Entkriminalisierung und Entrümpelung: Unterschied zwischen den Versionen

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# Kriminalisierung der sogenannten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a von 2015). Kriminologisch weder erforderlich noch angemessen. Ein ordnungsbehördliches Ausreiseverbot genügte. Was im Straftatbestand als Vorbereitung bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit allenfalls der "Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Handlung" - so der BGH, der trotz dieser Diagnose wohl aus Staatsraison lediglich den "Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" tangiert sehen wollte. Kreuzer: "Strafbar ist bereits, wer sich anschickt, in einen Staat auszureisen, um sich dort in irgendwelchen Fähigkeiten ausbilden zu lassen, die es ihm ermöglichen, später islamistische Aktionen zu unterstützen. Bucht er online ein Flugticket, besinnt sich dann und löscht die Buchung sogleich wieder, ist das nicht mehr strafbefreiend. Ohne dass hier eine wirkliche Straftat vorliegt, will man Tatgeschehen künstlich behaupten, um Strafverfolgung und Freiheitsentzug zu ermöglichen."
# Kriminalisierung der sogenannten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a von 2015). Kriminologisch weder erforderlich noch angemessen. Ein ordnungsbehördliches Ausreiseverbot genügte. Was im Straftatbestand als Vorbereitung bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit allenfalls der "Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Handlung" - so der BGH, der trotz dieser Diagnose wohl aus Staatsraison lediglich den "Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" tangiert sehen wollte. Kreuzer: "Strafbar ist bereits, wer sich anschickt, in einen Staat auszureisen, um sich dort in irgendwelchen Fähigkeiten ausbilden zu lassen, die es ihm ermöglichen, später islamistische Aktionen zu unterstützen. Bucht er online ein Flugticket, besinnt sich dann und löscht die Buchung sogleich wieder, ist das nicht mehr strafbefreiend. Ohne dass hier eine wirkliche Straftat vorliegt, will man Tatgeschehen künstlich behaupten, um Strafverfolgung und Freiheitsentzug zu ermöglichen."
# Kriminalisierung der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 von 2015). Dieser am 10.12.2015 in Kraft getretene Straftatbestand ist überflüssig, weil sich der Zweck der Unterbindung problematischer Sterbehilfeorganisationen besser über das Vereins- und Gewerberecht erreichen lässt. So hingegen läutet man das Sterbeglöckchen für die Selbstbestimmung am Lebensende. Auch hier also die Wiederkehr moralisierenden Strafrechts. Die Unbestimmtheit des Gesetzes kann auch ethisch lobenswerte Sterbebegleitung völlig unnötig in ein Dilemma zwischen strafbarer Suizidbeihilfe und strafbarer unterlassener Hilfeleistung bringen. Ärzte und in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Hospizen Beschäftigte müssen mit Denunziationen enttäuschter Angehöriger und erniedrigenden polizeilichen Ermittlungen rechnen.  
# Kriminalisierung der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 von 2015). Dieser am 10.12.2015 in Kraft getretene Straftatbestand ist überflüssig, weil sich der Zweck der Unterbindung problematischer Sterbehilfeorganisationen besser über das Vereins- und Gewerberecht erreichen lässt. So hingegen läutet man das Sterbeglöckchen für die Selbstbestimmung am Lebensende. Auch hier also die Wiederkehr moralisierenden Strafrechts. Die Unbestimmtheit des Gesetzes kann auch ethisch lobenswerte Sterbebegleitung völlig unnötig in ein Dilemma zwischen strafbarer Suizidbeihilfe und strafbarer unterlassener Hilfeleistung bringen. Ärzte und in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Hospizen Beschäftigte müssen mit Denunziationen enttäuschter Angehöriger und erniedrigenden polizeilichen Ermittlungen rechnen.  
