Gefährderansprache: Unterschied zwischen den Versionen

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Unter einer Gefährderansprache versteht man ein konfrontatives Gespräch (teilweise auch mittels Anschreiben), mittels dem die [[Polizei]] dem Adressaten verdeutlichen will, dass Interesse an seiner Person besteht und man nicht bereit ist eine Gefahrenlage zu dulden, sondern dagegen vorgehen wird. Die Gefährderansprache ist ein verhaltensbeeinflussendes Instrument, das neben der Gefährdungsanalyse einen wesentlichen Bestandteil des polizeilichen Gefährdungslagenmanagements darstellt. Die Gefährderansprache entstammt der Zeit nach dem Terroranschlag vom 11.09.2001 und war zunächst als Instrument zur Bekämpfung politisch motivierter [[Gewaltkriminalität]] konzipiert. Die Gefährderansprache soll dem Adressaten vermitteln, "das er unter besonderer Beobachtung steht und aus diesem Grund bei der Begehung von Straftaten mit einem erhöhten Entdeckungsrisiko zu rechnen hat." (Tausendteufel et al., 2006:216). Durch das Aufzeigen rechtlicher Konsequenzen und die Androhung aller notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Straftaten, soll bei den Tätern/-innen eine psychische Hemmschwellen aufgebaut werden, um mögliche [[Opfer]] vor zukünftigen Übergriffen oder Einschüchterungen zu schützen. (IM Rheinland-Pfalz, ohne AZ, in Kraft seit 09.06.2009). Die Gefährderansprache dient zudem der Identifikation von Frühwarnindikatoren und soll einen möglichst umfassenden Informationsgewinn durch und v.a. über den Adressaten ermöglichen. Durch das Ergebnis der zukunfts- und gefahrenabwehrend orientierten Einschätzung von Sachverhalten, soll die Polizei frühzeitig in die Lage versetzt werden, Konfliktlösungsmöglichkeiten aufzeigen- sowie Handlungsinitiative ergreifen zu können. Man unterscheidet zwischen ''standardisierten'' Ansprachen, die vom Einsatzgeschehen losgelöst erfolgen, bestimmten formalen sowie inhaltlichen Kriterien genügen müssen und optimaler weise unangekündigt im Wohnumfeld des Gefährders stattfinden. Dies ermöglicht einen authentischen Einblick in das Lebens- und Wohnumfeld des Gefährders. Die ''Situative Gefährderansprache'' hingegen erfolgt unmittelbar aus dem Einsatzgeschehen heraus und wird durch den vor Ort eingesetzten Beamten durchgeführt . Sie ist in der Sachverhaltsschilderung der Strafanzeige zu dokumentieren (z.B. in Fällen häuslicher Gewalt). In den persönlichen Gesprächen werden Sachverhalte erörtert sowie weiterführende polizeiliche Maßnahmen und mögliche Rechtsfolgen aufgezeigt. Für die Durchführung gibt es keine feste Struktur, vielmehr orientiert sich die Gesprächsführung situativ am Gegenüber. Eine Wiederholung der Ansprache erfolgt ausschließlich, um der ersten Gefährderansprache Nachdruck zu verleihen oder wenn das Verhalten des Gefährders Anlass zu eine erneuten Ansprache bietet. Eine automatische, bzw. turnusmäßige Wiederholung ist aus psychologischer Sicht als kontraproduktiv zu bezeichnen, wird jedoch in einigen Polizeibehörden praktiziert. Im Bereich der [[Jugendkriminalität]] zielt die Gefährderansprache vor allem darauf ab, jugendtypische Normenunsicherheit durch klare Grenzsetzung und das Aufzeigen von Konsequenzen, in Richtung eines sozialkonformen Verhaltens, zu beeinflussen. Bei jugendlichen Mehrfach-/ Intensivtätern ist darauf zu achten, dass die Ansprache möglichst zeitnah zum auslösenden Ereignis stattfindet. Durch die Kommunikation mit der [[Polizei]] können oftmals Erregungszustand und Aggressionspotential des Täters bereits reduziert werden. Information über mögliche Hilfseinrichtungen (Täterhilfe) können in diesem Zusammenhang ebenfalls