Gnade

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„Verurteilte und Urteilende- die ganze Rechtsordnung bleibt darauf angewiesen, das eine Gnade erfahrbar bleibt, die das Recht achtet, ihm aber nicht unterworfen ist.“

Richard von Weizsäcker, 1986


Gnade kann unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Sie greift in die Gebiete des Rechts, der Theologie und der Philosophie. Dieser Artikel beleuchtet das Institut der Gnade bezogen auf das deutsche Strafrechtssystem.


Begriff

Ablehnung einer Begnadigung eines Mörders durch den König im Jahr 1843 Bild: Alfred Drossel Die entsprechende Akte kann im Staatsarchiv Ludwigsburg unter den Signaturen E 341 Bü 83-90 bestellt und eingesehen werden.

Der deutsche Begriff Gnade ist von dem althochdeutschen Wort ginada hergeleitet, welches als „göttliches Erbarmen“ übersetzt werden kann. Sprachgeschichtlich ist es zudem mit dem germanischen Wortstamm neth verwandt, was soviel bedeutet wie Hilfe und Schutz.

Die Gnade, wie sie historisch gewachsen ist, ist die menschliche und moralische Komponente des Rechts und umschließt die Milde, das Verzeihen, Vergeben und Vergessen. Von Rechtsphilosophen und Teilen der Literatur wird sie als Institut aufgefasst, welches als Wiedergutmachung von Irrtümern und zur Korrektur von Mängeln der menschlichen Gerechtigkeit dient.

Im umfassenden Sinne bedeutet Begnadigung Gunstbezeugung oder Vorteilsgewährung durch einen Träger hoheitlicher Gewalt. Im Rechtssinne meint dies die Freistellung eines Einzelnen von den durch rechtskräftiges Urteil festgestellten Strafen und Nebenfolgen.

Heutiges Gnadenwesen

Kompetenzverteilung

Es ist zwischen der Kompetenz des Bundes und der Kompetenz der Länder zu differenzieren, wobei die Begnadigungskompetenzen nebeneinander stehen.


Begnadigung auf Bundesebene

Nach Art. 60 Abs. 2 GG übt der Bundespräsident die Begnadigungsbefugnis für den Bund aus, diese kann er auf andere Behörden übertragen. In seiner Anordnung über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 5. Oktober 1965 wird die Übertragung der Befugnisse näher geregelt. Fälle von außerordentlicher Bedeutung hat sich der Bundespräsident vorbehalten, ansonsten hat er die Gnadenbefugnis in Strafsachen des Bundes an den Bundesminister der Justiz übertragen. Die strafrechtliche Gnadenzuständigkeit des Bundes umfasst die Strafsachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung der Strafgerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist (§ 452 StPO). Vorraussetzung ist, dass eine in §§ 120, 74 a GVG abschließend aufgezählte Straftat abgeurteilt worden ist. Weiterhin steht dem Bund das Begnadigungsrecht in jenen Strafsachen zu, in denen der Bundesgerichtshof im ersten Rechtszug entschieden hat.


Begnadigung auf Landesebene

Dem § 452 Satz 2 StPO zufolge stehen alle Strafsachen, die nicht im ersten Rechtszug in die Gerichtsbarkeit des Bundes fallen, den Ländern zu. In den Verfassungen der Länder wird das Begnadigungsrecht meist den Ministerpräsidenten zugesprochen, im Saarland der Landesregierung und in Berlin, Bremen und Hamburg dem Senat. Die Länder haben ihre Gnadenbefugnis größtenteils auf die Justizminister delegiert, welche wiederum durch Verwaltungsvorschriften nachfolgende Justizorgane wie den Generalstaatsanwalt und die Leitenden Oberstaatsanwälte ermächtigt haben.

Kritiker dieser Delegation vertreten den Standpunkt, die ermächtigten Staatsanwälte seien voreingenommen und nehmen als Organ der Strafverfolgungsbehörde eine ausgesprochene Parteistellung ein. Dem wird entgegnet, dass dies eine Verkennung der Grundlagen des Strafprozessrechtes bedeutet. Der § 160 Abs. 2 StPO bestimmt deutlich, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur die zur Belastung sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln hat.


