Haft

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Haft (aus dem germanischen „hafta") meint gefangen. Die Haft bezeichnet eine freiheitsentziehende Maßnahme (Art. 104 Abs. 2 Grundgesetz (GG)) einer Person aufgrund einer richterlichen Anordnung (Haftbefehl - § 112 StPO). Sie dient der geordneten Durchführung des Strafverfahrens sowie der Aufklärung des Sachverhaltes. Sie ist der weitestgehende durch den Staat legitimierte, gesetzlich verankerte, temporäre Eingriff in die Menschenrechte bzw. in verfassungsrechtlich festgelegte Grundrechte einer bestimmten Person durch Einschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit und der Wahl des Aufenthaltsortes. Die Strafprozessordnung (StPO) bezeichnet diesen Eingriff als „Verhaftung“, wenn die Ergreifung und Festhaltung auf Grund eines richterlichen Haftbefehls erfolgt oder als vorläufige Festnahme, wenn die Beschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit ohne richterliche Anordnung durch Organe der Strafverfolgungsbehörden vorgenommen wird.

Historie / Entwicklung

In der Geschichte (vgl. Schwind/Blau, 1988) gibt es bereits um 650 v. Ch. Aufzeichnungen über den Propheten Jeremias, welcher in eine Grube „unter dem Haus des Schreibers“ geworfen wurde (in Jer. 38,6). Das Strafmotiv der alten Griechen und Römer war Rache. Längere Freiheitsstrafen gab es nicht. Eingesperrt wurde ein Täter nur bis zu seiner Verurteilung. 384 bis 389 n.Chr. wurden auf Anordnung des Papstes Siricus „unsittliche“ Mönche und Nonnen in die Arbeitshäuser der Klöster gesperrt. Die Haft sollte dazu dienen die Gefangenen durch Buße zu bessern. Durch die Einführung der Klostergefängnisse gewann die Freiheitsstrafe, neben der Leibes und Todesstrafe, an Bedeutung. Durch die Freiheitsstrafe sollte der Verirrte wieder auf den richtigen Weg gebracht werden. In der Zeit des 13. bis 15. Jahrhundert zog der Freiheitsentzug als Sanktionsform in die Stadtrechte ein.

Der moderne Freiheitsentzug beginnt im 16./17. Jahrhundert auf Grund einer starken Zunahme der Zahl der Freiheitsstrafen sowie der Abwendung von der Vergeltung und Unschädlichmachung hin zu einem Besserungsgedanken als Strafzweck. Zu dieser Zeit entstanden auch in Deutschland die ersten Gefängnisse und parallel dazu auch die ersten Zuchthäuser. Dort sollten Menschen, die nicht selbst für ihren Unterhalt aufkommen konnten, welche als Bettler oder Diebe durchs Land zogen, vor allem durch harte körperliche Anstrengung Arbeitsmoral lernen. Im 18. Jahrhundert wurden die Gefängnisse und Armenhäuser der Kirche geschlossen und die Insassen in den Zuchthäusern untergebracht. Allmählich entwickelten sich diese Zuchthäuser hin zu Haftanstalten für Kriminelle. Bis 1800 gab es für Menschen aus pivilegierten Kreisen die sogenannte Festungshaft. Die Strafe sollte vom Stand der Person in der Gesellschaft abhängig sein. Für diese Verbrecher gab es eine komfortable wenn auch streng bewachte Haftzeit. 1806 bis 1860 war nicht mehr das Deutsche Reich für das Strafrecht zuständig, sondern die einzelnen Territorien. Bereits ab 1871 galt dann aber einheitlich das Reichsstrafgesetzbuch.

