Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Beispiel ist die Umwandlung der strafbaren Straßenverkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten durch das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz vom 24.5.1968. Tatbestände werden formal aus dem Strafrecht ausgegliedert, um anschließend in einer anderen Rechtsmaterie, z. B. in einem Katalog für Ordnungswidrigkeiten, wieder aufzutauchen. Das ist eine tatsächliche Entkriminalisierung, die nicht dadurch weniger wirklich wird, dass sie die Rechtsmaterie "nur" verlagert. Denn immerhin fallen der spezifische Zwangscharakter und die spezifische Ächtung weg. Das Verhalten gilt nicht mehr als "crimen" mit all den Konsequenzen, die das hat.
Beispiel ist die Umwandlung der strafbaren Straßenverkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten durch das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz vom 24.5.1968. Tatbestände werden formal aus dem Strafrecht ausgegliedert, um anschließend in einer anderen Rechtsmaterie, z. B. in einem Katalog für Ordnungswidrigkeiten, wieder aufzutauchen. Das ist eine tatsächliche Entkriminalisierung, die nicht dadurch weniger wirklich wird, dass sie die Rechtsmaterie "nur" verlagert. Denn immerhin fallen der spezifische Zwangscharakter und die spezifische Ächtung weg. Das Verhalten gilt nicht mehr als "crimen" mit all den Konsequenzen, die das hat.


==Erscheinungsformen==
Entkriminalisierung kann formell durch einen Akt der Gesetzgebung erfolgen (''de jure'') oder eher informell durch die faktische Nichtverfolgung und Nicht-Sanktionierung eines formell weiterhin mit Strafe bedrohten Verhaltens (''de facto''). Einer ''de jure'' Entkriminalisierung geht nicht selten ein Prozess nachlassender Anzeige-, Verfolgungs- und Sanktionierungsintensität im Stile einer ''de facto'' Entkriminalisierung voraus.
Entkriminalisierung kann formell durch einen Akt der Gesetzgebung erfolgen (de jure) oder eher informell durch die faktische Nichtverfolgung und Nicht-Sanktionierung eines formell weiterhin mit Strafe bedrohten Verhaltens (de facto). Nicht selten gehen Tendenzen zur de facto Entkriminalisierung einer Entkriminalisierung de jure voraus.  
 
Der Vorgang der Entkriminalisierung hebt die Strafbarkeit und damit die staatlich verstärkte sozialethische Ächtung einer Verhaltensweise auf. Der „Report on Decriminalisation“ des Europarats (Council of Europe 1980: 13) definiert Entkriminalisierung als die Gesamtheit der Prozesse, bei denen bestimmte Verhaltensweisen dem Zuständigkeitsbereich des Strafrechts entzogen werden, bzw. „by which the 'competence' of the penal system to apply sanctions as a reaction to a certain form of conduct is withdrawn“.
Entkriminalisierung hebt die Strafbarkeit und damit die staatlich verstärkte sozialethische Ächtung einer Verhaltensweise auf.
=== ''De jure'' und ''de facto'' ===
=== ''De jure'' und ''de facto'' ===
Entkriminalisierungen erfolgen in der Regel durch einen Akt der Gesetzgebung (''de jure''), manchmal aber auch durch die bloße Nicht-(Mehr-) Anwendung eines Strafgesetzes (''de facto'').
Entkriminalisierungen erfolgen in der Regel durch einen Akt der Gesetzgebung (''de jure''), manchmal aber auch durch die bloße Nicht-(Mehr-) Anwendung eines Strafgesetzes (''de facto'').
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=== Moral-, staats- und/oder effizienzorientiert ===
=== BestiMoral-, staats- und/oder effizienzorientiert ===
Mit dem Europarat (Council of Europe 1980: 15) lassen sich drei Bestimmungsgründe für Entkriminalisierungen unterscheiden:
Mit dem Europarat (Council of Europe 1980: 15) lassen sich drei Bestimmungsgründe für Entkriminalisierungen unterscheiden:
#Wandel der moralischen Bewertung: Entkriminalisierung als Anerkennung eines bislang geächteten Verhaltens (Typ A)
#Wandel der moralischen Bewertung: Entkriminalisierung als Anerkennung eines bislang geächteten Verhaltens (Typ A)
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