Gnade: Unterschied zwischen den Versionen

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Gnade kann unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Sie greift in die Gebiete des Rechts, der Theologie und der Philosophie. Dieser Artikel beleuchtet das Institut der Gnade im deutschen Strafrechtssystem.
Gnade kann unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Sie greift in die Gebiete des Rechts, der Theologie und der Philosophie. Dieser Artikel beleuchtet das Institut der Gnade im deutschen Strafrechtssystem.




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Die Gnade, wie sie historisch gewachsen ist, ist die menschliche und moralische Komponente des Rechts und umschließt die Milde, das Verzeihen, Vergeben und Vergessen. Im umfassenden Sinne bedeutet Begnadigung Gunstbezeugung oder Vorteilsgewährung durch einen Träger hoheitlicher Gewalt. Im Rechtssinne meint dies die Freistellung eines Einzelnen von den durch rechtskräftiges Urteil festgestellten [[Strafe|Strafen]] und Nebenfolgen.
Die Gnade, wie sie historisch gewachsen ist, ist die menschliche und moralische Komponente des Rechts und umschließt die Milde, das Verzeihen, Vergeben und Vergessen. Im umfassenden Sinne bedeutet Begnadigung Gunstbezeugung oder Vorteilsgewährung durch einen Träger hoheitlicher Gewalt. Im Rechtssinne meint dies die Freistellung eines Einzelnen von den durch rechtskräftiges Urteil festgestellten [[Strafe|Strafen]] und Nebenfolgen.


==Historische Entwicklung der Gnade==
==Historische Entwicklung der Gnade==
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In der '''ehemaligen DDR''' gab es ebenfalls das Institut der Gnade, welches seit der Staatsgründung 1949 zentralistisch ausgeübt wurde. Das Begnadigungsrecht oblag nach Art. 107 der [http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1949.html#101 Verfassung der DDR] vom 7. Oktober 1949 dem Präsidenten der Republik, wobei er von einem Ausschuss der Volkskammer beraten wurde.
In der '''ehemaligen DDR''' gab es ebenfalls das Institut der Gnade, welches seit der Staatsgründung 1949 zentralistisch ausgeübt wurde. Das Begnadigungsrecht oblag nach Art. 107 der [http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1949.html#101 Verfassung der DDR] vom 7. Oktober 1949 dem Präsidenten der Republik, wobei er von einem Ausschuss der Volkskammer beraten wurde.


==Heutiges Gnadenwesen==
==Heutiges Gnadenwesen==
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Kritiker dieser Delegation vertreten den Standpunkt, die ermächtigten Staatsanwälte seien voreingenommen und nehmen als Organ der Strafverfolgungsbehörde eine ausgesprochene Parteistellung ein. Dem wird entgegnet, dass dies eine Verkennung der Grundlagen des Strafprozessrechtes bedeutet. [http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__160.html§ 160 Abs. 2 StPO] bestimmt deutlich, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur die zur Belastung sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln hat.
Kritiker dieser Delegation vertreten den Standpunkt, die ermächtigten Staatsanwälte seien voreingenommen und nehmen als Organ der Strafverfolgungsbehörde eine ausgesprochene Parteistellung ein. Dem wird entgegnet, dass dies eine Verkennung der Grundlagen des Strafprozessrechtes bedeutet. [http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__160.html§ 160 Abs. 2 StPO] bestimmt deutlich, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur die zur Belastung sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln hat.


===Anwendungsbereich der Gnade im Strafrecht===  
===Anwendungsbereich der Gnade im Strafrecht===  
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Das Gnadenverfahren wird von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet. Antragsberechtigt ist jedermann. Ein Gnadenakt bedarf nach überwiegender Ansicht nicht der Zustimmung des Verurteilten. Die Zustimmungsbedürftigkeit entfällt, da der Verurteilte kein Recht und keinen Anspruch auf Gnade hat. Gnadensachen sind grundsätzlich vertraulich zu behandeln. Die Gnadenbehörde kann alle notwendigen Ermittlungen unverzüglich vorzunehmen, um die Angaben im Gesuch zu überprüfen und die gegenwärtigen  persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen. Es besteht kein Anspruch auf Akteneinsichtsrecht für den Verurteilten.
Das Gnadenverfahren wird von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet. Antragsberechtigt ist jedermann. Ein Gnadenakt bedarf nach überwiegender Ansicht nicht der Zustimmung des Verurteilten. Die Zustimmungsbedürftigkeit entfällt, da der Verurteilte kein Recht und keinen Anspruch auf Gnade hat. Gnadensachen sind grundsätzlich vertraulich zu behandeln. Die Gnadenbehörde kann alle notwendigen Ermittlungen unverzüglich vorzunehmen, um die Angaben im Gesuch zu überprüfen und die gegenwärtigen  persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen. Es besteht kein Anspruch auf Akteneinsichtsrecht für den Verurteilten.


