalt in den Fokus der Öffentlichkeit, die zuhause hinter verschlossenen Türen von Männern gegenüber Frauen ausgeführt wurde. Diese sei Ausdruck und Sicherung des ungleichen Geschlechter- und Machtverhältnisses. Es entwickelten sich erste Frauenhäuser als Zufluchtsort misshandelter Frauen und ihrer Kinder. Folglich lag der Schwerpunkt auf „Männergewalt gegen Frauen“!  
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Auf internationaler Ebene berichteten Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die Weltgesundheitsorganisation WHO über das Gewaltausmaß gegen Frauen. Die Länder sollten geeignete Maßnahmen zur Verhinderung schaffen.  
Auf internationaler Ebene berichteten Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die Weltgesundheitsorganisation WHO über das Gewaltausmaß gegen Frauen. Die Länder sollten geeignete Maßnahmen zur Verhinderung schaffen.  


Der Begriff der „häuslichen Gewalt“ veränderte sich im Laufe der Zeit jedoch dahingehend, dass die Geschlechterfrage in Forschung und Praxis nicht mehr allein maßgebend war. Dem Thema nahmen sich sowohl Frauenhäuser und Beratungsstellen als auch andere private und öffentliche Institutionen an. Es fand eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz, Sozialarbeit oder Gesundheitswesen statt. Diese sahen sich mit verschiedenen Täter- und Opferkonstellationen konfrontiert, wonach beispielsweise Kinder oder Männer geschädigt sein können (Weingartner/Gloor/Meier 2012: 15ff.; Kavemann 2002: 31).  
Der Begriff der „häuslichen Gewalt“ veränderte sich im Laufe der Zeit jedoch dahingehend, dass die Geschlechterfrage in Forschung und Praxis nicht mehr allein maßgebend war. Dem Thema nahmen sich sowohl Frauenhäuser und Beratungsstellen als auch andere private und öffentliche Institutionen an. Es fand eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz, Sozialarbeit oder Gesundheitswesen statt. Diese sahen sich mit verschiedenen Täter- und Opferkonstellationen konfrontiert, wonach beispielsweise Kinder oder Männer geschädigt sein können (Weingartner/Gloor/Meier 2012: 15 ff.; Kavemann 2002: 31).  
Neben dem Diskurs der Frauenbewegung, der besonders im deutschsprachigen Raum vordergründig ist, kann die soziale Männerbewegung beobachtet werden. Hierbei steht das männliche Opfer im Fokus. Dieses Thema beeinflusst die öffentliche Meinung bislang jedoch nur peripher (Lamnek et al. 2012: 41). Trotz der Definitionsöffnung ist festzustellen, dass der gesellschaftliche, wissenschaftliche und damit begriffliche Fokus immer noch auf dem weiblichen Geschlecht als Opfer liegt.
Neben dem Diskurs der Frauenbewegung, der besonders im deutschsprachigen Raum vordergründig ist, kann die soziale Männerbewegung beobachtet werden. Hierbei steht das männliche Opfer im Fokus. Dieses Thema beeinflusst die öffentliche Meinung bislang jedoch nur peripher (Lamnek et al. 2012: 41). Trotz der Definitionsöffnung ist festzustellen, dass der gesellschaftliche, wissenschaftliche und damit begriffliche Fokus immer noch auf dem weiblichen Geschlecht als Opfer liegt.


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verschiedene Richtungen der Forschungsergebnisse aufweisen:
verschiedene Richtungen der Forschungsergebnisse aufweisen:
* Männer sind hauptsächlich die Täter, Frauen die Opfer (Beispiel USA: National Violence against Women-Studie von Tjaden und Thoennes 2000)
* Männer sind hauptsächlich die Täter, Frauen die Opfer (Beispiel USA: National Violence against Women-Studie von Tjaden und Thoennes 2000)
* Männer und Frauen treten in etwa ähnlichen Verhältnissen als Täter und Opfer auf (Beispiel USA: Studie zu Gewalt in Partnerschaften von Straus et al. 1980)
* Männer und Frauen treten in etwa ähnlichen Verhältnissen als Täter und Opfer auf (Beispiel USA: Studie zu Gewalt in Partnerschaften von Straus et al. 1980).
Ursache der Widersprüchlichkeiten sind unterschiedliche Methoden und Erhebungstechniken sowie die Art der Fragestellungen (Luedke 2008: 49 ff.).
Ursache der Widersprüchlichkeiten sind unterschiedliche Methoden und Erhebungstechniken sowie die Art der Fragestellungen (Luedke 2008: 49 ff.).


