Gnade: Unterschied zwischen den Versionen

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===Anwendungsbereich der Gnade im Strafrecht===  
===Anwendungsbereich der Gnade im Strafrecht===  
Das Institut der Gnade hat Ausnahmecharakter, so dass die rechtlichen Vorschriften grundsätzlich Vorrang vor einem Gnadenverfahren haben. Erst wenn die gesetzlichen Möglichkeiten zur Straferleichterung nicht greifen, ist Raum für eine Gnadenentscheidung.
Das Institut der Gnade hat Ausnahmecharakter, so dass die rechtlichen Vorschriften grundsätzlich Vorrang vor einem Gnadenverfahren haben. Erst wenn die gesetzlichen Möglichkeiten zur Straferleichterung nicht greifen, ist Raum für eine Gnadenentscheidung.


Die Vorschriften der Gnadenordnungen gelten für das Gnadenverfahren bei Rechtsfolgen, die wegen einer rechtswidrigen Tat durch Entscheidung eines Strafgerichts verhängt worden sind oder sich aus einer solcher Entscheidung ergeben. Damit können [[Strafe|Strafen]], Nebenstrafen, Nebenfolgen, [[Maßregeln der Besserung und Sicherung]], sonstige Maßnahmen des Strafrechts (z.B. Geldbußen), Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln sowie Ordnungsmittel Gegenstand eines Gnadenverfahrens sein.
Die Vorschriften der Gnadenordnungen gelten für das Gnadenverfahren bei Rechtsfolgen, die wegen einer rechtswidrigen Tat durch Entscheidung eines Strafgerichts verhängt worden sind oder sich aus einer solcher Entscheidung ergeben. Damit können [[Strafe|Strafen]], Nebenstrafen, Nebenfolgen, [[Maßregeln der Besserung und Sicherung]], sonstige Maßnahmen des Strafrechts (z.B. Geldbußen), Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln sowie Ordnungsmittel Gegenstand eines Gnadenverfahrens sein.


Abzugrenzen ist die Gnade von der '''Amnestie'''. Während die Gnade eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung darstellt, gilt die Amnestie, die durch formelles Gesetz erlassen wird, für ein unbestimmte Vielzahl von Personen. '''Abolition''' ist die Niederschlagung eines anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahrens für den Einzelfall; heute besser bekannt unter der Begrifflichkeit des Absehens von Strafe, die nur noch in ihrer verrechtlichten Ausprägung ([http://bundesrecht.juris.de/stpo/__153.html §§ 153 ff. StPO]) Anwendung findet.
Abzugrenzen ist die Gnade von der '''Amnestie'''. Während die Gnade eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung darstellt, gilt die Amnestie, die durch formelles Gesetz erlassen wird, für ein unbestimmte Vielzahl von Personen. '''Abolition''' ist die Niederschlagung eines anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahrens für den Einzelfall; heute besser bekannt unter der Begrifflichkeit des Absehens von Strafe, die nur noch in ihrer verrechtlichten Ausprägung ([http://bundesrecht.juris.de/stpo/__153.html §§ 153 ff. StPO]) Anwendung findet.
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Gnadengründe hat auch das '''Bundesverfassungsgericht''' in seinem Urteil vom 23. April 1969 genannt, indem es anführte, dass das Gnadenrecht die Funktion habe, „Härten des Gesetzes, etwaige Irrtümer der Urteilsfindung sowie Unbilligkeiten, bei nachträglich veränderten allgemeinen oder persönlichen Verhältnissen auszugleichen“.
Gnadengründe hat auch das '''Bundesverfassungsgericht''' in seinem Urteil vom 23. April 1969 genannt, indem es anführte, dass das Gnadenrecht die Funktion habe, „Härten des Gesetzes, etwaige Irrtümer der Urteilsfindung sowie Unbilligkeiten, bei nachträglich veränderten allgemeinen oder persönlichen Verhältnissen auszugleichen“.