Mit Beginn der NS Zeit in Deutschland diente der Zweck der Strafe nicht mehr der Erziehung, sondern der Sühne und der Abschreckung, um die Gesellschaft zu schützen. Der Täter und nicht die Tat standen im Vordergrund. Dadurch wurden alle zuvor gewonnen modernen Erkenntnisse einer sozialpädagogischen Behandlung der Gefangenen beendet und der repressive Strafvollzug mit dem Merkmalen Vergeltung und Generalprävention standen wieder im Vordergrund. In der Nachkriegszeit lautet das Ziel die Gefangenen zu resozialisieren und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. 1957 wurde die Haftstrafe auf Bewährung, aber nur für diejenigen, die als gesellschaftsfähig galten, eingeführt. 1969 wurde durch die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe, der Berücksichtigung individualpräventiver Gesichtspunkten bei der Strafzumessung, der Einschränkung kurzer Freiheitsstrafen und der Erweiterung des Anwendungsbereichs ambulanter Maßnahmen das Strafgesetzbuch reformiert. Des Weiteren stellte 1972 das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 33, 1 ff.) fest, dass die Figur des besonderen Gewaltverhältnisses keine verfassungsrechtlich zulässige Grundlage für Grundrechtseingriffe sei, dass vielmehr ein förmliches Gesetz erforderlich sei. Am 1.1.1977 trat das StVollzG inkraft, damit folgte der Gesetzgeber dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Durch die Föderalismusreform 2007 hat der Bund die Zuständigkeit für das Strafvollzugsrecht verloren. Damit endete in Deutschland das einheitliche Strafvollzugsrecht. 2011 verliert die UVollzO im Bereich der Untersuchungshaft nach Abschluss der Gesetzgebung der Länder ihre Geltung (Höflich et al. 2014).

Haftarten

Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft – häufig kurz U-Haft genannt – ist die aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 Abs. 1 StPO) durchgeführte Verwahrung eines Beschuldigten in einer Haftanstalt. Sie dient der ordnungsgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens bis zu dessen Rechtskraft. Sie darf keinen Sanktionscharakter haben (ergibt sich auch aus der Unschuldsvermutung gem. Art. 6 Abs. 2 MRK). Ein Haftbefehl kann ergehen, wenn der dringende Tatverdacht zu bejahen ist, ein Haftgrund (§ 112 Abs. 1 S. 1 StPO) besteht sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§§ 112 Abs. 1 S. 2, 113 StPO) gewahrt ist. „Ein dringender Tatverdacht ist dann gegeben, wenn nach dem Stand der Ermittlungen eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer einer Straftat anzusehen ist“ (Haller/Conzen, 2006, 435). Die Haftgründe sind: Flucht oder Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Wiederholungsgefahr oder Tatverdacht bezüglich eines Kapitaldeliktes (die Aufzählung ist abschließend). Eine Maßnahme gilt als verhältnismäßig, wenn diese legitim, geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Anordnung der Untersuchungshaft kann in jedem Stadium des Strafverfahrens angeordnet werden. In der Regel entscheidet der Haftrichter beim Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft über den Erlass eines Haftbefehls. Bei Gefahr in Verzug kann das Gericht auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft verzichten. Anfechtungsmöglichkeiten gegen einen bestehenden Haftbefehl sind die Haftprüfung (§ 117 StPO) und Haftbeschwerde. Die Dauer der Untersuchungshaft wird in der Regel auf eine eventuell später verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Die Untersuchungshaft ist auf maximal 6 Monate beschränkt. Das Oberlandesgericht (OLG) kann jedoch diese Frist verlängern, wenn besondere Schwierigkeiten oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen (§ 121 StPO)

Strafhaft (Freiheitsstrafe)

Erst in Folge einer rechtswidrigen und schuldhaften Straftat, welche mit einer strafrechtliche und rechtswirksame Verurteilung geahndet wurde, wird eine Freiheitsstrafe verhängt. Die Freiheitsstrafe, als die zweite Hauptstrafe des geltenden Rechts neben der Geldstrafe, ist die am tiefsten in die Rechtsstellung des Verurteilten eingreifende Strafart (Maier, 2006, S. 79 ff.) Das Höchstmaß beträgt gemäß § 38 Abs. 2 StGB 15 Jahre und ihr Mindestmaß 1 Monat. Jedoch soll eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten nur verhängt werden, wenn es aufgrund besonderer Tatumstände oder aufgrund der Täterpersönlichkeit unerlässlich ist (§ 47 Abs. 2 StGB). Die lebenslange Freiheitsstrafe ist das Höchstmaß für schwerste Verbrechen und darf nur verhängt werden, wenn dies das Strafgesetz explizit vorsieht (z.B. Mord, § 211 StGB). Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe erfolgt als Einheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt. Die Strafhaft stellt eine Sanktion dar, mit der staatliche Instanzen der sozialen Kontrolle auf Straftaten einer Person reagieren. Die Freiheitsstrafe soll Vergeltung für die Tat üben und die Sühne ermöglichen, sie soll dem Täter die Möglichkeit eröffnen, im Vollzug die für ein Leben ohne Straftaten erforderlichen Voraussetzungen zu erwerben, sie soll abschrecken, sie soll die Gesellschaft durch die sichere Unterbringung des Verurteilten schützen und sie soll das durch die Tat erschütterte Vertrauen der Allgemeinheit in die Bestands- und Durchsetzungskraft des Rechts wiederherstellen (Maier, 2006, S. 80). Die Strafhaft ist ein schwer wiegender Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz). Das Recht auf Freiheit der Person schützt die Fortbewegungsfreiheit, die jedermann das Recht gewährt, sich von einem Ort wegbegeben zu können. Durch die Strafhaft wird dieses Recht eingeschränkt.

