Gewaltfreie Kommunikation: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Nonviolent Communication® (NVC)''', zu Deutsch Gewaltfreie Kommunikation (GfK), ist ein '''Kommunikationsmodell''', das vom US-amerikanischen Psychologen und Rogers-Schüler  [[Marshall Rosenberg]] entwickelt wurde. Mittlerweile ist Gewaltfreie Kommunikation weltweit eine der meistgenutzten '''Methoden zur Konfliktbearbeitung'''.
Als '''Gewaltfreie Kommunikation (GfK)''' - "Nonviolent Communication® (NVC)" - wird ein von dem US-amerikanischen Psychologen [[Marshall Rosenberg]] entwickeltes Kommunikationsmodell bezeichnet, das auch zur Konfliktlösung beim Umgang mit Delinquenz Verwendung findet ([[Restorative Justice]]). Die GfK soll Menschen in die Lage versetzen, Konflikte erfolgreich zu bearbeiten, d.h. auf eine für alle Beteiligten akzeptable Art.
Das Konzept soll Menschen in die Lage versetzen, Konflikte auf ihren Kern, die Ebene der Bedürfnisse, zurückzuführen und sie somit in einer für alle Beteiligten akzeptablen Art zu lösen. NVC versteht sich nicht als Technik, andere Menschen zu einem bestimmten Handeln zu bewegen, sondern als Grundhaltung, bei der eine wertschätzende Beziehung im Vordergrund steht, wobei die Selbstverantwortung jedes Einzelnen betont wird. Synonyme sind Einfühlsame Kommunikation, Verbindende Kommunikation und Konstruktive Kommunikation.
== Geschichte und Verbreitung ==


Dafür versucht die GfK, die Konflikte zunächst einmal auf ihren jeweiligen Kern zurückzuführen. Dieser Kern liegt nach Rosenberg auf der Ebene der Bedürfnisse.


== Theoretischer Hintergrund ==
Dabei versteht sich GfK als wertschätzende, die Selbstverantwortung jedes Einzelnen betonende Grundhaltung - und weniger als eine Technik, um andere Menschen zu einem vom Akteur gewünschten Verhalten zu bewegen.
Die NVC steht in der Tradition der von  *[http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Rogers Carl Rogers] entwickelten *[http://de.wikipedia.org/wiki/Klientenzentrierte_Psychotherapie klienten-zentrierten Gesprächstherapie], in der das aktive Zuhören eine zentrale Rolle spielt.  *[http://de.wikipedia.org/wiki/Mohandas_Karamchand_Gandhi M. K. Gandhis]  Konzept der Gewaltfreiheit beeinflußte Rosenbergs Arbeit ebenfalls stark.  Da Marshall B. Rosenberg eng mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA der 1960er Jahre verbunden war, hatten auch andere in dieser Zeit entstehende Kommunikationskonzepte wie Mediation und Win-Win-Strategien Einfluss auf die NVC.


== Erläuterung des Konzepts von Rosenberg ==
Rosenbergs Konzept der Gewaltfreien Kommunikation - gelegentlich wird auch von "einfühlsamer", "verbindender" oder "konstruktiver" Kommunikation gesprochen - steht in der Tradition der von  [http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Rogers Carl Rogers] entwickelten [http://de.wikipedia.org/wiki/Klientenzentrierte_Psychotherapie klienten-zentrierten Gesprächstherapie] und wurde darüber hinaus auch von [http://de.wikipedia.org/wiki/Mohandas_Karamchand_Gandhi M. K. Gandhis]  hinduistischem Konzept der Gewaltfreiheit [http://de.wikipedia.org/wiki/Ahimsa Ahimsa] beeinflusst.
 
Aufgrund der engen Kooperation Rosenbergs mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA der 1960er Jahren gab es auch Einflüsse anderer Kommunikationskonzepte seiner Zeit ([[Mediation]], Win-Win-Strategien).
 
