Funktion der Strafe: Unterschied zwischen den Versionen

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==Strafe als Heilung des beschädigten Geltung des Rechts ==
Die Frage nach der '''Funktion der Strafe''' sollte man nicht mit der ganz anders gelagerten Frage nach ihrer Aufgabe oder ihrem Zweck verwechseln. Hinter letztgenannten steht immer eine kollektive Intention, die dieses oder jenes von der Strafe erwartet - doch genau davon ist die Frage nach der Funktion ganz und gar unabhängig. Eine Funktion kann auch dann erfüllt werden, wenn weit und breit keine Absicht vorhanden und kein Zweck definiert ist. Wenn die Sonne scheint, dann tut sie das ohne Aufgabe und ohne Zweck. Dennoch erfüllt sie - von der Ermöglichung des Pflanzenwachstums vermittels Photosynthese bis zum globalen Tourismus - eine ganze Reihe von Funktionen. In ganz ähnlicher Weise kann auch die Strafe eine oder mehrere Funktionen erfüllen - ganz unabhängig davon, was diese oder jene Philosophen, Theologen, Juristen oder Pädagogen ihr an Aufgaben und Zwecken alles zugeschrieben haben, heute noch zuschreiben und morgen zuschreiben mögen.
Die '''Funktion der Strafe''' liegt in der symbolischen Heilung der Norm. Wer eine Norm verletzt, muss bestraft werden. Das ist der Widerspruch zum Normbruch. Es ist in der bekannten Formulierung Hegels die Negation der Negation des Rechts. Die Geltung der Norm wird durch die Strafe bekräftigt: die Strafe muss eine folgenreiche, ernsthafte und nachhaltige Wirkung haben. Dann ist auch der Geltungsanspruch der Norm hinreichend bekräftigt. Niemand kann sich mehr darauf berufen, dass die Norm doch verletzt worden sei und deshalb gar nicht wirklich gelte. Sie wurde verletzt, aber seht doch nur, was mit dem passierte, der sich gegen sie aufgelehnt hatte. Also lasst Euch gewarnt sein: mit so etwas ist nicht zu spaßen. Da gibt es kein Pardon. Das ist in etwa - in verbalisierter Form - die Botschaft, die allein von der Tatsache der Bestrafung ausgehen soll.  


Strafe ist so gesehen nicht einfach der Akt, in dem auf eine Beschädigung noch eine weitere Beschädigung aufgepfropft, der durch den Täter bewirkte Schaden also verdoppelt wird, sondern Strafe ist der Nachteil, den der Täter erleiden muss, damit die Geltung der Norm und damit die Würde des Rechts wieder hergestellt werden kann: die Wiedervergeltung eines Unrechts zur Wiederherstellung des Rechts.
In Bezug auf die Kriminalstrafe lautet die alles entscheidende Frage, ob Strafe sein muss - das heißt: ob sie eine unverzichtbare staatliche und/oder gesellschaftliche Funktion erfüllt, ob Staat und/oder Gesellschaft ohne sie nicht existieren könnten, ob es sich bei der Strafe also um ein "notwendiges Übel" handelt - und wenn ja, warum. Demgegenüber sind andere Fragen von deutlich nachrangigem Interesse, weil sie sich lediglich auf kleinere Subsysteme beziehen: so etwa die Frage nach der Funktion der Strafe für die Behandlung von Delinquenten (oder für die Behandler, die Bestrafer und/oder die Bestraften).


Der Verbrecher wird bestraft bedeutet also: dem Täter wird Leid angetan, und es muss ihm Leid zugefügt werden, damit das Recht, das er wiederum beleidigt hatte, trotz dieser Desavouierung seinen alten Geltungsanspruch beibehalten kann, als wäre nichts geschehen. Durch die Negation der Negation des Rechts ist alles wieder gut. Die Botschaft, die vom Rechtsbruch ausging - dass man nämlich das Gesetz nicht zu befolgen braucht - wird dadurch öffentlichkeitswirksam wieder einkassiert. Die Strafe sendet die Botschaft aus: wer glaubt, er könne sich über das Recht hinwegsetzen, der wird schon sehen, was er davon hat. Nämlich die Erfahrung, zwangsweise dem Rechtsbefehl unterworfen zu werden - und das ist für den, den es trifft, mit Sicherheit und übrigens auch absichtlich eine überaus leidvolle Erfahrung.
== Zwei Grundfunktionen der Strafe ==
Die Funktion der Strafe liegt in der symbolischen Heilung von Normbrüchen. Dabei lassen sich zwei Arten unterschieden: die Heilung des Bruchs horizontaler sozialer Normen und die Heilung der Verletzung vertikaler Herrschaftsnormen.




