Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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Verfasser: Udo Hansen (Kriminologie M.A., 1. Sem.)
==Der Erziehungsgedanke im materiellen Jugendstrafrecht==


Gliederung:
1. Der Erziehungsgedanke in materiellen Jugendstrafrecht
2. Die Legitimation des Erziehungsgedankens
3. Die stationären Maßnahmen in der Praxis
4. Der Erziehungsgedanke und die Erziehungswissenschaft
5. Abschied, Beibehaltung oder Reformulierung des Erziehungsgedankens
6. Literatur
1. Der Erziehungsgedanke im materiellen Jugendstrafrecht


Da die Spezifität des formellen Teiles des Jugendgerichtsgesetzes nach einer gesonderten Darstellung verlangt, beschäftigt sich dieser Artikel schwerpunktmäßig mit dem materiellen Jugendstrafrecht. Das Ziel jugendstrafrechtlicher Erziehung besteht darin, weitere Delikte des Beschuldigten zu verhindern, wobei die Generalprävention im Sinne der Abschreckung anderer nach durchgehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes selbst bei schwerer Schuld kein Strafziel des Jugendstrafrechts ist. Die Struktur des formellen Rechtsfolgensystems ergibt sich dabei aus  
Da die Spezifität des formellen Teiles des Jugendgerichtsgesetzes nach einer gesonderten Darstellung verlangt, beschäftigt sich dieser Artikel schwerpunktmäßig mit dem materiellen Jugendstrafrecht. Das Ziel jugendstrafrechtlicher Erziehung besteht darin, weitere Delikte des Beschuldigten zu verhindern, wobei die Generalprävention im Sinne der Abschreckung anderer nach durchgehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes selbst bei schwerer Schuld kein Strafziel des Jugendstrafrechts ist. Die Struktur des formellen Rechtsfolgensystems ergibt sich dabei aus  
§ 5 JGG. Das Jugendgerichtsgesetz nimmt in § 5 I und II eine Dreiteilung der Rechtsfolgen in Erziehungsmaßregeln (§§ 9 - 12), Zuchtmittel (§§ 13 -16) und Jugendstrafe (§§ 17 - 30) vor. Eng verwandt mit der Jugendstrafe sit die Untersuchungshaft; denn die U - Haft unterscheidet sich faktisch nicht wesentlich von der Strafhaft. Hier wie dort ist das zentrale Element das Eingesperrtsein.
§ 5 JGG. Das Jugendgerichtsgesetz nimmt in § 5 I und II eine Dreiteilung der Rechtsfolgen in Erziehungsmaßregeln (§§ 9 - 12), Zuchtmittel (§§ 13 -16) und Jugendstrafe (§§ 17 - 30) vor. Eng verwandt mit der Jugendstrafe ist die Untersuchungshaft; denn die U - Haft unterscheidet sich faktisch nicht wesentlich von der Strafhaft. Hier wie dort ist das zentrale Element das Eingesperrtsein.


Die Erziehungsmaßregeln (§ 9 JGG) dienen der Erziehung, da sie den ausschließlichen Zweck verfolgen, die durch die Tat erkennbar gewordenen Erziehungsmängel zu beseitigen. Somit dürfen bei ihrer Anordnung und Auswahl nur erzieherische Gesichtspunkte, nicht aber Vergeltung, Sühne und Schutz der Allgemeinheit berücksichtigt werden. Wenn auch die Zuchtmittel (§ 13 JGG) neben dem erzieherischen Ziel die Sanktionszwecke der Sühne und der Vergeltung verfolgen, so müssen sie aber vor allem danach ausgewählt werden, daß sie erzieherisch positiv wirken.
Die Erziehungsmaßregeln (§ 9 JGG) dienen der Erziehung, da sie den ausschließlichen Zweck verfolgen, die durch die Tat erkennbar gewordenen Erziehungsmängel zu beseitigen. Somit dürfen bei ihrer Anordnung und Auswahl nur erzieherische Gesichtspunkte, nicht aber Vergeltung, Sühne und Schutz der Allgemeinheit berücksichtigt werden. Wenn auch die Zuchtmittel (§ 13 JGG) neben dem erzieherischen Ziel die Sanktionszwecke der Sühne und der Vergeltung verfolgen, so müssen sie aber vor allem danach ausgewählt werden, daß sie erzieherisch positiv wirken.
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Mithin scheint der Erziehungstopos und die Verknüpfung von Verbrechen und Erziehung dazu ausersehen, die soziale Kontrolle auszudehnen und zu intensivieren sowie ferner den repressiven Strafcharakter von Sanktionen zu verschleiern. Damit soll nicht gesagt werden, daß dies ausnahmslos der Fall ist; dennoch dürfte Erziehung im Jugendstrafrecht in erster Linie eine Ideologie beinhalten.  
Mithin scheint der Erziehungstopos und die Verknüpfung von Verbrechen und Erziehung dazu ausersehen, die soziale Kontrolle auszudehnen und zu intensivieren sowie ferner den repressiven Strafcharakter von Sanktionen zu verschleiern. Damit soll nicht gesagt werden, daß dies ausnahmslos der Fall ist; dennoch dürfte Erziehung im Jugendstrafrecht in erster Linie eine Ideologie beinhalten.  


