Dunkelfeld: Unterschied zwischen den Versionen

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==== Etymologie ====
Der Begriff des Dunkelfelds (engl.: „dark figure“, „dark field“; port.: „cifra escura“; span.: „cifra negra“; frz.: „champ obscure“; ndl.: „verborgen criminaliteit“) bezeichnet die im Dunkeln gebliebene, nicht aufgedeckte Devianz oder Kriminalität. Gelegentlich wird (aus der Labeling Perspektive) bestritten, dass der Begriff überhaupt sinnvoll sei, da es ein Dunkelfeld unentdeckter Kriminalität gar nicht geben könne.
 
Eine etymologische Einordnung des Begriffes scheint kaum möglich, da er, im etymologischen Sinne, keine eigene „begriffliche Geschichte“ vorzuweisen hat. Stattdessen sollen hier Übersetzungen in andere Sprachen aufgeführt werden, welche keinen Ersatz für die Herkunft, Geschichte und Wandlung des Wortes darstellen, jedoch nicht minder informativ sind: (Sollte ein Leser in der Lage sein, noch weitere Übersetzungen anzufügen, ist er hiermit herzlich dazu aufgefordert!!)
 
*Englisch: „dark figure“ oder auch „dark field“
*Portugiesisch: „cifra escura“
*Spanisch: „cifra negra“
*Französisch: „champ obscure“
*Niederländisch: „verborgen criminaliteit“


==== Definition(en) ====
==== Definition(en) ====


Der Begriff „Dunkelfeld“ wird in der Literatur uneinheitlich verwendet und es existieren verschiedene Definitionen parallel nebeneinander. Allen gemein sind aber diejenigen Aspekte, welche sich aus dem Wort selbst ergeben:   
Der Begriff „Dunkelfeld“ wird in der Literatur uneinheitlich verwendet. Allen gemein sind aber diejenigen Aspekte, welche sich aus dem Wort selbst ergeben:   


*das Wort „Dunkel“ gibt einen Hinweis darauf, dass weder Ausmaß noch Inhalt qualitativ als auch quantitativ, ohne die Formulierungen weiterer eingrenzender Kriterien oder bestimmter methodologischer Vorgehensweisen, offen ersichtlich sind, sondern im Verborgenen liegen
*das Wort „Dunkel“ gibt einen Hinweis darauf, dass weder Ausmaß noch Inhalt qualitativ als auch quantitativ, ohne die Formulierungen weiterer eingrenzender Kriterien oder bestimmter methodologischer Vorgehensweisen, offen ersichtlich sind, sondern im Verborgenen liegen
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*„Feld“ deutet an, dass es sich auf einen bestimmten abgrenzbaren Aspekt einer übergeordneten Kategorie oder Größe bezieht
*„Feld“ deutet an, dass es sich auf einen bestimmten abgrenzbaren Aspekt einer übergeordneten Kategorie oder Größe bezieht


Ferner stimmen alle Definitionen darin überein, dass es sich beim Dunkelfeld um Erscheinungen handelt, die sich auf die Sichtbarkeit und Sichtbarmachung kriminellen Verhaltens beziehen. In diesem Sinne bezieht sich das Dunkelfeld auf die Diskrepanz zwischen einer objektiv vorhandenen Realität und einer Erkennung, Registrierung, Benennung oder Verwertung selbiger. Es beschreibt daher eine objektiv vorhandene Realität, über die sämtliche realitätsbeschreibenden Informationen fehlen. Hierunter werden sowohl personenbezogene Informationen, als auch sachbezogene Informationen verstanden. Deshalb ist die „angenommene“ Realität auch nicht sichtbar, ihr tatsächliches Vorhandensein kann, bzw. wird, lediglich vermutet (vgl. [[Sack]], 1985)
Ferner stimmen alle Definitionen darin überein, dass es sich beim Dunkelfeld um Erscheinungen handelt, die sich auf die Sichtbarkeit und Sichtbarmachung kriminellen Verhaltens beziehen. In diesem Sinne bezieht sich das Dunkelfeld auf die Diskrepanz zwischen einer objektiv vorhandenen Realität und dem erkannten, benannten, registrierten oder bearbeiteten Teil derselben. Es beschreibt daher eine objektiv vorhandene Realität, über die sämtliche personen- und sachbezogenen realitätsbeschreibenden Informationen fehlen. Deshalb ist die „angenommene“ Realität auch nicht sichtbar, ihr tatsächliches Vorhandensein kann, bzw. wird, lediglich vermutet (vgl. [[Sack]], 1985). Je nach Verwendung des Begriffs lässt sich dieses Paradox jedoch auch auflösen. So können politische Morde, die während einer Diktatur unentdeckt blieben, später aufgedeckt und bestimmten Tätern zugeordnet werden. Dann lässt sich sagen, dass sie während der Erstellung der polizeilichen Statistiken im Dunkelfeld geblieben waren und erst mit gewissem zeitlichen Abstand ins Hellfeld gehoben wurden. Rückblickend kann man dann sogar sagen, welche personen- und sachbezogenen Informationen während der Diktatur im Dunkelfeld geblieben waren.
 


