Gemeinschaftsfremdengesetz: Unterschied zwischen den Versionen

 
(16 dazwischenliegende Versionen von einem anderen Benutzer werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
== '''Begriffsbestimmung''' ==
Das „Gesetz über die Behandlung Gemeinschaftsfremder“, bekannt auch als  '''Gemeinschaftsfremdengesetz''', wurde durch die nationalsozialistische Führung in der Zeit des zweiten Weltkriegs initiiert. Mit der Planung und Ausfertigung waren führende Kriminologen und Strafrechtssexperten der Nazis beauftragt. Durch das Gesetzes sollten rechtliche Grundlagen gegen „gemeinschaftsfremde“ Personen geschaffen werden. Es sollte am 30. Januar 1945 in Kraft treten, dies wurde jedoch durch die Kriegsentwicklungen verhindert. Offiziel wurde das Gesetz demnach nie verabschiedet. Es wurden lediglich fertige Gesetzesentwürfe erstellt, die nichtsdestoweniger zu praktischer Anwendung fanden.  
 
 
Das „Gesetz über die Behandlung Gemeinschaftsfremder“, bekannt auch als  „Gemeinschaftsfremdengesetz“, wurde durch die nationalsozialistische Führung in der Zeit des zweiten Weltkriegs initiiert. Mit der Planung und Ausfertigung waren führende Kriminologen und Strafrechtssexperten der Nazis beauftragt. Durch das Gesetzes sollten rechtliche Grundlagen gegen „gemeinschaftsfremde“ Personen geschaffen werden. Es sollte am 30. Januar 1945 in Kraft treten, dies wurde jedoch durch die Kriegsentwicklungen verhindert. Offiziel wurde das Gesetz demnach nie verabschiedet. Es wurden lediglich fertige Gesetzesentwürfe erstellt, die nichtsdestoweniger zu praktischer Anwendung fanden.  


Das Gesetz hielt einen großen Spielraum für subjektive Auslegungen offen. Die Definition des „Gemeinschaftsfremden“ war relativ weit auszulegen. Innerhalb der nationalsozialistischen Führung unterlag der Begriff den verschiedensten Interpretationen, so dass sich das Gesetz als „Gummiparagraph“ bezeichnen lässt (Giordano, 1989).  
Das Gesetz hielt einen großen Spielraum für subjektive Auslegungen offen. Die Definition des „Gemeinschaftsfremden“ war relativ weit auszulegen. Innerhalb der nationalsozialistischen Führung unterlag der Begriff den verschiedensten Interpretationen, so dass sich das Gesetz als „Gummiparagraph“ bezeichnen lässt (Giordano, 1989).  


 
== Wortlaut ==
Nach Artikel I des Gesetzes galt als „gemeinschaftsfremd“,
Nach Artikel I des Gesetzes galt als „gemeinschaftsfremd“,


Zeile 45: Zeile 42:


:Menschen, die nach ihrer Persönlichkeit und Lebensführung erkennen lassen, dass ihre Sinnesart auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist.
:Menschen, die nach ihrer Persönlichkeit und Lebensführung erkennen lassen, dass ihre Sinnesart auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist.


== '''Entstehungshistorie''' ==
== '''Entstehungshistorie''' ==
Zeile 60: Zeile 56:
=== Anfänge der Gesetzesentstehung ===  
=== Anfänge der Gesetzesentstehung ===  


In seinem Amt als SS-Obergruppenführer, General der Polizei und Leiter des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) beauftragte Reinhard Heydrich im Jahre 1940 die Ausarbeitung eines „Gemeinschaftsfremdengesetzes“. Über die Benennung des Gesetzes entstanden über Jahre hinweg Unstimmigkeiten. Erst 1944 einigten sich die beteiligten Instanzen unter Anleitung Heinrich Himmlers auf den Wortlaut „Gesetz zur Behandlung Gemeinschaftsfremder“ (Benz, Graml & Weiß, 2001). Zur Einführung des Gesetzes sollte eine einwöchige Präsentation erfolgen, in der unter anderem ein Vortrag des Münchner Reichsprofessors [[Edmund Mezger]] zu der Thematik „Gemeinschaftsfremdengesetz im Lichte der Kriminalbiologie“ angedacht war. Den ersten Überlegungen zum Gesetzesinhalt standen noch Gegensätze im Zusammenhang mit den damit verbundenen Anpassungsänderungen im „Reichsstrafgesetzbuch“ (RStGB) entgegen. Auch tauchten immer wieder Unklarheiten bezüglich der verschiedenen Kompetenzen einzelner Instanzen auf. Diese Korrespondenzen verzögerten das Vorhaben der Gesetzesverabschiedung derart, dass es bis zum Kriegsende nicht mehr offiziell eingeführt werden konnte.
In seinem Amt als SS-Obergruppenführer, General der Polizei und Leiter des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) beauftragte Reinhard Heydrich im Jahre 1940 die Ausarbeitung eines „Gemeinschaftsfremdengesetzes“. Über die Benennung der Vorschrift entstanden über Jahre hinweg Unstimmigkeiten. Erst 1944 einigten sich die beteiligten Instanzen unter Anleitung Heinrich Himmlers auf den Wortlaut „Gesetz zur Behandlung Gemeinschaftsfremder“ (Benz, Graml & Weiß, 2001). Zur Einführung des Gesetzes sollte eine einwöchige Präsentationsveranstaltung erfolgen, in der unter anderem ein Vortrag des Münchner Reichsprofessors [[Edmund Mezger]] zu der Thematik „Gemeinschaftsfremdengesetz im Lichte der Kriminalbiologie“ angedacht war. Den ersten Überlegungen zum Gesetzesinhalt standen noch Gegensätze im Zusammenhang mit den damit verbundenen Anpassungsänderungen im „Reichsstrafgesetzbuch“ (RStGB) entgegen. Auch tauchten immer wieder Unklarheiten bezüglich der verschiedenen Kompetenzen einzelner Instanzen auf. Diese Korrespondenzen verzögerten das Vorhaben der Gesetzesverabschiedung derart, dass es bis zum Kriegsende nicht mehr offiziell eingeführt werden konnte.




