Folterdiskussion in Deutschland: Unterschied zwischen den Versionen

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== Geschichte ==
== Die ältere Diskussion ==
Die Folter wurde in Deutschland bis ins 16. Jahrhundert hinein weitgehend willkürlich und ohne Beachtung der von der Rechtswissenschaft erarbeiteten Indizienlehre angewendet. Die Tendenz zur stärkeren Reglementierung fand ihren Niederschlag in der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) von 1532. [Vgl. Art. Carolina] Die Carolina übernahm weitgehend die Lehren der italienischen Rechtslehrer und bot den Ausgangs- und Bezugspunkt für die späteren Handbücher deutscher Autoren zum Strafprozessrecht. Obwohl die Carolina in fast allen deutschen Territorien als gültig betrachtet wurde, war ihre Anwendung in der Gerichtspraxis beeinträchtigt durch die unzureichende Ausbildung vieler Richter, das Fortleben alter Rechtstraditionen und die mangelnden Kontrollmöglichkeiten innerhalb der kompliziert strukturierten Gerichtsverfassungen. Die Folterpraxis in deutschen Territorien der Frühen Neuzeit ist bislang nur unzureichend erforscht. Selbst im 18. Jahrhundert scheinen Gesetzesnorm und Gerichtspraxis häufig noch nicht übereingestimmt zu haben.   
Die Folter wurde in Deutschland bis ins 16. Jahrhundert hinein weitgehend willkürlich und ohne Beachtung der von der Rechtswissenschaft erarbeiteten Indizienlehre angewendet. Die Tendenz zur stärkeren Reglementierung fand ihren Niederschlag in der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) von 1532. [Vgl. Art. Carolina] Die Carolina übernahm weitgehend die Lehren der italienischen Rechtslehrer und bot den Ausgangs- und Bezugspunkt für die späteren Handbücher deutscher Autoren zum Strafprozessrecht. Obwohl die Carolina in fast allen deutschen Territorien als gültig betrachtet wurde, war ihre Anwendung in der Gerichtspraxis beeinträchtigt durch die unzureichende Ausbildung vieler Richter, das Fortleben alter Rechtstraditionen und die mangelnden Kontrollmöglichkeiten innerhalb der kompliziert strukturierten Gerichtsverfassungen. Die Folterpraxis in deutschen Territorien der Frühen Neuzeit ist bislang nur unzureichend erforscht. Selbst im 18. Jahrhundert scheinen Gesetzesnorm und Gerichtspraxis häufig noch nicht übereingestimmt zu haben.   


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Grundsätzlich unterlag die Folter einer Einteilung in verschiedene Grade, über deren Anwendung nach der Art der zu erwartenden Strafe, der Schwere der Indizien und der körperlichen Verfassung des Angeklagten entschieden werden sollte. Die Bezeichnung der Foltergrade war uneinheitlich. Grundsätzlich wurde unterschieden zwischen Territion und tatsächlicher Folter. Die Territion bestand in der Androhung der Folter durch den Scharfrichter und dem Vorzeigen der Foltergeräte (Verbalterrition) beziehungsweise im Entkleiden und Fesseln des Angeklagten und dem Anlegen der Geräte (Realterrition). Die tatsächliche Folter wurde wiederum meistens in drei Grade eingeteilt, die entweder als erster, zweiter oder dritter Grad der Folter bezeichnet oder mit Umschreibungen belegt wurden. Häufig wurde der erste Grad als "gelinde" und der zweite als "mäßig", "ziemlich" oder "menschlich" bezeichnet. Der dritte Grad hieß in der Regel ohne weiteren Zusatz "scharfe Frage". Wegen der regionalen und zeitlichen Abweichungen ist eine sichere Zuordnung solcher Umschreibungen nur im Kontext des Einzelfalls möglich.  
Grundsätzlich unterlag die Folter einer Einteilung in verschiedene Grade, über deren Anwendung nach der Art der zu erwartenden Strafe, der Schwere der Indizien und der körperlichen Verfassung des Angeklagten entschieden werden sollte. Die Bezeichnung der Foltergrade war uneinheitlich. Grundsätzlich wurde unterschieden zwischen Territion und tatsächlicher Folter. Die Territion bestand in der Androhung der Folter durch den Scharfrichter und dem Vorzeigen der Foltergeräte (Verbalterrition) beziehungsweise im Entkleiden und Fesseln des Angeklagten und dem Anlegen der Geräte (Realterrition). Die tatsächliche Folter wurde wiederum meistens in drei Grade eingeteilt, die entweder als erster, zweiter oder dritter Grad der Folter bezeichnet oder mit Umschreibungen belegt wurden. Häufig wurde der erste Grad als "gelinde" und der zweite als "mäßig", "ziemlich" oder "menschlich" bezeichnet. Der dritte Grad hieß in der Regel ohne weiteren Zusatz "scharfe Frage". Wegen der regionalen und zeitlichen Abweichungen ist eine sichere Zuordnung solcher Umschreibungen nur im Kontext des Einzelfalls möglich.  