Die Webseite [http://www.gewaltfrei-kommunizieren.de/idee.htm gewaltfrei-kommunizieren.de] erläutert die Grundidee folgendermaßen:
 
:"Die GFK gründet sich auf sprachliche und kommunikative Fähigkeiten, die unsere Möglichkeiten erweitern, selbst unter herausfordernden Umständen menschlich zu bleiben. Sie regt an, uns ehrlich und klar auszudrücken, dabei gleichzeitig anderen Menschen unsere respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn Mitmenschen oder auch wir selbst etwas tun, dann bewerten wir das leicht in irgendeiner Form als mehr oder weniger "gut" bzw. "schlecht". Das haben wir gelernt, weil diese Art des Umgangs in unserer Gesellschaft üblich ist und wir sie daher seit unserer Kindheit erlebt und integriert haben. Wir haben gelernt zu sehen: "Was bin ich" und "Was sind die anderen". Wir finden dann Adjektive wie: intelligent, zuvorkommend, brillant  -  normale Menschen eben - oder schlecht, krank, dumm, unangemessen, unsensibel, unverantwortlich, faul ... Durch dieses Denken verlieren wir zu uns selbst und/oder zu unseren Mitmenschen den Kontakt und erregen Widerstand und Ablehnung.
 
:Stattdessen rät uns die GfK, uns auf folgendes zu konzentrieren:
*"Wie geht es dir (uns)" und
*"Wie geht es mir"
*"Was will ich tun, um dein Leben zu bereichern" und "Was willst du tun, um mein Leben zu bereichern", bzw.
*"Was wir tun wollen, um das Leben bereichern" und "Was andere tun wollen, das Leben zu bereichern".
 
:Das ist die einfache Idee. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf diese vier Bereiche gerichtet halten, genießen wir das Leben mehr, lieben wir die Menschen viel mehr und sie mögen uns viel lieber. Im Endeffekt bereichern wir unser Leben gegenseitig und die Spiele von Konkurrenz, Dominanz, Ausbeutung und Unterwerfung hören auf. Die GFK gründet sich auf sprachliche und kommunikative Fähigkeiten, die unsere Möglichkeiten erweitern, selbst unter herausfordernden Umständen menschlich zu bleiben. Sie regt an, uns ehrlich und klar auszudrücken, dabei gleichzeitig anderen Menschen unsere respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit zu schenken."
== Konzept ==
In der NVC wird grundsätzlich angenommen, dass es sich bei jedem menschlichen Verhalten um einen Versuch handelt, ein Bedürfnis zu erfüllen. Weiterhin wird postuliert, dass alle Menschen die gleichen Bedürfnisse (allerdings in unterschiedlich starker Ausprägung) haben und nach deren Erfüllung streben. Da jedes Bedürfnis als Ausdruck des Lebens angesehen wird, sind sie nicht bewertbar, es gibt also keine „schlechten“ oder „negativen“ Bedürfnisse. Rosenberg nennt Gewalt einen tragischen Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse.  
In der NVC wird grundsätzlich angenommen, dass es sich bei jedem menschlichen Verhalten um einen Versuch handelt, ein Bedürfnis zu erfüllen. Weiterhin wird postuliert, dass alle Menschen die gleichen Bedürfnisse (allerdings in unterschiedlich starker Ausprägung) haben und nach deren Erfüllung streben. Da jedes Bedürfnis als Ausdruck des Lebens angesehen wird, sind sie nicht bewertbar, es gibt also keine „schlechten“ oder „negativen“ Bedürfnisse. Rosenberg nennt Gewalt einen tragischen Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse.  


