Edda Weßlau: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Kriminalwissenschaftlerin '''Edda Weßlau''' (* 9. September 1956 in Wolfsburg; † 12. April 2014 in Bremen) wurde bekannt durch ihre Kritik
Die Kriminalwissenschaftlerin '''Edda Weßlau''' (* 9. September 1956 in Wolfsburg; † 12. April 2014 in Bremen) wurde bekannt durch ihre Kritik an der Ausforschung von Bürgern im Namen vorbeugender Verbrechensbekämpfung (Weßlau 1989) und
 
an der Beendigung von Strafverfahren durch Absprachen, deren Druckmechanismus dazu führen kann, dass Unschuldige sich schuldig bekennen, um durch die Inkaufnahme einer weniger schweren Strafe eine höhere zu vermeiden (Weßlau 2002).  
*an der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung und
*an der Tendenz, Strafverfahren durch Absprachen zwischen Anklage und Verteidigung (Deals) zu beenden (Weßlau 1989, 2002).  


Die Kritik an der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung betrifft die Problematik sog. Vorfeldermittlungen. Das sind Ermittlungen (etwa mittels V-Leuten oder Undercover-Agenten) ohne konkrete Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht im Sinn der Strafprozessordnung begründen. Staatliche Ermittlungen setzen aber nach § 152 II StPO einen solchen Anfangsverdacht voraus. Grund ist das Interesse der Bürger, keinen willkürlichen Ausforschungsermittlungen ausgesetzt zu sein. Im Rechtsstaat soll nicht jeder Bürger als verdächtig, sondern als redlich gelten (sog. Redlichkeitsvermutung; Artikel 20 III, Artikel 1 I GG). Diese Redlichkeitsvermutung stört Polizei und Staatsanwaltschaft, die zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität mittels V-Leuten und Undercover-Agenten versuchen, mittels "Vorfeldermittlungen" in das Beziehungsnetz und die Organisationsstrukturen einzudringen, um erst damit die erforderlichen Informationen zu gewinnen, die als Anfangsverdacht für einen regulären Strafprozess ausreichen können. Der Schutz der Privatsphäre vor Ausforschungsermittlungen des Staates wird auch durch die gesetzliche Pflicht zur Vorfeldermittlung im Bereich der Geldwäsche (§ 9 I GeldwäscheG) tangiert.  
Die Kritik an der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung betrifft die Problematik sog. Vorfeldermittlungen. Das sind Ermittlungen (etwa mittels V-Leuten oder Undercover-Agenten) ohne konkrete Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht im Sinn der Strafprozessordnung begründen. Staatliche Ermittlungen setzen aber nach § 152 II StPO einen solchen Anfangsverdacht voraus. Grund ist das Interesse der Bürger, keinen willkürlichen Ausforschungsermittlungen ausgesetzt zu sein. Im Rechtsstaat soll nicht jeder Bürger als verdächtig, sondern als redlich gelten (sog. Redlichkeitsvermutung; Artikel 20 III, Artikel 1 I GG). Diese Redlichkeitsvermutung stört Polizei und Staatsanwaltschaft, die zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität mittels V-Leuten und Undercover-Agenten versuchen, mittels "Vorfeldermittlungen" in das Beziehungsnetz und die Organisationsstrukturen einzudringen, um erst damit die erforderlichen Informationen zu gewinnen, die als Anfangsverdacht für einen regulären Strafprozess ausreichen können. Der Schutz der Privatsphäre vor Ausforschungsermittlungen des Staates wird auch durch die gesetzliche Pflicht zur Vorfeldermittlung im Bereich der Geldwäsche (§ 9 I GeldwäscheG) tangiert.  