Zeile 68: Zeile 64:
=== Der „Rassenhygienische Diskurs“ ===
=== Der „Rassenhygienische Diskurs“ ===


Die Diskussionen über „ethnische Säuberungen“ bestimmten im Verlaufe der NS-Herrschaft mehr und mehr den politischen Alltag. Die nationalsozialistische Sozialpolitik legte keinen Wert mehr auf die Wohlfahrtspflege. Viel mehr fand die „Volkspflege“ als politischer Fixpunkt Eingang in die Diskussionen. Die Wohlfahrtspflege wurde durch die „Erbgesundheitspflege“ abgelöst. Hiermit war ein drastischer Wechsel der politischen Haltung verbunden. Während die Wohlfahrt noch Wert auf den Einzelnen gelegt hatte, trat nun einzig und alleine die Volksgemeinschaft in den Mittelpunkt des Interesses. Parallel hierzu wurde der Gedanken der Reintegration gemindert. „Volksschädlinge“ sollten fortan mit allen Mitteln bekämpft beziehungsweise „ausgemerzt“ werden. Der „Volkskörper“ wurde als zentrales Grundelement präsentiert. Ihn galt es zu schützen und behutsam von widrigen Personen zu befreien. „Minderwertige“ oder „Asoziale“ konnten dem „Volkskörper“ schaden und mussten aus diesem verbannt werden. Maßnahmen gegen sie wurden mit dem Notwehrrecht begründet. Die [[Kriminologie im Dritten Reich|Rassenhygienische Diskussion]] bediente sich vermehrt aus Feststellungen der nationalsozialistischen Erblehre und Kriminalbiologie. Die biologischen Studien gingen davon aus, dass unerwünschtes Verhalten nicht anhand soziologischer Ursachen, sondern eher durch erbgenetische Veranlagungen erklärt werden konnte. Abweichendes Verhalten wurde durch Defekte in der Genetik begründet. Der „gesunde“ Volkskörper sollte deshalb nur aus Personen „reinem“ Erbgutes bestehen (Ayaß, 1998).
Die Diskussionen über „ethnische Säuberungen“ bestimmten im Verlaufe der NS-Herrschaft mehr und mehr den politischen Alltag. Die nationalsozialistische Sozialpolitik legte keinen Wert mehr auf die Wohlfahrtspflege. Viel mehr fand die „Volkspflege“ als politischer Fixpunkt Eingang in die Diskussionen. Die Wohlfahrtspflege wurde durch die „Erbgesundheitspflege“ abgelöst. Hiermit war ein drastischer Wechsel der politischen Haltung verbunden. Während die Wohlfahrt noch Wert auf den Einzelnen gelegt hatte, trat nun einzig und alleine die Volksgemeinschaft in den Mittelpunkt des Interesses. Parallel hierzu wurde der Gedanken der Reintegration gemindert. „Volksschädlinge“ sollten fortan mit allen Mitteln bekämpft beziehungsweise „ausgemerzt“ werden. Der „Volkskörper“ wurde als zentrales Grundelement präsentiert. Ihn galt es zu schützen und behutsam von widrigen Personen zu befreien. „Minderwertige“ oder „Asoziale“ konnten dem „Volkskörper“ schaden und mussten aus diesem verbannt werden. Maßnahmen gegen sie wurden mit dem Notwehrrecht begründet. Die [[Kriminologie im Dritten Reich|Rassenhygienische Diskussion]] bediente sich vermehrt aus Feststellungen der nationalsozialistischen Erblehre und Kriminalbiologie. Die biologischen Studien gingen davon aus, dass unerwünschtes Verhalten nicht anhand soziologischer Ursachen, sondern eher durch erbgenetische Veranlagungen erklärt werden konnte. Abweichendes Verhalten wurde durch Defekte in der Genetik begründet. Der „gesunde“ Volkskörper sollte deshalb nur aus Personen „reinem“ Erbguts bestehen (Ayaß, 1998).