gegeben werden und eröffnen Wege zu gewaltfreien Konfliktlösungsmöglichkeiten. Wichtige Voraussetzungen für die gesprächsführenden Beamten sind neben Täter- und Fallkenntnis, vor allem kommunikative Fähigkeiten, soziale Kompetenz, Empathie, Szenekenntnis und ein gutes Zeitmanagement. Die Gefährderansprache ist ein recht junges, polizeiliches Instrument der Kriminalitätskontrolle, welches symptomatisch für die Abkehr des Wohlfahrtsstaat in Richtung eines neoliberalen Präventions- und Überwachungsstaates ("Big Brother") ist und den Wandel im Bereich Sozialer Kontrolle veranschaulicht. Als polizeiliche "Präventionsallzweckwaffe" (siehe Themenfelder), entspricht sie dem derzeitigen kriminalpolitischen Interesse an täterorientierten Projekten und ist als Reaktion auf das neue Sicherheitsempfinden der Gesellschaft zu verstehen (insbes. in den Bereichen terroristischer Bedrohung durch Islamisten, Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern/Jugendlichen, Amoktaten an Schulen, etc.). Die Vermittlung von Werten, Normen, Moral sowie die Frage nach den sozialen Ursachen von Kriminalität tritt immer weiter in den Hintergrund, stattdessen rücken situations- und deliktspezifische (polizeiliche) Bewältigungsstrategien, wie die Gefährderansprache, in den gesellschaftlichen Fokus. In einem Spiegelinterview vom 7. Juli 2007 forderte der damalige Bundesinnenminister W. Schäuble eine gesetzliche Grundlage, nach der Gefährder wie Kombattanten aus dem Kriegsvölkerrecht behandelt und dementsprechend interniert werden sollten. Bestrebungen wie diese zeigen, dass es in Abkehr vom bisherigen Gefahrenabwehrrecht nun vielmehr darum geht, "potentielle" Verursacher bereits im Vorfeld staatlichen Eingriffsmaßnahmen unterwerfen zu können, ohne das überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt.
Unter einer Gefährderansprache versteht man ein konfrontatives Gespräch (teilweise auch mittels Anschreiben), mittels dem die [[Polizei]] dem Adressaten verdeutlichen will, dass Interesse an seiner Person besteht und man nicht bereit ist eine Gefahrenlage zu dulden, sondern dagegen vorgehen wird. Die Gefährderansprache ist ein verhaltensbeeinflussendes Instrument, das neben der Gefährdungsanalyse einen wesentlichen Bestandteil des polizeilichen Gefährdungslagenmanagements darstellt. Die Gefährderansprache entstammt der Zeit nach dem Terroranschlag vom 11.09.2001 und war zunächst als Instrument zur Bekämpfung politisch motivierter [[Gewaltkriminalität]] konzipiert. Die Gefährderansprache soll dem Adressaten vermitteln, "das er unter besonderer Beobachtung steht und aus diesem Grund bei der Begehung von Straftaten mit einem erhöhten Entdeckungsrisiko zu rechnen hat." (Tausendteufel et al., 2006:216). Durch das Aufzeigen rechtlicher Konsequenzen und die Androhung aller notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Straftaten, soll bei den Tätern/-innen eine psychische Hemmschwellen aufgebaut werden, um mögliche [[Opfer]] vor zukünftigen Übergriffen oder Einschüchterungen zu schützen. (IM Rheinland-Pfalz, ohne AZ, in Kraft seit 09.06.2009). Die Gefährderansprache dient zudem der Identifikation von Frühwarnindikatoren und soll einen möglichst umfassenden Informationsgewinn durch und v.a. über den Adressaten ermöglichen. Durch das Ergebnis der zukunfts- und gefahrenabwehrend orientierten Einschätzung von Sachverhalten, soll die Polizei frühzeitig in die Lage versetzt werden, Konfliktlösungsmöglichkeiten aufzeigen- sowie Handlungsinitiative ergreifen zu können. Man unterscheidet zwischen ''standardisierten'' Ansprachen, die vom Einsatzgeschehen losgelöst erfolgen, bestimmten formalen sowie inhaltlichen