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Gegenwärtig gibt es beispielsweise in den USA, im Staat Washington, das sog. *[http://www.cnvc.org/de/about-us/projects/cnvc-freedom-project-prisons/cnvc-freedom-project-prisons Freedom Projekt], das einerseits Trainings in NCV für Gefangene anbietet. Außerdem lernen Inhaftierte, deren Entlassung bevorsteht NVC. Gleichzeitig werden Angehörige und Kommunen, die die Gefangenen nach der Entlassung aufnehmen sollen, ebenfalls in dieser Kommunikationsweise trainiert. Die Rückkehr des Gefangenen in Familie und Kommune wird ebenfalls im Rahmen des Projektes begleitet.  
Gegenwärtig gibt es beispielsweise in den USA, im Staat Washington, das sog. *[http://www.cnvc.org/de/about-us/projects/cnvc-freedom-project-prisons/cnvc-freedom-project-prisons Freedom Projekt], das einerseits Trainings in NCV für Gefangene anbietet. Außerdem lernen Inhaftierte, deren Entlassung bevorsteht NVC. Gleichzeitig werden Angehörige und Kommunen, die die Gefangenen nach der Entlassung aufnehmen sollen, ebenfalls in dieser Kommunikationsweise trainiert. Die Rückkehr des Gefangenen in Familie und Kommune wird ebenfalls im Rahmen des Projektes begleitet.  


Des weiteren arbeitet das CNVC im Rahmen des *[http://www.cnvc.org/de/about-us/projects/-restorative-justice-project/cnvc-restorative-justice-project Restorativ Justice Projektes] weltweit mit Initiativen auf diesem Gebiet zusammen. Ziel ist es, die NVC für die Restorativ Justice bestmöglich nutzbar zu machen. Innerhalb der letzten zwei Jahre wurden Projekte in 15 Ländern unterstützt, aktuell sind es Brasilien, Kanada die USA und England.
Des weiteren arbeitet das CNVC im Rahmen des *[http://www.cnvc.org/de/about-us/projects/-restorative-justice-project/cnvc-restorative-justice-project Restorative Justice Projektes] weltweit mit Initiativen auf diesem Gebiet zusammen. Ziel ist es, die NVC für die Restorativ Justice bestmöglich nutzbar zu machen. Innerhalb der letzten zwei Jahre wurden Projekte in 15 Ländern unterstützt, aktuell sind es Brasilien, Kanada die USA und England. (1)
 
== Kritik ==
 
<u>'''''Kritik an der theoretischen Konzeption der NVC'''''</u>
 
*'''gegenseitiges Aushandeln'''
Die Durchsetzung eigener Interessen ist mit Hilfe der NVC insofern nicht garantiert, als dass sich der Kommunikationspartner gegen die Ziele des Initiators entscheiden kann.
 
*'''bewertungsfreie Empathie'''
Es gibt Befürchtungen, dass der Anspruch wertungsfreier Einfühlung zum Unterdrücken von Emotionen führe.
 
*'''Grundannahmen'''
Grundsätzlich besteht die Frage, ob sich Konflikte tatsächlich  auflösen, wenn die
Ebene der dahinter liegenden Gefühle und Bedürfnisse erreicht ist.
Darüber hinaus wird kritisiert, dass der Bedürfnisbegriff im Rahmen der GFK normativ
verwendet wird, in dem Sinne, dass zwischen echten Bedürfnissen und solchen,
hinter denen andere stehen, unterschieden wird und dass  destruktive
Persönlichkeitsanteile ausgeblendet werden.
 
<u>'''''Kritik an der praktischen Anwendbarkeit der NVC'''''</u>
 
*'''Einsetzbarkeit der NVC in betriebswirtschaftlichen und politischen Kontexten'''
Es wird argumentiert, dass insbesondere in betriebswirtschaftlichen und
elementaren politischen Kontexten, bei denen es um das gemeinsame
(wirtschaftliche) Überleben oder die Verteidigung vor Angriffen von außen geht, die
NVC nicht sinnvoll einsetzbar ist, sofern schnelle Entscheidungen und die
Demonstration von Eintracht erreicht werden sollen.
 