Meistens waren dem ersten Foltergrad die Anwendung der Daumen- und Beinschrauben oder das Schnüren zugeordnet. Der zweite Grad bestand zumeist aus einer Form der Streckfolter, die auch mit dem Anlegen der Beinschrauben kombiniert werden konnte. Beim dritten Foltergrad waren prinzipiell alle gebräuchlichen Instrumente und Methoden zulässig. Häufig wurde hier die Streckfolter mit dem Brennen kombiniert.  
Meistens waren dem ersten Foltergrad die Anwendung der Daumen- und Beinschrauben oder das Schnüren zugeordnet. Der zweite Grad bestand zumeist aus einer Form der Streckfolter, die auch mit dem Anlegen der Beinschrauben kombiniert werden konnte. Beim dritten Foltergrad waren prinzipiell alle gebräuchlichen Instrumente und Methoden zulässig. Häufig wurde hier die Streckfolter mit dem Brennen kombiniert.
 
 


== Seit 2001 ==
== Seit 2001 ==

Version vom 29. Juni 2009, 23:50 Uhr

Das 17. Jahrhundert war die Zeit der intensivsten Folterdiskussion in Deutschland: man stritt um die Frage, ob die Folter - deren Voraussetzungen und Methoden im Strafrecht der Zeit bis in alle Einzelheiten geregelt waren - durch andere und bessere Formen der Wahrheitsfindung ersetzt werden könne. Wesentlich schwächer ausgeprägt war und ist die im 21. Jahrhundert beginnende Diskussion um die Frage, ob die Folter nicht doch wieder in Ausnahmefällen - nämlich zur Rettung von Menschenleben ("Rettungsfolter") - in die Rechtsordnung aufgenommen werden sollte.


Die ältere Diskussion

Die Folter wurde in Deutschland bis ins 16. Jahrhundert hinein weitgehend willkürlich und ohne Beachtung der von der Rechtswissenschaft erarbeiteten Indizienlehre angewendet. Die Tendenz zur stärkeren Reglementierung fand ihren Niederschlag in der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) von 1532. [Vgl. Art. Carolina] Die Carolina übernahm weitgehend die Lehren der italienischen Rechtslehrer und bot den Ausgangs- und Bezugspunkt für die späteren Handbücher deutscher Autoren zum Strafprozessrecht. Obwohl die Carolina in fast allen deutschen Territorien als gültig betrachtet wurde, war ihre Anwendung in der Gerichtspraxis beeinträchtigt durch die unzureichende Ausbildung vieler Richter, das Fortleben alter Rechtstraditionen und die mangelnden Kontrollmöglichkeiten innerhalb der kompliziert strukturierten Gerichtsverfassungen. Die Folterpraxis in deutschen Territorien der Frühen Neuzeit ist bislang nur unzureichend erforscht. Selbst im 18. Jahrhundert scheinen Gesetzesnorm und Gerichtspraxis häufig noch nicht übereingestimmt zu haben.

Die offizielle Abschaffung der Folter begann im 18. Jahrhundert (Preußen 1740 / 1754) und endete im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts (Baden 1831). Während man diese Entwicklung bislang vor allem mit Änderungen im Beweisrecht erklärt hat, scheint der Einfluss aufklärerischen Gedankenguts doch weit bedeutender gewesen zu sein. Für die Verurteilung zur Todesstrafe blieb der formale Vollbeweis durch Geständnis oder Tatzeugen weiterhin erforderlich. Der Verzicht auf das erfolterte Geständnis wurde aber dadurch erleichtert, dass an Stelle von Todesstrafen immer öfter langjährige Zwangsarbeitsstrafen verhängt wurden. In fast allen Territorien ersetzte man die Folter zunächst durch die Anwendung von Schlägen oder Beugehaft gegenüber leugnenden Verdächtigen. Diese "Ungehorsamsstrafen" blieben bis ins 19. Jahrhundert hinein gebräuchlich.