== Der Widerspruch zwischen Strafe und Behandlung ==
=== Horizontale Normvalidierung ===
Bei der horizontalen Normvalidierung handelt es sich um die Bekräftigung des Geltungsanspruchs der Norm im Angesicht ihrer Verletzung. Wenn eine Norm durch den Akt ihrer Verletzung desavouiert wurde, besteht die Gefahr der Normerosion: in dem Maße, in dem sich der allgemeine Eindruck verfestigt, dass die Norm sanktionsfrei gebrochen werden kann, wird der Grad ihrer Geltung abnehmen. Die Strafe hingegen ist eine fühlbare Übelszufügung als Reaktion auf den Normbruch und damit eine Botschaft an die Allgemeinheit, dass ein Normbruch nur im Austausch für fühlbare Konsequenzen zu haben ist - dass die Gesellschft an dem Verbot, dieses oder jenes zu tun, eben festhält. Und dass der Bruch der Norm an dem Fortdauern ihres Geltungsanspruchs nichts geändert hat. Insofern dienen Strafen der kontrafaktischen Stabilisierung von Verhaltenserwartungen, bzw. Erwartungs-Erwartungen.
 
Dieser Sachverhalt ist in der Rechtsphilosophie wieder und wieder beschrieben worden, wobei sich die Begriffe änderten, der sachliche Kern der Aussagen aber immer gleich blieb. Am bekanntesten ist wohl die Formulierung Georg Wilhelm Friedrich Hegels von der Strafe als der Negation der Negation des Rechts. Inhaltlich identische Erläuterungen finden sich von Kant bis zur Systemtheorie Luhmanns und den aktuellen Strafrechtstheoretikern (wie Hassemer, Hoerster und Jakobs).
 
=== Vertikale Normvalidierung ===
Strafe heilt aber nicht nur die Verletzung einer sozialen Norm, sondern trägt auch der Tatsache Rechnung, dass soziale Normen, wenn sie in Gesetzesform gegossen wurden, zugleich auch immer die Autorität des Staates in die Waagschale werfen. Wer eine Straftat begeht, verletzt ja nicht nur das personale Opfer, sondern auch den Anspruch des Staates auf Gehorsam gegenüber seinem Normbefehl. Insofern ist die Strafe immer zweierlei: Heilung des Geltungsanspruchs der sozialen Norm und zugleich Heilung des Geltungsanspruchs der staatlichen Autoritäten. „Die Strafgerech- tigkeit". erklärte Friedrich Julius Stahl (1854. 169), „ist die Herstellung der Herrlichkeit des Staates durch die Vernichtung oder das Leiden dessen, der sich wider sie empört hat. Auch das ist eine Validierung einer desavouierten Norm: nur dass es sich nicht um die soziale Primärnorm handelt, sondern die dahinter stehende Garantie-Norm herrschaftlicher Art. Insofern ist die Strafe ein doppelter Widerspruch: zur Verletzung des Geltungsanspruchs der Norm und zum Herrschaftsanspruch des Normsetzers.
 