Anwendungsbereich der Gnade im Strafrecht

Das Institut der Gnade hat Ausnahmecharakter, so dass die rechtlichen Vorschriften grundsätzlich Vorrang vor einem Gnadenverfahren haben. Erst wenn die gesetzlichen Möglichkeiten zur Straferleichterung nicht greifen, ist Raum für eine Gnadenentscheidung.

Die Vorschriften der Gnadenordnungen gelten für das Gnadenverfahren bei Rechtsfolgen, die wegen einer rechtswidrigen Tat durch Entscheidung eines Strafgerichts verhängt worden sind oder sich aus einer solcher Entscheidung ergeben. Damit können Strafen, Nebenstrafen, Nebenfolgen, Maßregeln der Besserung und Sicherung, sonstige Maßnahmen des Strafrechts (z.B. Geldbußen), Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln sowie Ordnungsmittel Gegenstand eines Gnadenverfahrens sein.

Abzugrenzen ist die Gnade von der Amnestie. Während die Gnade eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung darstellt, gilt die Amnestie, die durch formelles Gesetz erlassen wird, für ein unbestimmte Vielzahl von Personen. Abolition ist die Niederschlagung eines anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahrens für den Einzelfall; heute besser bekannt unter der Begrifflichkeit des Absehens von Strafe, die nur noch in ihrer verrechtlichten Ausprägung (§§ 153 ff. StPO) Anwendung findet.


Gnadenverfahren

In den Gnadenordnungen ist das Verfahren in Gnadensachen ausführlich geregelt. Die Gnadenbehörden haben die Gnadensachen meist bis zur Entscheidungsreife vorzubereiten und können in gewissen Grenzen die Gnadenerweise auch selbst erteilen (Ausnahmen: Berlin, Hamburg, Saarland, Schleswig-Holstein). Gnadenbehörde sind in den meisten Bundesländern die Vollstreckungsbehörden i.S. von §451 StPO und ihre Leiter. Gnadenbehörden sind auch die Gnadenstellen in Nordrhein-Westfalen, die organisatorisch bei den Landgerichten angegliedert und mit Gnadenbeauftragten besetzt sind. Im Land Berlin hat der Senat in bestimmten Fällen einen Ausschuss für Gnadensachen zu hören, dessen Votum der Senat zu berücksichtigen hat. Im Saarland besteht seit 1948 eine Kommission für Gnadensachen. Diese nimmt zu jeder Gnadensache Stellung in Form eines Gutachtens für die Begnadigungsbefugten.

Das Gnadenverfahren wird von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet. Antragsberechtigt ist jedermann. Ein Gnadenakt bedarf nach überwiegender Ansicht nicht der Zustimmung des Verurteilten. Die Zustimmungsbedürftigkeit entfällt, da der Verurteilte kein Recht und keinen Anspruch auf Gnade hat. Gnadensachen sind grundsätzlich vertraulich zu behandeln. Die Gnadenbehörde kann alle notwendigen Ermittlungen unverzüglich vorzunehmen, um die Angaben im Gesuch zu überprüfen und die gegenwärtigen persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen.


Motivation der Gnadenentscheidung

Die Gründe aus denen Gnade gewährt wird, sind vielfältig, z.B. rechtliche Erwägungen, kriminalpolitische Gründe, personale Umstände, zweckmäßige Milde, außerrechtliche Motive. Eine Systematisierung ist schwierig.

