Entkriminalisierung und Entrümpelung: Unterschied zwischen den Versionen

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Darüber hinaus mag ein Blick auf frühere Entkriminalisierungsforderungen nützlich sein. Offenbar gibt es Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, bei denen die Intervention des Strafrechts von vielen als nicht gerecht oder als nicht zweckmäßig empfunden wird. Umstritten ist der Verlauf der Grenze zwischen Erlaubt und Verboten bzw. Kriminell und Ordnungswidrig anscheinend vor allem in folgenden Bereichen:
Darüber hinaus mag ein Blick auf frühere Entkriminalisierungsforderungen nützlich sein. Offenbar gibt es Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, bei denen die Intervention des Strafrechts von vielen als nicht gerecht oder als nicht zweckmäßig empfunden wird. Umstritten ist der Verlauf der Grenze zwischen Erlaubt und Verboten bzw. Kriminell und Ordnungswidrig anscheinend vor allem in folgenden Bereichen:


== Mobilität und Konsum ==
== 1. Mobilität und Konsum ==
===Unfallflucht (§ 142 StGB)===
===Unfallflucht (§ 142 StGB)===
'''Empirie''':
Roland Freisler hatte 1940 die Einführung des damaligen § 139a RStGB mit der Notwendigkeit begründet, die Feigheit zu bestrafen, die das Fliehen vom Unfallort kennzeichne. Die Norm kam aber nie zur Ruhe und wurde nie restlos anerkannt.
Roland Freisler hatte 1940 die Einführung des damaligen § 139a RStGB mit der Notwendigkeit begründet, die Feigheit zu bestrafen, die das Fliehen vom Unfallort kennzeichne. Die Norm kam aber nie zur Ruhe und wurde nie restlos anerkannt.


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Die Forderung nach einer Reduzierung des Strafrechts auf ein Kernstrafrecht entspricht der Grundidee des freiheitlichen Rechtsstaats, staatliche Eingriffe in die Sphäre der Bürger so gering wie möglich zu halten. Dementsprechend hatte schon Montesquieu gesagt: "Jede Strafe, die nicht aus unausweichlicher Notwendigkeit folgt, ist tyrannisch." Mittermaier sah schon 1819 einen "Grundfehler" darin, „die Strafgesetze zu vervielfältigen und das kriminelle Gebiet zu weit auszudehnen.“ Ähnlich Franz von Liszt: „Wo andere sozialpolitische Maßnahmen oder eigene freiwillige Leistungen des Täters einen ausreichenden Rechtsgüterschutz gewährleisten können, darf - mangels Notwendigkeit - nicht bestraft werden“ (zit. nach Roos 1981: 7 f.). Und auch der ultima ratio Grundsatz gebietet bekanntlich, das Strafrecht als schwerstes Eingriffsinstrument nur dann einzusetzen, wenn andere Möglichkeiten ausgereizt sind.
Die Forderung nach einer Reduzierung des Strafrechts auf ein Kernstrafrecht entspricht der Grundidee des freiheitlichen Rechtsstaats, staatliche Eingriffe in die Sphäre der Bürger so gering wie möglich zu halten. Dementsprechend hatte schon Montesquieu gesagt: "Jede Strafe, die nicht aus unausweichlicher Notwendigkeit folgt, ist tyrannisch." Mittermaier sah schon 1819 einen "Grundfehler" darin, „die Strafgesetze zu vervielfältigen und das kriminelle Gebiet zu weit auszudehnen.“ Ähnlich Franz von Liszt: „Wo andere sozialpolitische Maßnahmen oder eigene freiwillige Leistungen des Täters einen ausreichenden Rechtsgüterschutz gewährleisten können, darf - mangels Notwendigkeit - nicht bestraft werden“ (zit. nach Roos 1981: 7 f.). Und auch der ultima ratio Grundsatz gebietet bekanntlich, das Strafrecht als schwerstes Eingriffsinstrument nur dann einzusetzen, wenn andere Möglichkeiten ausgereizt sind.


Welche Gesetze kommen als "nicht erforderlich" in Betracht? Einen erste Hinweis liefert eine kleine Liste, die Arthur Kreuzer im Dezember 2017 in der ZEIT unter dem Titel ''Reformiert endlich das Strafrecht!'' veröffentlicht hatte.  
Welche Gesetze kommen als "nicht erforderlich" in Betracht? Einen erste Hinweis liefert eine kleine Liste, die Arthur Kreuzer im Dezember 2017 in der ZEIT unter dem Titel ''Reformiert endlich das Strafrecht!'' veröffentlicht hatte.
 


== Meinung und Mitgliedschaft in der Politik ==
== Meinung und Mitgliedschaft in der Politik ==
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