 
== Funktionsweise der Normvalidierung ==
 
=== Strafe als Normvalidierung ===
Welcher Voraussetzungen es bedarf, um eine durch einen Normbruch desavouierte Norm wirksam zu validieren, sie also in ihrem Geltungsanspruch zu bekräftigen, ist kaum erforscht. Klar scheint allenfalls, dass es sich dabei um eine von einem Publikum wahrnehmbare Reaktion auf den Normbruch handeln muss: das Publikum muss sehen (können), dass sich die Verletzung des Verbots nicht lohnt. Das ist jedenfalls dann evident, wenn einem Übeltäter als Reaktion auf seine Tat ein Übel zugefügt wird, das ihn am Ende schlechter dastehen lässt als zuvor. Die radikalste Verschlechterung ist die Beendigung der physischen und moralischen Existenz: die Todesstrafe in Kombination mit dem Ausradieren der Erinnerung, dem Verbot des Totengedenkens und der Verweigerung einer Bestattung des Leichnams. Weniger dramatisch, aber immer noch wirkungsvoll, sind die vielfältigen Formen der Ächtung, also des gesellschaftlichen Ausschlusses von normalen Teilhaberechten - wie der Freiheitsentzug, das Berufsverbot und ähnliche Statusminderungen im Vergleich zu vorher. Die Funktion der Strafe ist also die durch eine Statusminderung des Täters bewirkte Wiedervergeltung eines Unrechts zwecks Wiederherstellung des Rechts. Der Verbrecher wird bestraft bedeutet also: dem Täter wird Leid angetan, und es muss ihm Leid zugefügt werden, damit das Recht, das er wiederum beleidigt hatte, trotz dieser Desavouierung seinen alten Geltungsanspruch beibehalten kann, als wäre nichts geschehen. Durch die Negation der Negation des Rechts ist alles wieder gut. Die Botschaft, die vom Rechtsbruch ausging - dass man nämlich das Gesetz nicht zu befolgen braucht - wird dadurch öffentlichkeitswirksam wieder einkassiert. Die Strafe sendet die Botschaft aus: wer glaubt, er könne sich über das Recht hinwegsetzen, der wird schon sehen, was er davon hat. Nämlich die Erfahrung, zwangsweise dem Rechtsbefehl unterworfen zu werden - und das ist für den, den es trifft, mit Sicherheit und übrigens auch absichtlich eine überaus leidvolle Erfahrung.
 
=== Normvalidierung ohne Strafe? ===
Gibt es auch Möglichkeiten der Normvalidierung ohne Strafe? Restorative Justice.
 
 
 
== Strafe und Behandlung: ein Widerspruch ==
Die Rolle des Täters im Strafkontext ist diejenige eines Mediums symbolischer Kommunikation. An ihm soll gezeigt werden, was demjenigen widerfährt, der sich gegen das Recht aufgelehnt hat. Der Sinn der Strafe impliziert also, dass dem Täter wegen seiner Tat ein Übel, eine schmerzhate und leidvolle Erfahrung zugefügt werden muss. Der Mensch, der sich selbst zum Herrn über das Recht aufgeschwungen hatte, wird also gedemütigt. Er wird zum Instrument eines staatlichen Schauspiels - eines Lehrstück - gemacht: sehet, was passiert, wenn ihr euch auflehnt. Dann werdet ihr euer Tun büßen müssen. Ihr müsst leiden.  
Die Rolle des Täters im Strafkontext ist diejenige eines Mediums symbolischer Kommunikation. An ihm soll gezeigt werden, was demjenigen widerfährt, der sich gegen das Recht aufgelehnt hat. Der Sinn der Strafe impliziert also, dass dem Täter wegen seiner Tat ein Übel, eine schmerzhate und leidvolle Erfahrung zugefügt werden muss. Der Mensch, der sich selbst zum Herrn über das Recht aufgeschwungen hatte, wird also gedemütigt. Er wird zum Instrument eines staatlichen Schauspiels - eines Lehrstück - gemacht: sehet, was passiert, wenn ihr euch auflehnt. Dann werdet ihr euer Tun büßen müssen. Ihr müsst leiden.  


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''Damit hätten wir schon eine erste These: die staatliche und gesellschaftliche Grundfunktion der Strafe hat keinen Platz für Behandlung. Behandlung ist der Bestrafung fremd.''
''Damit hätten wir schon eine erste These: die staatliche und gesellschaftliche Grundfunktion der Strafe hat keinen Platz für Behandlung. Behandlung ist der Bestrafung fremd.''