Richtlinien

Die Gnadenordnungen treffen wenig bzw. allgemeine Aussagen über das Wesen der Gnade oder Begnadigungskriterien. Die Reichsgnadenordnung von 1935 (GnO 1935), welche heute noch im Bund, in Hamburg, in Bremen und im Saarland gilt, bietet ansatzweise Richtlinien für die Motivation einer Gnadenentscheidung, insbesondere für eine Strafaussetzung zur Bewährung. Nach § 21 GnO 1935 sei in jedem Einzelfall mit größter Sorgfalt zu prüfen und zu beachten, dass eine Bewilligung nur möglich sei, wenn der Strafzweck in keiner Hinsicht beeinträchtigt oder in Frage gestellt werde.


§ 21 Richtlinien GnO 1935

... Die Aussetzung der Strafvollstreckung darf daher regelmäßig nur gewährt werden, wenn die begangene Verfehlung nicht durch Verdorbenheit und verbrecherische Neigung, sondern durch Leichtsinn, Unerfahrenheit, Verführung oder Not veranlasst worden ist und wenn nach der Überzeugung der Gnadenbehörde mit Sicherheit erwartet werden kann, dass der Verurteilte sich durch gute Führung während der Bewährungsfrist eines künftigen Gnadenerweises würdig erzeigen wird...


Gesichtspunkte die einen Gnadenerweis begründen können, finden sich auch in der Gnadenordnung des Landes Niedersachsen:

§ 14 Richtlinien GnO-Niedersachsen

Ein Gnadenerweis kann in Betracht kommen, wenn

  1. Gründe des Rechts eine Änderung oder Milderung der Entscheidungsfolgen gebieten oder
  2. erhebliche Gnadengründe vorliegen, denen gegenüber die Schuld des Täters sowie die Verteidigung der Rechtsordnung, die Wiederherstellung des Rechtsfriedens, die Wirkung der Bestrafung auf Dritte und andere Strafzwecke im Einzelfall zurücktreten; solche Gründe können sich insbesondere ergeben aus der Eigenart und den besonderen Anlagen des Verurteilten, seinem Vorleben, den Umständen seiner Tat, seinem Verhalten vor und nach der Tat sowie im Strafvollzug und während anderer unmittelbar vorausgegangener Freiheitsentziehungen, seinen Lebensverhältnissen und schließlich aus den von dem Gnadenerweis zu erwartenden Wirkungen auf den Verurteilten.


Gnadengründe hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23. April 1969 genannt, indem es anführte, dass das Gnadenrecht die Funktion habe, „Härten des Gesetzes, etwaige Irrtümer der Urteilsfindung sowie Unbilligkeiten, bei nachträglich veränderten allgemeinen oder persönlichen Verhältnissen auszugleichen“.


Gnadenwürdigkeit

In der Literatur wird neben den Gnadengründen auch die Gnadenwürdigkeit diskutiert; auch wenn diese den Gnadenordnungen und dem Bundesverfassungsgericht zufolge keine Voraussetzung für einen Gnadenerweis darstellt. Die Gnadenwürdigkeit ist gegeben, wenn Persönlichkeit und Charakter des Gesuchstellers, sein Verhalten und seine Lebensführung im Strafverfahren und nach der Tat vermuten lassen, er sei zur Einsicht gekommen und fähig in Zukunft ein geordnetes und rechtstreues Leben zu führen. Die Begnadigungsbehörde muss zu der Überzeugung gelangen, dem Verurteilten könne eine günstige Prognose gestellt werden.

Aspekte, die für eine Gnadenwürdigkeit sprechen:

  • Keine Vorstrafen
  • Wandlung im Lebensstil (neue Existenz und Umgebung, Heirat, geachtete Stellung im Beruf)
  • Aufrichtige Reue und Einsicht
  • Enthaltung von Alkoholgenuss (z.B. Führerscheinentzug)
  • Gute Führung im Strafvollzug
  • Wiedergutmachung des entstandenen Schadens


Rechtliche Gründe

Bei Begnadigungen, die offensichtlich ein Fehlurteil korrigieren sollen, kann die Gnadenwürdigkeit naturgemäß keine Rolle spielen.