''Übersicht über die in der Literatur verwendeten Definitionen''
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==== Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt? ====
==== Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt? ====


Der Beginn des nach wie vor andauernden Dunkelfelddiskurses steht im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Kriminalstatistiken, da diese als Sammelstation für offiziell registrierte Kriminalität (welche als [[Hellfeld]] bezeichnet wird), die Voraussetzung für eine nicht „offiziell“ bekannte Kriminalität schufen. Hierbei ist der Hinweis von Bedeutung, das es aus erkenntnistheoretischer Sichtweise problematisch ist, das Dunkelfeld als die Gesamtheit der nicht registrierten Kriminalität zu bezeichnen, denn Kriminalität ist keine Eigenschaft an sich, sondern ein Verhaltensattribut, das in einem Selektions- und Definitionsprozess von Seiten der offiziellen sozialen Kontrolle konstituiert wird. Daher ergibt sich die Frage, wie man ein vermutetes Verhalten als [[Delikt]] und dessen Protagonisten als Straftäter bezeichnen kann, wenn das Wissen um beide Aspekte den gesetzlich dazu berufenen Institutionen des Rechtsapparates nicht zur Verfügung steht. Für die Dunkelfeldkriminalität werden daher dieselben Konstruktionskriterien herangezogen, welche auch auf die offiziell bekannten Verhaltensweisen angewendet werden, welche dadurch als Kriminalität in die offiziellen Kriminalstatistiken eingehen. (vgl. Kunz, 1994) Daraus ergibt sich ein weiterer wichtiger Aspekt, denn die Legaldefinition von [[Kriminalität]] beinhaltet zu unterschiedlichen Zeiten und Kulturen unterschiedliche Klassen von Verhaltensweisen, soll heißen, dass die normative Realität relativ ist (Scheerer/ Pfeiffer, 1979) Deshalb ist auch das Dunkelfeld relativ und selbigen Schwankungen unterworfen.
Der Dunkelfelddiskurs steht im Zusammenhang mit der Entwicklung der Kriminalstatistiken, da diese als Sammelstation für offiziell registrierte Kriminalität (welche als [[Hellfeld]] bezeichnet wird), gewissermaßen die Folie schufen, vor welcher sich die Frage aufdeckte, wie es wohl um Umfang und Erscheinungsformen der nicht registrierten Kriminalität bestellt sei.
 
Hierbei ist der Hinweis von Bedeutung, das es aus erkenntnistheoretischer Sichtweise problematisch ist, das Dunkelfeld als die Gesamtheit der nicht registrierten Kriminalität zu bezeichnen, denn Kriminalität ist keine Eigenschaft an sich, sondern ein Verhaltensattribut, das in einem Selektions- und Definitionsprozess von Seiten der offiziellen sozialen Kontrolle konstituiert wird. Daher ergibt sich die Frage, wie man ein vermutetes Verhalten als [[Delikt]] und dessen Protagonisten als Straftäter bezeichnen kann, wenn das Wissen um beide Aspekte den gesetzlich dazu berufenen Institutionen des Rechtsapparates nicht zur Verfügung steht.
 
