Gnade: Unterschied zwischen den Versionen

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In der '''ehemaligen DDR''' gab es ebenfalls das Institut der Gnade, welches seit der Staatsgründung 1949 zentralistisch ausgeübt wurde. Das Begnadigungsrecht oblag nach Art. 107 der [http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1949.html#101 Verfassung der DDR] vom 7. Oktober 1949 dem Präsidenten der Republik, wobei er von einem Ausschuss der Volkskammer beraten wurde.
In der '''ehemaligen DDR''' gab es ebenfalls das Institut der Gnade, welches seit der Staatsgründung 1949 zentralistisch ausgeübt wurde. Das Begnadigungsrecht oblag nach Art. 107 der [http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1949.html#101 Verfassung der DDR] vom 7. Oktober 1949 dem Präsidenten der Republik, wobei er von einem Ausschuss der Volkskammer beraten wurde.


==Heutiges Gnadenrecht==
==Heutiges Gnadenwesen==
===Anwendungsbereich der Gnade im Strafrecht===  
===Kompetenzverteilung===
Wurde ein Straftäter rechtskräftig verurteilt, stehen ihm verschiedene Möglichkeiten zu, seine Strafe zu erleichtern. Das Institut der Gnade hat Ausnahmecharakter, so dass die rechtlichen Vorschriften grundsätzlich Vorrang vor einem Gnadenverfahren haben. Erst wenn die gesetzlichen Möglichkeiten zur Straferleichterung nicht greifen, ist Raum für eine Gnadenentscheidung.
Es ist zwischen der Kompetenz des Bundes und der Kompetenz der Länder zu differenzieren, wobei die Begnadigungskompetenzen nebeneinander stehen. Es kann deshalb keine Stelle des Bundes eine Gnadenentscheidung eines Landes prüfen oder ändern. Weder der Bundespräsident noch der Bundesjustizminister hat ein Weisungs- oder Prüfungsrecht gegenüber den Gnadenbehörden der Länder.
 
 
'''Begnadigung auf Bundesebene'''


Nach [http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_60.html Art. 60 Abs. 2 GG] übt der Bundespräsident die Begnadigungsbefugnis für den Bund aus, diese kann er auf andere Behörden übertragen. In seiner [http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gno/gesamt.pdf Anordnung über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 5. Oktober 1965] wird die Übertragung der Befugnisse näher geregelt. Die strafrechtliche Gnadenzuständigkeit des Bundes umfasst die Strafsachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung der Strafgerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist (§ 452 StPO). Vorraussetzung ist das eine in §§ 120, 74 a GVG abschließend aufgezählte Straftat abgeurteilt worden ist. Weiterhin steht dem Bund das Begnadigungsrecht in jenen Strafsachen zu, in denen der Bundesgerichtshof im ersten Rechtszug entschieden hat.


Die Vorschriften der Gnadenordnungen gelten für das Gnadenverfahren bei Rechtsfolgen, die wegen einer rechtswidrigen Tat durch Entscheidung eines Strafgerichts verhängt worden sind oder sich aus einer solcher Entscheidung ergeben. Damit können [[Strafe|Strafen]], Nebenstrafen, Nebenfolgen, [[Maßregeln der Besserung und Sicherung]], sonstige Maßnahmen des Strafrechts (z.B. Geldbußen), Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln sowie Ordnungsmittel Gegenstand eines Gnadenverfahrens sein.