=== Gesetzesbegründung ===
=== Gesetzesbegründung ===


Der Kampf der Nationalsozialisten gegen „Asoziale“ war Teil der umfassenden Rassenpolitik des Systems. Abweichendes Verhalten sollte mit allen Mitteln aus der Gesellschaft eliminiert werden. Die Fürsorge wurde weitestgehend als probates Mittel abgelehnt. Es wurde die „biologische Lösung“ gefordert. „Asozialität“ wurde als vererbbar betrachtet. Betroffene Erbkreise sollten deshalb von der Fortpflanzung ausgeschlossen oder zuvor bereits endgültig beseitigt werden. Die herkömmlichen Strategien und Verfahrensweisen waren für diese Vorhaben nicht in ausreichender Weise geeignet. Auch die bisher für die Behandlung von „Gemeinschaftsfremden“ zuständigen Instanzen der Fürsorge erschienen unangemessen befähigt. Die Aufgabe sollte fortan in den Aufgabenbereich der Polizei fallen, um „Gemeinschaftsfremde“ über die unausreichenden Mittel des Fürsorgerechts hinaus in geeigneter Weise zwangsweise in Bewahrung nehmen zu können. In diesem Zusammenhang waren entsprechende Vorschriften notwendig, die dem Polizeiapparat die benötigten Kompetenzen einräumen sollten. Vor allem sollten die Regelungen zur Bewahrung „Gemeinschaftsfremder“ erweitert werden. Ein gänzliches Abschaffen der Fürsorge war zwar nicht angedacht, jedoch sollte diese auf ein Minimum reduziert werden. Vereinzelt konnten „Volksgenossen“ somit noch mit Hilfe durch die Fürsorge rechnen. Für alle anderen waren jedoch Maßnahmen auf den Grundlagen der hierfür entstehenden Rechtsvorschrift angedacht.
Der Kampf der Nationalsozialisten gegen „Asoziale“ war Teil der umfassenden Rassenpolitik des Systems. Abweichendes Verhalten sollte mit allen Mitteln aus der Gesellschaft verbannt werden. Die Fürsorge wurde weitestgehend als probates Mittel abgelehnt. Es wurde die „biologische Lösung“ gefordert. „Asozialität“ wurde als vererbbar betrachtet. Betroffene Erbkreise sollten deshalb von der Fortpflanzung ausgeschlossen oder zuvor bereits endgültig beseitigt werden. Die herkömmlichen Strategien und Verfahrensweisen waren für diese Vorhaben nicht in ausreichender Weise geeignet. Auch die bisher für die Behandlung von „Gemeinschaftsfremden“ zuständigen Instanzen der Fürsorge erschienen unangemessen befähigt. Die Aufgabe sollte fortan in den Aufgabenbereich der Polizei fallen, um „Gemeinschaftsfremde“ über die unausreichenden Mittel des Fürsorgerechts hinaus in geeigneter Weise zwangsweise in Bewahrung nehmen zu können. In diesem Zusammenhang waren entsprechende Vorschriften notwendig, die dem Polizeiapparat die benötigten Kompetenzen einräumen sollten. Vor allem sollten die Regelungen zur Bewahrung „Gemeinschaftsfremder“ erweitert werden. Ein gänzliches Abschaffen der Fürsorge war zwar nicht angedacht, jedoch sollte diese auf ein Minimum reduziert werden. Vereinzelt konnten „Volksgenossen“ somit noch mit Hilfe durch die Fürsorge rechnen. Für alle anderen waren jedoch Maßnahmen auf den Grundlagen der hierfür entstehenden Rechtsvorschrift angedacht.