Im Hexenprozess wurde die Anwendung der Folter bereits seit dem späten 17. Jahrhundert zunehmend eingeschränkt. Dies resultierte offenbar aus einer wachsenden Skepsis gegenüber dem Inhalt von erfolterten Hexereigeständnissen, führte aber nicht zu einer generellen Ablehnung der Folter als Mittel der Wahrheitserforschung. Noch 1745 bezeichnete Zedlers Großes Universallexikon die Folter als „eine dem gemeinen Besten sehr nützliche, ja nothwendige Sache“, und die Abschaffung der Folter erfolgte in der Anfangsphase gegen den Widerstand weiter Teile des Juristenstandes.

2. Indizienrecht Die Folter war notwendig, weil im frühneuzeitlichen Strafprozess eine Verurteilung zu Leibes- oder Lebensstrafen nur zulässig war, wenn die Aussage zweier glaubwürdiger Tatzeugen oder ein Geständnis des Täters vorlag (Vollbeweis). Gefoltert werden sollte nur, wenn einerseits keine zwei Tatzeugen vorhanden waren, andererseits die Täterschaft des leugnenden Verdächtigen so gut wie bewiesen war (Halbbeweis). Bereits die Carolina wies auf die Unmöglichkeit hin, feste Regeln dafür aufzustellen, wann der zur Folterverhängung nötige Halbbeweis vorlag (Carolina Artikel 24). Grundsätzlich sollte die Folter zulässig sein, wenn ein Gegenstand aus dem Besitz des Verdächtigen am Tatort gefunden wurde, wenn ein einzelner glaubwürdiger Zeuge die Tat beobachtet hatte, wenn ein verurteilter Verbrecher einen anderen glaubwürdig als Komplizen angab ("Besagung"), wenn der Verdächtige ein außergerichtliches Geständnis ablegte oder wenn er das fragliche Verbrechen kurz vor seiner Ausführung angedroht hatte (Carolina Artikel 29-32). Diese Indizien machten jeweils für sich allein einen Halbbeweis aus. Andere Indizien, die jeweils mit zwei Zeugen zu beweisen waren, konnten zu diesem Zweck hinzugezogen werden: Neben verdächtigen Handlungen, dem Umgang mit verdächtigen Personen oder dem Besitz verdächtiger Gegenstände war dabei regelmäßig der Leumund des Verdächtigen entscheidend (Carolina Art. 25-26). Das Indizienrecht der Carolina wurde in den frühneuzeitlichen Strafrechtshandbüchern umfassend erläutert und ergänzt. Trotz allem blieb den Richtern in der Praxis ein breiter Ermessensspielraum, der - gerade auch in Hexenprozessen - eine ausufernde Folterpraxis ermöglichte.

3. Foltermethoden und Foltergrade Abgesehen von einzelnen Exzessen und lokalen Besonderheiten war das Repertoire der gebräuchlichen Foltermethoden begrenzt. Im frühneuzeitlichen Deutschland waren dies vor allem die Anwendung von Daumen- oder Schienbeinschrauben, das Zusammenquetschen der Unterarme mit Seilen ("Schnüren"), die Streckfolter mit Folterleiter, Streckbank oder Seilzug ("Aufziehen") und das Verbrennen von Teilen der Haut mit Schwefel, Kerzen oder Fackeln. [Vgl. Art. Folterinstrumente] In einzelnen Regionen kamen dazu noch das Auspeitschen oder das stundenlange Einspannen in Geräte, die nur äußerst unbequeme Körperhaltungen zuließen (zum Beispiel "Bock", "Mecklenburgisches Instrument"). Die verschiedenen Foltermethoden wurden vielerorts kombiniert; an manchen Orten beschränkte man sich aber auch auf eine einzelne Methode, deren Intensität dann durch die Dauer ihrer Anwendung variiert wurde.