'''Begnadigung auf Landesebene'''


Die Gnadenordnungen der einzelnen Bundesländer umschreiben das Gnadenverfahren und enthalten Richtlinien für den Bearbeiter. Über das Wesen der Gnade oder Begnadigungskriterien treffen sie keine Aussage. Lediglich die Reichsgnadenordnung von 1935, welche heute noch im Bund, in Hamburg, in Bremen und im Saarland gilt, beschreibt ein Kritierium für die Begnadigung hinsichtlich Sicherungsmaßnahmen. Genannt wird das Fehlurteil und der nachträgliche Wegfall des Sicherungsbedürfnisses.
Dem [http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__452.html § 452 Satz 2 StPO] zufolge stehen alle Strafsachen, die nicht im ersten Rechtszug in die Gerichtsbarkeit des Bundes fallen, den Ländern zu. In den Verfassungen der Länder wird das Begnadigungsrecht meist den Ministerpräsidenten zugesprochen, im Saarland der Landesregierung und in Berlin, Bremen und Hamburg dem Senat.Die Länder haben ihre Gnadenbefugnis größtenteils auf die Justizminister delegiert, welche wiederum durch Verwaltungsvorschriften nachfolgende Justizorgane wie den Generalstaatsanwalt und die Leitenden Oberstaatsanwälte ermächtigt haben.  


Kritiker dieser Delegation vertreten den Standpunkt, die ermächtigten Staatsanwälte seien voreingenommen und nehmen als Organ der Strafverfolgungsbehörde eine ausgesprochene Parteistellung ein. Dem wird entgegnet, dass dies eine Verkennung der Grundlagen des Strafprozessrechtes bedeutet. [http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__160.html§ 160 Abs. 2 StPO] bestimmt deutlich, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur die zur Belastung sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln hat.


Abzugrenzen ist die Gnade von der '''Amnestie'''. Während die Gnade eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung darstellt, gilt die Amnestie, die durch formelles Gesetz erlassen wird, für ein unbestimmte Vielzahl von Personen.




'''Abolition''' ist die Niederschlagung eines anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahrens für den Einzelfall; heute besser bekannt unter der Begrifflichkeit des Absehens von Strafe, die nur noch in ihrer verrechtlichten Ausprägung ([http://bundesrecht.juris.de/stpo/__153.html §§ 153 ff. StPO]) Anwendung findet.
===Anwendungsbereich der Gnade im Strafrecht===
Das Institut der Gnade hat Ausnahmecharakter, so dass die rechtlichen Vorschriften grundsätzlich Vorrang vor einem Gnadenverfahren haben. Erst wenn die gesetzlichen Möglichkeiten zur Straferleichterung nicht greifen, ist Raum für eine Gnadenentscheidung.




===Kompetenzverteilung===
Abzugrenzen ist die Gnade von der '''Amnestie'''. Während die Gnade eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung darstellt, gilt die Amnestie, die durch formelles Gesetz erlassen wird, für ein unbestimmte Vielzahl von Personen. '''Abolition''' ist die Niederschlagung eines anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahrens für den Einzelfall; heute besser bekannt unter der Begrifflichkeit des Absehens von Strafe, die nur noch in ihrer verrechtlichten Ausprägung ([http://bundesrecht.juris.de/stpo/__153.html §§ 153 ff. StPO]) Anwendung findet.
Es ist zwischen der Kompetenz des Bundes und der Kompetenz der Länder zu differenzieren, wobei die Begnadigungskompetenzen nebeneinander stehen. Es kann deshalb keine Stelle des Bundes eine Gnadenentscheidung eines Landes prüfen oder ändern. Weder der Bundespräsident noch der Bundesjustizminister hat ein Weisungs- oder Prüfungsrecht gegenüber den Gnadenbehörden der Länder.




'''Begnadigung auf Bundesebene'''
Die Vorschriften der Gnadenordnungen gelten für das Gnadenverfahren bei Rechtsfolgen, die wegen einer rechtswidrigen Tat durch Entscheidung eines Strafgerichts verhängt worden sind oder sich aus einer solcher Entscheidung ergeben. Damit können [[Strafe|Strafen]], Nebenstrafen, Nebenfolgen, [[Maßregeln der Besserung und Sicherung]], sonstige Maßnahmen des Strafrechts (z.B. Geldbußen), Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln sowie Ordnungsmittel Gegenstand eines Gnadenverfahrens sein.