In Deutschland steht eine große Studienanzahl über Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften einer geringen Anzahl der gegen Männer gegenüber. Die 2004 vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) veröffentliche repräsentative Studie ''„Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“'' (10 000 Befragte) erhob die Gewalterfahrungen von 16-85 Jährigen. Mindestens jede vierte Frau (25%), die in einer Partnerschaft lebt oder gelebt hat, erfuhr durch den aktuellen oder früheren Beziehungspartner ein- oder mehrmals körperliche (23 %) oder –zum Teil zusätzlich– sexuelle Übergriffe (7%). Differenziert nach der Schwere der Gewalt haben zwei Drittel dieser Frauen schwere bis sehr schwere körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlitten. Bezogen auf das Leben insgesamt kam es bei 33% der partnergewalterfahrenen Frauen zu regelmäßigen (10-mal und mehr) Übergriffen. Des Weiteren erfuhren Frauen zu 71% körperliche Gewalt in der eigenen Wohnung.  
In Deutschland steht eine große Studienanzahl über Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften einer geringen Anzahl der gegen Männer gegenüber. Die 2004 vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) veröffentliche repräsentative Studie ''„Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“'' (10 000 Befragte) erhob die Gewalterfahrungen von 16-85 Jährigen. Mindestens jede vierte Frau (25%), die in einer Partnerschaft lebt oder gelebt hat, erfuhr durch den aktuellen oder früheren Beziehungspartner ein- oder mehrmals körperliche (23 %) oder –zum Teil zusätzlich– sexuelle Übergriffe (7%). Differenziert nach der Schwere der Gewalt haben zwei Drittel dieser Frauen schwere bis sehr schwere körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlitten. Bezogen auf das Leben insgesamt kam es bei 33% der partnergewalterfahrenen Frauen zu regelmäßigen (10-mal und mehr) Übergriffen. Des Weiteren erfuhren Frauen zu 71% körperliche Gewalt in der eigenen Wohnung.  
Die sekundäranalytische Studie ''"Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen"'' (BMFSFJ, 2008) zeigt Risikofaktoren wie Trennung, Trennungsabsicht oder Gewalterfahrungen in Kindheits-  und Jugendalter auf. Außerdem ist Gewalt an Frauen durch ihren männlichen Partner in allen gesellschaftlichen Schichten und unterschiedlichen ethnischen Zugehörigkeiten gegeben.
Die sekundäranalytische Studie ''„Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen“'' zeigt Risikofaktoren wie Trennung, Trennungsabsicht oder Gewalterfahrungen in Kindheits-  und Jugendalter auf. Außerdem ist Gewalt an Frauen durch ihren männlichen Partner in allen gesellschaftlichen Schichten und unterschiedlichen ethnischen Zugehörigkeiten gegeben (BMFSFJ 2008: 106 ff.).


2004 wurde die nicht repräsentative Pilotstudie ''„Gewalt gegen Männer“'' (190 Befragte) veröffentlicht (BMFSFJ). Ein Viertel der in heterosexuellen Beziehungen lebenden Männer gab an, ein- oder mehrmals körperliche Gewalt durch die aktuelle oder letzte Partnerin erlebt zu haben. Diese bezogen sich vorwiegend auf leichtere Gewaltakte, wie Ohrfeigen, Beißen oder Kratzen bis hin zu Tritten oder Werfen von Gegenständen. 5% sagte aus, im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt mindestens einmal verletzt worden zu sein. Jedoch rief kein Mann die Polizei, was der Soziologe und Kriminologe Bock damit begründet, dass bereits „das bewusste Eingeständnis […] Opfer von Gewalt einer Frau (geworden) zu sein, mit der Geschlechtsrollenidentiät kaum vereinbar“ ist (2003: 27). Dieser geht von einem nahezu gleich häufigen aggressiven Verhalten der Parteien aus. Er bezieht sich dabei auf Dunkelfeldstudien, die vorwiegend mit dem umstrittenen Messinstrument der Conflict Tactics Scale (CTS) arbeiten. Ein Ergebnis verweist auf vermehrt wahrnehmbare Verletzungen der weiblichen Opfer (62%) (2003: 27).
2004 wurde die nicht repräsentative Pilotstudie ''„Gewalt gegen Männer“'' (190 Befragte) veröffentlicht. Ein Viertel der in heterosexuellen Beziehungen lebenden Männer gab an, ein- oder mehrmals körperliche Gewalt durch die aktuelle oder letzte Partnerin erlebt zu haben. Diese bezogen sich vorwiegend auf leichtere Gewaltakte, wie Ohrfeigen, Beißen oder Kratzen bis hin zu Tritten oder Werfen von Gegenständen. 5% sagte aus, im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt mindestens einmal verletzt worden zu sein (BMFSFJ 2004: 10f.). Jedoch rief kein Mann die Polizei, was der Soziologe und Kriminologe Bock damit begründet, dass bereits „das bewusste Eingeständnis […] Opfer von Gewalt einer Frau (geworden) zu sein, mit der Geschlechtsrollenidentiät kaum vereinbar“ ist (2003: 27). Dieser geht von einem nahezu gleich häufigen aggressiven Verhalten der Parteien aus. Er bezieht sich dabei auf Dunkelfeldstudien, die vorwiegend mit dem umstrittenen Messinstrument der Conflict Tactics Scale (CTS) arbeiten. Ein Ergebnis verweist auf vermehrt wahrnehmbare Verletzungen der weiblichen Opfer (62%) (2003: 27).