Für die Dunkelfeldkriminalität werden daher dieselben Konstruktionskriterien herangezogen, welche auch auf die offiziell bekannten Verhaltensweisen angewendet werden, welche dadurch als Kriminalität in die offiziellen Kriminalstatistiken eingehen. (vgl. Kunz, 1994) Daraus ergibt sich ein weiterer wichtiger Aspekt, denn die Legaldefinition von [[Kriminalität]] beinhaltet zu unterschiedlichen Zeiten und Kulturen unterschiedliche Klassen von Verhaltensweisen, soll heißen, dass die normative Realität relativ ist (Scheerer/ Pfeiffer, 1979). Deshalb ist auch das Dunkelfeld relativ und selbigen Schwankungen unterworfen.
   
   
In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in mehreren europäischen Statten so genannte „Criminal- Tabellen“ eingeführt. Diese hatten die Funktion, den Regierungen die Kontrolle und einen Einblick in die Arbeit der Organe der Rechtspflege und denen der Justizverwaltung zu verschaffen. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Veränderung für das Verständnis und die Bedeutung des gesammelten Materials. So waren es überwiegend die französischen Moral- und Sozialstatistiker, die damit begannen, die Statistiken der Strafrechtspflege als Indikatoren für den Umfang und die Struktur von [[Kriminalität]], dessen Stand und Bewegung, die Zusammensetzung des Täterkreises, sowie für kriminalpolitische und kriminologisch Erkenntnisinteressen, zu verwenden. Das Ziel war es, in der Tradition des Positivismus, eine exakte Gesellschaftslehre zu entwickeln, welche Gesetzte hervorbringen sollte, welche Kriminalität für die Wissenschaft transparent, im besten Falle sogar vorhersehbar machen sollten.(vgl, Steffen, 1993) Dies ist nur möglich, wenn die Statistiken die gesamte Kriminalität erfassen würden. Und genau an diesem Punkt spielt das Dunkelfeld die entscheidende Rolle. Bereits die frühen Denker der Kriminologie, (z.B. [[Quetelet]] 1836, Ferri 1896) hatten keinen Zweifel daran, dass die in den Kriminalstatistiken  ausgewiesenen bekannt gewordenen, ab- und verurteilten Straftaten und –täter nur einen Bruchteil der tatsächlich existierenden Kriminalität darstellten. (Heinz, 1972) Die [[Kriminologie]] war eine lange Zeit von der Annahme geprägt, dass es ein konstantes Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld gäbe. So formulierte Adolphe [[Quetelet]] 1869 in seinem Werk „Physique sociale ou essai sur le développement des facultés de l'homme“, dass dieses (konstante) Verhältnis notwendig sei, da ansonsten alles was bis dato über [[Verbrechen]] aufgrund der statistischen Unterlagen ausgesagt wurde falsch und absurd sei. (vgl. [[Schwindt]] 2001)
Bereits die frühen Denker der Kriminologie, (z.B. [[Quetelet]] 1836, Ferri 1896) hatten keinen Zweifel daran, dass die in den Kriminalstatistiken  ausgewiesenen bekannt gewordenen, ab- und verurteilten Straftaten und –täter nur einen Bruchteil der tatsächlich existierenden Kriminalität darstellten. (Heinz, 1972) Die [[Kriminologie]] war eine lange Zeit von der Annahme geprägt, dass es ein konstantes Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld gäbe. So formulierte Adolphe [[Quetelet]] 1869 in seinem Werk „Physique sociale ou essai sur le développement des facultés de l'homme“, dass dieses (konstante) Verhältnis notwendig sei, da ansonsten alles was bis dato über [[Verbrechen]] aufgrund der statistischen Unterlagen ausgesagt wurde falsch und absurd sei. (vgl. [[Schwindt]] 2001)
   
   
[[Quetelet]] ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der [[Anzeigebereitschaft]] der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:
[[Quetelet]] ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der [[Anzeigebereitschaft]] der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:
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