== Der Einbruch des Behandlungsgedankens ==
== Aufstieg und Fall des Behandlungsgedankens ==
Dennoch wird heute behandelt. Wie wir alle wissen. Und zwar innerhalb eines Rahmens, in dem den Menschen ganz absicht Schaden zugefügt werden soll. Behandlung im Strafkontext heißt eben: tut den Menschen Gutes innerhalb eines Bezugsrahmens, in dem es darum geht, ihnen Schlechtes widerfahren zu lassen. Und tut das mit aller Kraft, mit allem Wissen und allen professionellen Fähigkeiten, die ihr euch in eurer teuren Ausbildung angeeignet habt. Tut alles, um das Wohlbefinden und den Zustand derjenigen zu bessern, deren Zustand und Wohlbefinden wir gleichzeitig verschlechtern, indem wir sie für Jahre ihres Lebens aus der Freiheit herausreißen, aus ihren sozialen und emotionalen Bezügen, und sie in die Einsamkeit des Gefängnisses verfrachten. Gregory Bateson hätte womöglich diagnostiziert, dass hier nicht nur die Gefangenen, sondern auch die Behandler im Strafvollzug - wenn nicht sogar alle Bediensteten - einer Situation der [http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelbindungstheorie Doppelbindung] ausgesetzt werden. Und wenn das so wäre, dann wäre damit zu rechnen, dass alle, die in dieser Situation mitzumachen haben, einer schweren Dauerbelastung unterworfen wären - und mit entsprechenden Folgen zu rechnen hätten. Für das System würde sich das in der Form von Qualitäts- und Krankheitskosten ausdrücken.  
Dennoch wird heute behandelt. Wie wir alle wissen. Und zwar innerhalb eines Rahmens, in dem den Menschen ganz absicht Schaden zugefügt werden soll. Behandlung im Strafkontext heißt eben: tut den Menschen Gutes innerhalb eines Bezugsrahmens, in dem es darum geht, ihnen Schlechtes widerfahren zu lassen. Und tut das mit aller Kraft, mit allem Wissen und allen professionellen Fähigkeiten, die ihr euch in eurer teuren Ausbildung angeeignet habt. Tut alles, um das Wohlbefinden und den Zustand derjenigen zu bessern, deren Zustand und Wohlbefinden wir gleichzeitig verschlechtern, indem wir sie für Jahre ihres Lebens aus der Freiheit herausreißen, aus ihren sozialen und emotionalen Bezügen, und sie in die Einsamkeit des Gefängnisses verfrachten. Gregory Bateson hätte womöglich diagnostiziert, dass hier nicht nur die Gefangenen, sondern auch die Behandler im Strafvollzug - wenn nicht sogar alle Bediensteten - einer Situation der [http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelbindungstheorie Doppelbindung] ausgesetzt werden. Und wenn das so wäre, dann wäre damit zu rechnen, dass alle, die in dieser Situation mitzumachen haben, einer schweren Dauerbelastung unterworfen wären - und mit entsprechenden Folgen zu rechnen hätten. Für das System würde sich das in der Form von Qualitäts- und Krankheitskosten ausdrücken.  


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Seither haben wir ein System von Strafen, das Behandlung nicht aus-, sondern einschließt. Aus historischer Perspektive gibt es heute also nicht viel zu klagen und zu dem Thema [[Behandeln im Strafkontext]] nicht viel zu sagen. Außer vielleicht, dass wir froh sein können, dass wir - da die Strafe nun einmal sein muss - uns immerhin in einer Zeit befinden, in der man die Bestrafung mit einer psychologischen Zuwendung zu vereinbaren sucht, und in der man Vieles und Gutes tut, um sich auch um die Defizite und Leiden derjenigen zu kümmern, die man dann mit einiger Hoffnung auf Legalbewährung in einem für sie selbst und ihre Umwelt besseren Zustand freilässt.
Seither haben wir ein System von Strafen, das Behandlung nicht aus-, sondern einschließt. Aus historischer Perspektive gibt es heute also nicht viel zu klagen und zu dem Thema [[Behandeln im Strafkontext]] nicht viel zu sagen. Außer vielleicht, dass wir froh sein können, dass wir - da die Strafe nun einmal sein muss - uns immerhin in einer Zeit befinden, in der man die Bestrafung mit einer psychologischen Zuwendung zu vereinbaren sucht, und in der man Vieles und Gutes tut, um sich auch um die Defizite und Leiden derjenigen zu kümmern, die man dann mit einiger Hoffnung auf Legalbewährung in einem für sie selbst und ihre Umwelt besseren Zustand freilässt.