=== Erscheinungsformen ===
=== Erscheinungsformen ===
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* Sexuelle Gewalt, z.B. zu sexuelle Handlungen zwingen, vergewaltigen
* Sexuelle Gewalt, z.B. zu sexuelle Handlungen zwingen, vergewaltigen
* Soziale Gewalt, z.B. Kontakte verwehren, sozial isolieren, einsperren
* Soziale Gewalt, z.B. Kontakte verwehren, sozial isolieren, einsperren
* Ökonomische Gewalt, z.B. Geld einziehen, Arbeitszwang- oder verbot  
* Ökonomische Gewalt, z.B. Geld einziehen, Arbeitszwang oder -verbot.
Soziale und ökonomische Gewalt werden der psychischen Gewalt zugeordnet. Ziel ist das Gegenüber zu kontrollieren und den freien Willen einzuschränken (Gloor/Meier 2012: 19).
Soziale und ökonomische Gewalt werden der psychischen Gewalt zugeordnet. Ziel ist das Gegenüber zu kontrollieren und den freien Willen einzuschränken (Gloor/Meier 2012: 19).


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Ein unterschiedlicher sozialer Status bezogen auf Einkommen, Beruf oder Bildung ruft Unterlegenheitsgefühle hervor, welche durch Gewalt kompensiert werden.  
Ein unterschiedlicher sozialer Status bezogen auf Einkommen, Beruf oder Bildung ruft Unterlegenheitsgefühle hervor, welche durch Gewalt kompensiert werden.  


''Traditionelle Rollenverteilung:'' Verschiedene Autoren berufen sich auf empirische Studien, die zeigen, dass hierarchische Beziehungen mit dem Mann als Entscheidungsträger häufiger von Gewalt betroffen sind, als gleichgestellte Haushalte (Luedtke 2008: 60; Firle/Hoeltje/Nini 1996: 23). Frauen mit einem tradierten Rollenverständnis sind durch stillhalten, erdulden gekennzeichnet und fühlen sich für das Wohlergehen aller Familienmitglieder verantwortlich.  
''Traditionelle Rollenverteilung:'' Verschiedene Autoren berufen sich auf empirische Studien, die zeigen, dass hierarchische Beziehungen mit dem Mann als Entscheidungsträger häufiger von Gewalt betroffen sind als gleichgestellte Haushalte (Luedtke 2008: 60; Firle/Hoeltje/Nini 1996: 23). Frauen mit einem tradierten Rollenverständnis sind durch stillhalten, erdulden gekennzeichnet und fühlen sich für das Wohlergehen aller Familienmitglieder verantwortlich.  