===Gnadenwürdigkeit===
===Gnadenwürdigkeit===
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Gnade dient nicht nur zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit sondern wird auch als kriminalpolitisches Instrument eingesetzt.  Gnade wird zur Erprobung von Veränderungen im strafrechtlichen Sanktionssystem genutzt. So wird in kurzfristigen und regional begrenzten Projekten mit Hilfe der Gnade Einfluss auf die aktuelle Situation im Strafvollzug genommen. Die Projekte sollen erster Linie die angespannte Lage im Strafvollzug etwas lockern indem Verurteilte vorzeitig aus der [[Haft]] entlassen werden. Vornehmlich handelt es sich dabei um den Vollzug von [[Ersatzfreiheitsstrafen]].
Gnade dient nicht nur zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit sondern wird auch als kriminalpolitisches Instrument eingesetzt.  Gnade wird zur Erprobung von Veränderungen im strafrechtlichen Sanktionssystem genutzt. So wird in kurzfristigen und regional begrenzten Projekten mit Hilfe der Gnade Einfluss auf die aktuelle Situation im Strafvollzug genommen. Die Projekte sollen erster Linie die angespannte Lage im Strafvollzug etwas lockern indem Verurteilte vorzeitig aus der [[Haft]] entlassen werden. Vornehmlich handelt es sich dabei um den Vollzug von [[Ersatzfreiheitsstrafen]].


In Hamburg wurde diesbezüglich nach der Hälfte der Strafzeit eine Begnadigung geprüft, in Baden-Württemberg erfolgte nach Halbstrafenverbüßung eine Strafunterbrechung mit der Möglichkeit einer anschließenden Begnadigung und in Mecklenburg-Vorpommern konnte die Ersatzfreiheitsstrafe ausgesetzt werden um gemeinnützige Arbeit zu leisten. In Niedersachsen sollte mit Hilfe der Gnade der Überbelegung im Frauenstrafvollzug begegnet werden. In einigen Fällen bestand die Möglichkeit, die Strafvollstreckung für ein Jahr aufzuschieben, um anschließend im Gnadenwege zu prüfen, ob die Strafvollstreckung noch erforderlich ist.
In Hamburg wurde diesbezüglich nach der Hälfte der Strafzeit eine Begnadigung geprüft, in Baden-Württemberg erfolgte nach Halbstrafenverbüßung eine Strafunterbrechung mit der Möglichkeit einer anschließenden Begnadigung und in Mecklenburg-Vorpommern konnte die Ersatzfreiheitsstrafe ausgesetzt werden um gemeinnützige Arbeit zu leisten. In Niedersachsen sollte mit Hilfe der Gnade der Überbelegung im Frauenstrafvollzug begegnet werden. In einigen Fällen bestand die Möglichkeit, die Strafvollstreckung für ein Jahr aufzuschieben, um anschließend im Gnadenwege zu prüfen, ob die Strafvollstreckung noch erforderlich ist.