=== Ziel des Gesetzes ===
=== Ziel des Gesetzes ===
   
   
Das mit dem Gesetz verbundene Ziel folgte einer endgültigen Beseitigung von abweichendem Verhalten. Im Unterschied zu den von vornherein nicht zum „Volkskörper“ gezählten Juden und „Zigeunern“, mussten die „Gemeinschaftsfremden“ in einem „Aktiven Reinigungsprozess“ aus dem „Volkskörper“ ausgesondert werden. Das Gesetz galt hierbei als nationalsozialistisches Zukunftsprojekt und hätte Wegbereiter zur [[Lebensunwertes Leben|Euthanasie]] werden sollen (Munoz Conde, 2007). Die Gründe für die Einweisungsaktionen von „Asozialen" und „Gemeinschaftsfremden“ in Konzentrationslager hatten in erster Linie die Absicht, den im Zuge der Kriegsvorbereitungen eingetreten Arbeitskräftemangel, insbesondere im landwirtschaftlichen Sektor, zu beheben und darüber hinaus die allgemeine Arbeitsdisziplin zu stärken (Grode, 1987). Hinzu kam, dass die „Gemeinschaftsfremden“ im Sinne nationalsozialister Vorstellungen genau der Personengruppe entsprachen, mit der sich die Erbauung von Konzentrationslagern rechtfertigen lies. Hierbei wird teilweise auch noch von einem Nebenzweck gesprochen, der jedoch geschichtlich umstritten ist. Die deutschen Konzentrationslager waren in ihrer Gesamtheit zu groß für allein nur politische Häftlinge. Durch die Einweisung einer weiteren Häftlingsgruppe konnten die Lager zumindest vorübergehend aufgefüllt werden (Pingel, 1979).
Das mit dem Gesetz verbundene Ziel folgte einer endgültigen Beseitigung von abweichendem Verhalten. Im Unterschied zu den von vornherein nicht zum „Volkskörper“ gezählten Juden und „Zigeunern“, mussten die „Gemeinschaftsfremden“ in einem „Aktiven Reinigungsprozess“ aus dem „Volkskörper“ ausgesondert werden. Das Gesetz galt hierbei als nationalsozialistisches Zukunftsprojekt und hätte Wegbereiter zur [[Lebensunwertes Leben|Euthanasie]] werden sollen (Munoz Conde, 2007). Die Gründe für die Einweisungsaktionen von „Asozialen" und „Gemeinschaftsfremden“ in Konzentrationslager hatten in erster Linie die Absicht, den im Zuge der Kriegsvorbereitungen eingetreten Arbeitskräftemangel, insbesondere im landwirtschaftlichen Sektor, zu beheben und darüber hinaus die allgemeine Arbeitsdisziplin zu stärken (Grode, 1987). Hinzu kam, dass die „Gemeinschaftsfremden“ im Sinne nationalsozialistischer Vorstellungen genau der Personengruppe entsprachen, mit der sich die Erbauung von Konzentrationslagern rechtfertigen lies. Hierbei wird teilweise auch noch von einem Nebenzweck gesprochen, der jedoch geschichtlich umstritten ist. Die deutschen Konzentrationslager waren in ihrer Gesamtheit zu groß für allein nur politische Häftlinge. Durch die Einweisung einer weiteren Häftlingsgruppe konnten die Lager zumindest vorübergehend aufgefüllt werden (Pingel, 1979).




Zeile 87: Zeile 83:


Trotz der eher unklaren Definition des „Gemeinschaftsfremden“ ließen sich in der Praxis mehrere Hauptgruppen einteilen, denen jeweils mit auf sie abgestimmten Maßnahmen begegnet werden sollte. Grundlegend ist dabei zwischen straffälligen und nicht straffälligen Personen zu unterscheiden. Vor allem im Zusammenhang mit der Behandlung von straffälligen Personen entstanden häufig Problematiken, da sich Überschneidungen zwischen dem „Gemeinschaftsfremdengesetz“ und dem „Reichsstrafgesetzbuch“ (RStGB) ergaben. Es wurde nie abschließend geklärt, welche Vorschrift in diesen Fällen das Vorrecht zugesprochen bekäme.   
Trotz der eher unklaren Definition des „Gemeinschaftsfremden“ ließen sich in der Praxis mehrere Hauptgruppen einteilen, denen jeweils mit auf sie abgestimmten Maßnahmen begegnet werden sollte. Grundlegend ist dabei zwischen straffälligen und nicht straffälligen Personen zu unterscheiden. Vor allem im Zusammenhang mit der Behandlung von straffälligen Personen entstanden häufig Problematiken, da sich Überschneidungen zwischen dem „Gemeinschaftsfremdengesetz“ und dem „Reichsstrafgesetzbuch“ (RStGB) ergaben. Es wurde nie abschließend geklärt, welche Vorschrift in diesen Fällen das Vorrecht zugesprochen bekäme.   
Sofern betroffene Personen zwar nicht straffällig geworden waren, jedoch durch Maßnahmen der Fürsorge nicht wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden konnten, waren gegen sie primär polizeiliche Maßnahmen zur Kontrolle angedacht. Hierbei galt der polizeilichen Überwachung die erste Aufmerksamkeit. Blieb dieses Mittel erfolglos, wurden die Betroffenen in einem Lager der Polizei untergebracht. Diese bewahrende Freiheitsentziehung wurde mit dem Grundsatz des vorbeugenden Schutzes der Gemeinschaft gerechtfertigt. Weitaus rigorosere Maßnahmen als die der Freiheitsentzug folgten bei „Abweichungen“, die absolut nicht mit dem Menschenbild der Nationalsozialisten in Einklang zu bringen waren. Hierbei sollte auf jede Form von „Abweichung“ mit den entsprechenden Maßnahmen reagiert werden. So zeigten sich deutliche Unterschiede in den Verfahrensweisen mit einzelnen Gruppen.
Sofern betroffene Personen zwar nicht straffällig geworden waren, jedoch durch Maßnahmen der Fürsorge nicht wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden konnten, waren gegen sie primär polizeiliche Maßnahmen zur Kontrolle angedacht. Hierbei galt der polizeilichen Überwachung die erste Aufmerksamkeit. Blieb dieses Mittel erfolglos, wurden die Betroffenen in einem Lager der Polizei untergebracht. Diese bewahrende Freiheitsentziehung wurde mit dem Grundsatz des vorbeugenden Schutzes der Gemeinschaft gerechtfertigt. Weitaus rigorosere Maßnahmen als die der Freiheitsentzug folgten bei „Abweichungen“, die absolut nicht mit dem Menschenbild der Nationalsozialisten in Einklang zu bringen waren. Hierbei sollte auf jede Form von „Abweichung“ mit entsprechenden Maßnahmen reagiert werden. So zeigten sich deutliche Unterschiede in den Verfahrensweisen mit einzelnen Gruppen.


