Freiheitsstrafe (Deutschland): Unterschied zwischen den Versionen

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: ''Exkurs Sicherungsverwahrung: Eine Ausnahme bildet die Zahl der Sicherungsverwahrten, die von 257 Verwahrten im Jahre 2001 bis auf 536 im Jahre 2010 anstieg. Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist. (§66 StGB). Besondere Probleme bereitet die Beurteilung der Prognose. "Erfahrungswissenschaftliche kriminalprognostische Aussagen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen - eine sichere Ja-Nein-Aussage über künftiges kriminelles Verhalten ist nicht möglich." (Volkart 2002: 105). Etwa die Hälfte der auf der Grundlage von Gutachten als gefährlich Eingestuften sitzt in Sicherungsverwahrung, um einen Rückfall zu verhindern, der tatsächlich aber gar nicht eintreten würde. (vgl. Kinzig 2008: 134)''  
: ''Exkurs Sicherungsverwahrung: Eine Ausnahme bildet die Zahl der Sicherungsverwahrten, die von 257 Verwahrten im Jahre 2001 bis auf 536 im Jahre 2010 anstieg. Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist. (§66 StGB). Besondere Probleme bereitet die Beurteilung der Prognose. "Erfahrungswissenschaftliche kriminalprognostische Aussagen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen - eine sichere Ja-Nein-Aussage über künftiges kriminelles Verhalten ist nicht möglich." (Volkart 2002: 105). Etwa die Hälfte der auf der Grundlage von Gutachten als gefährlich Eingestuften sitzt in Sicherungsverwahrung, um einen Rückfall zu verhindern, der tatsächlich aber gar nicht eintreten würde. (vgl. Kinzig 2008: 134)''  


Die Entwicklung der Zahlen der Inhaftierten in den letzten 10 Jahren belegen zwar keinen Aufstieg neoliberalen Sicherheitsdenkens beiderseits des Atlantiks wie ihn Wacquand beschreibt, Beachtung verdienen allerdings die Thesen, wonach heutige Gesellschaften über mindestens drei zentrale Strategien verfügen, um mit unerwünschten Verhältnissen und unerwünschten Verhaltensweisen, also abweichendem Verhalten zu begegnen (Wacquand 2009: 20).
Die Entwicklung der Zahlen der Inhaftierten in den letzten 10 Jahren belegen keinen Aufstieg neoliberalen Sicherheitsdenkens beiderseits des Atlantiks wie ihn Wacquand beschreibt, Beachtung verdienen allerdings die Thesen, wonach heutige Gesellschaften über mindestens drei zentrale Strategien verfügen, um mit unerwünschten Verhältnissen und unerwünschten Verhaltensweisen, also abweichendem Verhalten zu begegnen (Wacquand 2009: 20).


Mit anderen Worten: es konkurrieren drei verschiedene Systeme, die die Zahlen derjenigen, die der Zielgruppe zugerechnet werden, beeinflussen. Es ist erstens das Sozialsystem, das den Betroffenen das [[Existenzminimum]] (Regelsätze (Hilfe zum Lebensunterhalt ([[Arbeitslosengeld II]])) und Wohnraum sicherstellt. Zweitens sind es die Leistungen des Gesundheitssystem; eine These, die Annahme voraussetzt, dass Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, behandlungsbedürftig im Sinne medizinischer Beeinträchtigung sind wie Drogen-, Medikamenten-, Alkoholabhängigkeit oder anderer individueller psychischer Erkrankungen. Und drittens streitet die Kriminlisierung um die gleiche Zielgruppe: der Ruf nach dem Strafrecht um soziale Missstände unsichtbar zu machen (vgl. Wacquand 2009: 20).
Mit anderen Worten: es konkurrieren drei verschiedene Systeme, die die Zahlen derjenigen, die der Zielgruppe zugerechnet werden, beeinflussen. Es ist erstens das Sozialsystem, das den Betroffenen das [[Existenzminimum]] (Regelsätze (Hilfe zum Lebensunterhalt ([[Arbeitslosengeld II]])) und Wohnraum sicherstellt. Zweitens sind es die Leistungen des Gesundheitssystem; eine These, die Annahme voraussetzt, dass Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, behandlungsbedürftig im Sinne medizinischer Beeinträchtigung sind wie Drogen-, Medikamenten-, Alkoholabhängigkeit oder anderer individueller psychischer Erkrankungen. Und drittens streitet die Kriminlisierung um die gleiche Zielgruppe: der Ruf nach dem Strafrecht um soziale Missstände unsichtbar zu machen (vgl. Wacquand 2009: 20).
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