Die Instrumentalisierung der Gnade zu kriminalpolitischen Zwecken stellt  eine Möglichkeit zur Erprobung kriminalpolitischer Reaktionsformen dar. Eine langfristige Instrumentalisierung der Gnade ist jedoch kritisch zu betrachten. Bei der Weihnachtsgnade wird aus Anlass des Weihnachtsfestes in den meisten Bundesländern (außer Bayern und Sachsen) ein Sammelgnadenerweis gewährt, der über den Zeitraum von [http://bundesrecht.juris.de/stvollzg/__16.html § 16 Abs. 2 StVollzG] hinaus eine vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen ermöglicht. Vielfach wird diese Maßnahme als Weihnachtsamnestie bezeichnet, obwohl dies unzutreffend ist, da sie aufgrund von Anordnungen der Justizminister ergeht und nicht durch formelles Gesetz beschlossen wird.
Die Instrumentalisierung der Gnade zu kriminalpolitischen Zwecken stellt  eine Möglichkeit zur Erprobung kriminalpolitischer Reaktionsformen dar. Eine langfristige Instrumentalisierung der Gnade ist jedoch kritisch zu betrachten. Bei der Weihnachtsgnade wird aus Anlass des Weihnachtsfestes in den meisten Bundesländern (außer Bayern und Sachsen) ein Sammelgnadenerweis gewährt, der über den Zeitraum von [http://bundesrecht.juris.de/stvollzg/__16.html § 16 Abs. 2 StVollzG] hinaus eine vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen ermöglicht. Vielfach wird diese Maßnahme als Weihnachtsamnestie bezeichnet, obwohl dies unzutreffend ist, da sie aufgrund von Anordnungen der Justizminister ergeht und nicht durch formelles Gesetz beschlossen wird.
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==Justitiabilität==
==Justitiabilität==
Hinsichtlich des Wesens der Gnade gibt es regelmäßig Diskussionen, ob Gnadenentscheidungen gerichtlich überprüfbar sein sollen oder nicht. In dogmatischer Hinsicht sind wohl alle Argumente herangezogen und betrachtet worden. Die einen wollen Gnade in ihrer bestehenden Form beibehalten und sehen in ihr das notwendige „Sicherheitsventil des Rechts“ oder ein „notwendiges Korrektiv“ der starren Rechtsanwendungsnormen. Eine Justitiabilität von ablehnenden Gnadenentscheidungen soll es nicht geben. Andere wollen ebenfalls das Institut der Gnade in seiner bestehenden Form beibehalten, sprechen sich aber für eine gerichtliche Überprüfbarkeit von abgewiesenen Gnadengesuchen aus. Wieder andere halten das Institut der Gnade für unvereinbar mit dem Rechtsstaatprinzip, nach dem alles staatliche Handeln gesetzlich normiert sein muss und fordern insofern die vollständige Abschaffung.
Hinsichtlich des Wesens der Gnade gibt es regelmäßig Diskussionen, ob Gnadenentscheidungen gerichtlich überprüfbar sein sollen oder nicht. In dogmatischer Hinsicht sind wohl alle Argumente herangezogen und betrachtet worden. Die einen wollen Gnade in ihrer bestehenden Form beibehalten und sehen in ihr das notwendige „Sicherheitsventil des Rechts“ oder ein „notwendiges Korrektiv“ der starren Rechtsanwendungsnormen. Eine Justitiabilität von ablehnenden Gnadenentscheidungen soll es nicht geben. Andere wollen ebenfalls das Institut der Gnade in seiner bestehenden Form beibehalten, sprechen sich aber für eine gerichtliche Überprüfbarkeit von abgewiesenen Gnadengesuchen aus. Wieder andere halten das Institut der Gnade für unvereinbar mit dem Rechtsstaatprinzip, nach dem alles staatliche Handeln gesetzlich normiert sein muss und fordern insofern die vollständige Abschaffung.


Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner umstrittenen Entscheidung vom 23. April 1969 beschlossen, dass an dem Institut der Gnade weiterhin festgehalten werden solle. Zudem sei es verfassungskonform, dass im Falle einer ablehnenden Gnadenentscheinung keine gerichtliche Nachprüfung vorgenommen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer nachfolgenden einstimmigen Entscheidung vom 12.01.1971 klargestellt, dass eine Überprüfung durch die Gerichte nur dann möglich sei, wenn eine bereits gewährte Gnade widerrufen werde.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner umstrittenen Entscheidung vom 23. April 1969 beschlossen, dass an dem Institut der Gnade weiterhin festgehalten werden solle. Zudem sei es verfassungskonform, dass im Falle einer ablehnenden Gnadenentscheinung keine gerichtliche Nachprüfung vorgenommen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer nachfolgenden einstimmigen Entscheidung vom 12.01.1971 klargestellt, dass eine Überprüfung durch die Gerichte nur dann möglich sei, wenn eine bereits gewährte Gnade widerrufen werde.
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==Statistiken==
==Statistiken==
Aus den allgemein zugänglichen Rechtspflegestatistiken lassen sich nur wenige Erkenntnisse zur Entwicklung der Gnade und zu ihrer Bedeutung im Vergleich zu anderen Milderungsmöglichkeiten gewinnen.
Aus den allgemein zugänglichen Rechtspflegestatistiken lassen sich nur wenige Erkenntnisse zur Entwicklung der Gnade und zu ihrer Bedeutung im Vergleich zu anderen Milderungsmöglichkeiten gewinnen.