=== Kriminelle ===
=== Kriminelle ===


Besondere Bedeutung kam der Bekämpfung von straffälligen „Gemeinschaftsfremden“ zu. Kriminalität wurde mit harten Maßnahmen bekämpft. Selbst für kleine Delikte wie Diebstahl konnte von Sondergerichten die [[Todesstrafe]] verhängt werden. Den Gerichten oblag im Eigentlichen die Aufgabe, die „Gemeinschaftsfremden“ wieder als nützliches Element dem „Volkskörper“ einzugliedern. Gleichzeitig waren sie aber auch für die „Unschädlichmachung“ der Betroffenen zuständig. Da sich im voraus nie überblicken lies, welcher Zeitraum erforderlich war, um den verbrecherischen „Gemeinschaftsfremden“ nach seiner erb- und konstitutionsbiologischen Eigenart so nachhaltig zu beeinflussen, dass er für die Volksgemeinschaft weder mehr eine Gefahr noch eine Last darstellt, musste die Strafe gegen ihn von unbestimmter Dauer sein.  
Besondere Bedeutung kam der Bekämpfung von straffälligen „Gemeinschaftsfremden“ zu. Kriminalität wurde mit harten Maßnahmen bekämpft. Selbst für kleine Delikte wie Diebstahl konnte von Sondergerichten die [[Todesstrafe]] verhängt werden. Den Gerichten oblag im Eigentlichen die Aufgabe, die „Gemeinschaftsfremden“ wieder als nützliche Elemente dem „Volkskörper“ einzugliedern. Gleichzeitig waren sie aber auch für die „Unschädlichmachung“ der Betroffenen zuständig. Da sich im voraus nie überblicken lies, welcher Zeitraum erforderlich war, um den verbrecherischen „Gemeinschaftsfremden“ nach seiner erb- und konstitutionsbiologischen Eigenart so nachhaltig zu beeinflussen, dass er für die Volksgemeinschaft weder mehr eine Gefahr noch eine Last darstellt, musste die Strafe gegen ihn von unbestimmter Dauer sein.


=== Minderjährige ===
=== Minderjährige ===


Betroffene Kinder und Jugendliche sollten primär durch Einrichtungen der öffentlichen Jugendhilfe und den entsprechenden Erziehungsmaßregeln aufgefangen werden. Speziell bei straffällig gewordenen Jugendlichen war als Intervention zuerst der Jugendstrafvollzug angedacht. Polizeiliche Maßnahmen sollten gegen Minderjährige nur dann zulässig sein, wenn nach Einschätzung der Erziehungsbehörde die reintegrative Einordnung des Delinquenten in die Volksgemeinschaft mit den Mitteln der Jugendhilfe aussichtslos sei. Eine unbestimmte Strafe sollte nur verhängt werden, wenn die Voraussetzungen der „Verordnung gegen Jugendliche Schwerverbrecher“ oder die der „Verordnung über die unbestimmte Verurteilung Jugendlicher“ vorlagen (Dörner, 1989). Trotz dieser Grenzziehungen wurde eine Vielzahl Kinder und Jugendlicher unter dem Vorwand willkürlicher Gründe durch die Polizei mit schwersten Strafmitteln angegangen und auch in großer Zahl ermordet. Vor allem wurden diese Maßnahmen mit der Erblichkeit „abweichenden“ Verhaltens und der damit verbundenen Widersinnigkeit erzieherischer Mittel begründet.  
Betroffene Kinder und Jugendliche sollten primär durch Einrichtungen der öffentlichen Jugendhilfe und den entsprechenden Erziehungsmaßregeln aufgefangen werden. Speziell bei straffällig gewordenen Jugendlichen war als Intervention zuerst der Jugendstrafvollzug angedacht. Polizeiliche Maßnahmen sollten gegen Minderjährige nur dann zulässig sein, wenn nach Einschätzung der Erziehungsbehörde die reintegrative Einordnung des Delinquenten in die Volksgemeinschaft mit den Mitteln der Jugendhilfe aussichtslos sei. Eine unbestimmte Strafe sollte nur verhängt werden, wenn die Voraussetzungen der „Verordnung gegen jugendliche Schwerverbrecher“ oder die der „Verordnung über die unbestimmte Verurteilung Jugendlicher“ vorlagen (Dörner, 1989). Trotz dieser Grenzziehungen wurde eine Vielzahl Kinder und Jugendlicher unter dem Vorwand willkürlicher Gründe durch die Polizei mit schwersten Strafmitteln angegangen und auch ermordet. Vor allem wurden diese Maßnahmen mit der Erblichkeit „abweichenden“ Verhaltens und der damit verbundenen Widersinnigkeit erzieherischer Mittel begründet.


