Die Gesinnungsethik beurteilt den Wert einer Handlung nach der Qualität der ihr zugrunde liegenden sittlichen Grundhaltung. Gegensatz ist die Verantwortungsethik, die in erster Linie auf die mutmaßlichen Folgen der Handlung achtet. Ein Gesinnungsethiker würde zum Beispiel auch dann nicht lügen (sittliche Grundhaltung), wenn er damit Schaden von denjenigen abwenden könnte, für die er verantwortlich ist (Folgenorientierung).

  • Der italienische Philosoph und Dichter Niccolò Machiavelli, der allgemein als der Begründer der neuzeitlichen Politikwissenschaft gilt, ordnet beim Politiker die persönliche Gesinnung unter die politische Verantwortung.
  • Der Philosoph Friedrich Nietzsche beschreibt in seiner Genealogie der Moral den Typus der Sklavenmoral, der weitgehend mit der Gesinnungsethik übereinstimmt.
  • Der Soziologe Max Weber analysiert in seinem Redemanuskript Politik als Beruf die Gesinnungsethik. Er hält sie für wichtig, sieht jedoch beim handelnden Politiker eine Dominanz der Verantwortungsethik für erforderlich. Zitat:

Man mag einem überzeugten gesinnungsethischen Syndikalisten noch so überzeugend darlegen, daß die Folgen seines Tuns die Steigerung der Chancen der Reaktion, gesteigerte Bedrückung seiner Klasse, Hemmung ihres Aufstiegs sein werden, - und es wird auf ihn gar keinen Eindruck machen. [...] "Verantwortlich" fühlt sich der Gesinnungsethiker nur dafür, dass die Flamme der reinen Gesinnung, die Flamme z. B. des Protestes gegen die Ungerechtigkeit der sozialen Ordnung, nicht erlischt. Sie stets neu anzufachen, ist der Zweck seiner, vom möglichen Erfolg her beurteilt, ganz irrationalen Taten, die nur exemplarischen Wert haben können und sollen.

  • Für den indischen Pazifisten Mahatma Gandhi stellt die Motivation, aus der heraus eine Handlung geschieht, das entscheidende Kriterium bei deren Beurteilung dar.


Literatur

  • Achterberg, Nicola (2001) Das Spannungsfeld von Verantwortungs- und Gesinnungsethik im Verhältnis zum politischen Bewußtsein Jacob Grimms. Zugleich: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 2001. Frankfurt am Main; Berlin; Bern; Bruxelles; New York; Oxford; Wien: Lang.
  • Hubmann, Gerald (1997) Ethische Überzeugung und politisches Handeln. Jakob Friedrich Fries und die deutsche Tradition der Gesinnungsethik. Zugleich: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1996. Heidelberg: Winter.
  • Köhl, Harald (1990) Kants Gesinnungsethik. Zugleich: Berlin, Freie Univ., Diss., 1986. Berlin; New York: de Gruyter.
  • Macchiavelli, Niccolò (1996) Der Fürst = Il principe . Nach der Übersetzung von Gottlob Regis bearb., eingeleitet und mit Anmerkungen vers. von Klaus Bock. Essen: Phaidon.
  • Shen-chon Lai (1998) Gesinnung und Normenbegründung. Kants Gesinnungsethik in der modernen Diskussion. Zugleich: Münster, Univ., Diss., 1998. Neuried: Ars Una.
  • Weber, Max (1919/1999) Politik als Beruf. Mit einem Vorwort von Robert Leicht. Frankfurt am Main: Büchergilde Gutenberg.