# von Tatjana Hörnle als "Rückfall in Strafrechtsmoralismus und Prüderie" gescholtene Gleichstellung des sexuellen Übergriffs gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person mit der Vergewaltigung im neuen § 177 StGB von 2016 (im Folgenden sind Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes immer solche des StGB) - einen Akt der Gesetzgebung, der sowohl der zu Recht von Monika Frommel ausgegebenen Devise widerspricht, dass nur klare Fälle von Zwang und Gewalt überhaupt ins Strafrecht gehören, Grenzfälle hingegen ins Zivilrecht oder ins Gewaltschutzgesetz (und dass Beziehungsdelikte ansonsten am besten von Familiengerichten geregelt werden), als auch von Arthur Kreuzer dafür gescholten wurde, dass hier ein neues Massendelikt geschaffen wurde, das "voraussehbar manche Betroffene, aber auch viele nicht Betroffene zu Anzeigen verleiten wird", notwendigerweise zu vielen folgenlosen Verfahrenseinstellungen und viel Frustration führen wird
# von Tatjana Hörnle als "Rückfall in Strafrechtsmoralismus und Prüderie" gescholtene Gleichstellung des sexuellen Übergriffs gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person mit der Vergewaltigung im neuen § 177 von 2016 - einen Akt der Gesetzgebung, der erstens der von Monika Frommel betonten Devise widerspricht, dass nur klare Fälle von Zwang und Gewalt überhaupt ins Strafrecht gehören, Grenzfälle hingegen ins Zivilrecht oder ins Gewaltschutzgesetz (und dass Beziehungsdelikte ansonsten am besten von Familiengerichten geregelt werden), als auch zweitens zu der Befürchtung Anlass gibt, dass hier ein neues Massendelikt geschaffen wurde, das voraussehbar manche Betroffene, aber auch viele nicht Betroffene zu Anzeigen verleiten (Kreuzer) und noch für viele Frustrationen sorgen wird
# Verschlimmbesserung des § 244 StGB aus dem Jahr 2017 durch die Aufwertung des Einbruchs in Privatwohnungen vom Vergehen zum Verbrechen bei gleichzeitiger Streichung der Möglichkeit einer Strafmilderung in minder schweren Fällen - eine Gesetzesänderung, die erstens systemwidrig ist, weil sie im Widerspruch zu der Tatsache sthet, dass sogar der schwerere Tatbestand des bandenmäßigen Einbruchsdiebstahls einen minder schweren Fall kennt, zweitens auf falschen Vorstellungen über die typischen Erscheinungsformen dieses Delikts beruht und drittens entweder zu einer Welle justizieller Überpönalisierungen oder aber zu Umgehungsstrategien praeter legem und/oder oder zum Verfassungsgericht führen wird
# Verschlimmbesserung des § 244 StGB aus dem Jahr 2017 durch die Aufwertung des Einbruchs in Privatwohnungen vom Vergehen zum Verbrechen bei gleichzeitiger Streichung der Möglichkeit einer Strafmilderung in minder schweren Fällen - eine Gesetzesänderung, die erstens systemwidrig ist, weil sie im Widerspruch zu der Tatsache sthet, dass sogar der schwerere Tatbestand des bandenmäßigen Einbruchsdiebstahls einen minder schweren Fall kennt, zweitens auf falschen Vorstellungen über die typischen Erscheinungsformen dieses Delikts beruht und drittens entweder zu einer Welle justizieller Überpönalisierungen oder aber zu Umgehungsstrategien praeter legem und/oder oder zum Verfassungsgericht führen wird


Darüber hinaus mag ein Blick auf frühere Entkriminalisierungsforderungen nützlich sein. Unzufriedenheit herrscht offenbar über den Verlauf der Grenze zwischen Strafbarkeit und Nicht-Strafbarkeit in folgenden Bereichen:  
Darüber hinaus mag ein Blick auf frühere Entkriminalisierungsforderungen nützlich sein. Offenbar gibt es Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, bei denen die Intervention des Strafrechts von vielen als nicht gerecht oder als nicht zweckmäßig empfunden wird. Umstritten ist der Verlauf der Grenze zwischen Erlaubt und Verboten bzw. Kriminell und Ordnungswidrig anscheinend vor allem in folgenden Bereichen:


== Mobilität und Konsum ==
== Mobilität und Konsum ==
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