Entkriminalisierung und Entrümpelung: Unterschied zwischen den Versionen

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Nachdem der Bremer Strafverteidigertag 2017 auf die Reform des Strafprozesses und des Sanktionenwesens - insbesondere auf die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe und die  Ersetzung der lebenslangen durch eine Höchststrafe von 15 Jahren - gedrungen hatte, geht es 2018 nicht zuletzt um eine "sinnvolle und effiziente Modernisierung des Strafrechts". Dazu will man sich auch der zeitgeschichtlichen Dimension versichern und fragt: ''Wann sind Forderungen zur Entkriminalisierung von wem und mit welchen Gründen erhoben worden und warum sind sie gescheitert? Welche Ideen sind es nach wie vor wert, umgesetzt zu werden?'' Die Devise heißt: ''Entkriminalisierung und Entrümpelung'' und scheint damit einen Kontrapunkt setzen zu wollen zum kriminalisierenden Aktionismus der Ära Maas.
Nachdem der Bremer Strafverteidigertag 2017 auf die Reform des Strafprozesses und des Sanktionenwesens - insbesondere auf die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe und die  Ersetzung der lebenslangen durch eine Höchststrafe von 15 Jahren - gedrungen hatte, geht es 2018 nicht zuletzt um eine "sinnvolle und effiziente Modernisierung des Strafrechts". Dazu will man sich auch der zeitgeschichtlichen Dimension versichern und fragt: ''Wann sind Forderungen zur Entkriminalisierung von wem und mit welchen Gründen erhoben worden und warum sind sie gescheitert? Welche Ideen sind es nach wie vor wert, umgesetzt zu werden?'' Die Devise heißt: ''Entkriminalisierung und Entrümpelung'' und scheint damit einen Kontrapunkt setzen zu wollen zum kriminalisierenden Aktionismus der Ära Maas.


Tatsächlich hat sich unter der Ägide dieses Justizministers - im Amt seit dem 17. Dezember 2013 - nach Meinung so unterschiedlicher Experten wie Thomas Fischer oder Arthur Kreuzer vieles an Kriminalisierungen angesammelt, was bereits zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens wesentliche Merkmale des Begriffs Gerümpel (wie Unsortiertheit und Unbrauchbarkeit) aufwies. Man denke an die:
Tatsächlich hat sich unter der Ägide dieses Justizministers - im Amt seit dem 17. Dezember 2013 - nach Überzeugung zahlreicher Experten vieles an Kriminalisierungen angesammelt, was bereits zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens wesentliche Merkmale des Begriffs Gerümpel (wie Unsortiertheit und Unbrauchbarkeit) aufwies. Man denke an die:
# Einführung einer Strafvorschrift gegen das Eigendoping (§ 4 AntiDopG von 2015), einer Vorschrift, die weder geeignet noch erforderlich ist, um ihren Zweck zu erreichen. Geeignet und erforderlich wären nach Kreuzer (2017) Regeln für die Unterbindung und Sanktionierung durch Verbandsstrafen auf der Ebene der Fachverbände. Kriminalstrafen haben sich hingegen dort, wo es sie im Ausland schon gibt, als untauglich erwiesen (bislang keine einzige Verurteilung bekannt). Vor allem aber handelt es sich dabei um eine verfassungswidrige Strafbarstellung eines Verhaltens zum Schutz des Sportlers vor sich selbst. Nach Bott & Mitsch (2018) steht die Vorschrift "nicht nur in Widerspruch zu den sonstigen strafrechtlichen Grundsätzen und der Systematik des StGB. Es bleibt außerdem insbesondere fraglich, welcher positive Zweck zum Schutz der Gesundheit mit einer Strafandrohung gegenüber einem sich aus freien Stücken selbst an der Gesundheit Schädigenden erreicht werden könnte."
# Einführung einer Strafvorschrift gegen das Eigendoping (§ 4 AntiDopG von 2015), einer Vorschrift, die weder geeignet noch erforderlich ist, um ihren Zweck zu erreichen. Geeignet und erforderlich wären nach Kreuzer (2017) Regeln für die Unterbindung und Sanktionierung durch Verbandsstrafen auf der Ebene der Fachverbände. Kriminalstrafen haben sich hingegen dort, wo es sie im Ausland schon gibt, als untauglich erwiesen (bislang keine einzige Verurteilung bekannt). Vor allem aber handelt es sich dabei um eine verfassungswidrige Strafbarstellung eines Verhaltens zum Schutz des Sportlers vor sich selbst. Nach Bott & Mitsch (2018) steht die Vorschrift "nicht nur in Widerspruch zu den sonstigen strafrechtlichen Grundsätzen und der Systematik des StGB. Es bleibt außerdem insbesondere fraglich, welcher positive Zweck zum Schutz der Gesundheit mit einer Strafandrohung gegenüber einem sich aus freien Stücken selbst an der Gesundheit Schädigenden erreicht werden könnte."
# Kriminalisierung der sogenannten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB von 2015). Auch hier war eine Kriminalisierung weder nötig noch rechtsstaatlich angemessen oder verhältnismäßig. Völlig genügend wäre es ordnungsbehördliches Ausreiseverbot, dessen Übertretung als Straftat hätte geahndet werden können. Was im Straftatbestand als Vorbereitung bezeichnet wird, nennt selbst der BGH "den Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Handlung" und sieht den "Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" tangiert. Kreuzer: "Strafbar ist bereits, wer sich anschickt, in einen Staat auszureisen, um sich dort in irgendwelchen Fähigkeiten ausbilden zu lassen, die es ihm ermöglichen, später islamistische Aktionen zu unterstützen. Bucht er online ein Flugticket, besinnt sich dann und löscht die Buchung sogleich wieder, ist das nicht mehr strafbefreiend. Ohne dass hier eine wirkliche Straftat vorliegt, will man Tatgeschehen künstlich behaupten, um Strafverfolgung und Freiheitsentzug zu ermöglichen."
# Kriminalisierung der sogenannten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB von 2015). Auch hier war eine Kriminalisierung weder nötig noch rechtsstaatlich angemessen oder verhältnismäßig. Völlig genügend wäre es ordnungsbehördliches Ausreiseverbot, dessen Übertretung als Straftat hätte geahndet werden können. Was im Straftatbestand als Vorbereitung bezeichnet wird, nennt selbst der BGH "den Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Handlung" und sieht den "Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" tangiert. Kreuzer: "Strafbar ist bereits, wer sich anschickt, in einen Staat auszureisen, um sich dort in irgendwelchen Fähigkeiten ausbilden zu lassen, die es ihm ermöglichen, später islamistische Aktionen zu unterstützen. Bucht er online ein Flugticket, besinnt sich dann und löscht die Buchung sogleich wieder, ist das nicht mehr strafbefreiend. Ohne dass hier eine wirkliche Straftat vorliegt, will man Tatgeschehen künstlich behaupten, um Strafverfolgung und Freiheitsentzug zu ermöglichen."
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