Gouvernementalität: Unterschied zwischen den Versionen

 
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*Dank der Hinsicht der Gouvernamentalität kann auch der strategische Charakter der Regierungspraktiken analysiert werden.  Programme, Effekte, Benutzung der Effekten und wiedergestellte Programme.  
*Dank der Hinsicht der Gouvernamentalität kann auch der strategische Charakter der Regierungspraktiken analysiert werden.  Programme, Effekte, Benutzung der Effekten und wiedergestellte Programme.  
*Als dritte lässt sich die kritisch-reflexive Potenzial der Gouvernementalitätsperspektive erwähnen. "Sie erlaubt es, die Analyse in einem historisch-sozialen Raum zu verorten und sie im Hinblick auf ihre Wahrheits-Effekte zu problematisieren." (Bröckling/Krasmann/Lemke 2000, S. 23).
*Als dritte lässt sich die kritisch-reflexive Potenzial der Gouvernementalitätsperspektive erwähnen. "Sie erlaubt es, die Analyse in einem historisch-sozialen Raum zu verorten und sie im Hinblick auf ihre Wahrheits-Effekte zu problematisieren." (Bröckling/Krasmann/Lemke 2000, S. 23).
Die Makro- und Mikrophysik der Wirklichkeit kann dank dieses Begriffs nicht nur analysiert, sondern auch  "dekodifiziert" und verstanden werden.
Die Makro- und Mikrophysik der Wirklichkeit kann dank dieses Begriffs nicht nur analysiert, sondern auch  "dekodifiziert" und verstanden werden.<br>
Um die Anwendung des Begriffs besser zu verstehen, ist es nötig, einen anderen Text von Michel Foucault zu erwähnen, "Neue innere Ordnung und Soziale Kontrolle". In diesem kurzen Text, der wie "Gouvernementalität" auch 1978 präsentiert wurde, stellt Foucault dar, dass der Wohlfahrtstaat schon nicht mehr in der Lage ist, alles unter seiner Kontrolle zu haben.  Foucault erahnt zwei mögliche Entwicklungen oder Ausgänge:   
Um die Anwendung des Begriffs besser zu verstehen, ist es nötig, einen anderen Text von Michel Foucault zu erwähnen, "Neue innere Ordnung und Soziale Kontrolle". In diesem kurzen Text, der wie "Gouvernementalität" auch 1978 präsentiert wurde, stellt Foucault dar, dass der Wohlfahrtstaat schon nicht mehr in der Lage ist, alles unter seiner Kontrolle zu haben.  Foucault erahnt zwei mögliche Entwicklungen oder Ausgänge:   
*entweder ein totalitaristischer Staat, oder
*entweder ein totalitaristischer Staat, oder
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*Zonen mit weniger Kontrolle,
*Zonen mit weniger Kontrolle,
*Eine Art ständig und gemeinsame Information von der Staat über den Subjekten, und
*Eine Art ständig und gemeinsame Information von der Staat über den Subjekten, und
*Ein Konsens, der durch eine Reihe von Kontrollen und Zwänge konstruiert wird, ohne eine direkte Intervention der Staat, der so die übliche hohe Kosten der Ausübung der Macht nicht bezahlen muss. (Foucault 1991)
*Ein Konsens, der durch eine Reihe von Kontrollen und Zwänge konstruiert wird, ohne eine direkte Intervention der Staat, der so die übliche hohe Kosten der Ausübung der Macht nicht bezahlen muss. (Foucault 1991)<br>
Diese letzte Punkt ist genau, was wir in der Aktualität in unseren neoliberalen Gesellschaften beobachten.  Im Folgenden werden zwei "wirkliche" und aktuelle Bekundungen dieser gouvernementale Strategien dargestellt.
Diese letzte Punkt ist genau, was wir in der Aktualität in unseren neoliberalen Gesellschaften beobachten.  Im Folgenden werden zwei "wirkliche" und aktuelle Bekundungen dieser gouvernementale Strategien dargestellt.


