Edda Weßlau: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Kritik an der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung betrifft die Problematik sog. Vorfeldermittlungen. Das sind Ermittlungen (etwa mittels V-Leuten oder Undercover-Agenten) ohne konkrete Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht im Sinn der Strafprozessordnung begründen. Staatliche Ermittlungen setzen aber nach § 152 II StPO einen solchen Anfangsverdacht voraus. Grund ist das Interesse der Bürger, keinen willkürlichen Ausforschungsermittlungen ausgesetzt zu sein. Im Rechtsstaat soll nicht jeder Bürger als verdächtig, sondern als redlich gelten (sog. Redlichkeitsvermutung; Artikel 20 III, Artikel 1 I GG). Diese Redlichkeitsvermutung stört Polizei und Staatsanwaltschaft, die zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität mittels V-Leuten und Undercover-Agenten versuchen, mittels "Vorfeldermittlungen" in das Beziehungsnetz und die Organisationsstrukturen einzudringen, um erst damit die erforderlichen Informationen zu gewinnen, die als Anfangsverdacht für einen regulären Strafprozess ausreichen können. Der Schutz der Privatsphäre vor Ausforschungsermittlungen des Staates wird auch durch die gesetzliche Pflicht zur Vorfeldermittlung im Bereich der Geldwäsche (§ 9 I GeldwäscheG) tangiert.  
Die Kritik an der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung betrifft die Problematik sog. Vorfeldermittlungen. Das sind Ermittlungen (etwa mittels V-Leuten oder Undercover-Agenten) ohne konkrete Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht im Sinn der Strafprozessordnung begründen. Staatliche Ermittlungen setzen aber nach § 152 II StPO einen solchen Anfangsverdacht voraus. Grund ist das Interesse der Bürger, keinen willkürlichen Ausforschungsermittlungen ausgesetzt zu sein. Im Rechtsstaat soll nicht jeder Bürger als verdächtig, sondern als redlich gelten (sog. Redlichkeitsvermutung; Artikel 20 III, Artikel 1 I GG). Diese Redlichkeitsvermutung stört Polizei und Staatsanwaltschaft, die zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität mittels V-Leuten und Undercover-Agenten versuchen, mittels "Vorfeldermittlungen" in das Beziehungsnetz und die Organisationsstrukturen einzudringen, um erst damit die erforderlichen Informationen zu gewinnen, die als Anfangsverdacht für einen regulären Strafprozess ausreichen können. Der Schutz der Privatsphäre vor Ausforschungsermittlungen des Staates wird auch durch die gesetzliche Pflicht zur Vorfeldermittlung im Bereich der Geldwäsche (§ 9 I GeldwäscheG) tangiert.  


Der in den USA als ''plea bargaining'' bekannte ''Handel mit Gerechtigkeit'' (K.F. Schumann) ersetzt den Nachweis strafbaren Handelns durch einen verfahrensökonomischen Konsens zwischen Anklage und Verteidigung, das Verfahren durch einen Kompromiss zu beenden. Dabei kann ein Unschuldiger so unter Druck gesetzt werden, dass er aus Furcht vor einer langen Freiheitsstrafe eine im Vergleich dazu mildere Sanktion in Kauf nimmt und sich wider besseres Wissen schuldig bekennt.  
Der in den USA als ''plea bargaining'' bekannte ''Handel mit Gerechtigkeit'' (K.F. Schumann) ersetzt den Nachweis strafbaren Handelns durch einen verfahrensökonomischen Konsens zwischen Anklage und Verteidigung, das Verfahren durch einen Kompromiss zu beenden. Dabei kann ein Unschuldiger so unter Druck gesetzt werden, dass er aus Furcht vor einer langen Freiheitsstrafe eine im Vergleich dazu mildere Sanktion in Kauf nimmt und sich wider besseres Wissen schuldig bekennt. In ihrer Habilitationsschrift kritisierte Wesslau die drei zentralen Argumente, die für einen ´partizipatorischen´ Strafprozess mit konsensualen Elementen vorgebracht werden, nämlich:
 
#der Maßstab des geltenden Rechts sei zu anspruchsvoll; wo die Praxis diese Ansprüche nicht einlösen kann, muß der Aufklärungsaufwand reduziert werden
#das geltende Recht müsse ergänzt werden, weil die gewandelten Reaktionsformen auf Kriminalität nur mit meinem Verfahren realisiert werden können, das für einen kooperativen Reaktionsstil steht
#das geltende Recht löse das Legitimationsproblem unbefriedigend, weil es auf ein veraltetes Konzept von ´materieller Wahrheit´ aufbaut; stattdessen müssen Zweckmäßigkeit und Fainess die Legitimationsgesichtspunkte sein.


== Veröffentlichungen ==
== Veröffentlichungen ==
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*[http://books.google.de/books?id=KYkhAAAAQBAJ&pg=PA370&lpg=PA370&dq=Vor(feld)ermittlungen,+Datentransfer+und+Beweisrecht&source=bl&ots=qq39Z4Rir6&sig=NsDxwAh8LjAdmI7khAUl2CdN0X4&hl=en&sa=X&ei=bgBNU5-UKISHswbftoH4DA&ved=0CD4Q6AEwAg#v=onepage&q=Vor(feld)ermittlungen%2C%20Datentransfer%20und%20Beweisrecht&f=false Erb, Volker: §§ 151-212b StPO]
*[http://books.google.de/books?id=KYkhAAAAQBAJ&pg=PA370&lpg=PA370&dq=Vor(feld)ermittlungen,+Datentransfer+und+Beweisrecht&source=bl&ots=qq39Z4Rir6&sig=NsDxwAh8LjAdmI7khAUl2CdN0X4&hl=en&sa=X&ei=bgBNU5-UKISHswbftoH4DA&ved=0CD4Q6AEwAg#v=onepage&q=Vor(feld)ermittlungen%2C%20Datentransfer%20und%20Beweisrecht&f=false Erb, Volker: §§ 151-212b StPO]
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