2. Die Legitimation des Erziehungsgedankens
==Die Legitimation des Erziehungsgedankens ==
 


Zwar hat das Jugendstrafrecht eine eigene Gerichtsverfassung, eigene Sanktionen und partiell auch eigene Strafprozeßregeln bekommen; doch es hat den Verbrechensbegriff des allgemeinen Strafrechts beibehalten. Die Gleichbehandlung von Jugendlichen und Heranwachsenden einerseits und von Erwachsenen andererseits geschieht folglich durch die identische Typisierung ihres jeweiligen Verhaltens auf der Grundlage eines einheitlichen Katalogs von Straftatbeständen im Strafgesetzbuch einschließlich seiner Nebengesetze wie vor allem des Betäubungsmittelgesetzes. Entwicklungspsychologisch und erziehungswissenschaftlich kann dieses Konzept jedoch nicht überzeugen, weil die Normen des Strafgesetzbuches die jugendspezifischen Interaktionsformen nur unzureichend zu erfassen vermögen und unterschiedliche Verhaltensprägungen Erwachsener und Jugendlicher unzulässig eingeebnet werden. Wenn auch jugendliches delinquentes Verhalten formal die Voraussetzungen der entsprechenden Straftatbestände erfüllen mag, so widerspricht aber oft die Intentionalität dieser Handlungen der ratio legis der Norm.
Zwar hat das Jugendstrafrecht eine eigene Gerichtsverfassung, eigene Sanktionen und partiell auch eigene Strafprozeßregeln bekommen; doch es hat den Verbrechensbegriff des allgemeinen Strafrechts beibehalten. Die Gleichbehandlung von Jugendlichen und Heranwachsenden einerseits und von Erwachsenen andererseits geschieht folglich durch die identische Typisierung ihres jeweiligen Verhaltens auf der Grundlage eines einheitlichen Katalogs von Straftatbeständen im Strafgesetzbuch einschließlich seiner Nebengesetze wie vor allem des Betäubungsmittelgesetzes. Entwicklungspsychologisch und erziehungswissenschaftlich kann dieses Konzept jedoch nicht überzeugen, weil die Normen des Strafgesetzbuches die jugendspezifischen Interaktionsformen nur unzureichend zu erfassen vermögen und unterschiedliche Verhaltensprägungen Erwachsener und Jugendlicher unzulässig eingeebnet werden. Wenn auch jugendliches delinquentes Verhalten formal die Voraussetzungen der entsprechenden Straftatbestände erfüllen mag, so widerspricht aber oft die Intentionalität dieser Handlungen der ratio legis der Norm.
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Der Erziehungsgedanke ist also strafrechtsdogmatisch und rechtstheoretisch bedenklich und sozialwissenschaftlich durch das Phänomen der Jugendkriminalität so nicht zu legitimieren. Mithin erscheint schon an dieser Stelle der Topos "Erziehung" im Jugendstrafrecht aus erziehungswissenschaftlicher und kriminologischer Sicht als fragwürdiger, wenn nicht gar untauglicher, Begriff.
Der Erziehungsgedanke ist also strafrechtsdogmatisch und rechtstheoretisch bedenklich und sozialwissenschaftlich durch das Phänomen der Jugendkriminalität so nicht zu legitimieren. Mithin erscheint schon an dieser Stelle der Topos "Erziehung" im Jugendstrafrecht aus erziehungswissenschaftlicher und kriminologischer Sicht als fragwürdiger, wenn nicht gar untauglicher, Begriff.