=== Homosexuelle ===
=== Homosexuelle ===


Gegen Homosexualität sollte mit aller Härte vorgegangen werden. Vor allem waren hierbei gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern strengstens verachtet. Heinrich Himmler sah in der Homosexualität eine Gefahr für den „Männerstaat“. In dem „Gesetz zur Behandlung von Sittlichkeitsverbrechern“ wurde bereits vor den Entwürfen zum „Gemeinschaftsfremdengesetz“ die rechtliche Befugnis zur „Entmannung“ von Homosexuellen festgelegt. Durch das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ sollte dieses Recht bereits auf Personen erweitert werden, die sich einer gleichgeschlechtlichen Unzucht nur schon hingaben. Homosexuelle wurden in großer Zahl in Konzentrationslager eingewiesen. Hier erlitten sie zumeist äußerst verachtende Behandlungen. Von den Wärtern gingen gegen sie schwerste Quälereinen und Erniedrigungen aus. Auch wurden sie häufig für medizinische Versuche missbraucht, um den Grund für ihre andersartigen Neigungen zu finden (Benz, Graml & Weiß, 2001).
Gegen Homosexualität sollte mit aller Härte vorgegangen werden. Vor allem waren hierbei gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern besonders verachtet. Himmler sah in der Homosexualität eine Gefahr für den „Männerstaat“. In dem „Gesetz zur Behandlung von Sittlichkeitsverbrechern“ wurde bereits vor den Entwürfen zum „Gemeinschaftsfremdengesetz“ die rechtliche Befugnis zur „Entmannung“ von Homosexuellen festgelegt. Durch das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ sollte dieses Recht bereits auf Personen erweitert werden, die sich einer gleichgeschlechtlichen Unzucht nur schon hingaben. Homosexuelle wurden in großer Zahl in Konzentrationslager eingewiesen. Hier erlitten sie zumeist äußerst verachtende Behandlungen. Von den Wärtern gingen gegen sie schwerste Quälereinen und Erniedrigungen aus. Auch wurden sie häufig für medizinische Versuche missbraucht, um den Grund für ihre andersartigen Neigungen zu finden (Benz, Graml & Weiß, 2001).


=== Zwangssterilisationspolitik ===  
=== Zwangssterilisationspolitik ===  


Die NS-Zwangssterilisationspolitik spielt im Zusammenhang mit dem „Gemeinschaftsfremdengesetz“ eine wesentliche Rolle. Zwangssterilisationen waren das angedachte Mittel, um „Gemeinschaftsfremde“ von der Fortpflanzung auszuschließen und sie schlussendlich aus der Gemeinschaft eliminieren zu können. Somit diente die Maßnahme der „Ausmerzung" von ethnisch und eugenisch „Minderwertigen" zum Zwecke der „Aufartung". Die Maßnahmen wurden auf Grundlage der Bestimmungen des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vollzogen. Die Sterilisationspraxis wurde mit brutaler Härte vollzogen. Viele Opfer überlebten die Eingriffe nicht. In diesem Sinne kann die Zwangssterilisationspolitik nicht nur als Vorstufe, sondern als Beginn und erste Etappe der Massenmorde verstanden werden.
Die NS-Zwangssterilisationspolitik spielt im Zusammenhang mit dem „Gemeinschaftsfremdengesetz“ eine wesentliche Rolle. Zwangssterilisationen waren das angedachte Mittel, um „Gemeinschaftsfremde“ von der Fortpflanzung auszuschließen und sie schlussendlich aus der Gemeinschaft eliminieren zu können. Somit diente die Maßnahme der „Ausmerzung" von ethnisch und eugenisch „Minderwertigen" zum Zwecke der „Aufartung". Die Maßnahmen wurden auf Grundlage der Bestimmungen des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ ausgeführt. Die Sterilisationspraxis wurde mit brutaler Härte vollzogen. Viele Opfer überlebten die Eingriffe nicht. In diesem Sinne kann die Zwangssterilisationspolitik nicht nur als Vorstufe, sondern als Beginn und erste Etappe der Massenmorde verstanden werden.