*Der in den USA als ''plea bargaining'' bekannte ''Handel mit Gerechtigkeit'' (K.F. Schumann) ersetzt den Nachweis strafbaren Handelns durch einen verfahrensökonomischen Konsens zwischen Anklage und Verteidigung, das Verfahren durch einen Kompromiss zu beenden. Dabei kann ein Unschuldiger so unter Druck gesetzt werden, dass er aus Furcht vor einer langen Freiheitsstrafe eine im Vergleich dazu mildere Sanktion in Kauf nimmt und sich wider besseres Wissen schuldig bekennt.  
Der in den USA als ''plea bargaining'' bekannte ''Handel mit Gerechtigkeit'' (K.F. Schumann) ersetzt den Nachweis strafbaren Handelns durch einen verfahrensökonomischen Konsens zwischen Anklage und Verteidigung, das Verfahren durch einen Kompromiss zu beenden. Dabei kann ein Unschuldiger so unter Druck gesetzt werden, dass er aus Furcht vor einer langen Freiheitsstrafe eine im Vergleich dazu mildere Sanktion in Kauf nimmt und sich wider besseres Wissen schuldig bekennt.  




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In Bremen war sie Studiendekanin und (von 2005-2009) Dekanin, Mitdirektorin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik (ZERP), Mit-Herausgeberin der Schriftenreihe “Bremer Forschungen zur Kriminalpolitik” und Mitglied des Bremer Staatsgerichtshofs.
In Bremen war sie Studiendekanin und (von 2005-2009) Dekanin, Mitdirektorin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik (ZERP), Mit-Herausgeberin der Schriftenreihe “Bremer Forschungen zur Kriminalpolitik” und Mitglied des Bremer Staatsgerichtshofs.


Sie  
Sie beförderte den Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen Fachbereich und Justizsenator, der zu verstärkten personellen Verbindungen führte (Praktiker als Honorarprofessoren; Hochschullehrer auf Richterstellen) und gehörte einer Kommission zur Reform des Sanktionsrechts an, deren Empfehlungen noch der Umsetzung harren.  
 
*beförderte den Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen Fachbereich und Justizsenator, der zu verstärkten personellen Verbindungen führte (Praktiker als Honorarprofessoren; Hochschullehrer auf Richterstellen)  
*war Mitglied einer vom Bundesjustizministerium eingerichteten Kommission zur Reform des Sanktionsrechts, deren umfangreicher Bericht allerdings nach wie vor auf seine Umsetzung wartet
*gab ihre Position als Mitglied der Zentralen Kommission für Frauenfragen der Universität auf eigenen Wunsch auf, um sich voll den Aufgaben des Fachbereichs widmen zu können
*repräsentierte den ursprünglichen Stil der Bremer Juristenausbildung, gekennzeichnet durch intra- und interdisziplinäre Kooperation, die auf einem dichten Netz freundschaftlicher Verbindungen beruhte (auch im Verhältnis zu den Studierenden wurde großen Wert auf gute Ansprechbarkeit der Lehrenden gelegt, häufig symbolisiert durch offene Türen der Dienstzimmer).


[[Johannes Feest]] würdigte sie in einem Nachruf als "hinreißend sympathische, intellektuell anregende und politisch aktive Person." Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen lobte ihre "Kombination aus analytischem Scharfsinn, Kreativität, Mut zur Kritik, konsequentem Gerechtigkeitssinn und schnörkelloser Sprache": "Ihre Fairness im Umgang mit anderen, ihr unbestechliches Handeln, ihre Bereitschaft, Probleme offen anzusprechen, und ihre soziale Solidarität zeichneten sie aus.
In Nachrufen wurde sie als "hinreißend sympathische, intellektuell anregende und politisch aktive Person" ([[Johannes Feest]]) gewürdigt, die durch eine seltene "Kombination aus analytischem Scharfsinn, Kreativität, Mut zur Kritik, konsequentem Gerechtigkeitssinn und schnörkelloser Sprache" ebenso wie durch ihre "Fairness im Umgang mit anderen, ihr unbestechliches Handeln, ihre Bereitschaft, Probleme offen anzusprechen, und ihre soziale Solidarität" (Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen) beeindruckte.  


== Veröffentlichungen von Edda Weßlau ==
== Veröffentlichungen von Edda Weßlau ==
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