Elektronische Fussfessel: Unterschied zwischen den Versionen

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Unter der '''elektronischen Fußfessel''' versteht man ein technisches Instrument zur Ausübung der elektronischen [[Überwachung]] einer Person.  
 
Dieses Instrument besteht aus einem Sender, der am Fußgelenk der überwachten Person angebracht wird, und einem Empfangsgerät, das in der Wohnung des Überwachten aufgestellt wird. Diese beiden Geräte kommunizieren miteinander, so dass festgestellt werden kann, ob sich die überwachte Person zu Hause aufhält oder nicht.
Unter der '''elektronischen Fußfessel''' versteht man einen technischen Apparat zur Ausübung der elektronischen [[Überwachung]] einer Person.  
Dieser Apparat besteht aus einem Sender, der am Fußgelenk der überwachten Person angebracht wird, und einem Empfangsgerät, das in der Wohnung des Überwachten aufgestellt wird. Diese beiden Geräte kommunizieren miteinander, so dass festgestellt werden kann, ob sich die überwachte Person zu Hause aufhält oder nicht.
In der deutschsprachigen Literatur wurde die '''elektronische Fußfessel''' anfangs als [[elektronisch überwachter Hausarrest]] bezeichnet. Diese Begrifflichkeit ist irreführend, da die Überwachten in den meisten Fällen über Freizeit verfügen und darüber hinaus verpflichtet sind, ihre Wohnung zu verlassen, um entweder Lohnarbeit, den [[Auflage]]n von gemeinnütziger Arbeit oder anderer sinnvollen Beschäftigung nachzukommen.   
In der deutschsprachigen Literatur wurde die '''elektronische Fußfessel''' anfangs als [[elektronisch überwachter Hausarrest]] bezeichnet. Diese Begrifflichkeit ist irreführend, da die Überwachten in den meisten Fällen über Freizeit verfügen und darüber hinaus verpflichtet sind, ihre Wohnung zu verlassen, um entweder Lohnarbeit, den [[Auflage]]n von gemeinnütziger Arbeit oder anderer sinnvollen Beschäftigung nachzukommen.   
      
      
== Elektronische Fußfessel im Ausland ==
== Elektronische Fußfessel im Ausland ==
International ist die elektronische [[Überwachung]] unter dem Begriff [[Electronic Monitoring]] geläufig.
International ist die elektronische [[Überwachung]] unter dem Begriff [[Electronic Monitoring]] geläufig.
Die Entwicklung begann in den USA und erreichte in den neunziger Jahren auch Europa. Hier wird die '''elektronische Fußfessel''' vor allem in Schweden (als Alternative zur kurzen [[Freiheitsstrafe]] bei Straßenverkehrstätern, insbesondere Alkoholtätern), in Großbritannien (Verkürzung des Langstrafvollzugs durch eine Übergangsphase mit elektronisch überwachtem Hausarrest), und in der Schweiz (Kurzstrafenvollzug und Verkürzung des Langstrafenvollzugs bis zu zwölf Monaten) angewendet. In Schweden und Großbritannien ist sie bereits flächendeckend eingeführt. Die Schweiz hat am 31. August 2005 die Fortsetzung von Projekten in sieben Kantonen beschlossen. Zuletzt haben die Niederlande den elektronisch überwachten Hausarrest als Alternative zur kurzen [[Freiheitsstrafe]] erprobt.
Die Entwicklung begann in den achziger Jahren in USA und erreichte in den neunziger Jahren auch Europa. Hier wird die '''elektronische Fußfessel''' vor allem in Schweden (als Alternative zur kurzen [[Freiheitsstrafe]] bei Straßenverkehrstätern, insbesondere Alkoholtätern), in Großbritannien (Verkürzung des Langstrafvollzugs durch eine Übergangsphase mit elektronisch überwachtem Hausarrest), und in der Schweiz (Kurzstrafenvollzug und Verkürzung des Langstrafenvollzugs bis zu zwölf Monaten) angewendet. In Schweden und Großbritannien ist sie bereits flächendeckend eingeführt. Die Schweiz hat am 31. August 2005 die Fortsetzung von Projekten in sieben Kantonen beschlossen. Zuletzt haben die Niederlande den elektronisch überwachten Hausarrest als Alternative zur kurzen [[Freiheitsstrafe]] erprobt.
Im außereuropäischen Bereich sammeln unter anderem Kanada, Israel, Australien, Neuseeland und Singapur Erfahrungen mit der elektronischen Fußfessel.   
Im außereuropäischen Bereich sammeln unter anderem Kanada, Israel, Australien, Neuseeland und Singapur Erfahrungen mit der elektronischen Fußfessel.   