'''''Persönlichkeits- und Verhaltensfaktoren:''''' ''Tätertypologien'' gewalttätiger Männer verweisen auf Gefühls-, Wahrnehmungs- und Kommunikationsdefizite, geringes Selbstwertgefühl, Abhängigkeiten verbunden mit Verlustängsten sowie Abwehrmechanismen zur Rechtfertigung von Gewalthandlungen. Der Misshandler erhält durch die Kontrolle über seine  Lebens- bzw. Ehepartnerin ein Machtgefühl und überdeckt somit unbewusst die eigene Unsicherheit sowie Abhängigkeit. Das ''Opferverhalten'' zeichnet sich dadurch aus, dass die Frauen zumeist für lange Zeit die Gewalttätigkeiten hinnehmen, sich schwer vom Täter trennen bzw. zu ihm zurückkehren. Typisch sind weiterhin eine starke emotionale Bindung zu dem männlichen Aggressor sowie die Identifizierung mit diesem als Methode zum „Überleben“ (sog. [[Stockholm-Syndrom]]), (Firle/Hoeltje/Nini 1996: 24 ff.; Kaselitz/Lercher 2002: 46ff.).
'''''Persönlichkeits- und Verhaltensfaktoren:''''' ''Tätertypologien'' gewalttätiger Männer verweisen auf Gefühls-, Wahrnehmungs- und Kommunikationsdefizite, geringes Selbstwertgefühl, Abhängigkeiten verbunden mit Verlustängsten sowie Abwehrmechanismen zur Rechtfertigung von Gewalthandlungen. Der Misshandler erhält durch die Kontrolle über seine  Lebens- bzw. Ehepartnerin ein Machtgefühl und überdeckt somit unbewusst die eigene Unsicherheit sowie Abhängigkeit. Das ''Opferverhalten'' zeichnet sich dadurch aus, dass die Frauen zumeist für lange Zeit die Gewalttätigkeiten hinnehmen, sich schwer vom Täter trennen bzw. zu ihm zurückkehren. Typisch sind weiterhin eine starke emotionale Bindung zu dem männlichen Aggressor sowie die Identifizierung mit diesem als Methode zum „Überleben“ (sog. [[Stockholm-Syndrom]]), (Firle/Hoeltje/Nini 1996: 24 ff.; Kaselitz/Lercher 2002: 46 ff.).


== Wichtige rechtliche Bestimmungen und ihre Konsequenzen ==
== Wichtige rechtliche Bestimmungen und ihre Konsequenzen ==
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== Kriminologische Relevanz ==
== Kriminologische Relevanz ==


Häusliche Gewalt findet vorwiegend in der privaten Umgebung statt und entzieht sich damit häufig formeller und informeller sozialer Kontrolle. Die Ergebnisse der Dunkelfeldstudien zeigen, dass der soziale Nahbereich besonders für Frauen ein erhebliches Risiko der primären [[Viktimisierung]] beinhaltet. Der bzw. die Geschädigte kann direkte physische Verletzungen erleiden, aber auch psychischer Art (z.B. Depression). Ein indirekter sekundärer Schaden  tritt durch unsensibles Verhalten der Bekannten oder Verwandten ein. Möglich wären auch unangemessene Reaktionsweisen professionell zu handelnder Akteure (Polizei). Entweder wird dem Opfer nicht geglaubt oder ihm vorgeworfen, dass die Tat zu verhindern gewesen wäre. Durch fehlerhaften Umgang von Polizei und Justiz im Strafverfahren kann eine tertiäre Viktimisierung eintreten, wodurch die Übernahme der Opferrolle erfolgt.                           
Häusliche Gewalt findet vorwiegend in der privaten Umgebung statt und entzieht sich damit häufig formeller und informeller sozialer Kontrolle. Die Ergebnisse der Dunkelfeldstudien zeigen, dass der soziale Nahbereich besonders für Frauen ein erhebliches Risiko der primären [[Viktimisierung]] beinhaltet. Der bzw. die Geschädigte kann direkte physische Verletzungen erleiden, aber auch psychischer Art (z.B. Depression). Ein indirekter sekundärer Schaden  tritt durch unsensibles Verhalten der Bekannten oder Verwandten ein. Möglich wären auch unangemessene Reaktionsweisen professionell handelnder Akteure, so etwa die Polizei. Entweder wird dem Opfer nicht geglaubt oder ihm vorgeworfen, dass die Tat zu verhindern gewesen wäre. Aufgrund fehlerhaften polizeilichen und justiziellen Umgang im Strafverfahren kann eine tertiäre Viktimisierung eintreten, wodurch die Übernahme der Opferrolle erfolgt.                           


Im Bereich der häuslichen Gewalt wird von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen. Die KFN Opferbefragung 1992 stellte zum Beispiel heraus, dass 93,3% der Vorfälle sexueller Gewalt gegen Frauen aus dem familiären Bereich nicht angezeigt wurden (Wetzels/Pfeiffer 1995: 14).  
Im Bereich der häuslichen Gewalt wird von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen. Die KFN Opferbefragung 1992 stellte zum Beispiel heraus, dass 93,3% der Vorfälle sexueller Gewalt gegen Frauen aus dem familiären Bereich nicht angezeigt wurden (Wetzels/Pfeiffer 1995: 14).  