3. Die stationären Maßnahmen in der Praxis
== Die stationären Maßnahmen in der Praxis ==


Die Forschungslage zu der Frage, wie stationäre Sanktionen auf die betroffenen jugendlichen Häftlinge wirken, ist im Ausland zwar teilweise ergiebiger als hierzulande; doch erscheint eine Übertragung dort gewonnener Ergebnisse wegen anderer sozialer Verhältnisse und rechtlicher Grundlagen nicht unmittelbar möglich. Die Studien, die im folgenden zugrundegelegt werden, veranschaulichen auf der Grundlage intensiver Erfahrungen aber, wie der Vollzug tatsächlich ausgestaltet und praktiziert wird. Ob und inwieweit diese Stichproben den Anspruch umfassender Repräsentativität einzulösen vermögen, muß an dieser Stelle offenbleiben.
Die Forschungslage zu der Frage, wie stationäre Sanktionen auf die betroffenen jugendlichen Häftlinge wirken, ist im Ausland zwar teilweise ergiebiger als hierzulande; doch erscheint eine Übertragung dort gewonnener Ergebnisse wegen anderer sozialer Verhältnisse und rechtlicher Grundlagen nicht unmittelbar möglich. Die Studien, die im folgenden zugrundegelegt werden, veranschaulichen auf der Grundlage intensiver Erfahrungen aber, wie der Vollzug tatsächlich ausgestaltet und praktiziert wird. Ob und inwieweit diese Stichproben den Anspruch umfassender Repräsentativität einzulösen vermögen, muß an dieser Stelle offen bleiben.


Die sogenannten "apokryphen", also versteckten, Haftgründe dürften die übertriebene Anordnung von Untersuchungshaft gerade im Jugendstrafrecht erklären. Unter dem Vorwand wohlmeinender Erziehung sollen insbesondere junge Tatverdächtige mit diesem Mittel vor einem weiteren Abgleiten in die Kriminalität bewahrt werden, obwohl so der gesetzliche Subsidiaritäts =
Die sogenannten "apokryphen", also versteckten, Haftgründe dürften die übertriebene Anordnung von Untersuchungshaft gerade im Jugendstrafrecht erklären. Unter dem Vorwand wohlmeinender Erziehung sollen insbesondere junge Tatverdächtige mit diesem Mittel vor einem weiteren Abgleiten in die Kriminalität bewahrt werden, obwohl so der gesetzliche Subsidiaritäts =
grundsatz nach § 72 I 1 JGG, wonach die U - Haft hinter erzieherischen Maßnahmen zurückzutreten habe, geradezu umgekehrt wird. Ferner besteht nach wie vor ein eklatanter Widerspruch zwischen den gesetzlichen Anforderungen an die Untersuchungshaft bei jungen Gefangenen und ihrem Vollzug; von erzieherischer Wirkung und Gestaltung dieser Haft kann nicht gesprochen werden. Sie wird vielmehr von den Häftlingen als besonders krisenhaft erlebt und empfunden.
grundsatz nach § 72 I 1 JGG, wonach die U - Haft hinter erzieherischen Maßnahmen zurückzutreten habe, geradezu umgekehrt wird. Ferner besteht nach wie vor ein eklatanter Widerspruch zwischen den gesetzlichen Anforderungen an die Untersuchungshaft bei jungen Gefangenen und ihrem Vollzug; von erzieherischer Wirkung und Gestaltung dieser Haft kann nicht gesprochen werden. Sie wird vielmehr von den Häftlingen als besonders krisenhaft erlebt und empfunden.