== Elektronische Fußfessel in Deutschland ==
== Elektronische Fußfessel in Deutschland ==
Bisher hat das Land Hessen als einziges Bundesland im Jahr 2000 die '''elektronische Fußfessel''' eingeführt. Zunächst im Rahmen eines Modellversuchs beim [[Amts- und Landgericht Frankfurt am Main]] zum Einsatz gebracht, wurde die elektronische [[Überwachung]] im Rahmen eines Projektes des Justizministeriums mittlerweile in allen Gerichtsbezirken Hessens eingeführt. Die landesweite Implementierung der elektronischen [[Überwachung]] wurde durch das [[Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht]] in Freiburg (MPI) wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Das Projekt wurde als erfolgreich bewertet.
Baden-Württemberg plant die Einführung der '''elektronischen Fußfessel''' als Alternative zum [[Strafvollzug]].


=== Hessen ===
=== Hessen ===
In Deutschland fand die elektronische Überwachung erstmals im Jahre 2000 praktische Anwendung. Zunächst im Rahmen eines Modellversuchs beim [[Amts- und Landgericht Frankfurt am Main]] zum Einsatz gebracht, wurde die elektronische [[Überwachung]] im Rahmen eines Projektes des Justizministeriums mittlerweile in allen Gerichtsbezirken Hessens eingeführt. Die landesweite Implementierung der elektronischen [[Überwachung]] wurde durch das [[Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht]] in Freiburg (MPI) wissenschaftlich begleitet und evaluiert.
Das hessische Modell stellt die Voraussetzungen für die Anwendung der elektronischen Fußfessel auf der derzeitigen Gesetzeslage zur Verfügung. Demnach besteht die Möglichkeit, elektronische Überwachung einzusetzen als:
Das hessische Modell stellt die Voraussetzungen für die Anwendung der elektronischen Fußfessel auf der derzeitigen Gesetzeslage zur Verfügung. Demnach besteht die Möglichkeit, elektronische Überwachung einzusetzen als:
* [[Weisung]] bei einer zur [[Bewährung]] ausgesetzten [[Freiheitsstrafe]] bzw. als weitere [[Weisung]] zur Vermeidung eines [[Bewährungswiderruf]]s (§§ 56c, 56f StGB)  
* [[Weisung]] bei einer zur [[Bewährung]] ausgesetzten [[Freiheitsstrafe]] bzw. als weitere [[Weisung]] zur Vermeidung eines [[Bewährungswiderruf]]s (§§ 56c, 56f StGB)  
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Die '''elektronische Fußfessel''' wird also als Vermeidung von [[Untersuchungshaft]] angeordnet, oder in Fällen, in denen sonst eine Strafaussetzung nicht verantwortet werden könnte, oder in denen der Widerruf der [[Bewährung]] angesagt erscheint, verhängt.
Die '''elektronische Fußfessel''' wird also als Vermeidung von [[Untersuchungshaft]] angeordnet, oder in Fällen, in denen sonst eine Strafaussetzung nicht verantwortet werden könnte, oder in denen der Widerruf der [[Bewährung]] angesagt erscheint, verhängt.
Dies sind Fälle, in denen eine strenge Strukturierung des Tagesablaufs für den Erfolg der [[Bewährung]] und für künftige Straffreiheit besonders notwendig erscheint.  
Dies sind Fälle, in denen eine strenge Strukturierung des Tagesablaufs für den Erfolg der [[Bewährung]] und für künftige Straffreiheit besonders notwendig erscheint.
 
Während zu Beginn der Einführung der elektronischen Überwachung im Jahr 2000 ca. 10-15 Probanden am Projekt teilnahmen, werden heute ca. 60 Personen in Hessen elektronisch überwacht.   


==== Technischer Ablauf ====
==== Technischer Ablauf ====
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==== Pädagogische Arbeit ====
==== Pädagogische Arbeit ====
===== Prüfung der Voraussetzungen einer Eignung für die Teilnahme =====
===== Auswahlverfahren =====
Kommt eine elektronisch Fußfessel in Betracht, wird die Sache an die Mitarbeiter des Projektes Elektronische Fußfessel übergeben. Sie erstellen der beauftragenden Behörde einen aussagekräftigen Sozialbericht. Dieser soll das Gericht in die Lage versetzen, sich ein umfassendes Bild über den [[Proband]]en zu machen. Neben den Fakten werden auch das soziale und familiäre Umfeld beschrieben.  
Kommt eine elektronisch Fußfessel in Betracht, wird die Sache an die Mitarbeiter des Projektes Elektronische Fußfessel übergeben. Sie erstellen der beauftragenden Behörde einen aussagekräftigen Sozialbericht. Dieser soll das Gericht in die Lage versetzen, sich ein umfassendes Bild über den [[Proband]]en zu machen. Neben den Fakten werden auch das soziale und familiäre Umfeld beschrieben.  
Die wichtigste Voraussetzung für eine elektronische Überwachung besteht aus dem Einverständnis des zu Überwachenden und seiner Beteiligung.
Die wichtigste Voraussetzung für eine elektronische Überwachung besteht aus dem Einverständnis des zu Überwachenden und seiner Beteiligung.
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Das zuständige Gericht oder die zuständige [[Strafvollstreckungskammer]] entscheidet, meist im Rahmen einer [[Hauptverhandlung]], eines [[Anhörung]]s- oder [[Haftprüfung]]stermins, ob die '''elektronische Fußfessel''' zur Anwendung kommt.  
Das zuständige Gericht oder die zuständige [[Strafvollstreckungskammer]] entscheidet, meist im Rahmen einer [[Hauptverhandlung]], eines [[Anhörung]]s- oder [[Haftprüfung]]stermins, ob die '''elektronische Fußfessel''' zur Anwendung kommt.  