=== Sicherheit vs. Resozialisierung ===
=== Kosten des Fortschritts ===
Dieser historische Fortschritt war allerdings nicht kostenlos zu haben, und der Preis bestand und besteht heute noch in den Kosten, die sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Resozialisierungsziel des Strafvollzugs einerseits und dem Erfordernis der Sicherheit des Vollzugs und der Allgemeinheit andererseits ergeben. Denn diese Kosten sind die Kosten des antagonistischen Verhältnisses zwischen Strafkontext und Behandlung.
Dieser historische Fortschritt war allerdings nicht kostenlos zu haben, und der Preis bestand und besteht heute noch in den Kosten, die sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Resozialisierungsziel des Strafvollzugs einerseits und dem Erfordernis der Sicherheit des Vollzugs und der Allgemeinheit andererseits ergeben. Denn diese Kosten sind die Kosten des antagonistischen Verhältnisses zwischen Strafkontext und Behandlung.


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Oder aber die Behandler halten die Spannnungen auf Dauer aus. Das ist wohl der statistische Normalfall. Das heißt aber nicht, dass nichts passiert. Das ist eine Dauerbelastung, die bei Behandlern mehr als bei anderen Psychologinnen und Psychologen zu Stress und den entsprechenden Folgenproblemen führt: zu Aggressionen nach außen oder nach innen, zu Magen-, Rücken-, Kopf- und Schulterschmerzen, zu larvierten Depressionen, Alkoholkonsum, familiären Problemen und so weiter und so fort - letzte Ausfahrt: Burn-Out.
Oder aber die Behandler halten die Spannnungen auf Dauer aus. Das ist wohl der statistische Normalfall. Das heißt aber nicht, dass nichts passiert. Das ist eine Dauerbelastung, die bei Behandlern mehr als bei anderen Psychologinnen und Psychologen zu Stress und den entsprechenden Folgenproblemen führt: zu Aggressionen nach außen oder nach innen, zu Magen-, Rücken-, Kopf- und Schulterschmerzen, zu larvierten Depressionen, Alkoholkonsum, familiären Problemen und so weiter und so fort - letzte Ausfahrt: Burn-Out.


== Zwischen dem individuellen "Was tun?" und dem historischen Zukunftsentwurf ==
== Heilung als Normvalidierung ==
Für jeden einzelnen ist das Beste, was er oder sie tun kann, das Aushalten der Widersprüche, das Zähne-Zusammenbeißen und das Weitermachen wie bisher. Denn wem Gott die Weisheit gegeben hat, das Veränderbare von dem Hinzunehmenden zu unterscheiden, dem wird er auch klar gemacht haben, dass er oder sie als Einzelperson nichts an den Strukturen ändern kann.  
Für jeden einzelnen ist das Beste, was er oder sie tun kann, das Aushalten der Widersprüche, das Zähne-Zusammenbeißen und das Weitermachen wie bisher. Denn wem Gott die Weisheit gegeben hat, das Veränderbare von dem Hinzunehmenden zu unterscheiden, dem wird er auch klar gemacht haben, dass er oder sie als Einzelperson nichts an den Strukturen ändern kann.  