Hauptverhandlungshaft

Zur Durchführung eines beschleunigten Verfahrens darf die Hauptverhandlungshaft durch den funktionell zuständigen Richter dann angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, dass der Täter ohne Festnahme und Hauptverhandlungshaftbefehl der - im beschleunigten Verfahren anberaumten - Hauptverhandlung fernbleiben würde (§ 127b Abs. 1, Abs. 2 StPO), die Durchführung der Hauptverhandlung innerhalb einer Woche zu erwarten ist und die Anordnung der Haft nicht unverhältnismäßig ist. Das beschleunigte Verfahren kann dazu dienen, die nach den §§ 112 ff. StPO angeordnete Untersuchungshaft zu verkürzen und damit überlange Haftdauer zu vermeiden.

Auslieferungshaft

Man spricht von einem Auslieferungshaftbefehl, wenn zum Zweck der Sicherung der Auslieferung der Verfolgte im ersuchten Staat in Haft genommen wird. Voraussetzungen dafür sind, dass die Gefahr besteht, dass der Verfolgte sich dem Auslieferungsverfahren bzw. der Auslieferung selbst entziehen wird oder wenn Verdunklungsgefahr anzunehmen ist. Die Auslieferungshaft ist ein Instrument der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dient der Durchführung der Strafverfolgung im ersuchenden Staat wegen einer rechtswidrigen Tat des Verfolgten und/oder der Vollstreckung einer dort rechtskräftigen gegen den Verfolgten verhängten Strafe oder Maßregel (Haller/Conzen, 2006, 457).

Abschiebungshaft

Die Abschiebungshaft dient dem Zweck, durch sichere Verwahrung der Abschiebungsgefangenen die Durchführung von Abschiebungen zu gewährleisten (Richtlinien über den Vollzug der Abschiebungshaft (Erlass des Niedersächsischen Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten vom 05.08.99) ) Die Abschiebungshaft ist keine Strafhaft, ihr Ziel hat also weder sanktionierenden noch rehabilitierenden Charakter. Eine strafrechtliche Verurteilung muss ihr nicht vorangehen. Vielmehr ist die Abschiebungshaft eine Zivilhaft mit Sicherungsfunktion, so die Vorstellung des Gesetzgebers. Sie dient allein der Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung und darf nur unter bestimmten Voraussetzungen (§ 58 AufenthG) verhängt werden (vgl. Peter Knösel/Jörg Wegner, Rechtsgutachten zur Verfassungswidrigkeit der Abschiebungshaft in ZDWF-Schriftenreihe Nr. 62, 6; Karl Friedrich Piorreck, Abschiebungshaft: Wie die Praxis mit dem Gesetz umgeht, BewHi, 2/1995, 1843) Daher gelten hierfür nicht die im Strafrecht anwendbaren Verfahrensabläufe, sondern die Regelungen des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FreihEntzG, § 106 Abs. 2 AufenthG). Zur Sicherung der Abschiebung und Vorbereitung der Ausweisung kann nach § 62 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) Haft angeordnet werden. Abschiebungshaft wird durch das Amtsgericht auf Antrag der Ausländerbehörde verhängt. Die Haftgründe ergeben sich aus § 62 Abs. 2 AufenthG sowie aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Da diese Form der Haft der Sicherung der Abschiebung dient, kann Abschiebungshaft nicht verhängt werden, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Abschiebung nicht in absehbarer Zeit möglich ist (z.B. fehlende Abschiebewege, andauernder Abschiebestopp).

Ordnungshaft

Ordnungshaft kann vom Gericht angeordnet werden bei

  • Zeugen das Nichterscheinen ohne ausreichende Entschuldigung, die unberechtigte Aussageverweigerung und die unberechtigte Verweigerung der Eidesleistung.
  • Zuschauern, Zeugen, Sachverständigen und Angeklagten Zuwiderhandlungen gegen die Anordnungen des Gerichtsvorsitzenden.
  • Ungebühr vor Gericht.