Im Vordergrund der Kritik des Arrestvollzuges steht die sog. "Arrestideologie". Diese verlangt eine Besinnung auf Mittelschichtnormen, obwohl viele Angehörige der Unterschicht inhaftiert sind und in ihrer Sozialisation kaum gelernt haben, sich zu besinnen. Isolierung und Druck bewirkten eine signifikante Zunahme an destruktiven Emotionen und psychosomatischen Zuständen. Sofern besondere erzieherische Maßnahmen durchgeführt werden, liegt deren Wert bestenfalls in der Neutralisation oder Abschwächung der negativen Auswirkungen desw Arrestes.
Im Vordergrund der Kritik des Arrestvollzuges steht die sog. "Arrestideologie". Diese verlangt eine Besinnung auf Mittelschichtnormen, obwohl viele Angehörige der Unterschicht inhaftiert sind und in ihrer Sozialisation kaum gelernt haben, sich zu besinnen. Isolierung und Druck bewirkten eine signifikante Zunahme an destruktiven Emotionen und psychosomatischen Zuständen. Sofern besondere erzieherische Maßnahmen durchgeführt werden, liegt deren Wert bestenfalls in der Neutralisation oder Abschwächung der negativen Auswirkungen des Arrestes.


Das Erscheinungsbild des Jugendstrafvollzugs hat sich seit den 60er Jahren erheblich gewandelt. Aus dem ehemaligen Verwahrvollzug ist - terminologisch und vielfach auch faktisch -
Das Erscheinungsbild des Jugendstrafvollzugs hat sich seit den 60er Jahren erheblich gewandelt. Aus dem ehemaligen Verwahrvollzug ist - terminologisch und vielfach auch faktisch -
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Jenseits einer Begriffsbestimmung, was man denn nun unter Erziehung zu verstehen habe, ergibt sich aus diesen Befunden ein Fazit schon von selbst: Die praktische Umsetzung und Ausgestaltung der stationären Maßnahmen gemäß dem Jugendgerichtsgesetz läßt sich mit einem modernen Verständnis von Erziehung sicherlich nicht vereinbaren.
Jenseits einer Begriffsbestimmung, was man denn nun unter Erziehung zu verstehen habe, ergibt sich aus diesen Befunden ein Fazit schon von selbst: Die praktische Umsetzung und Ausgestaltung der stationären Maßnahmen gemäß dem Jugendgerichtsgesetz läßt sich mit einem modernen Verständnis von Erziehung sicherlich nicht vereinbaren.


4. Der Erziehungsgedanke und die Erziehungswissenschaft
 
== Der Erziehungsgedanke und die Erziehungswissenschaft ==


So unumstritten also der Erziehungsgedanke als Leitziel des Jugendgerichtsgesetzes anzusehen ist, so schwierig ist es auch, dieses Prinzip inhaltlich zu konkretisieren und auszugestalten, so daß der Begriff jugendrechtlicher Erziehung als höchst unscharf und konturenlos zu bezeichnen ist. Er birge keine festen und dauerhaften Inhalte in sich, sondern sei vielmehr als eine Art Chiffre anzusehen, welche lediglich aus unbestimmten Aüßerungen bestehe. Insbesondere Schlüchter findet sich damit nicht ab, da es methodisch und rechtsstaatlich bedenklich sei, den Erziehungsgedanken als bloße Leerformel abzutun. Folglich sei die Erziehungswissenschaft als die "Heimat des Begriffes" aufzusuchen. Dort wird man jedoch bei der Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Literatur mit einer Flut unterschiedlicher Ansätze und Definitionen konfrontiert. Das Schrifttum befördert keine allgemeine oder zumindest überwiegend anerkannte Lehrmeinung, wie der Erziehungsbegriff nun auszulegen und zu definieren sei. Vielmehr ist von Auflösungserscheinungen, Begriffswirrwarr, Sprachverwilderung und Konturenlosigkeit die Rede, der Erziehungsbegriff sei eine Fiktion.
So unumstritten also der Erziehungsgedanke als Leitziel des Jugendgerichtsgesetzes anzusehen ist, so schwierig ist es auch, dieses Prinzip inhaltlich zu konkretisieren und auszugestalten, so daß der Begriff jugendrechtlicher Erziehung als höchst unscharf und konturenlos zu bezeichnen ist. Er birge keine festen und dauerhaften Inhalte in sich, sondern sei vielmehr als eine Art Chiffre anzusehen, welche lediglich aus unbestimmten Aüßerungen bestehe. Insbesondere Schlüchter findet sich damit nicht ab, da es methodisch und rechtsstaatlich bedenklich sei, den Erziehungsgedanken als bloße Leerformel abzutun. Folglich sei die Erziehungswissenschaft als die "Heimat des Begriffes" aufzusuchen. Dort wird man jedoch bei der Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Literatur mit einer Flut unterschiedlicher Ansätze und Definitionen konfrontiert. Das Schrifttum befördert keine allgemeine oder zumindest überwiegend anerkannte Lehrmeinung, wie der Erziehungsbegriff nun auszulegen und zu definieren sei. Vielmehr ist von Auflösungserscheinungen, Begriffswirrwarr, Sprachverwilderung und Konturenlosigkeit die Rede, der Erziehungsbegriff sei eine Fiktion.
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Mithin bleibt festzuhalten, daß ein überzeugendes, (erziehungs-)wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Konzept eines Verständnisses von jugendstrafrechtlicher Erziehung bisher noch nicht entwickelt worden ist.  
Mithin bleibt festzuhalten, daß ein überzeugendes, (erziehungs-)wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Konzept eines Verständnisses von jugendstrafrechtlicher Erziehung bisher noch nicht entwickelt worden ist.  