===Gnadengründe und Gnadenwürdigkeit===
===Gnadengründe und Gnadenwürdigkeit===
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Bei Begnadigungen, die offensichtlich ein Fehlurteil korrigieren sollen, kann die Gnadenwürdigkeit naturgemäß keine Rolle spielen.
Bei Begnadigungen, die offensichtlich ein Fehlurteil korrigieren sollen, kann die Gnadenwürdigkeit naturgemäß keine Rolle spielen.


===Justitiabilität===
===Justitiabilität===
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[http://bundesrecht.juris.de/btmg_1981/index.html Betäubungsmittelgesetz]:
[http://bundesrecht.juris.de/btmg_1981/index.html Betäubungsmittelgesetz]:
*Zurückstellung einer Strafe bei Drogentherapie (§ 35 BtMG)
*Zurückstellung einer Strafe bei Drogentherapie (§ 35 BtMG)


==Gnade als kriminalpolitisches Instrument==
==Gnade als kriminalpolitisches Instrument==
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Die Instrumentalisierung der Gnade zu kriminalpolitischen Zwecken stellt  eine Möglichkeit zur Erprobung kriminalpolitischer Reaktionsformen dar. Eine langfristige Instrumentalisierung der Gnade ist jedoch kritisch zu betrachten. Bei der Weihnachtsgnade wird aus Anlass des Weihnachtsfestes in den meisten Bundesländern (außer Bayern und Sachsen) ein Sammelgnadenerweis gewährt, der über den Zeitraum von [http://bundesrecht.juris.de/stvollzg/__16.html § 16 Abs. 2 StVollzG] hinaus eine vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen ermöglicht. Vielfach wird diese Maßnahme als Weihnachtsamnestie bezeichnet, obwohl dies unzutreffend ist, da sie aufgrund von Anordnungen der Justizminister ergeht und nicht durch formelles Gesetz beschlossen wird.
Die Instrumentalisierung der Gnade zu kriminalpolitischen Zwecken stellt  eine Möglichkeit zur Erprobung kriminalpolitischer Reaktionsformen dar. Eine langfristige Instrumentalisierung der Gnade ist jedoch kritisch zu betrachten. Bei der Weihnachtsgnade wird aus Anlass des Weihnachtsfestes in den meisten Bundesländern (außer Bayern und Sachsen) ein Sammelgnadenerweis gewährt, der über den Zeitraum von [http://bundesrecht.juris.de/stvollzg/__16.html § 16 Abs. 2 StVollzG] hinaus eine vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen ermöglicht. Vielfach wird diese Maßnahme als Weihnachtsamnestie bezeichnet, obwohl dies unzutreffend ist, da sie aufgrund von Anordnungen der Justizminister ergeht und nicht durch formelles Gesetz beschlossen wird.


==Statistiken==
==Statistiken==
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Kritikwürdig ist die unterschiedliche Handhabung der Gnade in den einzelnen Bundesländern, die sich aus den amtlichen Statistiken ersehen lässt. Den Gnadengesuchen in den verschiedenen Bundesländern wird unterschiedlich häufig stattgegeben. In Berlin, dem einzigen Bundesland, in dem es eine Kommission für Gnadensachen gibt, werden die Reststrafenaussetzungen häufiger im Weg der Gnade als über Vorschriften der [http://bundesrecht.juris.de/stgb/__57.html §§ 57 ff StGB] gewährt. In Bayern und Thüringen hingegen ist die Möglichkeit im Wege der Gnade eine Reststrafenaussetzung zu erlangen, fast aussichtslos.
Kritikwürdig ist die unterschiedliche Handhabung der Gnade in den einzelnen Bundesländern, die sich aus den amtlichen Statistiken ersehen lässt. Den Gnadengesuchen in den verschiedenen Bundesländern wird unterschiedlich häufig stattgegeben. In Berlin, dem einzigen Bundesland, in dem es einen Ausschuss für Gnadensachen gibt, werden die Reststrafenaussetzungen häufiger im Weg der Gnade als über Vorschriften der [http://bundesrecht.juris.de/stgb/__57.html §§ 57 ff StGB] gewährt. In Bayern und Thüringen hingegen ist die Möglichkeit im Wege der Gnade eine Reststrafenaussetzung zu erlangen, fast aussichtslos.


==Quellen==
==Quellen==
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