Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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#Eine expandierende Strafgesetzgebung belastet das Strafjustizsstem mit einem 'Input', den es - wie sich gezeigt hat - auf die Dauer nur bewältigen kann, indem es kommunikative Standards des Strafprozesses herabsetzt, schützende Formen aufweicht, die Gesetzesbindung der Strafverfolgungsorgane lockert und Beschuldigtenrechte verkürzt.  
#Eine expandierende Strafgesetzgebung belastet das Strafjustizsstem mit einem 'Input', den es - wie sich gezeigt hat - auf die Dauer nur bewältigen kann, indem es kommunikative Standards des Strafprozesses herabsetzt, schützende Formen aufweicht, die Gesetzesbindung der Strafverfolgungsorgane lockert und Beschuldigtenrechte verkürzt.  


Daher nochmals: Strafrechtswissenschaft sollte gegenüber staatlicher Dispositionsfreiheit über das Strafrecht einen Gegenpol bilden. Sie sollte den Kriminalisierungswünschen der Politik den Grundsatz 'in dubio contra delictum' als eine Ausprägung des Grundsatzes 'in dubio pro libertate' entgegenhalten" (Vormbaum 1995: 41 f.).
Daher nochmals: Strafrechtswissenschaft sollte gegenüber staatlicher Dispositionsfreiheit über das Strafrecht einen Gegenpol bilden. Sie sollte den Kriminalisierungswünschen der Politik den Grundsatz 'in dubio contra delictum' als eine Ausprägung des Grundsatzes 'in dubio pro libertate' entgegenhalten."  (....)
 
Abolitionistische Perspektive setzt nicht die Annahme voraus, das gesamte System gesellschaftlichen bzw. staatlichen Strafens sei eine Veranstaltung, die auf bloßen Definitionsvorgängen beruhe, in denen an sich nichtssagende soziale Verhaltensweisen zu kriminellen hochdefiniert werden. Sicherlich gibt es schlecht begründete oder von durchsichtigen Interessen diktierte Kriminalisierungen. Jedoch: Unnatürliche Todesfälle, schwere Körperverletzungen, Gebäudezerstörungen, gewaltsame Entwendungen von Sachen - diese und manche andere Vorgänge werden die Gesellschaft allemal interessieren. Ist Kriminalität aber nicht bloß ein Definitionsresultat, dann kann man sie auch nicht insgesamt durch Streichung von Straftatbeständen einfach wegdefinieren. Vielmehr gehört zu einem Entkriminalisierungskonzept und damit zu den Anforderungen an eine Strafbegrenzungswissenschaft auch, dass Überlegungen angestellt werden, wie punitive Reaktionen durch andere ersetzt werden können. Um noch einmal Gustav Radbruch in Anspruch zu nehmen: Es muss darum gehen, Strafrecht durch etwas anders zu ersetzen, das besser ist als Strafrecht. Für mich steht dabei nicht (wie bei Radbruch) ein 'Besserungs- und Bewahrungsrecht' im Vordergrund, sondern es geht um Reaktionsformen, die weniger in die Autonomie von Bürgern und Bürgerinnen eingreifen als Strafen. (...) Strafnormen zu streichen bedeutet also nicht immer, freiheitsräume zu erweitern. Die Radbruchsche Forderung lässt isch demnach auch umkehren: Nur durch etwas Besseres sollte Strafrecht ersetzt werden" (Vormbaum 1995: 41-43).


=== Reduktion auf das Kernstrafrecht ===
=== Reduktion auf das Kernstrafrecht ===
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