i.  Zuerst die auf die Versicherungswelt bezogene gouvernementalisierte Strategie der "versicherungsmathematischer Gerechtigkeit". Risiko und Versicherung sind Aspekten der neoliberalen Gesellschaften, die ganz deutlich die Mechanismen und Rationalitäten der Verhältnis Politik/Ökonomie/Subjekt ausdrücken. Der Verfasser differenziert zwei verschiedenen Typen von Solidarität und Gerechtigkeit im Rahmen der Versicherungssysteme und Risikokalkülen.  Einerseits die private gegenseitige Versicherung, die schon als Erwerbsversicherung auf die Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts zu sehen war und die die Gleichheit der Mitglieder und ihre Risiko und vergleichbares Schicksal als Basis hatte.  Diese System von der "versicherungsmathematische Gerechtigkeit" führt ein Kalkül und Prognose der Risiken durch eine Aggregierung unterschiedlicher Informationen (aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft -Ziel der Reise, z.B.-) und stipuliert entsprechend die Prämien. Andererseits stellt Schmidt-Semisch die staatliche Sozialversicherung dar, die die Versicherungsprämie am Einkommen des Versicherten und die Versicherungsleistung an der Bedürftigkeit orientiert. Die Kalkülen stützen sich auf ein heterogenes Versicherungskollektiv.  So erklärt der Autor, "Wir haben es also mit zwei Grammatiken von Solidarität und Gerechtigkeit zu tun:  Die erste ist die über den Markt vermittelte, freiwillig erworbene Solidarität des Versichertenkollektivs, die entsprechend der versicherungsmathematischen Gerechtigkeit hohe Risiken mit hohen und geringe Risiken mit geringen Tarifen belegt (Risikogleichheit bzw. Homogenität); die zweite ist die vom Staat erzwungene, de-kommodifizierte Solidarität des Sozialversicherungskollektivs, die entsprechend einer sozialen Gerechtigkeit die Tarife an das Einkommen und Kompensationsleistungen an soziale Bedürftigkeit knüpft (Risikoungleichheit bwz. Heterogenität). [...] Vor dem Hintergrund neoliberaler, auf Eigenverantwortung, Effektivität und Effizienz gründender Rationalität kommt es nun zu einer Konfrontation zwischen sozialer Gerechtigkeit einerseits und versicherungsmathematischer Gerechtigkeit andererseits, die sich immer deutlicher zu Gunsten der versicherungsmathematischen entscheidet.  In diesem Prozess gehen die <Nachfrage> nach individuellen Gestaltungsräumen sowie Autonomiebestrebungen der Subjekte eine Verbindung mit dem neoliberalen Axiom ein, dass Probleme vorrangig über Marktmechanismen gelöst werden können (und sollen). [...] Der als Um- oder Abbau bezeichnete Rückzug des Sozialstaates kann dementsprechend als Durchsetzung der versicherungsmathematischen gegen die soziale Gerechtigkeit verstanden werden." (Schmidt-Semisch 2000, S. 170/171)
i.  Zuerst die auf die Versicherungswelt bezogene gouvernementalisierte Strategie der "versicherungsmathematischer Gerechtigkeit". Risiko und Versicherung sind Aspekten der neoliberalen Gesellschaften, die ganz deutlich die Mechanismen und Rationalitäten der Verhältnis Politik/Ökonomie/Subjekt ausdrücken. Der Verfasser differenziert zwei verschiedenen Typen von Solidarität und Gerechtigkeit im Rahmen der Versicherungssysteme und Risikokalkülen.  Einerseits die private gegenseitige Versicherung, die schon als Erwerbsversicherung auf die Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts zu sehen war und die die Gleichheit der Mitglieder und ihre Risiko und vergleichbares Schicksal als Basis hatte.  Diese System von der "versicherungsmathematische Gerechtigkeit" führt ein Kalkül und Prognose der Risiken durch eine Aggregierung unterschiedlicher Informationen (aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft -Ziel der Reise, z.B.-) und stipuliert entsprechend die Prämien. Andererseits stellt Schmidt-Semisch die staatliche Sozialversicherung dar, die die Versicherungsprämie am Einkommen des Versicherten und die Versicherungsleistung an der Bedürftigkeit orientiert. Die Kalkülen stützen sich auf ein heterogenes Versicherungskollektiv.  