Wichtiges Ziel im Zusammenhang mit dieser Problematik ist die [[Prävention]]. Dabei dienen Frauenhäuser und Beratungsstellen als Hilfseinrichtungen nach Gewaltereignissen. Außerdem soll die Arbeit mit Tätern den Schutz des Opfers erhöhen (Kaselitz/Lercher 2002: 50ff.). Politische Präventionsmaßnahmen zeigen sich durch die im Jahre 1999 und 2007 von der Bundesregierung verabschiedeten Aktionspläne zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Diese Handlungskonzepte zielen auf die Aufklärung und Bewusstseinsänderung der Bevölkerung sowie die dauernde Verminderung entsprechender Übergriffe. Im Jahr 2011 unterzeichnete Deutschland zusätzlich als eines von 13 Mitgliedsstaaten des Europarates die Konvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Leuze-Mohr weist aber darauf hin, dass dieses Phänomen zwar gesellschaftlich als strafwürdig anerkannt ist, jedoch immer noch davor gescheut wird, in die Privatsphäre einzugreifen (2001: 18).
Wichtiges Ziel im Zusammenhang mit dieser Problematik ist die [[Prävention]]. Dabei dienen Frauenhäuser und Beratungsstellen als Hilfseinrichtungen nach Gewaltereignissen. Außerdem soll die Arbeit mit Tätern den Schutz des Opfers erhöhen (Kaselitz/Lercher 2002: 50 ff.). Politische Präventionsmaßnahmen zeigen sich durch die im Jahre 1999 und 2007 von der Bundesregierung verabschiedeten Aktionspläne zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Diese Handlungskonzepte zielen auf die Aufklärung und Bewusstseinsänderung der Bevölkerung sowie die dauernde Verminderung entsprechender Übergriffe. Im Jahr 2011 unterzeichnete Deutschland zusätzlich als eines von 13 Mitgliedsstaaten des Europarates die Konvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Leuze-Mohr weist aber darauf hin, dass dieses Phänomen zwar gesellschaftlich als strafwürdig anerkannt ist, jedoch immer noch davor gescheut wird in die Privatsphäre einzugreifen (2001: 18).


== Literatur und Quellen ==
== Literatur und Quellen ==
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* Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2008): ''Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen. Eine sekundäranalytische Auswertung zur Differenzierung von Schweregraden, Mustern, Risikofaktoren und Unterstützung nach erlebter Gewalt.'' Berlin.
* Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2008): ''Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen. Eine sekundäranalytische Auswertung zur Differenzierung von Schweregraden, Mustern, Risikofaktoren und Unterstützung nach erlebter Gewalt.'' Berlin.
* Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bundesministerium der Justiz (Hg.) (2010): ''Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt. Information zum Gewaltschutzgesetz.'' 3. Aufl. Berlin.
* Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bundesministerium der Justiz (Hg.) (2010): ''Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt. Information zum Gewaltschutzgesetz.'' 3. Aufl. Berlin.
* Büchler, Andrea (1998): ''Gewalt in Ehe und Partnerschaft - Polizei-, straf- und zivilrechtliche Interventionen am Beispiel des Kantons Basel-Stadt.'' Basler Studien zur Rechtswissenschaft. Reihe C: Strafrecht. Band 10. Basel. Genf. München.  
* Büchler, Andrea (1998): ''Gewalt in Ehe und Partnerschaft - Polizei-, straf- und zivilrechtliche Interventionen am Beispiel des Kantons Basel-Stadt''. Basel. Genf. München.  
*Firle, Michael;  Hoeltje, Betina; Nini, Maria (1995): ''Gewalt in Ehe und Partnerschaft - Anregungen und Vorschläge zur Beratungsarbeit mit mißhandelten Frauen.'' Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.). Köln.
*Firle, Michael;  Hoeltje, Betina; Nini, Maria (1995): ''Gewalt in Ehe und Partnerschaft - Anregungen und Vorschläge zur Beratungsarbeit mit mißhandelten Frauen.'' Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.). Köln.
* Gloor, Daniela; Meier, Hanna: ''Zahlen und Fakten zum Thema häusliche Gewalt'' (2010): In: Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich, Frauenklinik Maternité Stadtspital Triemli Zürich, Verein Inselhof Triemli Zürich (Hg.) (2010): ''Häusliche Gewalt erkennen und richtig reagieren - Handbuch für Medizin, Pflege & Beratung.'' 2. Aufl. Bern. 17-36.
* Gloor, Daniela; Meier, Hanna: ''Zahlen und Fakten zum Thema häusliche Gewalt'' (2010): In: Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich, Frauenklinik Maternité Stadtspital Triemli Zürich, Verein Inselhof Triemli Zürich (Hg.) (2010): ''Häusliche Gewalt erkennen und richtig reagieren - Handbuch für Medizin, Pflege & Beratung.'' 2. Aufl. Bern. 17-36.
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