Sie darf nur von einem Richter angeordnet werden. Im Strafverfahren kann sie von 1 Tag bis zu 6 Wochen verhängt werden (Art. 6 Abs. 2 EGStGB). Gesetzlich geregelt ist sie in § 70 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO). In § 70 Abs. 2 StPO ist zusätzlich die Möglichkeit einer Beugehaft von bis zu sechs Monaten vorgesehen. Für den Zivilprozess trifft § 380 Zivilprozessordnung (ZPO) eine entsprechende Regelung, soweit der Zeuge ausbleibt. Bei wiederholtem Ausbleiben eines Zeugen können die Maßnahmen mehrfach angeordnet werden. Es kann dann auch eine zwangsweise Vorführung des Zeugen angeordnet werden. Die Beuge- bzw. Ordnungshaft bei Verweigerung des Zeugnisses ist in § 390 ZPO geregelt. Kann ein Ordnungsgeld als Zwangsmittel nicht beigetrieben werden, so verhängt das Gericht eine sog. Ersatzordnungshaft.

Zwangshaft

Die Zwangshaft ist ein Mitteln aus dem Verwaltungsvollstreckungsrecht. Sie ist kein selbständiges Zwangsmittel sondern eine Steigerung des Zwangsgeldes, sofern eine Beitreibung eines Zwangsgeldes nicht möglich ist. Die (Ersatz-) Zwangshaft ist in § 16 VwVG geregelt. Die Zwangshaft, als Fortsetzung des Zwangsgeldes, dient als Willensbeugung des Pflichtigen und nicht als Bestrafung. Mit ihr soll die Zahlung einer Geldbuße erzwungen werden. Die Zwangshaft muss verhältnismäßig sein.

Erzwingungshaft

Die Erzwingungshaft stellt ein Beugemittel dar und ist in den §§ 96 ff. Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) geregelt. Sie stellt keine Bestrafung für eine begangene Ordnungswidrigkeit dar, sondern soll die Zahlung einer Geldbuße erzwingen. Die Dauer der Erzwingungshaft wegen einer Geldbuße darf sechs Wochen, wegen mehrerer in einer Bußgeldentscheidung festgesetzter Geldbußen drei Monate nicht übersteigen. Sie wird, auch unter Berücksichtigung des zu zahlenden Betrages der Geldbuße, nach Tagen bemessen und kann nachträglich nicht verlängert, jedoch abgekürzt werden. Wegen desselben Betrages darf die Erzwingungshaft nicht wiederholt werden. Des Weiteren kann zur Erzwingung einer Zeugenaussage im Rahmen eines Verfahrens gem. § 70 Abs. 2 StPO ebenfalls Erzwingungshaft/Beugehaft angeordnet werden. Die Erzwingungshaft entweder mit dem Abschluss des zugrunde liegenden Verfahrens oder aber spätestens nach sechs Monaten nach Beginn der Erzwingungshaft.

Haft auf Grund vorläufiger Festnahme

Die Haft auf Grund der vorläufigen Festnahme ist eine einstweilige Freiheitsentziehung des Beschuldigten zur Sicherung der Strafverfolgung ohne richterlichen Beschluss, sie stellt ein Zwangsmittel der Strafprozessordnung (StPO) dar. Somit ist sie eine Prozesshandlung als Bestandteil des Strafverfahrens. Aus diesem Grunde liegt ihr Ziel in der Verfolgung verfahrensrechtlicher Zwecke. Ihre gesetzliche Grundlage findet sich in den §§ 127 -129 StPO. In § 127 StPO werden hierbei begrifflich drei Varianten der vorläufigen Festnahme unterschieden:

  • „das Festnahmerecht eines jeden Bürgers nach § 127 Abs. 1 S.1 StPO, die sogenannte anwesenheits- und identifizierungssichernde Flagranzfestnahme“ (Reuss, 2002, 2); Voraussetzung hierfür sind, dass die Person auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und ein Festnahmegrund, d.h. Fluchtverdacht oder die Identität der Person steht nicht fest, besteht
  • „den Sonderfall der Identitätsfeststellung gem. § 127 Abs. 1 S.2 StPO i.V.m. § 163b Abs. 1 StPO, die sogenannte identifizierungssichernde Offizialfestnahme und
  • die weitergehenden Befugnisse der Staatsanwaltschaft und der Polizeibeamten aus § 127 Abs. 2 StPO, die sogenannte haftsichernde Offizialfestnahme“ (Reuss, 2002, 2); Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen einer Gefahr im Verzug und die Voraussetzungen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls sind gegeben.