===== Betreuung der [[Proband]]en =====
===== Betreuung und Kontrolle =====
Während der Überwachungszeit findet mindestens einmal wöchentlich ein persönliches Gespräch zwischen [[Bewährungshelfer]] und [[Proband]] statt.
Während der Überwachungszeit findet mindestens einmal wöchentlich ein persönliches Gespräch zwischen [[Bewährungshelfer]] und [[Proband]] statt.
Eine [[Auflage]] der Maßnahme der elektronischen [[Überwachung]] stellt das Nachgehen einer geregelten Tätigkeit nach. Sollte der zu Überwachende keine Arbeitsstelle haben und in keinem Ausbildungsverhältnis stehen, wird gemeinsam mit dem zuständigen Sozialarbeiter ein gemeinnütziger Arbeitsplatz gesucht.
Eine [[Auflage]] der Maßnahme der elektronischen [[Überwachung]] stellt das Nachgehen einer geregelten Tätigkeit nach. Sollte der zu Überwachende keine Arbeitsstelle haben und in keinem Ausbildungsverhältnis stehen, wird gemeinsam mit dem zuständigen Sozialarbeiter ein gemeinnütziger Arbeitsplatz gesucht.
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Während Befürworter die elektronische Überwachung als sinnvolle, kostengünstige, moderne und humane Alternative zum [[Freiheitsentzug]] begrüßen, befürchten andere die Etablierung einer Totalüberwachung und erinnern an den "Orwellschen Überwachungsstaat." Andere wiederum hegen Bedenken, die elektronische Überwachung sei eine Art "Urlaub zu Hause" und eigentlich keine [[Strafe]], während manche die Sorge treibt, dass die [[Würde]] des Menschen durch sie gefährdet sei.
Während Befürworter die elektronische Überwachung als sinnvolle, kostengünstige, moderne und humane Alternative zum [[Freiheitsentzug]] begrüßen, befürchten andere die Etablierung einer Totalüberwachung und erinnern an den "Orwellschen Überwachungsstaat." Andere wiederum hegen Bedenken, die elektronische Überwachung sei eine Art "Urlaub zu Hause" und eigentlich keine [[Strafe]], während manche die Sorge treibt, dass die [[Würde]] des Menschen durch sie gefährdet sei.


Die Begleitforschung des Hessischen Modells offenbarte auch kritisch zu beleuchtende Aspekte. Als besonders problematisch bewertet wurde der gerichtlich oftmals nicht kontrollierte Freiraum der Projektmitarbeiter bei der Gestaltung und Kontrolle des Wochenplanes. Bei den von Hessen genutzten Anwendungsbereichen lasse sich des weiteren nicht ausschließen, dass die zustimmenden Probanden zum „falschen Adressatenkreis“ gehören, d. h. dass sie auch ohne die elektronische Überwachung nicht inhaftiert worden wären.
Die Begleitforschung des Hessischen Modells offenbarte auch kritisch zu beleuchtende Aspekte. Als besonders problematisch bewertet wurde der gerichtlich oftmals nicht kontrollierte Freiraum der Projektmitarbeiter bei der Gestaltung und Kontrolle des Wochenplanes. Bei den von Hessen genutzten Anwendungsbereichen lasse sich des weiteren nicht ausschließen, dass die zustimmenden Probanden zum „falschen Adressatenkreis“ gehören, d. h. dass sie auch ohne die elektronische [[Überwachung]] nicht inhaftiert worden wären.




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http://www.copyriot.com/electronic-monitoring/
http://www.copyriot.com/electronic-monitoring/


http://www.grundrechte-report.de/2002/inhalt/details/back/inhalt-2002/article/der-elektronisch-ueberwachte-hausarrest-keine-alternative-zur-freiheitsstrafe/
http://iuscrim.mpg.de/ww/de/pub/forschung/forschungsarbeit/kriminologie/archiv/hausarrest.htm
 
http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1243456/index.html
 
http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2000/pri23_00.htm


http://www.heise.de/tp/r4/artikel/9/9392/1.html


http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1243456/index.html


http://www.swissinfo.ch/ger/Fussfesseln:_ungewisse_Zukunft_trotz_positiven_Erfahrungen.html?cid=6403632


http://www.zeit.de/online/2009/31/elektronische-fussfessel-wuerttemberg?page=all




WBMA Kriminologie 2009/10, Prüfungsleistung Modul 1
--[[Benutzer:Distelin|Distelin]] 23:30, 12. Mär 2010 (CET)
--[[Benutzer:Distelin|Distelin]] 18:18, 11. Mär 2010 (CET)