So erklärt der Autor, "Wir haben es also mit zwei Grammatiken von Solidarität und Gerechtigkeit zu tun:  Die erste ist die über den Markt vermittelte, freiwillig erworbene Solidarität des Versichertenkollektivs, die entsprechend der versicherungsmathematischen Gerechtigkeit hohe Risiken mit hohen und geringe Risiken mit geringen Tarifen belegt (Risikogleichheit bzw. Homogenität); die zweite ist die vom Staat erzwungene, de-kommodifizierte Solidarität des Sozialversicherungskollektivs, die entsprechend einer sozialen Gerechtigkeit die Tarife an das Einkommen und Kompensationsleistungen an soziale Bedürftigkeit knüpft (Risikoungleichheit bwz. Heterogenität). [...] Vor dem Hintergrund neoliberaler, auf Eigenverantwortung, Effektivität und Effizienz gründender Rationalität kommt es nun zu einer Konfrontation zwischen sozialer Gerechtigkeit einerseits und versicherungsmathematischer Gerechtigkeit andererseits, die sich immer deutlicher zu Gunsten der versicherungsmathematischen entscheidet.  In diesem Prozess gehen die <Nachfrage> nach individuellen Gestaltungsräumen sowie Autonomiebestrebungen der Subjekte eine Verbindung mit dem neoliberalen Axiom ein, dass Probleme vorrangig über Marktmechanismen gelöst werden können (und sollen). [...] Der als Um- oder Abbau bezeichnete Rückzug des Sozialstaates kann dementsprechend als Durchsetzung der versicherungsmathematischen gegen die soziale Gerechtigkeit verstanden werden." (Schmidt-Semisch 2000, S. 170/171)<br>
Und ein Grund dafür ist die immer mehr Heterogenität der Risiken und die Verschiebung der Verantwortung für ihre Vorsorgung.  Man weist stets mehr über die Prävention- und Vorsorgungsmittel in jedem Rahme und Gebiet des Lebens, und jeder nicht nur darf, sondern auch muss diese Kenntnisse anwenden, um ihrer eigenen Sicherheit zu produzieren.  Die soziale Gerechtigkeit kann schon nicht mehr die unterschiedliche Risiken und Lebensführung vergleichen oder mindestens in Risikoelemente zu übersetzen.  Es ist jetzt Aufgabe der privaten und individuellen Versicherungssysteme.  
Und ein Grund dafür ist die immer mehr Heterogenität der Risiken und die Verschiebung der Verantwortung für ihre Vorsorgung.  Man weist stets mehr über die Prävention- und Vorsorgungsmittel in jedem Rahme und Gebiet des Lebens, und jeder nicht nur darf, sondern auch muss diese Kenntnisse anwenden, um ihrer eigenen Sicherheit zu produzieren.  Die soziale Gerechtigkeit kann schon nicht mehr die unterschiedliche Risiken und Lebensführung vergleichen oder mindestens in Risikoelemente zu übersetzen.  Es ist jetzt Aufgabe der privaten und individuellen Versicherungssysteme.<br>
"Prudentialism" (Vorsicht und Bedachtsamkeit) ist das Wort, das O'Malley benutzt, um diese Wende zu charakterisieren.  Prudentialism ist a Technologie des Regierens, die statt als subjektive Regulation als Kollektivistische Risiko Management funktioniert, und auf dieser Weise durch Responsabilisierung der Subjekten (O'Malley 1996, S. 197).
"Prudentialism" (Vorsicht und Bedachtsamkeit) ist das Wort, das O'Malley benutzt, um diese Wende zu charakterisieren.  Prudentialism ist a Technologie des Regierens, die statt als subjektive Regulation als Kollektivistische Risiko Management funktioniert, und auf dieser Weise durch Responsabilisierung der Subjekten (O'Malley 1996, S. 197).


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*Systemische Objektive.
*Systemische Objektive.
*Effektive Benutzung  neuer Techniken, die den Verbrecher als "Agreggierung" und nicht als problematische Individuen sehen. (Feeley-Simon 1995).
*Effektive Benutzung  neuer Techniken, die den Verbrecher als "Agreggierung" und nicht als problematische Individuen sehen. (Feeley-Simon 1995).
Schmidt-Semisch analysiert das Phänomen: "Die neue Kontrolle, so Feeley und Simon für die US-amerikanische Situation, lege keinen Wert mehr auf eine komplizierte Erkundung der Schuld des devianten Individuums, sondern behandle es nach dem Grad seiner Gefährlichkeit:  Die bessernde Intervention verschwinde zu Gunsten eines an Informationen bzw. am Risikokombinatorium orientierten Ausschlusses, die <gerechte Strafe> werde durch die <gerechtfertigte Einsperrung> ersetzt" (Schmidt-Semisch 2000, S. 179). Diese Lage beschreibt nicht mehr als ein allgemeines Sicherheitsparadigma: "Wer im Gefängnis sitzt oder in seinem Heimatland, kann (<bei uns>) keine Straftaten verüben -<Strafe pur ohne rhetorischen Firlefanz> -in Wörte von Fritz Sack-. Die Einsperrung ist freilich nur die Spitze der Entwicklung und Durchsetzung versicherungsmathematischer Kontrolle"  (Schmidt-Semisch 2000, S. 179).