Beispiele rechtlicher Gründe für positive Gnadenentscheide:

  • Strafnorm galt zur Zeit der Tat noch nicht oder nicht mehr
  • Überschreitung des gesetzlichen Strafrahmens
  • Irrige Voraussetzung eines Rückfalles
  • Verhängung einer im Gesetz nicht vorgesehenen Strafart
  • Nichtbeachtung gesetzlich vorgeschriebener Milderungsgründe
  • Verurteilung trotz Verjährung
  • Verurteilung trotz fehlender Prozessvoraussetzung


Gnade als kriminalpolitisches Instrument

Gnade dient nicht nur zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit sondern wird auch als kriminalpolitisches Instrument eingesetzt. Gnade wird zur Erprobung von Veränderungen im strafrechtlichen Sanktionssystem genutzt. So wird in kurzfristigen und regional begrenzten Projekten mit Hilfe der Gnade Einfluss auf die aktuelle Situation im Strafvollzug genommen. Die Projekte sollen erster Linie die angespannte Lage im Strafvollzug etwas lockern indem Verurteilte vorzeitig aus der Haft entlassen werden. Vornehmlich handelt es sich dabei um den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen.

In Hamburg wurde diesbezüglich nach der Hälfte der Strafzeit eine Begnadigung geprüft, in Baden-Württemberg erfolgte nach Halbstrafenverbüßung eine Strafunterbrechung mit der Möglichkeit einer anschließenden Begnadigung und in Mecklenburg-Vorpommern konnte die Ersatzfreiheitsstrafe ausgesetzt werden um gemeinnützige Arbeit zu leisten. In Niedersachsen sollte mit Hilfe der Gnade der Überbelegung im Frauenstrafvollzug begegnet werden. In einigen Fällen bestand die Möglichkeit, die Strafvollstreckung für ein Jahr aufzuschieben, um anschließend im Gnadenwege zu prüfen, ob die Strafvollstreckung noch erforderlich ist.

Die Instrumentalisierung der Gnade zu kriminalpolitischen Zwecken stellt eine Möglichkeit zur Erprobung kriminalpolitischer Reaktionsformen dar. Eine langfristige Instrumentalisierung der Gnade ist jedoch kritisch zu betrachten. Bei der Weihnachtsgnade wird aus Anlass des Weihnachtsfestes in den meisten Bundesländern (außer Bayern und Sachsen) ein Sammelgnadenerweis gewährt, der über den Zeitraum von § 16 Abs. 2 StVollzG hinaus eine vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen ermöglicht. Vielfach wird diese Maßnahme als Weihnachtsamnestie bezeichnet, obwohl dies unzutreffend ist, da sie aufgrund von Anordnungen der Justizminister ergeht und nicht durch formelles Gesetz beschlossen wird.


Übergeordnete Interessen

Sind eigene Staatsbürger im Ausland oder fremde im Inland verurteilt worden, kann es kann zu diplomatischen Schritten kommen, um auf Milderung und vorzeitige Entlassung hinzuwirken. Motivationen sind unter anderem humanitäre Erwägungen, Belange der Nachrichtendienste und der Abbau von zwischenstaatlichen Spannungen. Teilweise werden bei Gnadensachen dieser Art Gegenleistungen verlangt und zugestanden, wie z.B. die Begnadigung eines in der Bundesrepublik Deutschland verurteilten Ausländers. Hierzu muss die Bundesregierung gegebenenfalls aufgrund der Kompetenzverteilung das Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesland herstellen. Erscheint die vorzeitige Entlassung vertretbar wird zuerst nach § 456a StPO geprüft, ob von einer weiteren Vollstreckung abgesehen werden kann. Wenn dies und die gerichtliche Aussetzung zur Bewährung (§57 StGB) nicht möglich ist, wird der Gnadenweg gegangen.

Derart motivierte Begnadigungen können auch innerstaatliche Verhältnisse betreffen. Gnadenerweise können der Wiederherstellung und Erhaltung des inneren Friedens, der öffentlichen Sicherheit, stabiler politischer oder auch wirtschaftlicher Verhältnisse dienen.

