Eberhard Schmidhäuser

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Eberhard Schmidhäuser (*10.10.1920 in Stuttgart; † 6.3.2002 Hamburg), der Sohn eines Heilbronner Strafanstaltsleiters, begründete eine eigene teleologische Straftatsystematik und war seit 1963 Strafrechtsprofessor in Hamburg.

Nach Abitur in Heilbronn (1938) ging Schmidhäuser zum Wehrdienst, der zum Kriegsdienst wurde und am ersten Tag des Rußlandfeldzugs zu einer Verletzung führte, an die sich weit über ein Jahr Lazarettaufenthalt anschloss. 1942 Beginn des Jurastudiums, dann Tätigkeiten als Referendar und als Richter, Promotion (1952), Habilitation (1955), Ordinarius für Strafrecht und Strafprozessrecht in Göttingen (1959-63) und Hamburg (1963-1986). An der Universität Hamburg lehrte und forschte er bis zu seinem Tode.

Straftheorie

Schmidhäuser forderte, alle strafrechtliche Begriffsbildung und Systematik auf ihre Relevanz für die Strafrechtsfolgen (= die Strafe) hin zu rechtfertigen. „Vom Sinn der Strafe“ (1963, 2. Aufl. 1971) war er überzeugt: nur sie könne die Generalprävention leisten, die als notwendige Voraussetzung für die Existenzsicherung des Gemeinwesens unabdingbar sei. Die Strafe sei also weder als vergeltende Gerechtigkeit per se noch aus spezialpräventiven Nutzenerwägungen allein zu rechtfertigen. Sie sei häufig genug sogar sinnlos im Verhältnis zum Täter. Aber sie sei notwendig, um zu verhindern, „daß sich das Verbrechen offen in der Gemeinschaft behauptet“ (= Generalprävention).

Seine Reflexionen über den „Sinn der Strafe“ (1963) lenken den Blick u.a. "auf das Bild der Strafe, die Phänomene in ihrer historischen Spannweite – von der entsetzlich grausamen Hinrichtung eines Königsmörders im 18. Jahrhundert über den Vollzug einer langen Freiheitsstrafe in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, die mit der offenbar gelungenen Resozialisierung des Täters endete, bis hin zu einer fast verbrechens- und straflosen Gesellschaft, die Stefan Andres in seiner Novelle Wir sind Utopia vorstellt. Dabei geht es Schmidhäuser weniger um den mühsamen Fortschritt – die Utopie ist ohnehin außerhalb des Möglichen – als vielmehr um das Grund-Beunruhigende dieser Extreme" (Köhler 2004: 63).

Zitate

„Meine Antwort kommt natürlich (!) auf den Not- und Verstandesstaat (Hegel, Rechtsphilosophie, § 183) hinaus, bedingt allein durch die Tatsache, daß nun einmal Menschen auf dieser Erde leben, die dafür zu sorgen haben, daß ihnen dieses Dasein einigermaßen erträglich sei. Dann ist das Strafen notwendig, um die Friedensordnung zu ermöglichen und zu erhalten, und es ist das Strafrecht notwendig, um die strafende Gewalt in vernünftige Bahnen zu lenken“ (Über Strafe und Generalprävention in der Festschrift für Ernst Amadeus Wolff 1998)
"Unsere Kinder haben wir […] dazu zu erziehen, Verantwortung zu tragen und Strafe auf sich zu nehmen, ohne daß sie in der Strafe eine Verdammung ihrer Person sehen. Wenn sie gelernt haben, ihre Untaten als etwas, das in uns allen steckt, zu bekennen, dann werden sie auch einer staatlichen Strafe einen Sinn zu geben vermögen: daß sie nicht an ihr zugrunde gehen, sondern an ihr wachsen“ (Vom Sinn der Strafe, 2. Aufl., Göttingen 1971, S. 108).
„Die gedeihliche Existenz jedes staatlichen Gemeinwesens hängt davon ab, daß sich eine Mindestordnung des Zusammenlebens gegen den Egoismus jedes einzelnen notfalls mit Gewalt durchsetzt" (Strafrecht, Allgemeiner Teil, Lehrbuch, 2. Aufl., Tübingen 1975, Rn. 3/4).

Veröffentlichungen von Eberhard Schmidhäuser

  • Verbrechen und Strafe (1996) München : Beck, 2., überarb. Aufl.
  • Objektive Strafbarkeitsbedingungen, in: ZStW 71, 1959, S. 545-64
  • Zur Frage nach d. Ziel d. Strafprozesses, in: FS f. Eberhard Schmidt, 1961, S. 511-24
  • Über Aktualität u. Potentialität d. Unrechtsbewußtseins, in: FS f. Hellmuth Mayer, 1966, S. 317-38
  • Zur Systematik d. Verbrechenslehre, in: Gedächtnisschr. f. Gustav Radbruch, 1968, S. 268-80
  • Vorsatzbegriff u. Begriffsjurisprudenz im Strafrecht, 1968
  • Der Unrechtstatbestand, in: FS f. Karl Engisch, 1969, S. 433-55
  • Einf. in d. Strafrecht, 1972
  • Strafrecht, Allg. Teil, Stud.buch, 1982, 21984 (mit H. Alwart)
  • Strafrecht, Besonderer Teil, Grundriß, 1980, 2. Aufl. 1983
  • Das Verbrechen in Kleists „Marquise von O …“, in: Kleist-Jb. 1986, S. 156-75
  • Vom Verbrechen z. Strafe, Albert Gamus „Der Fremde“, 1992
  • Verbrechen u. Strafe, Ein Streifzug durch d. Weltlit. v. Sophokles bis Dürrenmatt, 1995, 2. Aufl. 1996
  • Über Strafe u. Gen.Prävention, in: FS f. E. A. Wolf, 1998, S. 443-58
  • Goethes Denken über Recht u. Staat aus d. Sicht v. gestern u. heute, in: Goethe-Jb. 116, 1999, S. 178-90.
  • Aufruf zu intellektueller Redlichkeit, EuS, 2001: 115‐118.

Veröffentlichungen über Eberhard Schmidhäuser

  • K. Lackner, Rez. v. Strafrecht Allg. T., Lehrb., 1970, in: Jur.ztg. 1973, S. 69-71.
  • ders., Rez. v. Strafrecht Allg. T., Lehrb., 21975, ebd. 1978, S. 210-12.
  • W. Langer, Strafrechtsdogmatik als Wiss., E. S. z. 70. Geb.tag am 10. Okt. 1990, in: Goltdammer's Archiv f. Strafrecht, 1990, S. 435-66.
  • H. Müller-Dietz, (Straf-)Gerechtigkeit im Spiegel d. Weltlit., ebd., 1995, S. 499-514.
  • W. Langer, E. S. z. 80. Geb.tag, in: NJW, 2000, S. 3045 f.; ders., ebd., 2002, S. 2008 f.
  • H. Alwart, in: Jur.ztg., 1992, S. 879 f.; Hamburger Univ.reden, NF 6, 2004 (P).


Weblinks