Schmidt-Semisch analysiert das Phänomen: "Die neue Kontrolle, so Feeley und Simon für die US-amerikanische Situation, lege keinen Wert mehr auf eine komplizierte Erkundung der Schuld des devianten Individuums, sondern behandle es nach dem Grad seiner Gefährlichkeit:  Die bessernde Intervention verschwinde zu Gunsten eines an Informationen bzw. am Risikokombinatorium orientierten Ausschlusses, die <gerechte Strafe> werde durch die <gerechtfertigte Einsperrung> ersetzt" (Schmidt-Semisch 2000, S. 179). Diese Lage beschreibt nicht mehr als ein allgemeines Sicherheitsparadigma: "Wer im Gefängnis sitzt oder in seinem Heimatland, kann (<bei uns>) keine Straftaten verüben -<Strafe pur ohne rhetorischen Firlefanz> -in Wörte von Fritz Sack-. Die Einsperrung ist freilich nur die Spitze der Entwicklung und Durchsetzung versicherungsmathematischer Kontrolle"  (Schmidt-Semisch 2000, S. 179).<br>
Am wichtigsten ist, Risikopopulationen zu identifizieren. Mal, um sie "drinnen" zu sperren.  Mal, um sie "draußen" zu isolieren.  Der Fall der Drogenkonsumenten, die eine "unangenehme" und "gefährliche" Spektakel bieten, ist paradigmatisch in diesem Sinne.  Man deklariert "Orten der Andersheit", um belästigende Verhalten an diesen Orten zu konzentrieren und gleichzeitig die Abweichung zu kontrollieren sogar zu neutralisieren. Krasmann und de Marinis ergänzen, dass aus dieser Weise das Problem und neben ihm auch seine Kontrolle unsichtbar werden, was auch eine Merkmale der neuen Logik der Kontrolle und seiner Ökonomie ist (Krasmann/De Marinis 1997).  Das ist die Eigenschaft, die schon Foucault 1978 als Prognose erwähnt hat.
Am wichtigsten ist, Risikopopulationen zu identifizieren. Mal, um sie "drinnen" zu sperren.  Mal, um sie "draußen" zu isolieren.  Der Fall der Drogenkonsumenten, die eine "unangenehme" und "gefährliche" Spektakel bieten, ist paradigmatisch in diesem Sinne.  Man deklariert "Orten der Andersheit", um belästigende Verhalten an diesen Orten zu konzentrieren und gleichzeitig die Abweichung zu kontrollieren sogar zu neutralisieren. Krasmann und de Marinis ergänzen, dass aus dieser Weise das Problem und neben ihm auch seine Kontrolle unsichtbar werden, was auch eine Merkmale der neuen Logik der Kontrolle und seiner Ökonomie ist (Krasmann/De Marinis 1997).  Das ist die Eigenschaft, die schon Foucault 1978 als Prognose erwähnt hat.
"Unter dem Leitprinzip der Sicherheit im Verbund mit Techniken permanenter Überprüfung, Kalkulation und (statistischer) Berechnung, zielt diese Regierungsmentalität einerseits auf Gruppen, auf die Regulation aggregierter Populationen.  Andererseits werden Individuen mittels Techniken der Selbstbefragung und des Verantwortlich-Machens gelenkt, so dass Aktivität hervorgerugen wird durch Anreiz oder Sorge, die sich beim einzelnen in einer Besorgnis mit Blick auf eine risikobehaftete Zukunft äußern kann und in einer daraus hervorgehenden aktiven Selbstsorge, die um die Bewältigung entsprechender Unwägbarkeiten bemüht ist." (Krasmann 1999, S. 109).
"Unter dem Leitprinzip der Sicherheit im Verbund mit Techniken permanenter Überprüfung, Kalkulation und (statistischer) Berechnung, zielt diese Regierungsmentalität einerseits auf Gruppen, auf die Regulation aggregierter Populationen.  Andererseits werden Individuen mittels Techniken der Selbstbefragung und des Verantwortlich-Machens gelenkt, so dass Aktivität hervorgerugen wird durch Anreiz oder Sorge, die sich beim einzelnen in einer Besorgnis mit Blick auf eine risikobehaftete Zukunft äußern kann und in einer daraus hervorgehenden aktiven Selbstsorge, die um die Bewältigung entsprechender Unwägbarkeiten bemüht ist." (Krasmann 1999, S. 109).
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