Die Beendigung der vorläufigen Festnahme erfolgt entweder durch die Freilassung des Festgenommenen oder mit dem Erlass eines Haft- oder Unterbringungshaftbefehls durch den Richter.

Kritik und kriminologische Relevanz

Folgt man der Ansicht und dem Ursprungsgedanken der Haft als Strafe, stellt sich die Frage danach was Strafe überhaupt ist. Strafen oder auch bestrafen kann als Willensentschluss, welcher aus Sicht des (Be-)strafenden aber auch aus Sicht der Bestraften, mit Absicht Übel zufügen, gesehen werden.

Strafe durch den Staat soll der Wiederherstellung des Rechtsfriedens und der Stärkung des Rechtsbewusstseins dienen, nicht der Vergeltung. Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient der Resozialisierung (§ 2 StVollzG). Der Staat folgt in seiner Ausrichtung dem Bundesverfassungsgericht, welches in seiner Entscheidung vom 21. Juni 1977 festlegte, dass die Gesellschaft vor sozialschädlichem und damit gesellschaftsschädlichen Verhalten zu bewahren und so die elementaren Werte des Gesellschaftslebens zu schützen ist.

Im Sinne der Gesellschaft beschrieb der französische Soziologe Émile Durkheim die Strafe als Reaktion auf Verletzung der durch eben diese Gesellschaft anerkannten Normen und Werte. Das Gemeinschaftsbewusstsein verlange nach Bestrafung; infolge derer die Gesellschaft wieder Rechtsfrieden und Stärkung des Rechtsbewusstseins erfährt und nicht zuletzt ein Gefühl der Sicherheit empfindet.

Aus Sicht des Opfers einer Straftat stellt die Strafe bzw. Bestrafung des Täters Genugtuung dar. Gestört, in seinem durch den Staat vermittelten Sicherheitsbewusstsein, verlangt das Opfer nach Wiedereinkehr der Ruhe in seinem gesellschaftlichen und von ihm akzeptierten/angenommen rechtlichen Gefüge. Der Genugtuungsgedanke des Opfers, als Rachegedanken desselben für das Widerfahrene, sollte dabei nicht als niedriges Bedürfnis angesehen werden. Reemtsma, selbst Opfer einer Straftat, beschrieb das Problem, das Recht des Opfers auf Bestrafung des Täters, wie folgt: „ Es gehe dem Opfer um Anerkennung, dass ein Verbrechen Unrecht und nicht Unglück war, um die Pflicht des Staates, den individuellen und sozialen Schaden zu begrenzen, den ein Verbrechen angerichtet habe.“

Nach Heribert Ostendorf ist vom kollektiven Strafbedürfnis das individuelle Strafbedürfnis des Straftäters, das eingehende Verlangen nach Sühne und Genugtuung, zu unterscheiden. Ostendorf folgt dabei der Theorie, demzufolge der Sinn der Strafe auch darin liegt, dem Straftäter die Verarbeitung seiner Schuld zu ermöglichen, zu sühnen. Ohne offizielle Strafe könne dieser für die psychische Stabilisierung notwendige Reinigungsprozess - bei vorhandenen Strafbedürfnissen - schwerlich durchgeführt werden. Die Strafe ist hiernach notwendig für den Täter.

Alle, bis auf die Strafhaft (Freiheitsstrafe), der zuvor genannten Haftarten dienen einem bestimmten Zweck, sollen den Betroffenen jedoch nicht sanktionieren/strafen. Lediglich die Freiheitsstrafe (Haftstrafe) stellt eine Sanktion/Strafe dar: durch die Haftstrafe wird dem Betroffenen die Freiheit entzogen.

Die Freiheitsstrafe stellt ein zur Ahndung der schuldhaften Straftat dem Verurteilten auferlegtes Strafübel, eine Rechtseinbuße dar (vgl. hierzu Seebode 1997, 78 ff.). Der Verurteilte wird zwangsweise aus seinem bisherigen sozialen Umfeld herausgenommen und somit an daran gehindert, sein bisheriges Leben unverändert fortzuführen. Dieser tiefe Einschnitt in die Lebenskontinuität hat eine desintegrierende Wirkung für den Verurteilten (Maier, 2006, S. 80). Hinzu kommt, dass er in das Anstaltsleben einer geschlossenen Einrichtung integriert wird. Damit verbunden sind vielfältige Entbehrungen und Einschränkungen. Es erfolgt ein Prozess der Anpassung an die subkulturellen Normen der „Gefängnisgesellschaft“, die „Prisonisierung“.