Nach [http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_60.html Art. 60 Abs. 2 GG] übt der Bundespräsident die Begnadigungsbefugnis für den Bund aus, diese kann er auf andere Behörden übertragen. In seiner [http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gno/gesamt.pdf Anordnung über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 5. Oktober 1965] wird die Übertragung der Befugnisse näher geregelt. Die strafrechtliche Gnadenzuständigkeit des Bundes umfasst die Strafsachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung der Strafgerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist (§ 452 StPO). Vorraussetzung ist das eine in §§ 120, 74 a GVG abschließend aufgezählte Straftat abgeurteilt worden ist. Weiterhin steht dem Bund das Begnadigungsrecht in jenen Strafsachen zu, in denen der Bundesgerichtshof im ersten Rechtszug entschieden hat.


Die Gnadenordnungen der einzelnen Bundesländer umschreiben das Gnadenverfahren und enthalten Richtlinien für den Bearbeiter. Über das Wesen der Gnade oder Begnadigungskriterien treffen sie keine Aussage. Lediglich die Reichsgnadenordnung von 1935, welche heute noch im Bund, in Hamburg, in Bremen und im Saarland gilt, bietet Richtlinien für die Motivation einer Gnadenentscheidung, insbesondere für eine Strafaussetzung zur Bewährung (§ 21 Reichsgnadenordung).


'''Begnadigung auf Landesebene'''


Dem [http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__452.html § 452 Satz 2 StPO] zufolge stehen alle Strafsachen, die nicht im ersten Rechtszug in die Gerichtsbarkeit des Bundes fallen, den Ländern zu. In den Verfassungen der Länder wird das Begnadigungsrecht meist den Ministerpräsidenten zugesprochen, im Saarland der Landesregierung und in Berlin, Bremen und Hamburg dem Senat.Die Länder haben ihre Gnadenbefugnis größtenteils auf die Justizminister delegiert, welche wiederum durch Verwaltungsvorschriften nachfolgende Justizorgane wie den Generalstaatsanwalt und die Leitenden Oberstaatsanwälte ermächtigt haben.


Kritiker dieser Delegation vertreten den Standpunkt, die ermächtigten Staatsanwälte seien voreingenommen und nehmen als Organ der Strafverfolgungsbehörde eine ausgesprochene Parteistellung ein. Dem wird entgegnet, dass dies eine Verkennung der Grundlagen des Strafprozessrechtes bedeutet. [http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__160.html§ 160 Abs. 2 StPO] bestimmt deutlich, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur die zur Belastung sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln hat.


===Gnadenverfahren===
===Gnadenverfahren===
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Andere dagegen sehen in der Gnade einen Akt der regelgeleiteten, grundsätzlich normierbaren Rechtsanwendung. Die Gnadenordnungen enthielten bereits ausreichend Gründe für Gnadenerweise, so dass die gesetzlichen Vorschriften quasi gleichkämen.
Andere dagegen sehen in der Gnade einen Akt der regelgeleiteten, grundsätzlich normierbaren Rechtsanwendung. Die Gnadenordnungen enthielten bereits ausreichend Gründe für Gnadenerweise, so dass die gesetzlichen Vorschriften quasi gleichkämen.


Gesichtspunkte die einen Gnadenerweis begründen können, finden sich beispielsweise in der Gnadenordnung des Landes Niedersachsen:
'''§ 14 Nds. GnO'''
„wenn Gründe des Rechts eine Änderung oder Milderung der Entscheidungsfolgen gebieten oder erhebliche Gnadengründe vorliegen, denen gegenüber die Schuld des Täters sowie die Verteidigung der Rechtsordnung, die Wiederherstellung des Rechtsfriedens, die Wirkung der Bestrafung auf Dritte und andere Strafzwecke im Einzelfall zurücktreten; solche Gründe können sich insbesondere ergeben aus der Eigenart und den besonderen Anlagen des Verurteilten, seinem Vorleben, den Umständen seiner Tat, seinem Verhalten vor oder nach der Tat sowie im Strafvollzug und während anderer unmittelbar vorausgegangener Freiheitsentziehungen, seinen Lebensverhältnissen und schließlich aus den von dem Gnadenerweis zu erwartenden Wirkungen auf den Verurteilten.“


