Frank Tannenbaum: Unterschied zwischen den Versionen

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Der einstige Anarchist und Strafgefangene '''Frank Tannenbaum''' (* 04.03.1893 in Brod, Österreich-Ungarn; heute [http://de.wikipedia.org/wiki/Brody_(Ukraine)| Brody, Ukraine]  † 01.06.1969 in New York City), dem eine wohlhabende Philanthropin ein Studium ermöglichte und der zuerst Professor für Kriminologie an der Cornell University war, bevor er in Lateinamerika (und mit der Erforschung der Geschichte der Sklaverei) seine Lebensaufgabe fand, war zugleich der erste Kriminologe, der Abweichung und Kriminalität aus der Perspektive des [http://de.wikipedia.org/wiki/Symbolischer_Interaktionismus symbolischen Interaktionismus] analysierte und die Etikettierung der Außenseiter durch die Instanzen sozialer Kontrolle zum Thema machte. Insofern war er der Begründer der Labeling-Perspektive, auch wenn spätere Generationen glaubten, die von Tannenbaum bereits beschriebenen Etikettierungsvorgänge selbst entdeckt zu haben. Paradoxerweise erschienen Tannenbaums kriminologische Schriften - "Wall Shadows" (1922) und "Crime and the Community" (1938) - zehn Jahre vor, bzw. vier Jahre nach seiner Zeit als Kriminologie-Professor.
Der einstige Anarchist und Strafgefangene '''Frank Tannenbaum''' (* 04.03.1893 in Brod, Österreich-Ungarn; heute [http://de.wikipedia.org/wiki/Brody_(Ukraine)| Brody, Ukraine]  † 01.06.1969 in New York City) war der erste Kriminologe, der Abweichung und Kriminalität aus der Perspektive des [http://de.wikipedia.org/wiki/Symbolischer_Interaktionismus symbolischen Interaktionismus] analysierte und die Etikettierung der Außenseiter durch die Instanzen sozialer Kontrolle zum Thema machte. Insofern war er der Begründer der Labeling-Perspektive, auch wenn spätere Generationen glaubten, die von Tannenbaum bereits beschriebenen Etikettierungsvorgänge selbst entdeckt zu haben.


Die [http://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Tannenbaum deutschsprachige Wikipedia schreibt zur Bedeutung Tannenbaums] für die Kriminologie: "Tannenbaums Konzeption der „Dramatisierung des Bösen“ führte zur weiteren Entwicklung des Symbolischer Interaktionismus|Symbolischen Interaktionismus. Sein kriminologisches Hauptwerk 'Crime and the Community' gilt als die erste Formulierung eines Etikettierungsansatz|etikettierungstheoretischen Ansatzes.Siegfried Lamnek, 'Theorien abweichenden Verhaltens', 7. Aufl., München 2001, S. 219. Unter anderem enthält es die diesbezügliche prägnante Formulierung 'The criminal becomes bad because he is defined as bad'.Frank Tannenbaum, 'Crime and the Community, London 1938, S. 17. Allerdings griffen die späteren Vertreter des Labeling-Approaches (Edwin M. Lemert, Howard S. Becker) vorwiegend nicht direkt auf Tannenbaums Ausführungen zurück, sondern begründeten ihren Ansatz selbständig. Tannenbaum wird daher überwiegend eher als ein Vorläufer denn als eigentlicher Vertreter der kriminalsoziologischen Labeling-Perspektive eingestuft.Siegfried Lamnek, 'Theorien abweichenden Verhaltens', 7. Aufl., München 2001, S. 219."
Die [http://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Tannenbaum deutschsprachige Wikipedia schreibt zur Bedeutung Tannenbaums] für die Kriminologie: "Tannenbaums Konzeption der „Dramatisierung des Bösen“ führte zur weiteren Entwicklung des Symbolischer Interaktionismus|Symbolischen Interaktionismus. Sein kriminologisches Hauptwerk 'Crime and the Community' gilt als die erste Formulierung eines Etikettierungsansatz|etikettierungstheoretischen Ansatzes.Siegfried Lamnek, 'Theorien abweichenden Verhaltens', 7. Aufl., München 2001, S. 219. Unter anderem enthält es die diesbezügliche prägnante Formulierung 'The criminal becomes bad because he is defined as bad'.Frank Tannenbaum, 'Crime and the Community, London 1938, S. 17. Allerdings griffen die späteren Vertreter des Labeling-Approaches (Edwin M. Lemert, Howard S. Becker) vorwiegend nicht direkt auf Tannenbaums Ausführungen zurück, sondern begründeten ihren Ansatz selbständig. Tannenbaum wird daher überwiegend eher als ein Vorläufer denn als eigentlicher Vertreter der kriminalsoziologischen Labeling-Perspektive eingestuft.Siegfried Lamnek, 'Theorien abweichenden Verhaltens', 7. Aufl., München 2001, S. 219."
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Während [[Howard S. Becker]] in seinen "Außenseitern" ausdrücklich auf Tannenbaum und Lemert aufbaut, erklärte Lemert (in: Laub 1979), dass weder Becker noch er selbst sich der Werke Tannenbaums bewußt gewesen seien, als sie ihre Theorien entwickelten. Insgesamt führt der Name Tannenbaum in der Kriminologie heute ein zu seiner theoretischen Bedeutung im Widerspruch stehendes Schattendasein. Praktisch das einzige, was von ihm übrig blieb, sind die Ausdrücke "dramatization of evil" und "the delinquent becomes bad because he is defined as bad".
Während [[Howard S. Becker]] in seinen "Außenseitern" ausdrücklich auf Tannenbaum und Lemert aufbaut, erklärte Lemert (in: Laub 1979), dass weder Becker noch er selbst sich der Werke Tannenbaums bewußt gewesen seien, als sie ihre Theorien entwickelten. Insgesamt führt der Name Tannenbaum in der Kriminologie heute ein zu seiner theoretischen Bedeutung im Widerspruch stehendes Schattendasein. Praktisch das einzige, was von ihm übrig blieb, sind die Ausdrücke "dramatization of evil" und "the delinquent becomes bad because he is defined as bad".
Zu der gehemmten Rezeption seines Werkes mag beigetragen haben, dass die "Wall Shadows" zehn Jahre vor und "Crime and the Community" vier Jahre nach seiner Zeit als Kriminologieprofessor erschienen.


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