Ersatzfreiheitsstrafe

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Ersatzfreiheitsstrafen sind umgewandelte Geldstrafen. Die Geldstrafen werden zu Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt, wenn Personen, für die nach Meinung des Gerichts eine Freiheitsstrafe gar nicht erforderlich ist (und die ja nur deshalb mit einer Geldstrafen davongekommen sind), ihre Geldstrafe nicht zahlen können oder wollen. Verbüßer von Ersatzfreiheitsstrafen machen rund 5 - 10% aller Gefangenen, im offenen Vollzug rund 13% (neue Bundesländer) bis 33% (alte Bundesländer) der Inhaftierten aus (Quelle: Universität Greifswald, Lehrstuhl für Kriminologie, Greifswalder Inventar für Sanktionenforschung, 2003).


Das deutsche Strafgesetzbuch behandelt die Ersatzfreiheitsstrafen im Zusammenhang mit den Geldstrafen in seinem § 43: "An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag." (Da Geldstrafen in Deutschland von vornherein in der Form von Tagessätzen verhängt werden, stellt die Umrechnung kein Problem dar: Wer zu 60 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt wurde, dessen Ersatzfreiheitsstrafe beläuft sich dann auf 60 Tage Gefängnis.)


Verarmung und Ersatzfreiheitsstrafen

In Zeiten der Verarmung größerer Bevölkerungsteile steigt die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen. Von rund 25.000 Verbüßern Anfang der 1990er Jahre stieg die Zahl der von Ersatzfreiheitsstrafen Betroffenen bis 2007 auf rund 50.000 (vgl. Kleinhubbert 2008).

Kosten

Allerdings ist die Umwandlung von Geld- in Ersatzfreiheitsstrafen für den Staat eine kostspielige Angelegenheit. Ein Tag Vollzug kostet pro Person rund 90 Euro. "Etwa 100 Millionen Euro sind bundesweit pro Jahr nötig, um Menschen, die eigentlich zu Geldstrafen verurteilt wurden, vorübergehend einzusperren. Zehn deutsche Knäste könnten sofort geschlossen werden, wenn Ersatzfreiheitsstrafen durch andere Sanktionen ersetzt würden" (Kleinhubbert 2008).

Die Kostenproblematik und die häufig ausgesprochen negativen Auswirkungen des Gefängnisaufenthalts auf die Betroffenen ("kriminelle Ansteckung", Mobbing, Schikanen, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung durch Mitgefangene) führen immer wieder zu Überlegungen, ob und wie sich der Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen vermeiden lassen könnte.

Vermeidungsstrategien

Ist es dem Verurteilten aufgrund seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so kann ihm vom Gericht eine Zahlungsfrist eingeräumt werden (§ 42 StGB).

Wenn der Verurteilte die Geldstrafe auch dann nicht zahlen kann oder will, dann kann die Umwandlung stattfinden.

Vermeiden kann man die Verbüßung dann immer noch durch eine auf Weisung der Strafvollstreckungsbehörde durchgeführte sog. "freie Arbeit". Sechs Stunden Arbeit täglich (in Bremen: vier) zählen dann für einen Tag. Diese Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe bringt allerdings auch wieder einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand mit sich, so dass viele Bundesländer diese Form der Vermeidung nicht attraktiv finden.

In der Praxis lässt sich in den letzten Jahren zunehmend beobachten, dass Verurteilte häufig Zeiträume von bis zu 2 Jahren vergehen lassen, ohne ihre Geldstrafen zu bezahlen, und stattdessen die Ersatzfreiheitsstrafe antreten.

In dieser Situation kann sich ein Verurteilter dann immer noch aus seiner bereits laufenden Ersatzfreiheitsstrafe auslösen lassen. Wenn eine dritte Person die noch nicht verbüßten Tagessätze während der Inhaftierung direkt bei der Justizvollzugsanstalt oder der zuständigen Landeskasse einzahlt, ist der Inhaftierte sofort zu entlassen.

Desweiteren besteht die Möglichkeit, innerhalb des Vollzuges die EFS im Rahmen einer gemeinnützigen Tätigkeit abzuleisten. D.h. ein Gefangener muss mindestens eine 6 stündige Tätigkeit nachgehen, um einen Tag gutgeschrieben zu bekommen. Leider ist dies nicht in allen JVAen der Bundesrepublik Deutschland möglich.

Literatur

  • Dünkel, Frieder & Jens Scheel (2006) Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit: das Projekt "Ausweg" in Mecklenburg-Vorpommern: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Godesberg: Forum.
  • Geld oder Knast von Guido Kleinhubbert, Spiegel-Online, 07.06.2008