Grundsätzlich unterlag die Folter einer Einteilung in verschiedene Grade, über deren Anwendung nach der Art der zu erwartenden Strafe, der Schwere der Indizien und der körperlichen Verfassung des Angeklagten entschieden werden sollte. Die Bezeichnung der Foltergrade war uneinheitlich. Grundsätzlich wurde unterschieden zwischen Territion und tatsächlicher Folter. Die Territion bestand in der Androhung der Folter durch den Scharfrichter und dem Vorzeigen der Foltergeräte (Verbalterrition) beziehungsweise im Entkleiden und Fesseln des Angeklagten und dem Anlegen der Geräte (Realterrition). Die tatsächliche Folter wurde wiederum meistens in drei Grade eingeteilt, die entweder als erster, zweiter oder dritter Grad der Folter bezeichnet oder mit Umschreibungen belegt wurden. Häufig wurde der erste Grad als "gelinde" und der zweite als "mäßig", "ziemlich" oder "menschlich" bezeichnet. Der dritte Grad hieß in der Regel ohne weiteren Zusatz "scharfe Frage". Wegen der regionalen und zeitlichen Abweichungen ist eine sichere Zuordnung solcher Umschreibungen nur im Kontext des Einzelfalls möglich.

Meistens waren dem ersten Foltergrad die Anwendung der Daumen- und Beinschrauben oder das Schnüren zugeordnet. Der zweite Grad bestand zumeist aus einer Form der Streckfolter, die auch mit dem Anlegen der Beinschrauben kombiniert werden konnte. Beim dritten Foltergrad waren prinzipiell alle gebräuchlichen Instrumente und Methoden zulässig. Häufig wurde hier die Streckfolter mit dem Brennen kombiniert.

Seit 2001

Weltweit lebte die Praxis und die Diskussion über die Folter im Zusammenhang der Reaktionen auf den 11. September wieder auf. Zu den nicht-terrorismus-bezogenen Fällen, die diese Diskussion in Deutschland außerdem beeinflussten, gehörte der Fall des Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner, der im September 2002 durch Androhung physischer Gewalt von dem mutmaßlichen Entführer eines Bankier-Sohnes dessen Aufenthaltsort zu erfahren gesucht hatte („Rettungsfolter“).

Der damalige Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner ordnete im Laufe der Ermittlungen an, dem Täter im Entführungsfall, Magnus Gäfgen, Gewalt anzudrohen, um den Aufenthaltsort des entführten Jungen zu erfahren. Bereits nach Androhung der Folter verriet Magnus Gäfgen den Ermittlern den Ablageort des Vermissten. Die Ermittler waren davon ausgegangen, dass der Junge noch lebe, konnten ihn dann aber nur tot bergen. Magnus Gäfgen wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, gegen Wolfgang Daschner wurde eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen. Dies wurde damit begründet, dass er in der ehrenwerten Absicht gehandelt habe, das Leben des Jungen zu retten. Die Befürworter von Daschners Verhalten vertreten den Standpunkt, dass Folter oder Folterandrohung für den Fall in Ordnung sei, dass ein Menschenleben gerettet werden kann; die Kritiker berufen sich auf das absolute Folterverbot, durch das ein jeder Mensch vor Folter geschützt sein muss. In diesem Fall stehen sich Moral und das geltende Recht gegenüber. Die Rechtslage allerdings ist eindeutig.

Die Rechtslage

"Die Texte aller einschlägigen Rechtsnormen weisen auf ein absolutes Verbot staatlichen Zwangs zur Herbeiführung von Aussagen durch Personen hin, die sich in Polizeigewahrsam befinden." Folglich ist die Anwendung von Folter ist in Deutschland verboten. Nach Art. 104 I 2 GG "[dürfen] festgehaltene Personen [...] weder seelisch noch körperlich misshandelt werden". Dieser Artikel aus dem Verfassungs- und Völkerrecht gründet auf Art. 1 I GG "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Dieser Schutz gilt für alle Menschen gleichermaßen und Ausnahmen sind hierbei nicht vorgesehen. Auch im Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist dies enthalten. Dabei ist die Europäische Menschenrechtskonvention nur eine von mehreren internationalen Abkommen, die eine Ächtung bzw. ein Verbot der Folter beinhalten. Verfassungsrechtlich wird folglich damit argumentiert, dass die Schmerzandrohung der Frankfurter Polizei die Menschenwürde des Täters verletzte. Daher ist diese Androhung verfassungswidrig. Der Schutz der Menschenwürde ist ein absolutes Rechtsgut, d. h., er darf nicht gegen andere Rechte, auch nicht gegen das Recht auf Leben oder die Menschenwürde Dritter, abgewogen werden. Sie verbietet es dem Staat, eine Person zum Objekt staatlichen Handelns zu machen. Jedoch haben sich im rechtswissenschaftlichen Diskurs vermehrt Stimmen gemeldet, die eine Abwägbarkeit oder Abstufung des Menschenwürdegrundsatzes befürworten und damit als logische Konsequenz auch Folter zulassen wollen.