Zeile 109: Zeile 105:




An der Mitwirkung der Gesetzesentwürfe waren führende Kriminologen beteiligt. Bei den wohl bekanntesten von ihnen handelt es sich um [[Franz Exner]] und [[Edmund Mezger]].
An der Erstellung der Gesetzesentwürfe waren führende Kriminologen beteiligt. Bei den wohl bekanntesten von ihnen handelt es sich um [[Franz Exner]] und [[Edmund Mezger]].


=== Die Mitwirkung Mezgers ===  
=== Die Mitwirkung Mezgers ===  


[[Edmund Mezger]] verfolgte mit seinen akademischen Tätigkeiten allgemein die Absicht, die nationalsozialistische Lehre näher in das Strafrecht einzuführen. In enger Zusammenarbeit mit SS Chef Himmler strebte er eine Verstärkung der rechtlichen Befugnisse gegen „Gemeinschaftsfremde“ an. Seine Mitwirkung an den Entwürfen zum „Gemeinschaftsfremdengesetz“ erfolgte auf Initiative des Ministerialrat Dr. Rietzsch, der ihn, sowie seinen Kollegen [[Franz Exner]] nach der Niederlage in Stalingrad im Jahre 1943 um Unterstützung bei der Gesetzeserarbeitung bat. Mezger war sich den entstehenden Ausmaßen des Gesetzes bewusst. Ihm war bekannt, dass durch das Gesetz ein totalitäres Sonderstrafrechts geschaffen werden sollte. Er gilt als intellektueller Urheber der Entwürfe. In einem Brief an Ministerialrat Rietzsch vom 13. Februar 1943 schrieb er folgendes (Munoz Conde, 2007):  
[[Edmund Mezger]] verfolgte mit seinen akademischen Tätigkeiten allgemein die Absicht, die nationalsozialistische Lehre näher in das Strafrecht einzuführen. In enger Zusammenarbeit mit SS Chef Himmler strebte er eine Verstärkung der rechtlichen Befugnisse gegen „Gemeinschaftsfremde“ an. Seine Mitwirkung an den Entwürfen zum „Gemeinschaftsfremdengesetz“ erfolgte auf Initiative des Ministerialrat Dr. Rietzsch, der ihn, sowie seinen Kollegen [[Franz Exner]], nach der Niederlage in Stalingrad im Jahre 1943 um Unterstützung bei der Gesetzeserarbeitung bat. Mezger war sich den entstehenden Ausmaßen des Gesetzes bewusst. Ihm war bekannt, dass durch das Gesetz ein totalitäres Sonderstrafrechts geschaffen werden sollte. Er gilt als intellektueller Urheber der Entwürfe. In einem Brief an Ministerialrat Rietzsch vom 13. Februar 1943 schrieb er folgendes (Munoz Conde, 2007):  




Zeile 129: Zeile 125:




Das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ findet seinen Ursprung in verschiedenen Vorschriften der deutschen Geschichte, die sich bereits zuvor mit antisozialem oder kriminellen Verhalten befasst haben. So wurde zur Erstellung der Entwürfe auf Erfahrungen und Inhalte anderer Vorschriften zurückgegriffen, die auf Grundlage der nationalsozialistischen Rassenpolitik modifiziert wurden. Das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ ist jedoch inhaltlich trotz einiger Parallelen zu anderen Vorschriften von diesen grundlegend zu trennen. Besonders enge Bindungen sind dabei zum „Gewohnheitsverbrechergesetz“ und zum „Bewahrungsgesetz“ ersichtlich.
Das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ findet seinen Ursprung in verschiedenen Vorschriften des deutschen Rechts, die sich bereits zuvor mit antisozialem oder kriminellen Verhalten befasst haben. So wurde zur Erstellung der Entwürfe auf Erfahrungen und Inhalte anderer Vorschriften zurückgegriffen, die auf Grundlage der nationalsozialistischen Rassenpolitik modifiziert wurden. Besonders enge Bindungen sind dabei zum „Gewohnheitsverbrechergesetz“ und zum „Bewahrungsgesetz“ ersichtlich. Das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ ist jedoch inhaltlich trotz einiger Parallelen zu anderen Vorschriften von diesen grundlegend zu trennen.  


