Eberhard Schmidhäuser: Unterschied zwischen den Versionen

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Seine Reflexionen über den „Sinn der Strafe“ (1963) lenken den Blick u.a. "auf das Bild der Strafe, die Phänomene in ihrer historischen
Seine Reflexionen über den „Sinn der Strafe“ (1963) lenken den Blick u.a. "auf das Bild der Strafe, die Phänomene in ihrer historischen
Spannweite – von der entsetzlich grausamen Hinrichtung eines Königsmörders im 18. Jahrhundert über den Vollzug einer langen Freiheitsstrafe in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, die mit der offenbar gelungenen Resozialisierung des Täters endete, bis hin zu einer fast verbrechens- und straflosen Gesellschaft, die Stefan Andres in seiner Novelle Wir sind Utopia vorstellt. Dabei geht es Schmidhäuser weniger um den mühsamen Fortschritt – die Utopie ist ohnehin außerhalb des Möglichen – als vielmehr um das Grund-Beunruhigende dieser Extreme" (Köhler 2004).
Spannweite – von der entsetzlich grausamen Hinrichtung eines Königsmörders im 18. Jahrhundert über den Vollzug einer langen Freiheitsstrafe in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, die mit der offenbar gelungenen Resozialisierung des Täters endete, bis hin zu einer fast verbrechens- und straflosen Gesellschaft, die Stefan Andres in seiner Novelle Wir sind Utopia vorstellt. Dabei geht es Schmidhäuser weniger um den mühsamen Fortschritt – die Utopie ist ohnehin außerhalb des Möglichen – als vielmehr um das Grund-Beunruhigende dieser Extreme" (Köhler 2004: 63).
 
Für Schmidhäuser begründet sich die Strafe weder als vergeltende Gerechtigkeit per se noch aus spezialpräventiven Nutzenerwägungen. Sie ist häufig sogar im Verhältnis zum Täter sinnlos. Aber sie "bleibt dennoch notwendig, um zu verhindern, „daß sich das Verbrechen offen in der Gemeinschaft behauptet“. Schmidhäuser belegt dieses Verständnis mit dem Terminus Generalprävention ‒ allgemeine Vorbeugung ‒ und meint auch zugestehen zu müssen, der Verbrecher werde hierbei als Mittel zum Zweck der Gesellschaft gebraucht – gegen den auch nach meiner Überzeugung zwingenden Einwand Kants. Aber in der kritischen Fortentwicklung seines Ansatzes gewinnt das, was Generalprävention
genannt wird, einen Prinzipiengehalt, der jedenfalls mit dem Empirismus einer bloß instrumentellen Abschreckung, auch mit Feuerbachs Theorie des psychologischen Zwangs oder mit aktuellen Vorstellungen einer subjektlosen Systemstabilisierung, nicht identifiziert werden kann. Gegen die Reduktion auf psychologische Mechanismen und gegen
eine moralitätsvergessene Sozialontologie wendet Schmidhäuser sich gleicherweise. Vielmehr steht ihm Generalprävention nach Grund und Ziel für die Gemeinsamkeit eines „einigermaßen gedeihlichen Zusammenlebens“. Zitiert sei aus dem Aufsatz Über Strafe und Generalprävention in der Festschrift für Ernst Amadeus Wolff (1998): „Meine Antwort kommt natürlich (!) auf den Not- und Verstandesstaat (Hegel, Rechtsphilosophie, § 183) hinaus, bedingt allein durch die Tatsache, daß nun einmal Menschen auf dieser Erde leben, die dafür zu sorgen haben, daß ihnen dieses Dasein einigermaßen erträglich sei. Dann ist das Strafen notwendig, um die Friedensordnung zu ermöglichen und zu erhalten, und es ist das Strafrecht notwendig, um die strafende Gewalt in vernünftige Bahnen zu lenken.“ - Im gleichen Kontext gewichtet er den Kant’schen Einwand
neu: Wir dürfen den Bestraften keineswegs „unter die Gegenstände des Sachenrechts“ mengen, sondern müssen „in de Person des Bestraften die Menschenwürde achten“, und: „Die
Beachtung des Schuldprinzips ist hierin eingeschlossen.“ Also: Der Täter wird bestraft zur Aufrechterhaltung der äußeren Friedensordnung, an der er selbst begründend teilhat" (Köhler 2004: 67 ff.).
 
 
== Zitate ==
== Zitate ==
"Unsere Kinder haben wir […] dazu zu erziehen, Verantwortung zu tragen und Strafe auf sich zu nehmen, ohne daß sie in der Strafe eine Verdammung ihrer Person sehen. Wenn sie gelernt haben, ihre Untaten als etwas, das in uns allen steckt, zu bekennen, dann werden sie auch einer staatlichen Strafe einen Sinn zu geben vermögen: daß sie nicht
"Unsere Kinder haben wir […] dazu zu erziehen, Verantwortung zu tragen und Strafe auf sich zu nehmen, ohne daß sie in der Strafe eine Verdammung ihrer Person sehen. Wenn sie gelernt haben, ihre Untaten als etwas, das in uns allen steckt, zu bekennen, dann werden sie auch einer staatlichen Strafe einen Sinn zu geben vermögen: daß sie nicht
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
*[http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/serien/aa/Hamburger-Universitaetsreden/N.F.6.pdf Michael Köhler, Über Schuld und Strafe]
*[http://hup.sub.uni-hamburg.de/opus/volltexte/2008/54/chapter/HamburgUP_HUR06_Zeuner.pdf Albrecht Zeuner, Begegnung mit Eberhard Schmidhäuser]
*[http://hup.sub.uni-hamburg.de/opus/volltexte/2008/54/chapter/HamburgUP_HUR06_Zeuner.pdf Albrecht Zeuner, Begegnung mit Eberhard Schmidhäuser]
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