Folterdiskussion in Deutschland

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Begriff der Folter

Nach Artikel 1 des Übereinkommen gegen Folter (CAT) ist Folter "jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeine Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind."


Aktuelle Folterdiskussion in Deutschland

Seit September 2002 findet in Deutschland eine öffentlich geführte Diskussion über den Sonderfall der „Rettungsfolter“ im Zusammenhang mit dem absolut geltenden Folterverbot statt. Ausgelöst wurde diese im Zusammenhang mit der Entführung des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler.

Der damalige Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner ordnete im Laufe der Ermittlungen an, dem Täter im Entführungsfall, Magnus Gäfgen, Gewalt anzudrohen, um den Aufenthaltsort des entführten Jungen zu erfahren. Bereits nach der Androhung der Folter verriet Magnus Gäfgen verriet den Ermittlern den Fundort des Vermissten. Zu dieser Zeit gingen die Ermittler davon aus, dass der Junge noch lebte, konnten ihn dann aber nur noch tot auffinden. Magnus Gäfgen wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, gegen Wolfgang Daschner wurde eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen. Dies wurde damit begründet, dass er in ehrenwerter Absicht gehandelt habe, das Leben des Jungen zu retten. Die Befürworter Daschners Verhaltens vertreten den Standpunkt, dass Folter oder Folterandrohung in dem Fall in Ordnung ist, in dem ein Menschenleben gerettet werden kann; die Kritiker berufen sich auf das absolute Folterverbot, durch das ein jeder Mensch vor Folter geschützt sein muss. In diesem Fall stehen sich Moral und das geltende Recht gegenüber. Die Rechtslage allerdings ist eindeutig.


Die Rechtslage

"Die Texte aller einschlägigen Rechtsnormen weisen auf ein absolutes Verbot staatlichen Zwangs zur Herbeiführung von Aussagen durch Personen hin, die sich in Polizeigewahrsam befinden." Folglich ist die Anwendung von Folter ist in Deutschland verboten. Nach Art. 104 I 2 GG "[dürfen] festgehaltene Personen [...] weder seelisch noch körperlich misshandelt werden". Dieser Artikel aus dem Verfassungs- und Völkerrecht gründet auf Art. 1 I GG "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Dieser Schutz gilt für alle Menschen gleichermaßen und Ausnahmen sind hierbei nicht vorgesehen. Auch im Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist dies enthalten. Dabei ist die Europäische Menschenrechtskonvention nur eine von mehreren internationalen Abkommen, die eine Ächtung bzw. ein Verbot der Folter beinhalten. Verfassungsrechtlich wird folglich damit argumentiert, dass die Schmerzandrohung der Frankfurter Polizei die Menschenwürde des Täters verletzte. Daher ist diese Androhung verfassungswidrig. Der Schutz der Menschenwürde ist ein absolutes Rechtsgut, d. h., er darf nicht gegen andere Rechte, auch nicht gegen das Recht auf Leben oder die Menschenwürde Dritter, abgewogen werden. Sie verbietet es dem Staat, eine Person zum Objekt staatlichen Handelns zu machen. Jedoch haben sich im rechtswissenschaftlichen Diskurs vermehrt Stimmen gemeldet, die eine Abwägbarkeit oder Abstufung des Menschenwürdegrundsatzes befürworten und damit als logische Konsequenz auch Folter zulassen wollen.

In einigen Fällen wird auf die gesetzlichen Regelungen über Notwehr und Notstand verwiesen (§§ 32 ff. StGB, 228, 904 BGB), um gewisse Verhörmethoden (s.o.) zu rechtfertigen. Das Notwehrrecht gebietet Personen, von sich selbst oder anderen Gefahren abwenden zu dürfen. Für die Polizei gilt dies insofern nicht, als dass sie dem Amtsrecht und nicht dem privaten Notwehrrecht unterliegen. In dem Entführungsfall hätten somit nur Jakob selbst oder seine Eltern sich gegen den Entführer wehren dürfen oder die Eltern nach der Entführung alles Mögliche dafür tun dürfen, um das Versteck ihres Sohnes zu erfahren. Notfalls auch Gewalt. Da vom Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention nach Art. 15 Abs. 2 auch im Notstandsfall „in keinem Fall abgewichen werden“ darf, hätten sowohl die Polizei als auch die Eltern keine Folter anwenden oder androhen dürfen.

Die straf- und bürgerlichrechtlichen Notstandsregelungen begründen somit keine staatlichen Eingriffsbefugnisse, sie entscheiden lediglich über Strafbarkeit und privatrechtliche Ansprüche; zudem unterliegen sie den verfassungsrechtlichen Regelungen und können nicht darüber hinaus angewandt werden (vgl. Art. 1 I GG). Somit bleibt die Würde des Menschen unantastbar.


Literatur

  • Brugger, Winfried:Einschränkung des absoluten Folterverbotes bei Rettungsfolter?.APuZ 36/2006.
  • Bruha, Thomas; Tams, Christian J.: Folter und Völkerrecht. APuZ 36/2006.
  • Reemtsema, Jan P.(2005): Folter im Rechtsstaat?.

Weblinks