=== Gewohnheitsverbrechergesetz ===
=== Gewohnheitsverbrechergesetz ===
Zeile 137: Zeile 133:
=== Bewahrungsgesetz ===
=== Bewahrungsgesetz ===


Bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten fanden Diskussion zu einem „Bewahrungsgesetz“ statt. In der Weimarer Republik wurden bereits diverse Entwürfe zu einem solchen Gesetz vorgelegt. Dies setzte sich während der Herrschaft der Nationalsozialisten fort. Das „Bewahrungsgesetz“ wurde offiziell nie verabschiedet, es entstanden lediglich Entwürfe hierzu. Zu Zeiten der Weimarer Republik wurde statt „Bewahrung“ von „Verwahrung“ gesprochen. In Abgrenzung zum Strafgesetz setzte sich nach und nach jedoch der Begriff „Bewahrung“ durch. Das „Bewahrungsgesetz“ sollte als letztes Mittel dienen, um sozial Außenstehenden zu entgegnen. Während der Weimarer Republik konnte die Zielrichtung des Gesetzes nie klar definiert werden. Oft war undeutlich, ob die Freiheitsentziehung dem Wohle des zu Bewahrenden oder dem Schutz der Gesellschaft dienen sollte. Während der NS-Zeit tendierte man schließlich dazu, nicht den Schutz des Betroffenen vor sich selbst, sondern den Schutz der Volksgemeinschaft vor dem Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. An die Stelle des „Bewahrungsgesetzes“ trat im Verlaufe der nationalsozialistischen Diktatur das „Gemeinschaftsfremdengesetz“. Zu dessen Erstellung wurden elementare Bestandteile aus den Entwürfen des „Bewahrungsgesetzes“ als inhaltliche Vorlagen verwendet. Trotz einiger Parallelen unterschieden sich die Gesetze vom Inhalt her grundlegend. Waren im  „Bewahrungsgesetz“ nur die sogenannten „Asozialen“ als Adressaten bestimmt, die vor der polizeilichen Lagerunterbringung zuerst in fürsorgliche Bewahrung genommen werden sollten, erweiterte das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ diesen Kreis um die „Gemeinschaftsfremden“, zu denen vorwiegend Verbrecher und Homosexuelle gehörten. Das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ war im Gegensatz zum „Bewahrungsgesetz“ im Grunde nicht mehr als Fürsorgegesetz gedacht. Es lieferte die Betroffenen nahezu unbegrenzt der Willkür von Polizei und Justiz aus und sollte ihre vollkommende Entrechtung herbeiführen (Willing, 2003). Trotz der inhaltlichen Unterschiede zwischen den Gesetzen wäre das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ ohne die langjährigen Vorarbeiten zum „Bewahrungsgesetz“ vermutlich nicht in der bekannten Form in Entstehung getreten.
Bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten fanden Diskussion zu einem „Bewahrungsgesetz“ statt. In der Weimarer Republik wurden bereits diverse Entwürfe zu einem solchen Gesetz vorgelegt. Dieses Prozedere setzte sich während der Herrschaft der Nationalsozialisten fort. Das „Bewahrungsgesetz“ wurde offiziell nie verabschiedet, es entstanden lediglich Entwürfe hierzu. Zu Zeiten der Weimarer Republik wurde statt „Bewahrung“ von „Verwahrung“ gesprochen. In Abgrenzung zum Strafgesetz setzte sich nach und nach jedoch der Begriff „Bewahrung“ durch. Das „Bewahrungsgesetz“ sollte als letztes Mittel dienen, um sozial Außenstehenden zu entgegnen. Während der Weimarer Republik konnte die Zielrichtung des Gesetzes nie klar definiert werden. Oft war undeutlich, ob die Freiheitsentziehung dem Wohle des zu Bewahrenden oder dem Schutz der Gesellschaft dienen sollte. Während der NS-Zeit tendierte man schließlich dazu, nicht den Schutz des Betroffenen vor sich selbst, sondern den Schutz der Volksgemeinschaft vor dem Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. An die Stelle des „Bewahrungsgesetzes“ trat im Verlaufe der Diktatur das „Gemeinschaftsfremdengesetz“. Zu dessen Erstellung wurden elementare Bestandteile aus den Entwürfen des „Bewahrungsgesetzes“ als inhaltliche Vorlagen verwendet. Trotz einiger Parallelen unterschieden sich die Gesetze vom Inhalt her grundlegend. Waren im  „Bewahrungsgesetz“ nur die sogenannten „Asozialen“ als Adressaten bestimmt, die vor der polizeilichen Lagerunterbringung zuerst in fürsorgerische Bewahrung genommen werden sollten, erweiterte das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ diesen Kreis um die „Gemeinschaftsfremden“, zu denen vorwiegend Verbrecher und Homosexuelle gehörten. Das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ war im Gegensatz zum „Bewahrungsgesetz“ im Grunde nicht mehr als Fürsorgegesetz gedacht. Es lieferte die Betroffenen nahezu unbegrenzt der Willkür von Polizei und Justiz aus und sollte ihre vollkommende Entrechtung herbeiführen (Willing, 2003). Trotz der inhaltlichen Unterschiede zwischen den Gesetzen wäre das „Gemeinschaftsfremdengesetz“ ohne die langjährigen Vorarbeiten zum „Bewahrungsgesetz“ vermutlich nicht in der bekannten Form in Entstehung getreten.
 


== Literatur ==
== Literatur ==
1.480

Bearbeitungen