5. Abschied, Beibehaltung oder Reformulierung des Erziehungsgedankens
 
== Abschied, Beibehaltung oder Reformulierung des Erziehungsgedankens ==


Der Erziehungsbegriff des Jugendgerichtsgesetzes sei beizubehalten, da es nicht nur auf das Ziel der Legalbewährung durch äußere Anpassung, sondern zudem auf die Verinnerlichung der für die Legalbewährung unerläßlichen Werte ankomme. Erziehung im Sinne einer inneren Umkehr dürfe jedoch nicht mit Gewalt erzwungen werden. Insofern sei eine Sanktionierung mit dem Ziel einer Normeninternalisierung abzulehnen. Dem Staat habe es schließlich egal zu sein, aus welcher Motivation heraus die Gesetze befolgt werden. Bei einer Mißachtung dieses Neutralitätsgebotes käme sogar ein Verstoß gegen Art. 2 I, 1 I GG ernsthaft in Betracht. Der "gute Mensch" könne und dürfe mit dem Strafrecht nicht angestrebt werden. Der Erziehungsgedanke als Rechtsprinzip gehöre mehr oder weniger abgeschafft. Als Vehikel für die Zurückdrängung des tatvergeltenden Strafrechts sei der Primat der Erziehung im Jugendstrafrecht beizubehalten. Erziehung sei hierbei als Mittel zum Zweck zu verstehen. Der Zweck bestehe in der Vermittlung der Fähigkeit, weitere Straftaten zu vermeiden. Einfluß oder Zwang auf die Motivation dürfe allerdings nicht ausgeübt werden. Weil die Spezialprävention mit dem Ziel der Legalbewährung begrenzt werden müsse, seien die Rechtsbegriffe der Schuld und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fruchtbar zu machen.
Der Erziehungsbegriff des Jugendgerichtsgesetzes sei beizubehalten, da es nicht nur auf das Ziel der Legalbewährung durch äußere Anpassung, sondern zudem auf die Verinnerlichung der für die Legalbewährung unerläßlichen Werte ankomme. Erziehung im Sinne einer inneren Umkehr dürfe jedoch nicht mit Gewalt erzwungen werden. Insofern sei eine Sanktionierung mit dem Ziel einer Normeninternalisierung abzulehnen. Dem Staat habe es schließlich egal zu sein, aus welcher Motivation heraus die Gesetze befolgt werden. Bei einer Mißachtung dieses Neutralitätsgebotes käme sogar ein Verstoß gegen Art. 2 I, 1 I GG ernsthaft in Betracht. Der "gute Mensch" könne und dürfe mit dem Strafrecht nicht angestrebt werden. Der Erziehungsgedanke als Rechtsprinzip gehöre mehr oder weniger abgeschafft. Als Vehikel für die Zurückdrängung des tatvergeltenden Strafrechts sei der Primat der Erziehung im Jugendstrafrecht beizubehalten. Erziehung sei hierbei als Mittel zum Zweck zu verstehen. Der Zweck bestehe in der Vermittlung der Fähigkeit, weitere Straftaten zu vermeiden. Einfluß oder Zwang auf die Motivation dürfe allerdings nicht ausgeübt werden. Weil die Spezialprävention mit dem Ziel der Legalbewährung begrenzt werden müsse, seien die Rechtsbegriffe der Schuld und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fruchtbar zu machen.