In einigen Fällen wird auf die gesetzlichen Regelungen über Notwehr und Notstand verwiesen (§§ 32 ff. StGB, 228, 904 BGB), um gewisse Verhörmethoden (s.o.) zu rechtfertigen. Das Notwehrrecht gebietet Personen, von sich selbst oder anderen Gefahren abwenden zu dürfen. Für die Polizei gilt dies insofern nicht, als dass sie dem Amtsrecht und nicht dem privaten Notwehrrecht unterliegen. In dem Entführungsfall hätten somit nur Jakob selbst oder seine Eltern sich gegen den Entführer wehren dürfen oder die Eltern nach der Entführung alles Mögliche dafür tun dürfen, um das Versteck ihres Sohnes zu erfahren. Notfalls auch Gewalt. Da vom Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention nach Art. 15 Abs. 2 auch im Notstandsfall „in keinem Fall abgewichen werden“ darf, hätten sowohl die Polizei als auch die Eltern keine Folter anwenden oder androhen dürfen.

Die straf- und bürgerlichrechtlichen Notstandsregelungen begründen somit keine staatlichen Eingriffsbefugnisse, sie entscheiden lediglich über Strafbarkeit und privatrechtliche Ansprüche; zudem unterliegen sie den verfassungsrechtlichen Regelungen und können nicht darüber hinaus angewandt werden (vgl. Art. 1 I GG). Somit bleibt die Würde des Menschen unantastbar.


Literatur

  • Brugger, Winfried (2006) Einschränkung des absoluten Folterverbotes bei Rettungsfolter?.APuZ 36/2006: .
  • Bruha, Thomas; Tams, Christian J.: Folter und Völkerrecht. APuZ 36/2006: .
  • Ignor, Alexander (2002) Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846. Von der Carolina Karls V. bis zu den Reformen des Vormärz, Paderborn.
  • Jerouschek, Günter (1998) Thomasius und Beccaria als Folterkritiker. Überlegungen zum Kritikpotential im kriminalwissenschaftlichen Diskurs der Aufklärung, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 110: 658-673.
  • Peters, Edward: Folter. Geschichte der peinlichen Befragung, 1. Aufl., Hamburg 1992, 2. Aufl. 2003 (ohne den Anhang der 2. engl. Aufl. von 1996).
  • Reemtsma, Jan Philipp (2005): Folter im Rechtsstaat? Hamburg: Hamburger Edition.
  • Sabadell da Silva, Ana Lucia (2002) Tormenta juris permissione. Folter und Strafverfahren auf der Iberischen Halbinsel – dargestellt am Beispiel Kastiliens und Kataloniens, Berlin.
  • Schild, Wolfgang: Von peinlicher Frag. Die Folter als rechtliches Beweisverfahren, Rothenburg o. d. Tauber o. J. [2001].
  • Schmidt, Eberhard: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl., Göttingen 1965.
  • Schmidt, Eberhard: Inquisitionsprozeß und Rezeption. Studien zur Geschichte des Strafverfahrens in Deutschland vom 13.-16. Jahrhundert, in: Festschrift Heinrich Siber (Leipziger rechtswissenschaftliche Studien; 124), Leipzig 1941.
  • Schmoeckel, Mathias: Humanität und Staatsraison. Die Abschaffung der Folter in Europa und die Entwicklung des gemeinen Strafprozeß- und Beweisrechts seit dem hohen Mittelalter, Köln 2000.
  • Schwerhoff, Gerd: Köln im Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt, Bonn u.a. 1991.
  • Thomasius, Christian: Über die Folter. Untersuchungen zur Geschichte der Folter, hg. und übers. von Rolf Lieberwirth, Weimar 1960.
  • Zagolla, Robert: Im Namen der Wahrheit. Folter in Deutschland vom Mittelalter bis heute, Berlin 2006.
  • Zanger, Johannes: Tractatus de quaestionibus seu torturis reorum, Wittenberg 1593.
  • Zedler, Johann Heinrich (Hg.): Grosses vollständiges Universal-Lexikon Aller Wissenschaften und Künste, Welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden [...], Bd. 44, Leipzig-Halle 1745 (ND Graz 1962).
  • Zwetsloot, Hugo: Friedrich Spee und die Hexenprozesse. Die Stellung und Bedeutung der Cautio criminalis in der Geschichte der Hexenverfolgungen, Trier 1954.



Weblinks