Kriterien genügen müssen und optimaler weise unangekündigt im Wohnumfeld des Gefährders stattfinden. Dies ermöglicht einen authentischen Einblick in das Lebens- und Wohnumfeld des Gefährders. Die ''Situative Gefährderansprache'' hingegen erfolgt unmittelbar aus dem Einsatzgeschehen heraus und wird durch den vor Ort eingesetzten Beamten durchgeführt . Sie ist in der Sachverhaltsschilderung der Strafanzeige zu dokumentieren (z.B. in Fällen häuslicher Gewalt). In den persönlichen Gesprächen werden Sachverhalte erörtert sowie weiterführende polizeiliche Maßnahmen und mögliche Rechtsfolgen aufgezeigt. Für die Durchführung gibt es keine feste Struktur, vielmehr orientiert sich die Gesprächsführung situativ am Gegenüber. Eine Wiederholung der Ansprache erfolgt ausschließlich, um der ersten Gefährderansprache Nachdruck zu verleihen oder wenn das Verhalten des Gefährders Anlass zu eine erneuten Ansprache bietet. Eine automatische, bzw. turnusmäßige Wiederholung ist aus psychologischer Sicht als kontraproduktiv zu bezeichnen, wird jedoch in einigen Polizeibehörden praktiziert. Im Bereich der [[Jugendkriminalität]] zielt die Gefährderansprache vor allem darauf ab, jugendtypische Normenunsicherheit durch klare Grenzsetzung und das Aufzeigen von Konsequenzen, in Richtung eines sozialkonformen Verhaltens, zu beeinflussen. Bei jugendlichen Mehrfach-/ Intensivtätern ist darauf zu achten, dass die Ansprache möglichst zeitnah zum auslösenden Ereignis stattfindet. Durch die Kommunikation mit der [[Polizei]] können oftmals Erregungszustand und Aggressionspotential des Täters bereits reduziert werden. Information über mögliche Hilfseinrichtungen (Täterhilfe) können in diesem Zusammenhang ebenfalls gegeben werden und eröffnen Wege zu gewaltfreien Konfliktlösungsmöglichkeiten. Wichtige Voraussetzungen für die gesprächsführenden Beamten sind neben Täter- und Fallkenntnis, vor allem kommunikative Fähigkeiten, soziale Kompetenz, Empathie, Szenekenntnis und ein gutes Zeitmanagement.  
 
Die Gefährderansprache wird mittlerweile als "Präventionsallzweckwaffe" im Bereich polizeilicher Kriminalitätskontrolle eingesetzt (siehe Themenfelder) und ist symptomatisch für den Wandel im Bereich der Sozialen Kontrolle sowie die Abkehr vom Wohlfahrtsstaat in Richtung eines neoliberalen Präventions- und Überwachungsstaates ("Big Brother"). Sie entspricht dem derzeitigen kriminalpolitischen Interesse an täterorientierten Projekten und ist als Reaktion auf die Sensibilisierung im Bereich Sicherheitsempfinden der Gesellschaft zu verstehen (insbes. in den Bereichen terroristischer Bedrohung durch Islamisten, Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern/Jugendlichen, Amoktaten an Schulen, etc.). Die Vermittlung von Werten, Normen, Moral sowie die Frage nach den sozialen Ursachen von Kriminalität tritt immer weiter in den Hintergrund, stattdessen rücken situations- und deliktspezifische (polizeiliche) Bewältigungsstrategien, wie die Gefährderansprache, in den gesellschaftlichen Fokus.  
 
In einem Spiegelinterview vom 7. Juli 2007 forderte der damalige Bundesinnenminister W. Schäuble eine gesetzliche Grundlage, nach der Gefährder wie Kombattanten aus dem Kriegsvölkerrecht behandelt und dementsprechend interniert werden sollten. Bestrebungen wie diese zeigen, dass es in Abkehr vom bisherigen Gefahrenabwehrrecht nun vielmehr darum geht, "potentielle" Verursacher bereits im Vorfeld staatlichen Eingriffsmaßnahmen unterwerfen zu können, ohne das überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt.


==Deliktsbereiche/Themenfelder==
==Deliktsbereiche/Themenfelder==
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