Gefängnisseelsorge: Unterschied zwischen den Versionen

66 Bytes hinzugefügt ,  23:03, 10. Jun. 2018
 
(4 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 41: Zeile 41:
Anstellungsträger des Gefängnisseelsorgers ist in den meisten Fällen die Landeskirche bzw. das Bistum. Die Seelsorger sind nicht weisungsgebunden gegenüber der Gefängnisleitung, der unmittelbare Dienstvorgesetzte ist ein Kirchenbeamter. Damit wird eine Unabhängigkeit gewährleistet, gleichzeitig aber auch ein Spannungsverhältnis gegenüber der staatlichen Behörde aufgebaut. Aus Loyalitätsgründen ist daher der Gefängnisseelsorger manchmal „Diener zweier Herren“.  
Anstellungsträger des Gefängnisseelsorgers ist in den meisten Fällen die Landeskirche bzw. das Bistum. Die Seelsorger sind nicht weisungsgebunden gegenüber der Gefängnisleitung, der unmittelbare Dienstvorgesetzte ist ein Kirchenbeamter. Damit wird eine Unabhängigkeit gewährleistet, gleichzeitig aber auch ein Spannungsverhältnis gegenüber der staatlichen Behörde aufgebaut. Aus Loyalitätsgründen ist daher der Gefängnisseelsorger manchmal „Diener zweier Herren“.  


Anstellungsverhältnisse, die aus dem Pfarrer einen Staatbeamten machen (wie in Baden-Württemberg bis auf zwei Außnahemn üblich und in Bayern und NRW möglich), können sich als problematisch erweisen.   
Anstellungsverhältnisse, die aus dem Pfarrer einen Staatsbeamten machen (wie in Baden-Württemberg bis auf zwei Außnahmen üblich und in Bayern und NRW möglich), können sich als problematisch erweisen.   


==Arbeitsbereiche innerhalb und außerhalb der Mauern==  
==Arbeitsbereiche innerhalb und außerhalb der Mauern==  
Zeile 49: Zeile 49:
*Gruppenarbeit (Gesprächskreise, Bibelkreise, kultureller Arbeit, körperorientierte Arbeit)
*Gruppenarbeit (Gesprächskreise, Bibelkreise, kultureller Arbeit, körperorientierte Arbeit)
*Gottesdienste
*Gottesdienste
Zusätzlich gibt es Zuwendungen für mittelose Gefangene in Form von Sachspenden oder die Übernahme von Fahrtkosten für Angehörige, die zum Besuch kommen wollen. Die kirchliche Sozialarbeit ist in den vergangenen Jahren auf die freie Straffälligenhilfe übergegangen.
Zusätzlich gibt es Zuwendungen für mittellose Gefangene in Form von Sachspenden oder die Übernahme von Fahrtkosten für Angehörige, die zum Besuch kommen wollen. Die kirchliche Sozialarbeit ist in den vergangenen Jahren auf die freie Straffälligenhilfe übergegangen.


Im Außenbereich kommen  
Im Außenbereich kommen  
Zeile 65: Zeile 65:
Eine kritische Gefängnisseelsorge hinterfragt das Gefängnissystem und sucht nach Alternativen. Theologisch geht es um die Neudefinition von Schuld und Vergebung, um die Frage nach der symbolischen Bedeutung von Sühne und Rache in einer gewalttätigen Gesellschaft.  
Eine kritische Gefängnisseelsorge hinterfragt das Gefängnissystem und sucht nach Alternativen. Theologisch geht es um die Neudefinition von Schuld und Vergebung, um die Frage nach der symbolischen Bedeutung von Sühne und Rache in einer gewalttätigen Gesellschaft.  


Auf der Suche nach Alternativen unterstützt die Gefängnisseelsorge Ansätze von „Restorative Justice“ Programmen, Methoden der gewaltfreien Kommunikation und Erfahrungen, wie die aus dem Hochsicherheitsgefängnis Kumla in Schweden, das die Möglichkeit spiritueller Erfahrungen in klosterähnlicher Umgebung zur Verfügung stellt. Auch eine Strafrechtsreform und die Entkriminalisierung gesellschaftlicher Bereiche werden diskutiert.  
Auf der Suche nach Alternativen unterstützt die Gefängnisseelsorge Ansätze von „[[Restorative Justice]]“ Programmen, Methoden der gewaltfreien Kommunikation und Erfahrungen, wie die aus dem Hochsicherheitsgefängnis Kumla in Schweden, das die Möglichkeit spiritueller Erfahrungen in klosterähnlicher Umgebung zur Verfügung stellt. Auch eine Strafrechtsreform und die Entkriminalisierung gesellschaftlicher Bereiche werden diskutiert.  


Juristisch konfrontiert sich die Gefängnisseelsorge mit der Aufweichung des [[Zeugnisverweigerungsrecht]]es und der seelsorgerlichen Verschwiegenheit durch Rechtssprechungen des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 15.11. 2006, StB 15/06) und des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 25.1. 2007, 2 BvR 26/07). Hier wird definiert was zur Seelsorge gehört und was nicht. Bisher war dies den Kirchen selber überlassen. Die EKD reagierte mit einem Beschluss über ein Seelsorgegeheimnisgesetz, um ihre Definitionsmacht zu wahren. Das neue BKA Gesetz und das BGH Urteil zeigen deutlich die Grenze gesellschaftlich nicht kontrollierter und kontrollierbarer Bereiche auf.  In Zukunft wird es interessant sein, wie sich das Staats-Kirchenverhältnis in einem zentralen Punkt kirchlicher Praxis gestalten wird.  
Juristisch konfrontiert sich die Gefängnisseelsorge mit der Aufweichung des [[Zeugnisverweigerungsrecht]]es und der seelsorgerlichen Verschwiegenheit durch Rechtssprechungen des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 15.11. 2006, StB 15/06) und des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 25.1. 2007, 2 BvR 26/07). Hier wird definiert was zur Seelsorge gehört und was nicht. Bisher war dies den Kirchen selber überlassen. Die EKD reagierte mit einem Beschluss über ein Seelsorgegeheimnisgesetz, um ihre Definitionsmacht zu wahren. Das neue BKA Gesetz und das BGH Urteil zeigen deutlich die Grenze gesellschaftlich nicht kontrollierter und kontrollierbarer Bereiche auf.  In Zukunft wird es interessant sein, wie sich das Staats-Kirchenverhältnis in einem zentralen Punkt kirchlicher Praxis gestalten wird.  
Zeile 80: Zeile 80:
*Rassow, Peter (1998): Bibliographie Gefängnisseelsorge
*Rassow, Peter (1998): Bibliographie Gefängnisseelsorge
*Rassow, Peter (1987): 60 Jahre Blätter aus der Geschichte des Zusammenschlusses und der Tätigkeit der evangelischen Gefängnisseelsorger
*Rassow, Peter (1987): 60 Jahre Blätter aus der Geschichte des Zusammenschlusses und der Tätigkeit der evangelischen Gefängnisseelsorger
*Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hrsg. ) (2008): Zeugenaussage, Zeugnisverweigerungsrecht und Schweigepflicht. Ein juristischer Leitfaden für Seelsorger zum Schutz des Beicht- und Seelsorgegeheimnisses.
*Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hrsg. ) (2008): Zeugenaussage, Zeugnisverweigerungsrecht und Schweigepflicht. Ein juristischer Leitfaden für Seelsorger zum Schutz des Beicht- und Seelsorgegeheimnisses
*[https://www.gefaengnisseelsorge.de Gefängnisseelsorge.de]
31.738

Bearbeitungen