Wenn Terroristen mit Geiseln die Freilassung von Verbrechern fordern, ist die Entscheidung darüber ein Akt politischer Führung. Eine Freilassung von Verurteilten unter diesen Umständen stellt nach herrschender Meinung keine Begnadigung dar, da die Strafe weiter vollstreckt werde, wenn man der Entlassenen wieder habhaft wird. Wird ein gnadenweiser Erlass der Strafe ausgesprochen, könne er, weil er auf Drohung und Zwang beruhte, zurück genommen werden.


Justitiabilität

Hinsichtlich des Wesens der Gnade gibt es regelmäßig Diskussionen, ob Gnadenentscheidungen gerichtlich überprüfbar sein sollen oder nicht. In dogmatischer Hinsicht sind wohl alle Argumente herangezogen und betrachtet worden. Die einen wollen Gnade in ihrer bestehenden Form beibehalten und sehen in ihr das notwendige „Sicherheitsventil des Rechts“ oder ein „notwendiges Korrektiv“ der starren Rechtsanwendungsnormen. Eine Justitiabilität von ablehnenden Gnadenentscheidungen soll es nicht geben. Andere wollen ebenfalls das Institut der Gnade in seiner bestehenden Form beibehalten, sprechen sich aber für eine gerichtliche Überprüfbarkeit von abgewiesenen Gnadengesuchen aus. Wieder andere halten das Institut der Gnade für unvereinbar mit dem Rechtsstaatprinzip, nach dem alles staatliche Handeln gesetzlich normiert sein muss und fordern insofern die vollständige Abschaffung.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner umstrittenen Entscheidung vom 23. April 1969 beschlossen, dass an dem Institut der Gnade weiterhin festgehalten werden solle. Zudem sei es verfassungskonform, dass im Falle einer ablehnenden Gnadenentscheidung keine gerichtliche Nachprüfung vorgenommen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer nachfolgenden einstimmigen Entscheidung vom 12.01.1971 klargestellt, dass eine Überprüfung durch die Gerichte nur dann möglich sei, wenn eine bereits gewährte Gnade widerrufen werde.

Verrechtlichung der Gnade

Im Laufe der Zeit wurde die Gnade immer weiter durch rechtliche Vorschriften verdrängt. Viele Bereiche, die früher der Gnade zuzuordnen waren, sind heute in rechtliche Regelungen übertragen worden:

Strafgesetzbuch:

  • Regelungen zur Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56, 57, 57a StGB)
  • Absehen von Strafe, wenn die Folgen der Tat den Täter selbst unverhältnismäßig hart treffen (§ 60 StGB)
  • Zahlungserleichterung bei Geldstrafen (§ 42 StGB)
  • Vorzeitige Aufhebung bzw. Herabsetzung der Sperrfrist bei der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 7 StGB)
  • Wiederverleihung von Fähigkeiten und Rechten, die im Rahmen der Verurteilung aberkannt wurden ( § 45b StGB)

Strafprozessordnung:

  • Vorschriften zu Strafaufschub und –unterbrechung (§§ 454b, 455, 455a, 456 StPO)
  • Absehen von Vollstreckung bei Abschiebung oder Ausweisung von Ausländern (§ 456a StPO)
  • Erleichterung bei Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen (§§ 459, 459a, 459d, 459f StPO)

Strafvollzugsgesetz:

  • Ermöglichung von Vollzugslockerungen und Urlaub für Gefangene (§§ 11, 13, 15, 35 StVollzG)
  • Erlassen geringer Strafreste, wenn Strafende auf Wochenenden oder Feiertage fällt (§ 16 StVollzG)

Betäubungsmittelgesetz:

  • Zurückstellung einer Strafe bei Drogentherapie (§ 35 BtMG)


Statistiken

Aus den allgemein zugänglichen Rechtspflegestatistiken lassen sich nur wenige Erkenntnisse zur Entwicklung der Gnade und zu ihrer Bedeutung im Vergleich zu anderen Milderungsmöglichkeiten gewinnen.