6. Literatur:


ALBRECHT, Hans - Jörg; DÜNKEL, Frieder; SPIEß, Gerhard (1981): Empirische Sanktionsforschung und die Begründbarkeit von Kriminalpolitik, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 64. Jg., H. 5, S. 310 - 326.
== Literatur ==
 
*ALBRECHT, Hans - Jörg; DÜNKEL, Frieder; SPIEß, Gerhard (1981): Empirische Sanktionsforschung und die Begründbarkeit von Kriminalpolitik, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 64. Jg., H. 5, S. 310 - 326.


ALBRECHT, Peter - Alexis: Kriminologie : Ein Studienbuch, München, Beck, 1999 (Kurzlehrbücher für das juristische Studium).
*ALBRECHT, Peter - Alexis: Kriminologie : Ein Studienbuch, München, Beck, 1999 (Kurzlehrbücher für das juristische Studium).


BENNER, Dietrich: Grundstrukturen pädagogischen Denkens und Handelns, in: LENZEN, Dieter (Hrsg.); MOLLENHAUER, Klaus (Hrsg.): Theorien und Grundbegriffe der Erziehung und Bildung, Stuttgart, Klett - Cotta, 1983 (Enzyklopädie Erziehungswissenschaft; Band 1), S. 283 - 300.
*BENNER, Dietrich: Grundstrukturen pädagogischen Denkens und Handelns, in: LENZEN, Dieter (Hrsg.); MOLLENHAUER, Klaus (Hrsg.): Theorien und Grundbegriffe der Erziehung und Bildung, Stuttgart, Klett - Cotta, 1983 (Enzyklopädie Erziehungswissenschaft; Band 1), S. 283 - 300.


BÖHM, Alexander: Einführung in das Jugendstrafrecht, 3. Aufl. München, Beck, 1996 (Schriftenreihe der juristischen Schulung, H. 51).
*BÖHM, Alexander: Einführung in das Jugendstrafrecht, 3. Aufl. München, Beck, 1996 (Schriftenreihe der juristischen Schulung, H. 51).


BREZINKA, Wolfgang: Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft : Analyse, Kritik, Vorschläge, 5., verb. Aufl. München, Reinhardt, 1990 (Gesammelte Schriften / Wolfgang Brezinka, Band 4).
*BREZINKA, Wolfgang: Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft : Analyse, Kritik, Vorschläge, 5., verb. Aufl. München, Reinhardt, 1990 (Gesammelte Schriften / Wolfgang Brezinka, Band 4).


DIEMER, Herbert; SCHOREIT, Armin; SONNEN; Bernd - Rüdeger: Jugendgerichtsgesetz : Kommentar, 4., neu bearb. Aufl. Heidelberg, Müller, 2002.
*DIEMER, Herbert; SCHOREIT, Armin; SONNEN; Bernd - Rüdeger: Jugendgerichtsgesetz : Kommentar, 4., neu bearb. Aufl. Heidelberg, Müller, 2002.


DÜNKEL, Frieder: Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher : Situation und Reform von Jugendstrafe, Jugendstrafvollzug, Jugendarrest und Untersuchungshaft in der Bundesrepublik Deutschland und im internationalen Vergleich, Bonn, Forum, 1990.
*DÜNKEL, Frieder: Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher : Situation und Reform von Jugendstrafe, Jugendstrafvollzug, Jugendarrest und Untersuchungshaft in der Bundesrepublik Deutschland und im internationalen Vergleich, Bonn, Forum, 1990.


EISENBERG, Ulrich: Jugendgerichtshesetz, 9., vollst. neu bearb. Aufl. München, Beck, 2002 (Beck`sche Kurzkommentare; Band 48).
*EISENBERG, Ulrich: Jugendgerichtshesetz, 9., vollst. neu bearb. Aufl. München, Beck, 2002 (Beck`sche Kurzkommentare; Band 48).