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=== Lob des Kampfesmuts ===
=== Lob des Kampfesmuts ===
Insofern ist zum Thema [[Behandeln im Strafkontext]], bzw.  auf den ersten Blick gar nicht viel zu sagen. Außer vielleicht, dass wir froh sein können, dass wir - da die Strafe nun einmal sein muss (nicht zuletzt, weil sie seit unvordenklichen Zeiten tief im Alltag unserer Hoch- und Populärkultur, in Dichtung und Filmen, im Recht und im Gerechtigkeitsbewusstsein der Bevölkerung verankert ist) - uns immerhin in einer Phase der Zivilisation befinden, in der man nicht einfach pur und simpel durch das An- oder Abschneiden von Körperteilen zu strafen pflegt, sondern das Übel der Strafe so human wie möglich zufügt, die Verurteilten nicht ihres Lebens, sondern allenfalls ihrer Bewegungsfreiheit beraubt und vielleicht nicht alles und nicht einmal genügend, aber doch sehr vieles mit sehr großem Engagement tut, um die vom rechten Wege abgekommenen Mitbürger wieder auf den richtigen Weg zu bringen und damit ihnen und ihrer sozialen Umwelt letztlich doch einen großen Dienst zu erweisen.
In Dankbarkeit und Genugtuung können wir heute auf ein Jahrhundert des Fortschritts zurückblicken. Noch 1912 - vor genau 100 Jahren - gab es noch die Todesstrafe und wenn von der Funktion der Strafe die Rede war, dann war das Paradebeispiel die Todesstrafe. Mit der Frage, ob die Gesellschaft es sich leisten können, auf diese Strafe zu verzichten, setzten sich damals die hervorragendsten Geister überaus konfliktreich auseinander. Unvergessen ist das flammende Plädoyer des Kriminologen Moritz Liepmann zur Abschaffung der Todesstrafe im Jahre 1912 - hier in Wien. Es war der prächtigste Saal der Hofbibliothek, wo Liepmann am Freitag, den 6. September 1912, einen ersten mutigen Versuch machte, die einflussreiche deutschen Juristenschaft zu einer Resolution zur Abschaffung der Todesstrafe im Deutschen Reich zu bewegen - und wo er die Abstimmung verlor. zu sagen, denn auch wenn natürlich nie alle ganz zufrieden sind, wenn es nicht genügend Personal und für das Personal nicht genügend Wertschätzung, nicht genügend Gehalt und nicht genügend Supervision und Weiterbildungsanreize gibt, wenn es immer wieder Konflikte zwischen Behandlungs- und Sicherheitserfordernissen gibt, so ist doch im allgemeinen Bewußtsein im Grunde genommen an den heutigen Verhältnissen, so wie sie nun einmal sind, nicht allzu viel auszusetzen. Alles hat seinen Platz und seine Funktion. Dabei gibt es immer einige Reibungen und Konflikte, aber das muss eben auch sein. Und so gesehen lässt sich eine bessere Welt, die prinzipiell anders organisiert wäre, gar nicht vorstellen. Eine Gesellschaft ohne Strafe ist eine schöne, aber in der Realität eine gefährliche Utopie, auf die sich niemand gerne einließe, wenn sie denn vor der Tür stünde, und wenn schon gestraft werden muss, dann soll es so human, so gerecht, so menschlich und so gesellschaftlich nützlich sein wie nur eben möglich. Und das und nichts anderes ist doch, was wir heute haben.




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*[http://en.wikipedia.org/wiki/Punishment Punishment in: en.wikipedia]
*[http://en.wikipedia.org/wiki/Punishment Punishment in: en.wikipedia]
*[http://www.cogitofoundation.ch/pdf/2004/ReferatFehr.pdf Fehr, Ernst (2004) Die Natur des menschlichen Altruismus]
*[http://www.cogitofoundation.ch/pdf/2004/ReferatFehr.pdf Fehr, Ernst (2004) Die Natur des menschlichen Altruismus]
*[http://www.perlentaucher.de/buch/31911.html Hassemer, Winfried (2009) Warum Strafe sein muss. Perlentaucher-Kurzreferate über Rezensionen]
*[http://www.bpb.de/publikationen/MOXTL4,0,0,Vom_Sinn_und_Zweck_des_Strafens.html#art0 Ostendorf, Heribert: Vom Sinn und Zweck des Strafens (Bundeszentrale für politische Bildung]
*[http://www.bpb.de/publikationen/MOXTL4,0,0,Vom_Sinn_und_Zweck_des_Strafens.html#art0 Ostendorf, Heribert: Vom Sinn und Zweck des Strafens (Bundeszentrale für politische Bildung]
*[http://www.sgipt.org/forpsy/strafe/psystraf0.htm#%C3%84nderungen Sponsel: Psychologie der Strafe]
*[http://www.sgipt.org/forpsy/strafe/psystraf0.htm#%C3%84nderungen Sponsel: Psychologie der Strafe]
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