  • Die allgemeine Geschäftstatistik für die Staatsanwaltschaften gibt Auskunft über die Häufigkeit von Gnadenverfahren indem sie Eingänge von Gnadenersuchen registriert.
  • Die Strafvollzugsstatistik zeigt unter anderem an, in wie vielen Fällen eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung im Gnadenwege erfolgt ist. Die Anzahl der Primäraussetzung und sonstigen Vergünstigungen im Gnadenwege, wie z.B. Erlass der Geldstrafe, können nicht ersehen werden.
  • Der Bewährungshilfestatistik lässt sich entnehmen, wie oft bei gnadenweisen Strafaussetzungen zur Bewährung der Verurteilte einem Bewährungshelfer unterstellt wurde.

Da die amtlichen Statistiken die Zahlen jahresweise darstellen, lassen sich monatliche Veränderungen nicht erkennen, so dass z.B. die genauere Bedeutung der Weihnachtsamnestie in den einzelnen Bundesländern nicht ermittelt werden kann. Außerdem enthalten sie keine Auskünfte über die Gründe, die zu der Entscheidung der Gnadenbehörde geführt haben. Demnach lassen die amtlichen Statistiken viele Fragen zum Gnadenwesen offen.

Kritikwürdig ist die unterschiedliche Handhabung der Gnade in den einzelnen Bundesländern, die sich aus den amtlichen Statistiken ersehen lässt. Den Gnadengesuchen in den verschiedenen Bundesländern wird unterschiedlich häufig stattgegeben. In Berlin, dem einzigen Bundesland, in dem es einen Ausschuss für Gnadensachen gibt, werden die Reststrafenaussetzungen häufiger im Weg der Gnade als über Vorschriften der §§ 57 ff StGB gewährt. In Bayern und Thüringen hingegen ist die Möglichkeit im Wege der Gnade eine Reststrafenaussetzung zu erlangen, fast aussichtslos.


Quellen

  • Dimoulis, Dimitri (1996): Die Begnadigung in vergleichender Perspektive. Rechtsphilosophische, verfassungs- und strafrechtliche Probleme /. Berlin: Duncker & Humblot (Strafrechtliche Abhandlungen, N.F., 97).
  • Hüser, Klaus (1973): Begnadigung und Amnestie als kriminalpolitisches Instrument. mit Untersuchungen aus dem Hamburger Bereich. Dissertation. Universität Hamburg.
  • Klein, Alfons (2001): Gnade - ein Fremdkörper im Rechtsstaat? Frankfurt am Main: Lang (Europäische HochschulschriftenReihe 2, Rechtswissenschaft, 3199).
  • Schätzler, Johann-Georg (1976): Handbuch des Gnadenrechts. Eine systematische Darstellung mit den Vorschriften des Bundes und der Länder, Anmerkungen und Sachregister. 1. Aufl. München: Beck.
  • Wiontzek, Sandra (2008): Handhabung und Wirkungen des Gnadenrechts. Hamburg: Kovac (Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, 123).

Weiterführende Literatur

  • Maurer, Axel (1979): Das Begnadigungsrecht im modernen Verfassungs- und Kriminalrecht. Frankfurt/M.: Lang (Europäische HochschulschriftenReihe 2, Rechtswissenschaft, 225).
  • Overath, Petra (2001): Tod und Gnade. Die Todesstrafe in Bayern im 19. Jahrhundert. Köln: Böhlau.
  • Uppenkamp, Thomas (1972): Die Begnadigung und ihre Bedeutung bei der lebenslangen Freiheitsstrafe. Dissertation. Universität Münster.
  • Vögele, Wolfgang (2000): Gnade vor Recht oder gnadenlos gerecht? Amnestie, Gerechtigkeit und Gnade im Rechtsstaat ; [Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum vom 1. bis 3. November 1999]. 1. Aufl. Rehburg-Loccum: Evang. Akad. Loccum (Loccumer Protokolle, 62/99).

Weblinks