Beide Aspekte können das Vollzugsziel „Resozialisierung“ negativ beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass eine Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft nach Beedigung der Freiheitsstrafe durch einen Stigmatisierungseffekt erheblich erschwert wird. (Maier, 2006, S.81).

Die tatsächliche Wirkung, insbesondere auch die abschreckende Wirkung der (Haft-) Strafe, sind stark umstritten, da Nutzen und Erfolg der Haftstrafe nur schwer messbar sind. Es ist unklar, ob eine abschreckende Wirkung durch die Strafe erreicht wird und inwieweit ein potentieller Straftäter durch die Strafandrohung von einer Tat ablässt (negative Generalprävention). Auch bei einem verurteiltem Straftäter, der danach kein kriminelles Verhalten mehr zeigt, kann empirisch nicht nachgewiesen werden, dass dies ein positives Ergebnis aufgrund der verhängten Haftstrafe ist. Eine empirische Überprüfung über die Wirksamkeit einer Haftstrafe ist praktisch nicht umzusetzen, da es keine Kontrollgruppe geben kann. Wird gesetzlich eine Haftstrafe gefordert, muss diese erfolgen.

Bezüglich dem Sinn und Zweck der Strafe gibt es verschiedene Straftheorien. Dabei kann zwischen den absoluten und den relativen Straftheorien unterschieden werden. Bei der Absoluten Straftheorie wird die Rechtfertigung der Strafe aus dem Gebot der Gerechtigkeit abgeleitet, bei der Relativen Straftheorie aus der Aufgabe des Staates Straftaten zu verhindern (Prävention). Bei der Relativen Straftheorie wird dabei weiter zwischen der Generalprävention (Einwirkung auf die Allgemeinheit) und der Spezialprävention (Einwirkung auf den verurteilten Täter) unterschieden (Maier, S. 17 ff.). In Deutschland hat sich die Vereinigungstheorie durchgesetzt, welche sich um die Integration der drei Grundpositionen der absoluten und relativen Straftheorien bemüht (Maier, S. 33).

Literatur/Quellen

  • Eisenberg, Ulrich (1967): Strafe und Freiheitsentziehende Massnahme. Hamburg
  • Faucault, Michel (1976): Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main
  • Giring, Joachim Friedrich (2005): Haft und Festnahme gemäß § 127 b StPO im Spannungsfeld von Effektivität und Rechtsstaatlichkeit. Dissertation Saarbrücken, Universität
  • Haller, Klaus; Conzen, Klaus (2006): Das Strafverfahren: Eine systematische Darstellung mit Originalakte und Fallbeispielen. 4. Auflage. Heidelberg
  • Höflich, Peter; Schriever, Wolfgang; Bartmeier, André (2014): Grundriss Vollzugsrecht: Das Recht des Strafvollzugs, der Untersuchungshaft und des Jugendvollzugs. 4. Auflage. Berlin
  • Kaiser, Günther et al. (1993): Kleines Kriminologisches Wörterbuch. 3. Auflage. Heidelberg
  • Meier, Bernd-Dieter (2006): Strafrechtliche Sanktionen. 2. Auflage. Berlin Heidelberg
  • Reuss, Thomas Bernd (2002): Bedeutung und Umfang der Festnahmerechte von Staatsanwaltschaft und Polizei nach der Strafprozessordnung unter besonderer Berücksichtigung des § 127 StPO. Frankfurt am Main
  • Schwind, Hans-Dieter; Blau, Günter (1988): Strafvollzug in der Praxis: Eine Einführung in die Probleme und Realitäten des Strafvollzuges und der Entlassenenhilfe. 2. Auflage. Berlin
  • Schwind, Hans-Dieter; Böhm, Alexander; Jehle, Jörg-Martin (Hrsg.) (2005): Strafvollzugsgesetz, 4. Auflage. Berlin
  • Soiné, Michael (2013): Strafprozessordnung: Kommentar für Polizeibeamte im Ermittlungsdienst. 105. Auflage. Heidelberg

Weblinks