 
Einige Gnadenordnungen  stellen auf Umstände ab, die zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannt waren oder erst danach eingetreten sind. Andererseits muss die Rechtsfolge der gerichtlichen Entscheidung eine besondere persönliche Härte darstellen, die die von der Rechtsfolge ausgehende Wirkung erheblich übersteigt.
Einige Gnadenordnungen  stellen darüber auf Umstände ab, die zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannt waren oder erst danach eingetreten sind. Andererseits muss die Rechtsfolge der gerichtlichen Entscheidung eine besondere persönliche Härte darstellen, die die von der Rechtsfolge ausgehende Wirkung erheblich übersteigt.




Gnadengründe hat auch das '''Bundesverfassungsgericht''' in seinem Urteil vom 23. April 1969 genannt, indem es anführte, dass das Gnadenrecht die Funktion habe, „Härten des Gesetzes, etwaige Irrtümer der Urteilsfindung sowie Unbilligkeiten, bei nachträglich veränderten allgemeinen oder persönlichen Verhältnissen auszugleichen“.
Gnadengründe hat auch das '''Bundesverfassungsgericht''' in seinem Urteil vom 23. April 1969 genannt, indem es anführte, dass das Gnadenrecht die Funktion habe, „Härten des Gesetzes, etwaige Irrtümer der Urteilsfindung sowie Unbilligkeiten, bei nachträglich veränderten allgemeinen oder persönlichen Verhältnissen auszugleichen“.


Darüber hinaus werden in der Literatur '''übergeordnete Gnadengründe''' diskutiert, wie auch bei der Weihnachtsgnade. Die kollektiven Weihnachtsgnadenerweise erfolgen lediglich aus kalendarischen Gründen, auf Grund des bevorstehenden Weihnachtsfestes und aus organisatorischen Gründen der Strafvollzugsverwaltung.




'''Veraltete Gnadenmotivationen''' die früher zur Begründung von Gnadenerweisen herangezogen wurden sind staats- und parteipolitische Gründe. Solche Gnadenmotive werden heute nicht mehr als zulässig erachtet, weil sie unabhängig von der Gnadenwürdigkeit des Betroffen ergehen.
'''Veraltete Gnadenmotivationen''' die früher zur Begründung von Gnadenerweisen herangezogen wurden, sind staats- und parteipolitische Gründe. Solche Gnadenmotive werden heute nicht mehr als zulässig erachtet, weil sie unabhängig von der Gnadenwürdigkeit des Betroffen ergehen.


Gnade ist kein taugliches Mittel, um etwa einen fremden Spion gegen einen eigenen austauschen zu können oder durch ein Entgegenkommen gegenüber Angehörigen eines fremden Staates außenpolitisch unerwünschte Kollisionen zu vermeiden. Früher wurde die Gnade auch als Akt der Großmut verstanden, mit der der Herrscher sein Wohlwollen, seine Gunst oder sein Mitleid zum Ausdruck brachte. Das lag daran, dass das Gnadenrecht der umfassenden oft religiös begründeten Herrscherlegitimation entsprang. Auch die Barmherzigkeit, Vergebung und Liebe stellen im Rechtsstaat keine Gnadengründe mehr dar.
Früher wurde die Gnade auch als Akt der Großmut verstanden, mit der der Herrscher sein Wohlwollen, seine Gunst oder sein Mitleid zum Ausdruck brachte. Das lag daran, dass das Gnadenrecht der umfassenden oft religiös begründeten Herrscherlegitimation entsprang. Auch die Barmherzigkeit, Vergebung und Liebe stellen im Rechtsstaat keine Gnadengründe mehr dar.




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