*Die allgemeine Geschäftstatistik für die Staatsanwaltschaften gibt Auskunft über die Häufigkeit von Gnadenverfahren indem sie Eingänge von Gnadenersuchen registriert.
*Die allgemeine Geschäftstatistik für die Staatsanwaltschaften gibt Auskunft über die Häufigkeit von Gnadenverfahren indem sie Eingänge von Gnadenersuchen registriert.


*Die Strafvollzugsstatistik zeigt unter anderem an, in wie vielen Fällen eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung im Gnadenwege erfolgt ist. Die Anzahl der Primäraussetzung und sonstigen Vergünstigungen im Gnadenwege, wie z.B. Erlass der Geldstrafe, können nicht ersehen werden.
*Die Strafvollzugsstatistik zeigt unter anderem an, in wie vielen Fällen eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung im Gnadenwege erfolgt ist. Die Anzahl der Primäraussetzung und sonstigen Vergünstigungen im Gnadenwege, wie z.B. Erlass der Geldstrafe, können nicht ersehen werden.


*Der Bewährungshilfestatistik lässt sich entnehmen, wie oft bei gnadenweisen Strafaussetzungen zur Bewährung der Verurteilte einem Bewährungshelfer unterstellt wurde.
*Der Bewährungshilfestatistik lässt sich entnehmen, wie oft bei gnadenweisen Strafaussetzungen zur Bewährung der Verurteilte einem Bewährungshelfer unterstellt wurde.


Da die amtlichen Statistiken die Zahlen jahresweise darstellen, lassen sich monatliche Veränderungen nicht erkennen, so dass z.B. die genauere Bedeutung der Weihnachtsamnestie in den einzelnen Bundesländern nicht ermittelt werden kann. Außerdem enthalten sie keine Auskünfte über die Gründe, die zu der Entscheidung der Gnadenbehörde geführt haben. Demnach lassen die amtlichen Statistiken viele Fragen zum Gnadenwesen offen.  
Da die amtlichen Statistiken die Zahlen jahresweise darstellen, lassen sich monatliche Veränderungen nicht erkennen, so dass z.B. die genauere Bedeutung der Weihnachtsamnestie in den einzelnen Bundesländern nicht ermittelt werden kann. Außerdem enthalten sie keine Auskünfte über die Gründe, die zu der Entscheidung der Gnadenbehörde geführt haben. Demnach lassen die amtlichen Statistiken viele Fragen zum Gnadenwesen offen.  


Kritikwürdig ist die unterschiedliche Handhabung der Gnade in den einzelnen Bundesländern, die sich aus den amtlichen Statistiken ersehen lässt. Den Gnadengesuchen in den verschiedenen Bundesländern wird unterschiedlich häufig stattgegeben. In Berlin, dem einzigen Bundesland, in dem es einen Ausschuss für Gnadensachen gibt, werden die Reststrafenaussetzungen häufiger im Weg der Gnade als über Vorschriften der [http://bundesrecht.juris.de/stgb/__57.html §§ 57 ff StGB] gewährt. In Bayern und Thüringen hingegen ist die Möglichkeit im Wege der Gnade eine Reststrafenaussetzung zu erlangen, fast aussichtslos.
Kritikwürdig ist die unterschiedliche Handhabung der Gnade in den einzelnen Bundesländern, die sich aus den amtlichen Statistiken ersehen lässt. Den Gnadengesuchen in den verschiedenen Bundesländern wird unterschiedlich häufig stattgegeben. In Berlin, dem einzigen Bundesland, in dem es einen Ausschuss für Gnadensachen gibt, werden die Reststrafenaussetzungen häufiger im Weg der Gnade als über Vorschriften der [http://bundesrecht.juris.de/stgb/__57.html §§ 57 ff StGB] gewährt. In Bayern und Thüringen hingegen ist die Möglichkeit im Wege der Gnade eine Reststrafenaussetzung zu erlangen, fast aussichtslos.
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