Entkriminalisierung und Entrümpelung: Unterschied zwischen den Versionen

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# Verschlimmbesserung des § 244 StGB aus dem Jahr 2017 durch die Aufwertung des Einbruchs in Privatwohnungen vom Vergehen zum Verbrechen bei gleichzeitiger Streichung der Möglichkeit einer Strafmilderung in minder schweren Fällen - eine Gesetzesänderung, die erstens systemwidrig ist, weil sie im Widerspruch zu der Tatsache sthet, dass sogar der schwerere Tatbestand des bandenmäßigen Einbruchsdiebstahls einen minder schweren Fall kennt, zweitens auf falschen Vorstellungen über die typischen Erscheinungsformen dieses Delikts beruht und drittens entweder zu einer Welle justizieller Überpönalisierungen oder aber zu Umgehungsstrategien praeter legem und/oder oder zum Verfassungsgericht führen wird
# Verschlimmbesserung des § 244 StGB aus dem Jahr 2017 durch die Aufwertung des Einbruchs in Privatwohnungen vom Vergehen zum Verbrechen bei gleichzeitiger Streichung der Möglichkeit einer Strafmilderung in minder schweren Fällen - eine Gesetzesänderung, die erstens systemwidrig ist, weil sie im Widerspruch zu der Tatsache sthet, dass sogar der schwerere Tatbestand des bandenmäßigen Einbruchsdiebstahls einen minder schweren Fall kennt, zweitens auf falschen Vorstellungen über die typischen Erscheinungsformen dieses Delikts beruht und drittens entweder zu einer Welle justizieller Überpönalisierungen oder aber zu Umgehungsstrategien praeter legem und/oder oder zum Verfassungsgericht führen wird


Während Entrümpelungsaktionen normalerweise mit dem Wegschaffen alten Plunders assoziiert werden, haben wir hier einen Fall, wo das unbrauchbar Neue besonders stört und vielleicht in einem ersten Aufwasch gleich entsorgt werden sollte, um Platz zu schaffen für das Hin- und Herwenden und genaue Betrachten dessen, was aus dem älteren Bestand noch für Entkriminalisierung in Betracht kommt. Dass da noch einiges schlummert, ist angesichts der Nachkriegsgeschichte des deutschen Strafrechts, der oberflächlichen Entnazifizierung durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 von 1946, der unvollendeten Großen Strafrechtsreform der 60er und 70er Jahre und der nicht einmal ansatzweise durchgeführten systematischen Abgleichung der Straftatbestände mit dem Grundgesetz jedenfalls nicht unwahrscheinlich.
Darüber hinaus mag ein Blick auf frühere Entkriminalisierungsforderungen nützlich sein. Unzufriedenheit herrscht offenbar über den Verlauf der Grenze zwischen Strafbarkeit und Nicht-Strafbarkeit in folgenden Bereichen:


== Mobilität und Konsum ==
== Mobilität und Konsum ==
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'''Kritik''':
'''Kritik''':
So wurde sie vielfach als verfassungswidrig angesehen, weil sie den Täter u.U. zur Selbstbelastung verpflichtet (nemo tenetur se ipse accusare) und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt. Auch das Argument des BVerfG (1963), dass der Schutzzweck der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche Vorrang vor dem Grundrecht des Täters habe, konnte die Diskussion nicht beenden, so dass es am 1.9.1969 zu sprachlichen Änderungen und am 1.1.1975 und am 21.6.1975 zu weiteren Änderungen kam - bis heute halten einige die Verfassungsmäßigkeit des Tatbestands für zweifelhaft und werfen ihm eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots oder des Schuldprinzips vor, ganz abgesehen von der systemwidrig weiten Ermöglichung des Strafaufhebungsgrunds der tätigen Reue (Meldung binnen 24 Stunden bei geringem Schaden) seit der Gesetzesänderung vom 1.4.1998: der Täter hat die Möglichkeit, nach Vollendung des Delikts durch Verhalten, das im Interesse des Unfallgeschädigten liegt, eine Milderung der Strafe oder sogar Straflosigkeit zu erlangen. - Ob das unerlaubte Entfernen vom Unfallort - das totz seiner Platzierung unter den Delikten gegen die öffentliche Ordnung in Wirklichkeit dem Schutz privater Vermögensinteressen dient (Feststellung von Informationen über Unfallbeteiligte, die für die Geschädigten von Bedeutung sein können) - überhaupt strafbar sein muss, war jüngst Gegenstand von Diskussionen auf dem 56. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar, wo im Januar 2018 letztlich für "mehr Nachsicht bei minderschweren Fällen von Unfallflucht" plädiert wurde.
Diese Strafnorm  wurde vielfach als verfassungswidrig angesehen, weil sie den Täter u.U. zur Selbstbelastung verpflichtet (nemo tenetur se ipse accusare) und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt. Auch das Argument des BVerfG (1963), dass der Schutzzweck der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche Vorrang vor dem Grundrecht des Täters habe, konnte die Diskussion nicht beenden, so dass es am 1.9.1969 zu sprachlichen Änderungen und am 1.1.1975 und am 21.6.1975 zu weiteren Änderungen kam - bis heute halten einige die Verfassungsmäßigkeit des Tatbestands für zweifelhaft und werfen ihm eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots oder des Schuldprinzips vor, ganz abgesehen von der systemwidrig weiten Ermöglichung des Strafaufhebungsgrunds der tätigen Reue (Meldung binnen 24 Stunden bei geringem Schaden) seit der Gesetzesänderung vom 1.4.1998: der Täter hat die Möglichkeit, nach Vollendung des Delikts durch Verhalten, das im Interesse des Unfallgeschädigten liegt, eine Milderung der Strafe oder sogar Straflosigkeit zu erlangen. - Ob das unerlaubte Entfernen vom Unfallort - das totz seiner Platzierung unter den Delikten gegen die öffentliche Ordnung in Wirklichkeit dem Schutz privater Vermögensinteressen dient (Feststellung von Informationen über Unfallbeteiligte, die für die Geschädigten von Bedeutung sein können) - überhaupt strafbar sein muss, war jüngst Gegenstand von Diskussionen auf dem 56. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar, wo im Januar 2018 letztlich für "mehr Nachsicht bei minderschweren Fällen von Unfallflucht" plädiert wurde.
*Der '''ADAC''' hatte gefordert, bei Bagatellschäden auf Strafverfolgung zu verzichten. Die bisherige Fassung des § 142 StB habe sich nicht bewährt. Unfallverursacher würden sich im Nachhinein aus Angst vor Strafe nicht melden und die Geschädigten so auf ihren Kosten sitzenbleiben. Der VGTZ forderte eine Präzisierung, wie lange Unfallverursacher am Unfallort warten müssen. Das nachträgliche Melden eines Unfalls müsse zudem verstärkt zu Straffreiheit führen.(FAZ v. 27.1.2018: 5: Mehr Nachsicht bei Unfallflucht gefordert.)
*Der '''ADAC''' hatte gefordert, bei Bagatellschäden auf Strafverfolgung zu verzichten. Die bisherige Fassung des § 142 StB habe sich nicht bewährt. Unfallverursacher würden sich im Nachhinein aus Angst vor Strafe nicht melden und die Geschädigten so auf ihren Kosten sitzenbleiben. Der VGTZ forderte eine Präzisierung, wie lange Unfallverursacher am Unfallort warten müssen. Das nachträgliche Melden eines Unfalls müsse zudem verstärkt zu Straffreiheit führen.(FAZ v. 27.1.2018: 5: Mehr Nachsicht bei Unfallflucht gefordert.)


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