*'''Formelhaftigkeit'''
Die NVC, insbesondere die formelhaften Sprachbeispiele, wird als steif,
unspontan und leblos kritisiert. Darüber hinaus kann die Art der Kommunikation als
manipulativ und als moralische Erpressung empfunden werden, auch wenn dies
von GFK nicht beabsichtigt ist.
 
<u>'''''Vernachlässigung bestimmter Elemente'''''</u>
 
*'''Lösungsfocussierung'''
Da es sich bei der NVC um einen prozeßorientierten Ansatz handelt, bei dem es nicht um direkte Erfüllung, sondern um Benennung und Wahrnehmen von Bedürfnissen geht, wird befürchtet, dass nicht ausreichend lösungsorientiert vorgegangen wird.
 
*'''Kommunikationsprozess'''
Es bestehen Bedenken, dass situativer Kontext, Machtverhältnisse, unausgesprochene
Werteordnungen und Ressourcen der Beteiligen evtl. nicht angemessen einbezogen werden.
Hierbei wird befürchtet, dass die NVC kompensativ wirke, indem sie gesunde
Dominanzbestrebungen, Wettbewerb um die erfolgreichere
Gesamtstrategie sowie Ressourcenorientierung und -Wertung ausblendet.
 
*'''Machtbegriff'''
Kritiker argumentieren, dass die NVC den Machtbegriff nicht einbeziehe, sondern von
einer Gleichwertigkeit der Positionen ausgehe, die im realen Leben so nicht
gegeben sei.
 
*'''Ausklammerung jeden Drucks'''
Die NVC vertritt die These, dass Druck in keiner sozialen Situation zum effektiven
Arbeiten oder harmonischen Zusammenleben beiträgt. Kritiker sehen darin die
Forderung nach einer Aufgabe etablierter autoritärer Institutionen, die
gesellschaftliche Sicherheit oder den innerbetrieblichen reibungslosen Ablauf
garantieren. Der Sie argumentieren, dass der Entzug von Ressourcen, die Darstellung  finanzieller, bzw. sozialer Konsequenzen oder die Androhung von exekutiver Gewalt
durchaus geeignet sein könne, im weitesten Sinne gewaltbereite
Gesprächspartner dazu zu bewegen, sich in Zukunft ethisch zu verhalten.
 


== Literatur ==
== Literatur ==
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*Ingrid Holler und Vera Heim: Konflikt-Kiste. Konflikte erfolgreich lösen mit der Gewaltfreien Kommunikation. 1. Auflage. Junfermann, Paderborn 2005, ISBN 978-3-87387-597-5
*Ingrid Holler und Vera Heim: Konflikt-Kiste. Konflikte erfolgreich lösen mit der Gewaltfreien Kommunikation. 1. Auflage. Junfermann, Paderborn 2005, ISBN 978-3-87387-597-5


*Wayland Myers: Die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation. 1. Auflage. Junfermann, Paderborn 2006, ISBN 978-3-87387-621-7
*Karoline I. Bitschnau: Gewaltfreie Kommunikation als relationale und soziale Kompetenz. Empirische Studie zur Qualität zwischenmenschlicher Verständigung, Diss. Uni Innsbruck 2007


*Julia Döring: Gewalt und Kommunikation. Essener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung. Band 29. Shaker, Aachen 2009, ISBN 978-3-8322-8661-3


== Weblinks ==
== Weblinks ==
*[http://www.auditorium-netzwerk.de/AutorInnen/P-Q-R/Rosenberg-Marshall/Rosenberg-Marshall-Einfuehrung-in-die-Gewaltfreie-Kommunikation::1167.html Rosenberg, Marshall: Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation, DVD 19,95 €]
* [http://www.cnvc.org/ Center for Nonviolent Communication] (englisch)
* [http://www.cnvc.org/ Center for Nonviolent Communication] (englisch)
*[http://www.tollebeziehung.de/kommunikation/ tollebeziehung.de]
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