GUDJONS, Herbert: Pädagogisches Grundwissen : Überblick - Kompendium - Studienbuch, 6., durchgeseh. und erg. Aufl. Bad Heilbrunn, Klinckhardt, 1999.
*GUDJONS, Herbert: Pädagogisches Grundwissen : Überblick - Kompendium - Studienbuch, 6., durchgeseh. und erg. Aufl. Bad Heilbrunn, Klinckhardt, 1999.


KAISER, Günther: Kriminologie : Ein Lehrbuch, 3., völlig neu bearb. und erw, Aufl. Heidelberg, Müller, 1996.
*KAISER, Günther: Kriminologie : Ein Lehrbuch, 3., völlig neu bearb. und erw, Aufl. Heidelberg, Müller, 1996.


KERSTEN, Joachim: Zum Vollzug der Freiheitsstrafe an Jugendlichen, in: MÜLLER, Siegfried (Hrsg.); OTTO, Hans - Uwe (Hrsg.): Damit Erziehung nicht zur Strafe wird : Sozialarbeit als Konfliktschlichtung, Bielefeld, KT - Verlag, 1986 (Kritische Texte), S. 163 - 173.
*KERSTEN, Joachim: Zum Vollzug der Freiheitsstrafe an Jugendlichen, in: MÜLLER, Siegfried (Hrsg.); OTTO, Hans - Uwe (Hrsg.): Damit Erziehung nicht zur Strafe wird : Sozialarbeit als Konfliktschlichtung, Bielefeld, KT - Verlag, 1986 (Kritische Texte), S. 163 - 173.


KÖNIG, Eckard: Werte und Normen in der Erziehung, in: ROTH; Leo (Hrsg.): Handbuch für Studium und Praxis, 2., überarb. und erw. Aufl. München, Oldenbourg, 2001, S. 255 - 265.
*KÖNIG, Eckard: Werte und Normen in der Erziehung, in: ROTH; Leo (Hrsg.): Handbuch für Studium und Praxis, 2., überarb. und erw. Aufl. München, Oldenbourg, 2001, S. 255 - 265.


OSTENDORF, Heribert: Jugendgerichtsgesetz : Kommentar, 5., völlig überarb. Aufl. Köln, Heymann, 2000.
*OSTENDORF, Heribert: Jugendgerichtsgesetz : Kommentar, 5., völlig überarb. Aufl. Köln, Heymann, 2000.


PIEPLOW, Lukas: Erziehung als Chiffre, in: WALTER, Michael (Hrsg.): Beiträge zur Erziehung im Jugendkriminalrecht, Köln, Heymann, 1989, S. 5 - 57.
*PIEPLOW, Lukas: Erziehung als Chiffre, in: WALTER, Michael (Hrsg.): Beiträge zur Erziehung im Jugendkriminalrecht, Köln, Heymann, 1989, S. 5 - 57.


SCHLÜCHTER, Ellen: Pädoyer für den Erziehungsgedanken, Berlin, de Gruyter, 1994.
*SCHLÜCHTER, Ellen: Pädoyer für den Erziehungsgedanken, Berlin, de Gruyter, 1994.


SEEBODE, Manfred: Der Vollzug der Untersuchungshaft, Berlin, de Gruyter, 1985.
*SEEBODE, Manfred: Der Vollzug der Untersuchungshaft, Berlin, de Gruyter, 1985.


WALTER, Michael: Über die Bedeutung des Erziehungsgedankens für das Jugendkriminalrecht, in: WALTER, Michael (Hrsg.): Beiträge zur Erziehung im Jugendkriminalrecht, Köln, Heymann, 1989, S. 59 - 89.  
*WALTER, Michael: Über die Bedeutung des Erziehungsgedankens für das Jugendkriminalrecht, in: WALTER, Michael (Hrsg.): Beiträge zur Erziehung im Jugendkriminalrecht, Köln, Heymann, 1989, S. 59 - 89.  


WINKLER, Michael: Erziehung, in: KRÜGER, Heinz - Herrmann (Hrsg.); HELSPER, Werner (Hrsg.): Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft, 5., durchges. Aufl. Opladen, Leske und Budrich, 2002, S. 53 - 69.
*WINKLER, Michael: Erziehung, in: KRÜGER, Heinz - Herrmann (Hrsg.); HELSPER, Werner (Hrsg.): Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft, 5., durchges. Aufl. Opladen, Leske und Budrich, 2002, S. 53 - 69.
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